Die totale „Offenheit“ für leere Kirchen

Die Dämmerung des derzeitigen Pontifikats


Dämmerung eines Pontifikats: schrankenloser Zugang mit dem Ergebnis von leeren Kirchen
Dämmerung eines Pontifikats: schrankenloser Zugang mit dem Ergebnis von leeren Kirchen

(Rom) Der Ein­tritt ist frei und für „alle, alle, alle“ offen, aber die Kir­chen lee­ren sich. Mit die­sem Para­dox des der­zei­ti­gen Pon­ti­fi­kats befaß­te sich kurz vor dem Hoch­fest Mariä Him­mel­fahrt San­dro Magi­ster, der heim­li­che Doy­en der Vatikanisten.

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Papst Fran­zis­kus hat­te es zuletzt zur Bot­schaft für den Welt­ju­gend­tag in Lis­sa­bon, der „nie­mand bekeh­ren will“, gemacht: Sei­ne Visi­on von Kir­che ist eine Kir­che „ohne Türen“, in die „alle, alle, alle“ hin­ein­kom­men. Genau die­sel­be Bot­schaft fin­det sich im Instru­men­tum labo­ris, dem Arbeits­do­ku­ment der Syn­oda­li­täts­syn­ode, die im kom­men­den Okto­ber statt­fin­den wird. Mit „allen“ und „jeden“ sind eini­ge Per­so­nen­grup­pen ganz beson­ders gemeint, näm­lich „Poly­ga­mi­sten und LGBTQ+-Personen“, um es mit Magi­ster zu sagen. Sie wur­den bereits im umstrit­te­nen nach­syn­oda­len Schrei­ben Amo­ris lae­ti­tia genannt als sol­che, die sich in einer „irre­gu­lä­ren“ Situa­ti­on befinden.

Damals ach­te­te man bevor­zugt auf die soge­nann­ten wie­der­ver­hei­ra­te­ten Geschie­de­nen, die einst von der Kir­che als Ehe­bre­cher bezeich­net wur­den – die Hei­li­ge Schrift tut es immer noch. Tat­säch­lich waren damit aber eben­so alle For­men der außer­ehe­li­chen Sexua­li­tät gemeint wie „wil­de Ehe“ und eben Homo­se­xua­li­tät, ein ganz spe­zi­el­les Stecken­pferd des regie­ren­den Papstes.

Magi­ster stellt die­sem nach­drück­li­chen Bestre­ben von Fran­zis­kus die Wirk­lich­keit ent­ge­gen, daß sich „unter­des­sen“ auch in Ita­li­en die Kir­chen „lee­ren“. Immer­hin ist Fran­zis­kus der Pri­mas von Ita­li­en. Eine soeben ver­öf­fent­lich­te Erhe­bung von Euro­me­dia Rese­arch im Auf­trag der Monats­zeit­schrift Il Timo­ne („Wir sind Katho­li­ken ohne Bei­wort“) ergab, daß sich nur noch 58,4 Pro­zent der befrag­ten Ita­lie­ner von sich selbst sagen, „katho­lisch“ zu sein. Gan­ze 37 Pro­zent bezeich­nen sich als „nicht gläu­big“. Am Sonn­tag besu­chen nur mehr 13,8 Pro­zent der Gesamt­be­völ­ke­rung die Mes­se. Im Ver­gleich zur Lage in den deut­schen Län­dern mag das noch viel erschei­nen, doku­men­tiert jedoch einen bei­spiel­lo­sen Einbruch.

Am gering­sten ist der Meß­be­such in den bei­den nord­ita­lie­ni­schen Kern­re­gio­nen Lom­bar­dei und Vene­ti­en, die einst katho­li­sche Hoch­bur­gen waren.

Der Zer­fall ist deut­lich wei­ter fort­ge­schrit­ten, denn von jenen, die zumin­dest ein­mal im Monat die Sonn­tags­mes­se besu­chen (als „prak­ti­zie­ren­de Katho­li­ken“ defi­niert), glaubt nur mehr jeder drit­te an die Real­prä­senz Jesu Chri­sti in der hei­li­gen Eucha­ri­stie. Für die ande­ren ist ein „Sym­bol“ oder eine „Erin­ne­rung an das Letz­te Abend­mahl“. Ent­spre­chend beich­tet auch nur jeder drit­te der prak­ti­zie­ren­den Katho­li­ken min­de­stens ein­mal im Jahr.

Magi­ster ver­weist auf ein Inter­view des deut­schen Bene­dik­ti­ner­theo­lo­gen Elmar Sal­mann, der an der Gre­go­ria­na und in Sant’Anselmo lehr­te. Pater Sal­mann äußer­te im ver­gan­ge­nen Juni im Osser­va­to­re Roma­no, daß ihn mehr noch als die Zahl der Kirch­gän­ger deren Sakra­men­ten­pra­xis besorge.

„Ein Nie­der­gang, der mit einem deut­li­chen Nach­ge­ben gegen­über dem ‚Zeit­geist‘ im dok­tri­nä­ren und mora­li­schen Bereich ein­her­geht“, so Magister.

43,8 Pro­zent der befrag­ten „prak­ti­zie­ren­den Katho­li­ken“ hal­ten die Tötung eines unge­bo­re­nen Kin­des, Abtrei­bung genannt, für ein „Recht“. 41,6 Pro­zent hal­ten es für „rich­tig“, daß „Homo-Ehen“ zuge­las­sen wer­den. Nur beim jüng­sten The­ma, dem der Gebär­mut­ter­pro­sti­tu­ti­on, genannt Leih­mut­ter­schaft, haben zwei Drit­tel Beden­ken. Ange­sichts der übri­gen Anga­ben scheint das aller­dings nur eine Fra­ge der Zeit zu sein.

„Wenn aber das die Rea­li­tät ist, wel­che Wir­kung könn­te dann die beharr­li­che Ein­la­dung haben, „jeden, jeden, jeden“ in der Kir­che will­kom­men zu hei­ßen, also gera­de auch Men­schen, wie „wie­der­ver­hei­ra­te­te Geschie­de­ne“, Poly­ga­mi­sten und LGBTQ+, die gemäß der bestän­di­gen Leh­re der Kir­che ‚nicht alle Sakra­men­te emp­fan­gen kön­nen‘?“, so Magister.

Genau die­se Fra­ge stell­te Ani­ta Hirsch­beck (KNA) dem Papst am 6. August auf dem Rück­flug von Lis­sa­bon. Fran­zis­kus bestä­tig­te, daß „alle“ in der Kir­che will­kom­men zu hei­ßen sei­en: „Häß­li­che und Schö­ne, Gute und Schlech­te“ und natür­lich die Homo­se­xu­el­len. Dann wur­de die Ant­wort von Fran­zis­kus aller­dings verworren.

„So aus­ge­drückt bremst die­se Ant­wort des Pap­stes den Lauf des ‚Syn­oda­len Weges‘ in Deutsch­land, und nicht nur dort, hin zu einer Revo­lu­ti­on in der kirch­li­chen Sexu­al­leh­re“ und befin­de sich ganz auf der Linie des Fasten­hir­ten­briefs der skan­di­na­vi­schen Bischö­fe über die mensch­li­che Sexua­li­tät vom ver­gan­ge­nen Früh­jahr, so Magister.

Die­se stell­ten fest, daß ein Katho­lik auf­grund der Umstän­de für eine gewis­se Zeit vom Emp­fang der Sakra­men­te aus­ge­schlos­sen ist, aber wei­ter­hin ein Glied der Kir­che bleibt. Die Erfah­rung des inne­ren Exils, das im Glau­ben ange­nom­men wird, kann zu einem tie­fe­ren Ver­ständ­nis der Zuge­hö­rig­keit führen.

„Es soll­te jedoch beach­tet wer­den, daß Fran­zis­kus in die­sen Fra­gen nicht immer kohä­rent spricht und han­delt“, so Magister.

So geneh­mig­te Fran­zis­kus das Ver­bot der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on unter ihrem Prä­fek­ten Luis Lada­ria SJ, Homo-Paa­re zu seg­nen, um in Wirk­lich­keit eben die­se Seg­nun­gen gut­zu­hei­ßen.

Da Fran­zis­kus sei­nen Zieh­sohn Vic­tor Manu­el Fernán­dez, den Schat­ten­au­tor von Amo­ris lae­ti­tia, zum Nach­fol­ger Lada­ri­as ernann­te – die Amts­über­nah­me erfolgt mit Sep­tem­ber – ist damit zu rech­nen, daß die Ver­tei­di­gung der katho­li­schen Moral­leh­re der Ver­gan­gen­heit ange­hört und durch ein „har­mo­ni­sches Wachs­tum“ zwi­schen „den ver­schie­de­nen phi­lo­so­phi­schen, theo­lo­gi­schen und pasto­ra­len Denk­rich­tun­gen“ ersetzt wird. Genau das wur­de von Fran­zis­kus in einem unge­wöhn­li­chen Brief an den neu­en Glau­bens­prä­fek­ten geschrie­ben, mit dem er vor aller Welt einen Para­dig­men­wech­sel ankündigte.

Zum Beleg führt Magi­ster das Inter­view von Pie­ro Coda, seit 2021 Gene­ral­se­kre­tär der Inter­na­tio­na­len Theo­lo­gen­kom­mis­si­on, im Osser­va­to­re Roma­no vom 27. Juli an. Coda ist auch Mit­glied der theo­lo­gi­schen Kom­mis­si­on der Syn­oda­li­täts­syn­ode und füh­ren­des Mit­glied der Foko­lar­be­we­gung. 2014 hat­te ihn Fran­zis­kus in die Inter­na­tio­na­le Theo­lo­gen­kom­mis­si­on beru­fen. In dem Inter­view sag­te er:

„Es gibt kei­ne Reform der Kir­che ohne Reform der Theologie“.

Im Klar­text sag­te Coda, daß an den theo­lo­gi­schen Fakul­tä­ten und Prie­ster­se­mi­na­ren eine Theo­lo­gie gelehrt wird, die „über­holt“ sei. Das lie­ge dar­an, daß „der Mensch sich ver­än­dert“, auch in den „Bezie­hun­gen zwi­schen den Geschlech­tern“. So bestehe das Risi­ko, daß die Kir­che „mit einem Mann und einer Frau spre­che, die nicht mehr exi­stie­ren“. Daher sol­le „eine Erneue­rung der Theo­lo­gie genau mit einer Neu­be­trach­tung des anthro­po­lo­gi­schen Den­kens beginnen“.

Coda ist damit der per­fek­te Apo­lo­get des Pri­mats der Pra­xis, den das der­zei­ti­ge Pon­ti­fi­kat zum unein­ge­schränk­ten Durch­bruch führt.

Auch der „Mensch Jesus“ habe offen­bar neu gedacht zu wer­den, wenn es nach Coda geht: 

„Die theo­lo­gi­sche Anthro­po­lo­gie, wie wir sie oft ver­tre­ten, muß größ­ten­teils archi­viert wer­den: sicher­lich nicht in ihrer Sub­stanz, son­dern in der Inter­pre­ta­ti­on, die ihr gege­ben wird“.

War­um? Weil die­se Sicht­wei­se „abstrakt und idea­li­stisch“ sei, die im Klar­text die Wirk­lich­keit der Welt nicht widerspiegle.

Auf­schluß­reich, so Magi­ster, sei­en in dem Inter­view nicht nur die Ant­wor­ten von Coda, son­dern auch die Fra­gen und Reak­tio­nen, vom Chef­re­dak­teur der „Zei­tung des Pap­stes“ Andrea Mon­da und von Rober­to Cete­ra, die bei­de bereits Reli­gi­ons­leh­rer an Gym­na­si­en waren.

„Daher eine Rei­he von Reform­vor­schlä­gen, die die Inter­view­er am Ende des Inter­views wie folgt auf­li­sten: ‚Um den Gesprächs­fa­den noch ein­mal zu ent­rol­len: Wir sind von der Erb­sün­de aus­ge­gan­gen: zu über­den­ken; dann die Gna­de: zu über­den­ken; dann die Frei­heit: zu über­den­ken; dann die Sakra­men­te: zu über­den­ken. Wären wir in Ihrer Lage, Mon­si­gno­re Coda, und wür­den an die zu lei­sten­de Arbeit den­ken – unter der Annah­me, daß es kei­ne Reform der Kir­che ohne eine Reform der Theo­lo­gie gibt – wür­den unse­re Hand­ge­len­ke zittern…“.

Die Kir­che ist schon län­ger in bedenk­li­che Bewe­gung gera­ten. Nun ver­flüs­sigt sie sich durch Kir­chen­män­ner, die mit ihr offen­bar nicht mehr viel anzu­fan­gen wis­sen und so ego­istisch sind, sie nach ihrer Façon umbau­en zu wol­len. Der Schritt zur Selbst­auf­lö­sung ist da nicht mehr weit. Der gei­sti­ge Hori­zont in der Kir­che, die in Jahr­hun­der­ten denkt, scheint bei die­sen Prä­la­ten kaum mehr über den eige­nen Lebens­abend hin­aus­zu­rei­chen. Magi­sters Resümee:

„Wenn das die offe­ne Bau­stel­le ist, auf der alles ver­än­dert wer­den kann, kann man sich kaum einen revo­lu­tio­nä­re­ren Abge­sang des Pon­ti­fi­kats vor­stel­len als den jet­zi­gen – oder bes­ser gesagt, verwirrenderen.“

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Vati​can​.va (Screen­shot)

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Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

Die­se Posi­ti­on haben wir uns weder aus­ge­sucht noch sie gewollt, son­dern im Dienst der Kir­che und des Glau­bens als not­wen­dig und fol­ge­rich­tig erkannt. Damit haben wir die Bericht­erstat­tung verändert.

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