In vier Artikeln der Zeitung Ta Kung Pao wird Kardinal Joseph Zen mit der Hongkonger Protestbewegung 2019 und dem demokratischen Lager in Verbindung gebracht, die vom kommunistischen Regime mit dem neuen Sicherheitsgesetz zum Schweigen gebracht wurden. AsiaNews sieht darin mögliche Vorboten für ein bevorstehendes hartes Durchgreifen gegen religiöse Aktivitäten in Hongkong. Christliche Schulen könnten dabei das wahrscheinlich erste Ziel des Angriffs sein.
„Die Pekinger Presse hat es auf den betagten Kardinal Joseph Zen Ze-kiun (90 Jahre alt) abgesehen“, den emeritierten Bischof von Hongkong, graue Eminenz der chinesischen Untergrundkirche und bekannter Unterstützer der Hongkonger Demokratiebewegung“, so AsiaNews.
Mit vier Artikeln beschuldigte Ta Kung Pao in der letzten Januarwoche den Kardinal, die Studenten 2019 nicht etwa unterstützt, sondern zum Aufstand angestiftet zu haben. Das Regime hat einen Sündenbock gefunden und zeigt mit dem Finger auf ihn.
Ta Kung Pao erscheint seit 1902 und ist damit die älteste noch heute veröffentlichte Tageszeitung Chinas. Seit der kommunistischen Machtergreifung 1949 ist sie vom Regime abhängig und der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) hörig.
Kardinal Zen ist wegen seiner Kritik an der Kontrolle der KPCh über die Religionsgemeinschaften und den staatlichen Repressionen in Peking alles andere als beliebt. Er verurteilte die Zerstörung von Kirchen, die Entfernung von Kreuzen und anderer christlicher Symbole aus der Öffentlichkeit und zelebriert jährlich eine Messe zum Gedenken an die jungen Menschen, die als „Märtyrer vom Tiananmen“ in die Geschichte eingegangen sind, als sie am 4. Juni 1989 von Milizen und mit Panzern angerücktem Militär massakriert wurden, weil sie Freiheit und Demokratie gefordert hatten. Der Kardinal ist auch ein vehementer Kritiker des Geheimabkommens zwischen dem Vatikan und der Volksrepublik China über die Ernennung von Bischöfen.
Er tritt für die Grund- und Bürgerrechte der Menschen in Hongkong und auf dem chinesischen Festland ein. Als der Übergang der einstigen Kronkolonie an das kommunistische Großreich erfolgte, garantierte Peking die Beibehaltung von Demokratie und Freiheitsrechten. Zunächst gab es freie Wahlen, doch inzwischen kontrolliert das Regime Legislative und Exekutive von Hongkong und verhindert, daß Wahlen daran noch etwas ändern können.
Ta Kung Pao, was ironischerweise „Unparteiische Zeitung“ heißt, titelte: „Kardinal Zen nutzt religiösen Status, um in Hongkong Chaos zu stiften“. Das regimehörige Blatt wirft ihm vor, „Kontakte“ zu praktizierenden Katholiken zu unterhalten, die auch in der Demokratiebewegung führend sind, darunter dem Medieneigner Jimmy Lai und dem Gründer der Demokratischen Partei Martin Lee. Beide waren verhaftet und verurteilt worden, weil sie an Kundgebungen für die Demokratie teilgenommen hatten, die von den Kommunisten und ihren Handlangern als „staatsfeindlich“ verboten worden waren.
Dem Kardinal wird von der Zeitung bei ihrem Versuch, ein „gefährliches“ Netzwerk des Kardinals zu konstruieren, auch zum Vorwurf gemacht, daß viele der verhafteten Freiheitsaktivisten christliche Schulen besucht hätten. Die Zeitung behauptet, in diesen Schulen seien die Studenten durch christliche Kirchen zur Rebellion angestiftet und ihnen dann Zuflucht gewährt worden.
Dahinter steckt offenbar die Absicht der Kommunistischen Partei, den nächsten Schritt der „Eingliederung“ Hongkongs in ihr totalitäres Regime zu vollziehen: Auch die katholische Kirche in Hongkong, alle dortigen Religionsgemeinschaften und religiösen Einrichtungen sollen der totalen Kontrolle der Kommunistischen Partei unterworfen werden, wie dies in Festlandchina schon seit 1949 Praxis ist.
Bislang unterliegen sie in Hongkong nicht dem Diktat der Partei und dem Programm der „Sinisierung“ der Religionen, das Staats- und Parteichef Xi Jinping den Religionen in Festlandchina auferlegt hat. Damit erreicht die Dialektik in den Beziehungen zwischen Regime und Kirche eine neue Ebene, denn der Heilige Stuhl ist zugleich Vertragspartner des Regimes beim Geheimabkommen von 2018 über die Bischofsernennungen.
In der Vergangenheit gingen Repressionen und Verhaftungswellen regelmäßig Medienkampagnen voraus. Der Angriff auf Kardinal Zen ist demnach mehr ein Fingerzeig für die amtierende Kirchenhierarchie der Diözese Hongkong. Ihr wird eine Botschaft übermittelt. Eine Drohbotschaft. Aus Rom dürfte wenig Unterstützung zu erwarten sein.
Die katholische Kirche ist seit der Zerschlagung der Demokratiebewegung die einzige organisierte unabhängige Realität in Hongkong und damit ganz China, die sich ein gewisses Maß an Autonomie bewahrt hat. Peking ist jede Autonomie ein Dorn im Auge. Das Regime will totale Kontrolle. Beobachter gehen aufgrund der Artikelreihe davon aus, daß die christlichen Schulen Hongkongs, allen voran die katholischen, zur ersten Zielscheibe eines bevorstehenden Angriffs gegen religiöse Einrichtungen werden könnten.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: AsiaNews
Außerden „gibt es kein Problem, ich wiederhole es, wie schwierig es auch sein mag, das heute nicht durch die Zuflucht zum Rosenkranzgebet gelöst werden kann“, sagte die Seherin von Fatima, Sr. Lucia dos Santos, in einem Interview im Dezember 1957.
Hier zeigt sich die Schwäche der Kirche durch die quasi Glaubensspaltung.