Der neue Großmeister des (nicht mehr souveränen) Malteserordens

Kehrt nach sieben turbulenten Jahren Ruhe beim ältesten Ritterorden der Welt ein?


Fra John Dunlap legte am Mittwochabend als 81. Großmeister und Fürst des Souveränen Malteserordens seinen Amtseid ab.
Fra John Dunlap legte am Mittwochabend als 81. Großmeister und Fürst des Souveränen Malteserordens seinen Amtseid ab.

(Rom) Am Mitt­woch, dem 3. Mai, wähl­te der Sou­ve­rä­ne Mal­te­ser­or­den Fra John Dun­lap zum neu­en Groß­mei­ster und Für­sten. Er ist der erste Nord­ame­ri­ka­ner an der Spit­ze des älte­sten Rit­ter­or­dens der Welt und auch der erste Fürst und Groß­mei­ster, der nicht den bis­he­ri­gen Vor­aus­set­zun­gen ade­li­ger Abstam­mung entspricht.

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Der 66jährige Kana­di­er stu­dier­te Rechts­wis­sen­schaf­ten in Niz­za, Otta­wa und Onta­rio und übte den Beruf eines Rechts­an­walts in den Staa­ten New York und Onta­rio aus. Seit den 80er Jah­ren lei­ste­te er neben­bei 30 Jah­re lang ehren­amt­li­chen Dienst im Car­di­nal Coo­ke Medi­cal Cen­ter in Har­lem, wo er AIDS-Kran­ke und ande­re Pati­en­ten betreu­te. In die­ser Zeit reif­te sei­ne Ordens­be­ru­fung. Seit 1996 gehört er dem Mal­te­ser­or­den an. 2008 leg­te er die fei­er­li­chen Gelüb­de ab und rück­te damit zu den Pro­feß­rit­tern auf. Seit 2009 gehört er dem Sou­ve­rä­nen Rat, der Regie­rung des Ordens an, der ein sou­ve­rä­nes Völ­ker­rechts­sub­jekt ist. 

Nach dem über­ra­schen­den Tod des 80. Groß­mei­sters Gia­co­mo Dal­la Tor­re del Tem­pio di San­gui­net­to, des­sen bemer­kens­wer­te­ste Amts­hand­lung dar­in bestand, 2019 den über­lie­fer­ten Ritus im Mal­te­ser­or­den zu ver­bie­ten, wur­de Fra Mar­co Luz­za­go im Novem­ber 2020 bis zur Neu­wahl eines Groß­mei­sters zum Statt­hal­ter gewählt. Im Novem­ber 2021 starb der gestürz­te Groß­mei­ster Fra Matthew Fest­ing und wur­de auf eige­nen Wunsch in der Mal­te­s­er­kir­che auf Mal­ta bei­gesetzt.

Fra Dun­lap am 23. Juni 2022 bei Papst Franziskus

Als im Juni 2022 auch Fra Luz­za­go uner­war­tet ver­starb, miß­ach­te­te Papst Fran­zis­kus, der unge­dul­dig gewor­den war, die Eigen­stän­dig­keit des Ordens voll­stän­dig und ernann­te ohne Wahl eigen­mäch­tig Fra Dun­lap zum neu­en Statt­hal­ter. Der Orden war damit voll­ends entmachtet. 

Der Hei­li­ge Stuhl argu­men­tier­te, daß der Ein­griff von Papst Fran­zis­kus es dem Mal­te­ser­or­den ermög­li­che, „den Reform­pro­zeß zu beschleu­ni­gen und bald dar­auf zu einer ordent­li­chen Ver­wal­tung unter einem Groß­mei­ster zurück­zu­keh­ren“. Dem Orden blieb nichts ande­res, als öffent­lich zu erklä­ren, „dem Hei­li­gen Vater für sei­ne väter­li­che Für­sor­ge dank­bar“ zu sein.

Elf Mona­te spä­ter sind die von San­ta Mar­ta gewünsch­ten Refor­men umge­setzt und der von Fran­zis­kus im Wider­spruch zu den Ordens­kon­sti­tu­tio­nen ein­ge­setz­te Statt­hal­ter wur­de nun „mit abso­lu­ter Stim­men­mehr­heit“ zum neu­en Groß­mei­ster gewählt.

Noch am Mitt­woch­abend wur­de der 81. Groß­mei­ster in der Ordens­kir­che auf dem Aven­tin ver­ei­digt und in sein Amt ein­ge­führt. Auf­grund der von Papst Fran­zis­kus ver­lang­ten Neu­fas­sung der Ordens­kon­sti­tu­ti­on wur­de Fra Dun­lap nicht mehr auf Lebens­zeit gewählt, wie es für sei­ne 80 Vor­gän­ger galt, son­dern nur mehr für zehn Jah­re. Soll­te künf­tig ein Groß­mei­ster bei sei­ner Wahl bereits älter als 75 sein, muß er mit Voll­endung des 85. Lebens­jah­res sogar vor­zei­tig zurücktreten.

Alle Schrit­te erfolg­ten unter der Auf­sicht von Kar­di­nal Sil­va­no M. Toma­si, dem Son­der­de­le­ga­ten des Pap­stes. Ent­spre­chend schnell erfolg­te die Bestä­ti­gung von Dun­laps Wahl durch San­ta Marta.

Demontage der Souveränität

2016 explo­dier­te im Orden ein Kon­flikt um des­sen Aus­rich­tung, unter dem seit­her die Sou­ve­rä­ni­tät des Ordens schwer zu lei­den hat­te. Im Streit zwi­schen dem Groß­kanz­ler Albrecht von Boe­se­la­ger und dem 79. Groß­mei­ster Fra Matthew Fest­ing stell­te sich Papst Fran­zis­kus auf die Sei­te Boe­se­la­gers und zwang den Groß­mei­ster Ende Janu­ar 2017 zum Rück­tritt. Hin­ter­grund war die Mit­wir­kung des ordens­ei­ge­nen Hilfs­werks, im Sinn von UNO-Agen­tu­ren, bei der Ver­tei­lung von Ver­hü­tungs­mit­teln in Kri­sen­ge­bie­ten, Unge­reim­hei­ten bei einem Mil­lio­nen­er­be und der Vor­wurf frei­mau­re­ri­scher Infil­tra­tio­nen.

Nach dem erzwun­ge­nen Rück­tritt des Groß­mei­sters kam es zu einer spek­ta­ku­lä­ren Pro­test­ak­ti­on in Rom.

Auf die­sen radi­ka­len Ein­griff in die inne­re Ord­nung des Rit­ter­or­dens dräng­te Papst Fran­zis­kus auf eine Ände­rung der Ordenskonstitutionen.

Nach dem unfrei­wil­li­gen Rück­tritt von Groß­mei­ster Fest­ing setz­te Papst Fran­zis­kus, obwohl in kei­ner Wei­se dafür zustän­dig, selbst­herr­lich von Boe­se­la­ger wie­der als Groß­kanz­ler ein und erklär­te alle Ent­schei­dun­gen der recht­mä­ßi­gen Ordens­lei­tung, die in der Zeit von Boe­se­la­gers Abset­zung getrof­fen wor­den waren, für null und nich­tig. Mit ande­ren Wor­ten: Papst Fran­zis­kus führ­te im Orden einen regel­rech­ten Putsch durch. Seit­her gilt die Sou­ve­rä­ni­tät des Mal­te­ser­or­dens gegen­über dem Hei­li­gen Stuhl als nicht mehr exi­stent. Der Orden wur­de zu einem Anhäng­sel degra­diert. Die Ein­mi­schung ging soweit, dem zurück­ge­tre­te­nen Groß­mei­ster Fest­ing 2017 die Teil­nah­me am Gene­ral­ka­pi­tel zu ver­wei­gern. Erst nach inter­nen Pro­te­sten erlaub­te Fran­zis­kus, dem kei­ner­lei Zustän­dig­keit zukam, sei­ne Teilnahme.

Das Wap­pen von Fra Dunlap

Als unter dem 80. Groß­mei­ster die gewünsch­ten Neue­run­gen nicht vor sei­nem Tod umge­setzt wur­den und auch der dann gewähl­te Statt­hal­ter Fra Luz­za­go bald dar­auf ver­starb, ohne daß die von San­ta Mar­ta gewoll­ten Ände­run­gen erfolgt waren, oktroy­ier­te Papst Fran­zis­kus dem Orden nicht nur den neu­en Statt­hal­ter, son­dern erteil­te sei­nem Son­der­de­le­ga­ten Kar­di­nal Sil­va­no M. Toma­si die völ­li­ge Kon­trol­le über den Orden:

Die­ser erhielt das Recht, das außer­or­dent­li­che Gene­ral­ka­pi­tel zu dem von ihm bestimm­ten Datum ein­zu­be­ru­fen und den Vor­sitz zu über­neh­men; Ad-hoc-Rege­lun­gen für die Zusam­men­set­zung und die Abhal­tung des außer­or­dent­li­chen Gene­ral­ka­pi­tels fest­zu­le­gen; die Ordens­kon­sti­tu­ti­on und den Ordens­ko­dex zu geneh­mi­gen; die Erneue­rung des Sou­ve­rä­nen Rates gemäß den neu­en Regeln vor­zu­neh­men und den für die Wahl eines neu­en Groß­mei­sters zusam­men­ge­setz­ten Staats­rat einzuberufen.

Die Ereig­nis­se im Orden ver­an­laß­ten den bri­ti­schen Histo­ri­ker und Mal­te­ser­rit­ter Hen­ry Sire 2018 sein auf­se­hen­er­re­gen­des Buch über Fran­zis­kus „Der Dik­ta­tor-Papst“ zu schrei­ben, wofür er aus dem Mal­te­ser­or­den aus­ge­schlos­sen wurde.

Selbst Groß­kanz­ler von Boe­se­la­ger beklag­te sich Ende 2022, daß die Sou­ve­rä­ni­tät des Ordens schwer beschnit­ten wer­de. Dabei hat­te er den Sou­ve­rä­ni­täts­ab­bau im Herbst 2016 erst mög­lich gemacht, indem er nach sei­ner Abset­zung den Hei­li­gen Stuhl zu Hil­fe rief. Weit­sich­ti­ge Beob­ach­ter im Orden erho­ben früh­zei­tig war­nend ihre Stim­me, ganz unab­hän­gig von der Fra­ge, ob sie im ordens­in­ter­nen Kon­flikt an der Sei­te des Groß­mei­sters oder des Groß­kanz­lers standen.

Noch inter­es­san­ter war Boe­se­la­gers Aus­sa­ge, er habe den direk­ten Kon­takt zum Vati­kan ver­lo­ren. Die Gei­ster, die er rief, wur­de er nun selbst nicht mehr los.

Es wird sich zei­gen, ob der neue Groß­mei­ster Fra John Dun­lap die Sou­ve­rä­ni­tät des Ordens, der 2048 sein tau­send­jäh­ri­ges Bestehen fei­ern wird, wie­der­her­stel­len will und kann.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: orderofmalta/​VaticanMedia (Screen­shots)

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