
(Hong Kong) Kardinal Joseph Zen, der emeritierte Bischof von Hongkong und graue Eminenz der chinesischen Untergrundkirche, wurde gestern 90 Jahre alt. Bei rüstiger Gesundheit gehört er zu den kräftigsten und mutigsten, aber in Santa Marta ungehörten Stimmen der Kirche.
Aufgrund seines langen Lebens erlebte er seit seiner Emeritierung bereits drei Nachfolger auf dem Bischofsstuhl von Hongkong. Zwei von ihnen, Kardinal John Tong, Bischof von 2009 bis 2017, und der amtierende Bischof Stephen Chow Sau-yan SJ, der am 4. Dezember geweiht wurde, gratulierten ihrem Vorgänger in einer schlichten Feier. Der dritte, Msgr. Michael Yeung, war im Januar 2019 nach nur anderthalb Jahren im Amt verstorben.
In kurzen Glückwünschen schrieb die Diözese: „Möge die Gegenwart des Herrn Jesus Sie begleiten und Ihnen seinen Segen und die Fülle der Gnade an diesem besonderen Tag schenken.“
Am Vormittag hatte sich Kardinal Zen auf seiner Facebook-Seite an die vielen Menschen aus aller Welt gewandt, die ihm ihre besten Wünsche übermittelt hatten.
„Ich danke dem Herrn für das Geschenk des Lebens und für meine Berufung, als Priester und Salesianer ein Diener Gottes für unsere lieben Jugendlichen und Sie alle zu sein. In all den Jahren habe ich mich immer wieder gefragt: ‚Habe ich die Pläne erfüllt, die Gott für mich hat?‘ Ich hoffe, den Herrn nie enttäuscht zu haben. Ich danke Ihnen von ganzem Herzen!“
Kardinal Zen wurde am 13. Januar 1932 in Yang King-pang in der Diözese Shanghai geboren. Er trat im August 1949, kurz vor der Ausrufung der kommunistischen Volksrepublik China, in den Salesianerorden ein und wurde 1961 in Turin zum Priester geweiht. Er war Dozent an Priesterseminaren in Hongkong und auf dem chinesischen Festland sowie Provinzoberer seines Ordens für China. Am 13. September 1996, wenige Monate vor der Rückgabe Hongkongs an China, wurde er von Johannes Paul II. zum Koadjutor von Kardinal John Baptist Wu ernannt, dem er 2002 als Bischof von Hongkong nachfolgte.
Kardinal Zen wurde zum Leuchtturm der Verteidigung der freien Religionsausübung, der Menschenrechte und der Rechte der Kirche in China. 2006 erhob ihn Papst Benedikt XVI. in den Kardinalsrang. Kurz nach Vollendung seines 77. Lebensjahres wurde er emeritiert.
Seither erhebt er mit ganzem Einsatz seine Stimme für die Freiheit von Chinas Katholiken und die Freiheit Hongkongs. Während der Proteste der Regenschirm-Bewegung ging er an der Seite der Studenten auf die Straße. In den vergangenen Jahren stemmte er sich offen und energisch gegen die neue Ostpolitik des Vatikans, besonders gegen das Geheimabkommen über die Bischofsernennungen, das 2018 zwischen dem Heiligen Stuhl und der kommunistischen Staatsführung in Peking unterzeichnet wurde. Im September 2019 wandte er sich mit einem Schreiben an alle Mitbrüder im Kardinalsrang, um ihnen das eklatante Scheitern des Geheimabkommens darzulegen:
„Können wir tatenlos zusehen, wie die Kirche in China getötet wird durch jene, die sie vor den Feinden schützen und verteidigen sollten?“
Anlaß war die Veröffentlichung von Pastoralen Orientierungen zur Registrierung des Klerus für die Bischöfe, Priester und Gläubigen in China im Gefolge des Geheimabkommens. Kardinal Zen unterzog die Orientierungen einer vernichtenden Kritik:
„Mit dem neuen China-Dokument des Vatikans könnte man sogar Apostasie rechtfertigen.“
Am 8. Mai 2020 gehörte er zu den Unterzeichnern der Warnung an die Kirche und die Welt:
„Es gibt Mächte, die Corona für den Griff nach der Weltherrschaft mißbrauchen wollen.“
Text: Giuseppe Nardi
Bild: AsiaNews