(Rom) Gestern beendete Papst Franziskus den Weltjugendtag in Lissabon und seinen Aufenthalt in Portugal. Dort sagte Franziskus, daß die Kirche für „alle, alle, alle“ offensteht. Was genau meinte er aber damit? Bei der Pressekonferenz auf dem Rückflug nach Rom wurde er von Anita Hirschbeck (KNA) danach gefragt. Hier seine Antwort:
Anita Hirschbeck: Heiliger Vater, in Lissabon haben Sie uns gesagt, daß in der Kirche Platz für „alle, alle, alle“ ist. Die Kirche ist offen für alle, aber gleichzeitig hat nicht jeder die gleichen Rechte, die gleichen Möglichkeiten, in dem Sinne, daß zum Beispiel Frauen, Homosexuelle nicht alle Sakramente empfangen können. Heiliger Vater, wie erklären Sie diesen Widerspruch zwischen „offener Kirche“ und einer „nicht für alle gleichen Kirche“? Danke.
Papst Franziskus: Sie stellen mir eine Frage zu zwei unterschiedlichen Gesichtspunkten. Die Kirche ist offen für alle, dann gibt es Gesetze, die das Leben innerhalb der Kirche regeln. Wer drinnen ist, unterliegt der Gesetzgebung… Das, was Sie sagen, ist eine Vereinfachung der Aussage „Er kann keine Sakramente machen [empfangen]“. Das bedeutet nicht, daß die Kirche geschlossen ist. Jeder begegnet Gott auf seinem eigenen Weg innerhalb der Kirche und die Kirche ist Mutter und führt jeden auf seinem eigenen Weg. Deshalb sage ich nicht gerne: Jeder kommt, aber du, dieser, jener… Jeder, jeder sucht im Gebet, im inneren Dialog, im pastoralen Dialog mit den pastoralen Akteuren, den Weg nach vorne. Deshalb stellt sich die Frage: Warum die Homosexuellen nicht? Alle! Und der Herr ist klar: krank, gesund, alt und jung, häßlich und schön, gut und böse! Es gibt so etwas wie eine Sichtweise, die diese Einfügung [Einsetzung] der Kirche als Mutter nicht versteht und sie als eine Art ‚Firma‘ ansieht, bei der du, um eintreten zu können, das tun mußt, es auf diese Weise tun mußt und auf eine andere… Eine andere Sache ist der Dienst in der Kirche, der der Weg ist, die Herde voranzubringen, und eines der wichtigen Dinge ist Geduld im Dienst: die Menschen Schritt für Schritt auf ihrem Weg der Reifung zu begleiten. Jeder von uns macht die Erfahrung, daß Mutter Kirche uns begleitet hat und uns auf unserem eigenen Weg der Reifung begleitet. Mir gefällt die Reduktion nicht, das ist nicht kirchlich, das ist gnostisch. Es ist wie eine gnostische Häresie, die heute etwas in Mode ist. Ein gewisser Gnostizismus, der die kirchliche Realität auf Ideen reduziert, hilft nicht weiter. Die Kirche ist eine Mutter, sie nimmt jeden auf, und jeder geht seinen Weg innerhalb der Kirche, ohne Werbung, und das ist sehr wichtig. Vielen Dank für den Mut, diese Frage zu stellen. Danke schön.
Ob aber alle verstanden haben, was genau Franziskus damit sagen wollte?
Die in Lissabon getätigte Aussage kann sehr gut begründet werden. Geschieht dies jedoch nicht, kann sie im Zeitalter von „alle Rechte für alle“, „Ehe für alle“ leicht mißverstanden werden.
Im Gegensatz zu bisherigen fliegenden Pressekonferenzen erfolgte gestern die erste transkribierte Veröffentlichung der Papst-Antworten durch VaticanNews, während es bisher immer weltliche Medien waren. Ein Lob an die vatikanischen Kollegen.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: VaticanNews (Screenshot)