(Valletta) Der am 12. November verstorbene 79. Fürst und Großmeister des Souveränen Ritter- und Hospitalordens vom Heiligen Johannes von Jerusalem von Rhodos und von Malta, Fra Matthew Festing, wird der dreizehnte Großmeister sein, der in der Konkathedrale San Gwann in Valletta, der Hauptstadt Maltas, beigesetzt wird.
Am 30. November hätte der ehemalige Großmeister sein 72. Lebensjahr vollendet. Der altem englischem Adel entstammende Fra Matthew Festing stand von 2008 bis 2017 an der Spitze des ältesten Ritterordens der Welt, der bald auf eine tausendjährige Geschichte zurückblicken kann. Er befand sich auf Malta, dem einstigen Ordenssitz, der dem katholischen Zweig seinen heutigen Namen gab. Am 4. November wohnte er dort der feierlichen Profeß von Fra Francis Vassallo bei. Fra Vassallo, der ehemalige Gouverneur der Zentralbank von Malta (1992 bis 1997), war 2000 dem Malteserorden beigetreten. Nach dem Tod seiner Frau im Jahr 2013 – Vassallo ist Großvater von acht Enkelkindern – folgte er ganz seiner Ordensberufung und legte 2015 die einfachen und nun die ewigen Gelübde ab. Das Geschlecht der Vassallo de Vassallo ist seit etwa 1230 auf Sizilien und seit 1320 auf Malta belegt.
Wenige Stunden nach der feierlichen Zeremonie fiel Fra Festing ins Koma, aus dem er nicht mehr erwachte. Eines der letzten Bilder von ihm zeigt ihn im Rollstuhl in der Konkathedrale, wie er Msgr. Charles Scicluna, den Erzbischof von Malta begrüßt, der seit 2018 auch beigeordneter Sekretär der Glaubenskongregation ist.
Der Gesundheitszustand des ehemaligen Großmeisters hatte sich zusehends verschlechtert, seit er am 28. Januar 2017 von Papst Franziskus als Höhepunkt einer beispiellosen Intrige zum Rücktritt gezwungen worden war. Dabei hatte ihn der Wahlkörper des Ordens auf Lebenszeit gewählt.
Fra Festing zog sich anschließend nach Northumberland, seinem Geburtsort nahe der schottischen Grenze, ins Exil zurück. Zu sehr war er von der Intrige, der ungerechten Ausgrenzung und vor allem dem Vorgehen von Franziskus erschüttert, auf das der integre und redliche Großmeister an jenem Wintertag 2017, als er vom Papst in Audienz empfangen wurde, nicht gefaßt war.
Die „Schuld“ des Großmeisters
Die einzige Schuld, die der 79. Großmeister auf sich geladen hatte, war seine Entschlossenheit, den Orden in Treue zu seinen Traditionen und seinem Wesen zu erneuern und seine naive Absicht, Licht in einige Finanzangelegenheiten zu bringen. Diese betrafen eine zweifelhafte Zusammenarbeit des ordenseigenen internationalen Hilfswerks mit UNO-Agenturen (Stichwort: Verhütungsmittel) und eine Finanztransaktion, die den Orden betraf. Konkret ging es dabei um ein insgesamt dreistelliges Millionenerbe, das der französische Adelige Jehan du Tour hinterlassen und zu einem Drittel dem Orden vermacht hatte. Doch von diesem Edelmann hatte zuvor im Orden niemand wirklich gehört. Zudem versuchte ein kleiner Kreis sich Zugriff auf das Vermögen zu verschaffen. Als der Großmeister, verspätet, von dem Geld erfuhr, äußerte er gegenüber Vertrauenspersonen den Verdacht, es könnte sich um eine Form von Geldwäsche handeln. Daher wollte er Klarheit schaffen und erstattete Anzeige. In beiden Fällen leitete er zudem ordensinterne Untersuchungen ein, von denen sich jemand offenbar so sehr bedroht fühlte, daß eine Intrige ihren Anfang nahm, durch die nicht nur die lobenswerte Absicht des Großmeisters, sondern auch er selbst zu Fall gebracht wurde.
In einem der wenigen Interviews, die Fra Festing gab, schilderte er seine Entlassung:
„Ich wurde von Papst Franziskus vorgeladen, und er forderte von mir, als Großmeister zurückzutreten. Er war höflich, auch wenn er mir keine Erklärung für seine Forderung gab. Ich kann vermuten, daß der Heilige Stuhl mich als Hindernis empfand. Eine andere Erklärung kann ich nicht finden. Als guter Katholik und als Ordensmann habe ich den Willen des Papstes akzeptiert. Ich bin zum Gehorsam verpflichtet. Ich hatte den Eindruck, daß der Heilige Stuhl weder mit meinem Beharren auf der Rechtgläubigkeit noch mit meinem Wunsch, die Finanzen des Ordens zu untersuchen, zufrieden war. Für einige war ich wahrscheinlich eine Form von Bedrohung.“
Auf die Frage, warum er die Rücktrittserklärung unterschrieben hat, sagte er:
„Ich habe vor Gott und vor mir selbst ein reines Gewissen. Als ich aufgefordert wurde, zurückzutreten, hatte ich keine Zweifel, was ich tun sollte. Ich bin ein ehemaliger Soldat, der daran gewöhnt ist, das zu tun, was ihm von seinen Vorgesetzten befohlen wird. Als der Papst mir mitteilte, daß er meinen Rücktritt will, habe ich das akzeptiert, ohne seine Entscheidung in Frage zu stellen.“
Interne Kämpfe zwischen einer „deutschen“ Strömung unter Großkanzler von Boeselager und einer „englischen“ Strömung unter Großmeister Fra Festing führten zu einer Palastverschwörung gegen letzteren. Die Ereignisse überschlugen sich, nachdem Fra Festing Anfang Dezember 2016 Boeselager aller seiner Ämter enthoben hatte. Der entlassene Großkanzler wandte sich an den Vatikan um Hilfe, die ihm gewährt wurde. Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin stellte sich hinter den deutschen Freiherren und Franziskus folgte ihm darin. Den Großmeister ließ man fallen.
In der offiziellen Stellungnahme des Vatikans nach Festings Rücktritt bekundete ihm der Heilige Stuhl „Wertschätzung und Dankbarkeit für die Gefühle der Loyalität und Hingabe gegenüber dem Nachfolger Petri“. Die Realität sah allerdings anders aus.
Der interne Streit zwischen dem Großmeister und dem ihm unterstellten Großkanzler betrafen Fragen der kirchlichen Morallehre und der Finanzen von sehr handfester Natur. Der Protektor des Ordens, Kardinal Raymond Burke, der den Großmeister beraten hatte, ließ kurz nach dem Sturz Festings durchblicken, daß es auch darum gegangen sei, ob und welchen Einfluß die Freimaurerei auf den Orden hat.
Nach Festings Rücktritt ordnete Kardinalstaatssekretär Parolin an, daß Boeselager wieder als Großkanzler eingesetzt ist und alle Entscheidungen des Großmeisters und der Ordensregierung seit Boeselagers Absetzung null und nichtig sind. Das war starker Tobak, denn der Kardinalstaatssekretär verfügt über keinerlei Rechtstitel, Regierungsentscheidungen im Malteserorden zu treffen, der ein souveränes Völkerrechtssubjekt ist. Durch die parallele Ebene des religiösen Gehorsams, der jeden Katholiken bindet, fühlte sich der Heilige Stuhl jedoch zur Intervention ermächtigt und schuf vollendete Tatsachen.
Eine Familie von Militärs und Rekusanten
Fra Festing war nach einer militärischen Laufbahn 1977 in den ältesten Ritterorden der Welt eingetreten und hatte 1991 die feierlichen Ordensgelübde abgelegt. Er wurde Großprior von England und schließlich 2008 zum 79. Fürsten und Großmeister gewählt. Seine Vorfahren waren durch viele Generationen ranghohe Militärs: Sein Vater war General-Feldmarschall, sein Großvater Brigadegeneral, sein Urgroßvater Generalmajor usw. Fra Festing sah sich im Malteserorden, wenn auch auf einer anderen Ebene, in dieser wehrhaften Tradition. Die Ordensritter hatten 700 Jahre lang mit dem Schwert den Glauben verteidigt. Seither wirken sie als Hospitalorden, wie es bereits mehr als ein halbes Jahrhundert vor Beginn der Kreuzzüge der Fall gewesen war.
Mütterlicherseits stammte er von einer alten Rekusanten-Familien ab, die das anglikanische Bekenntnis ablehnte (lat. recusare, ablehnen, zurückweisen) und immer katholisch geblieben ist. Den Katholiken wurden in England durch den Act of Uniformity von 1558 Strafen und Diskriminierungen auferlegt, in einigen Fällen sogar die Todesstrafe, die erst 1828, in letzten Elementen sogar erst in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts aufgehoben wurden.
Fra Festings berühmtester direkter Vorfahre ist der selige Sir Adrian Fortescue, ein Malteserritter, der einer der ältesten Familien Englands entstammte. Dessen Großonkel war der Rechtsgelehrte Sir John Fortescue (1393–1476), der 1442 oberster Richter des Königlichen Gerichtshofs von England und Wales wurde und als ein Gründervater der englischen Verfassung gilt. Anna Boleyn, die erste der illegitimen Frauen Heinrichs VIII., war seine Cousine. Er selbst wurde am 9. Juli 1539 wegen seines katholischen Glaubens im Tower von London enthauptet, weil er sich geweigert hatte, den Suprematseid auf den von Rom abgefallenen König Heinrich VIII. zu leisten. Als Märtyrer wurde er von Papst Leo XIII. seliggesprochen.
Ein entfernter Verwandter ist auch der katholische Priester und Universalgelehrte Adrian Knottesford Fortescue (1874–1923), der einer anglikanischen Klerikerfamilie entstammte, die sich der anglo-katholischen Oxford-Bewegung angeschlossen hatte und schließlich zur katholischen Kirche konvertierte. Der Sohn trat in das Schottische Kolleg in Rom ein, studierte katholische Theologie an der Universität Innsbruck und wurde 1899 von Fürstbischof Simon Aichner in Brixen zum Priester geweiht. In den folgenden Jahren legte er in einer Vielzahl von Disziplinen Rigorosen ab und wurde jeweils zum Doktor promoviert.
Die Grablege der Großmeister in Valletta
Die Konkathedrale von Valletta ist dem heiligen Johannes dem Täufer geweiht, der maltesisch San Gwann genannt wird. Der Täufer ist der Patron des Malteserordens, der bis zur Reformation als Johanniterorden bekannt war. Um sich vom protestantisch gewordenen Zweig abzugrenzen, der an der Bezeichnung Johanniterorden festhielt, benannte sich der katholisch gebliebene Zweig nach der Mittelmeerinsel Malta, die 1530–1798 Sitz des Großmeisters war. Die heutige Konkathedrale wurde zwischen 1573 und 1578 als Hauptkirche des Ordens errichtet. Heute dient sie dem Erzbischof von Malta als Zweitkathedrale.
In ihr wurden in den 269 Jahren der Ordensherrschaft über die Inselgruppe – sie war dem Orden von den Habsburgern überlassen worden, nachdem ihn die Osmanen von Rhodos vertrieben hatten – zwölf Großmeister beigesetzt. Elf in der Krypta, darunter Fra Philippe Villiers de L’Isle-Adam (1521–1534), der 44. Großmeister, der den Großmeistersitz nach Malta verlegte, sowie Fra Jean de la Valette (1557–1568), der 49. Großmeister, der die Türken in der Großen Belagerung zurückwerfen konnte und nach dem Maltas Hauptstadt La Valetta benannt ist. Einer, Fra Nicolas Cotoner, der 61. Großmeister 1663–1680), ist im Hauptschiff bestattet.
Es war Fra Festings Wunsch, sein Grab an ihrer Seite zu finden. Der letzte Großmeister, der in San Gwann bestattet wurde, war Emmanuel de Rohan-Polduc, der als 70. Fürst und Großmeister von 1775 bis zu seinem Tod 1797 regierte.
In der einstigen Konventskirche des Großmeisterpalastes sind zudem mehrere hundert Ordensritter begraben. Von vielen sind die Wappen in den Boden des Langschiffs eingelassen, der deshalb als einer der kulturhistorisch kostbarsten der Welt gilt.
2018 wurde Fra Giacomo Dalla Torre del Tempio di Sanguinetto als 80. Großmeister zum Nachfolger Festings gewählt. Er starb bereits im April 2020 und wurde in der Kirche Santa Maria del Priorato auf dem Aventin bestattet, der Kirche des heutigen Großmeistersitzes in Rom. Seither leitet Fra Marco Luzzago als Großmeister-Statthalter den Orden bis zur Wahl des 81. Fürsten und Großmeisters, die für das Frühjahr 2022 vorgesehen ist.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Wikicommons/Twitter/Erdiözese Malta/MiL