Homosexualität in Gesellschaft und Kirche

Die Nennung eines bisher ungenannten Problems in der Kirche


Rosa Elefanten im Raum, die keiner sehen will
Rosa Elefanten im Raum, die keiner sehen will

Von Msgr. Dr. Mari­an Eleganti*

Anzei­ge

Vor­be­mer­kun­gen: Im fol­gen­den Bei­trag wer­den Men­schen mit homo­se­xu­el­ler Nei­gung nicht gene­rell an den Pran­ger gestellt. Die Kir­che hat immer unter­schie­den zwi­schen der (unan­tast­ba­ren) Wür­de jeder mensch­li­chen Per­son und ihrer Nei­gung, die even­tu­ell unge­ord­net sein kann. Unge­ord­ne­te sexu­el­le Nei­gun­gen, die es bei den Hete­ro­se­xu­el­len genau­so gibt wie bei den Homo­se­xu­el­len, wer­den nach dem glei­chen Mass­stab der Mora­li­tät von der Kir­che beur­teilt und je nach­dem als sünd­haft ein­ge­stuft oder als zu kor­ri­gie­ren­de Schwä­che gese­hen. Wir alle kämp­fen mit sol­chen. Wenn sie beherrscht wer­den, zeich­net das die Mora­li­tät einer Per­son in hohem Mas­se aus und führt sie zur Hei­lig­keit. Das gilt für Homo­se­xu­el­le wie für Hete­ro­se­xu­el­le. Das Aus­le­ben einer unge­ord­ne­ten Nei­gung wird von der Kir­che als Sün­de gese­hen. Dabei steht der Weg zur Umkehr immer offen. Hier lässt die Kir­che Barm­her­zig­keit wal­ten. Das Phä­no­men der Homo­se­xua­li­tät im Kle­rus wird zwar im Fol­gen­den in einem grö­sse­ren Kon­text gese­hen, betrifft aber nicht gene­rell homo­se­xu­el­le Men­schen, son­dern nur inso­fern als sie über­grif­fig wer­den. Hete­ro­se­xu­el­le Men­schen sind homo­se­xu­el­len weder mora­lisch über­le­gen noch sün­di­gen sie – all­ge­mein betrach­tet – weni­ger als sie. Die Homo­se­xua­li­tät im Kle­rus ist ein Phä­no­men sui gene­ris. Es gibt kei­ne zwin­gen­de Ver­bin­dung von Homo­se­xua­li­tät und Miss­brauch so wenig wie zwi­schen Hete­ro­se­xua­li­tät und Miss­brauch. Die sta­ti­sti­sche Häu­fig­keit männ­li­cher Opfer des Kle­rus hängt aber damit zusam­men und ver­dient in unse­rem Fall eine dif­fe­ren­zier­te Betrach­tungs­wei­se. Mit ande­ren Wor­ten: Wenn wir das eigent­li­che Pro­blem (Homo­se­xua­li­tät im Kle­rus) nicht ange­hen, wer­den wir die Miss­brauchs­pro­ble­ma­tik nie sach­ge­recht aufarbeiten.

Hier die Sta­ti­stik aus dem John Jay Report.1

Nach die­sen wich­ti­gen Vor­be­mer­kun­gen kom­men wir nun zur Sache:

Beim Umbau der Gesell­schaft und ihrer tra­di­tio­nel­len Vor­stel­lun­gen von Ehe, Fami­lie und Geschlecht kommt der Homo­se­xua­li­tät m. E. eine beson­de­re Bedeu­tung zu. Die neu­en gesell­schaft­li­chen Stan­dards fal­len nicht ein­fach vom Him­mel, son­dern wur­den seit Jahr­zehn­ten vor­be­rei­tet. Homo­se­xu­el­le (Vor-) Den­ker spie­len dabei eine bedeu­ten­de Rolle.

Sexua­li­tät spielt im Den­ken der Frank­fur­ter Schu­le2 und ihrer Erben, den soge­nann­ten post­mo­der­nen Dekon­struk­ti­vi­sten3, kei­ne unter­ge­ord­ne­te Rol­le. Es muss des­halb nicht nur die Phi­lo­so­phie ihres Den­kers unter­sucht wer­den, son­dern auch der «Sitz im Leben» (der bio­gra­phi­sche Zusam­men­hang von Sexua­li­tät und Den­ken) ihrer Phi­lo­so­phie. Dies ist sehr erhel­lend. Obwohl kein Haupt­ver­tre­ter der Frank­fur­ter Schu­le homo­se­xu­ell war, hat ihre sog. Kri­ti­sche Theo­rie den eigent­li­chen Dekon­struk­ti­vi­sten und den Theo­re­ti­kern der Gen­der- und Que­er-Theo­rie4 den Boden berei­tet (sie sind alle­samt kri­tisch bis ableh­nend gegen­über «dog­ma­ti­schen» Vor­ga­ben). Unter den letz­te­ren gibt es nam­haf­te Homo­se­xu­el­le. Fou­cault, Der­ri­da und But­ler sind ohne die Kri­ti­sche Theo­rie der Frank­fur­ter Schu­le nicht zu ver­ste­hen. Sie teil­ten deren Miss­trau­en gegen­über der „objek­ti­ven Ver­nunft“. Fou­cauld ist von Mar­cuse beein­flusst. Der­ri­da radi­ka­li­siert Fou­cauld. Sei­ne Phi­lo­so­phie wie­der­um hat eine gro­sse Bedeu­tung für die Ent­wick­lung der Que­er-Theo­rie. But­ler (nicht binär, que­er) ver­bin­det Fou­cauld und Der­ri­da. Fou­cauld und Bar­the sind homo­se­xu­ell. But­ler lebt in einer gleich­ge­schlecht­li­chen Part­ner­schaft. Eve Kosof­sky Sedgwick (bise­xu­ell) ist eine Pio­nie­rin der Que­er-Theo­rie. Paul B. Pre­cia­do (urspr. Bea­triz Pre­cia­do) ist ein Trans­mann (que­er). *Er* geht sogar über die Que­er-Theo­rie hin­aus (post-que­er; tech­no-que­er). Die­se Zusam­men­hän­ge müs­sen gese­hen werden.

Das euro­päi­sche Pro­jekt5 «Uni­on of Equa­li­ty» ver­sucht (Stra­te­gie 2026–2030), die Gen­der-Ideo­lo­gie in der Euro­päi­schen Uni­on zu imple­men­tie­ren. Dabei geht es vor allem um die Neu­de­fi­ni­ti­on von Ehe, Fami­lie und Sexua­li­tät. Die sog. Gleich­stel­lung der Geschlech­ter und sexu­el­len Ori­en­tie­rung soll durch gro­ssen Auf­wand (Finan­zie­rung von ent­spre­chen­den NGO’s; Bil­dungs­pro­gram­men; Kam­pa­gnen u. a. m.) in den Mit­glied­staa­ten umge­setzt wer­den (Inklu­si­ve Bil­dungs­pro­gram­me schon im Kin­des­al­ter; Hin­wei­se auf natür­li­che Unter­schie­de zwi­schen Mann und Frau sol­len aus­ge­blen­det blei­ben; geför­dert wer­den Geschlechts­um­wand­lun­gen und dies­be­züg­li­che recht­li­che Anpas­sun­gen; natür­li­che Eltern­schaft und Fami­lie sol­len auf­ge­bro­chen wer­den im Sin­ne der sexu­el­len Vielfalt).

Lei­der ist auch die Kir­che von die­sem Virus infi­ziert. Ver­meint­lich geht es dabei um die «Rech­te» und die «Inklu­si­on» von sog. «Min­der­hei­ten». Das sind lin­ke, mar­xi­sti­sche Para­me­ter, die tief in das kirch­li­che Den­ken ein­ge­drun­gen sind, ihr aber wesens­fremd sind. Auch tref­fen sie in der Kir­che nicht zu. Sie sind falsch. Die Kir­che schliesst vor allem die Sün­de und den Irr­tum aus, den Sün­der und den Häre­ti­ker nur, wenn sie sich unbuss­fer­tig und unein­sich­tig zei­gen. Das hat nichts mit Dis­kri­mi­nie­rung zu tun. Exklu­si­ve Zugangs­be­din­gun­gen zu kirch­li­chen Ämtern (Prie­ster­tum) erge­ben sich aus dem rich­ti­gen Ver­ständ­nis des Sakra­men­tes und fal­len nicht unter die Kate­go­rie einer Rechts­un­gleich­heit. All die­se Din­ge ord­net die Kir­che in gerech­ter Wei­se, auch wenn dies vie­le auf­grund viel­fäl­ti­ger Moti­ve nicht ein­se­hen bzw. akzep­tie­ren wol­len. Das Sit­ten­ge­setz gilt für alle Glie­der der Kir­che unterschiedslos.

Die Leh­re der Kir­che in Bezug auf die Homo­se­xua­li­tät ist unver­än­dert und muss hier nicht wie­der­holt wer­den. Sie stützt sich auf Schrift und Tra­di­ti­on, d. h. auf die in JESUS CHRISTUS ergan­ge­ne Offenbarung.

Der Leib spricht eine über­aus deut­li­che Spra­che. Mann und Frau sind in ihrer Leib­lich­keit kom­ple­men­tär und fähig, biblisch gespro­chen, «ein Fleisch» (eins) zu wer­den und in die­sem ver­ei­ni­gen­den Akt Nach­kom­men­schaft zu zeu­gen. Sie ent­spre­chen auf die­se Wei­se dem Wil­len des Schöp­fers und der ewi­gen Ord­nung, die Er in der Natur des Men­schen grund­ge­legt hat. Hete­ro­se­xu­el­le und Homo­se­xu­el­le wer­den durch die eige­ne Leib­lich­keit auf die­se aus­schliess­lich in der Gegen­ge­schlecht­lich­keit umfas­send rea­li­sier­ba­ren Erfül­lung ver­wie­sen. Prak­ti­zie­ren­de Homo­se­xu­el­le leben des­halb nach der kirch­li­chen Leh­re im offe­nen Wider­spruch zu ihr.

Sie müs­sen des­halb Geschlecht und Sexua­li­tät im tra­di­tio­nel­len Sinn dekon­stru­ie­ren. Homo­se­xu­ell ver­an­lag­te Per­so­nen bil­den im Gesamt der Mensch­heit eine ver­schwin­dend klei­ne Min­der­heit. Homo­se­xua­li­tät kann des­halb für die über­wäl­ti­gen­de Mehr­heit der Men­schen für das Ver­ständ­nis von Sexua­li­tät und Geschlecht nicht nor­ma­tiv wirk­sam sein. Mit ande­ren Wor­ten: Sie wird gemäss dem neu­tra­len Sin­ne des Begriffs nie zu einer all­ge­mein gül­ti­gen Norm, was homo­se­xu­el­le Prak­ti­ken auch in Zukunft einem Recht­fer­ti­gungs­druck aus­setzt, ob man es will, aus­spricht oder nicht. Ein von zivil ver­hei­ra­te­ten Homo­se­xu­el­len auf­ge­zo­ge­nes Kind wird sich und ande­ren auch in Zukunft erklä­ren müs­sen, war­um es mit zwei Vätern oder Müt­tern lebt oder auf­ge­wach­sen ist und nicht in «einer ganz nor­ma­len Fami­lie» («Ordi­na­ry Peo­p­le» 1980), wie die Mehr­heit der Kin­der sie mit ihren leib­li­chen Vätern und Müt­tern bil­den. Letz­te­re bleibt nolens volens die Norm und die homo­se­xu­el­le Part­ner­schaft mit Kin­derad­op­ti­on ihr gegen­über die unter Recht­fer­ti­gungs­druck ste­hen­de Abwei­chung (in die­sem Sinn die A‑Normalität).

Der ein­zi­ge Weg in die «Nor­ma­li­tät» im oben beschrie­be­nen, neu­tra­len Sinn des Wor­tes wäre die Umkehr und die Auf­ga­be des homo­se­xu­el­len Lebensstils.

Eine aus­schliess­lich durch Lust und Tech­nik defi­nier­te Sexua­li­tät führt in den Unter­gang der Per­son, in ihr Unglück. Das gilt aus­nahms­los für alle (Hete­ro- und Homo­se­xu­el­le). Es ist auch eine aner­kann­te Wahr­heit, dass sich männ­li­che und weib­li­che Sexua­li­tät unter­schei­den. Das ist auch bei der Homo­se­xua­li­tät der Fall. Eine – biblisch gespro­chen – vom Geist inspi­rier­te Sexua­li­tät ist nicht rei­ne Kör­per­lich­keit. Sie wird dazu, je mehr der Geist fehlt. Rei­ne Trieb­haf­tig­keit ist fru­strie­rend und zerstörerisch.

Vie­le emo­tio­na­len Freund­schaf­ten ver­lie­ren gera­de dadurch ihre Höhe und ihr Pro­pri­um, dass sie sexu­ell aus­ge­lebt wer­den oder pri­mär dem Lust­ge­winn die­nen, wie das bei homo­se­xu­el­len Män­nern sehr häu­fig der Fall ist. Auch in der Hete­ro­se­xua­li­tät braucht es eine Bemü­hung um Keusch­heit, um – biblisch gespro­chen – den Geist nicht durch rei­ne Kör­per­lich­keit auszulöschen.

In der Geschich­te gab es zwi­schen zwei Män­nern oder zwei Frau­en immer schon her­vor­ra­gen­de und exem­pla­ri­sche Freund­schaf­ten: Sie hät­ten aber ihren Wert ver­lo­ren, wären sie sexu­ell (homo­se­xu­ell oder les­bisch) gelebt wor­den. Die Ehe zwi­schen Mann und Frau ver­dient eine eige­ne Behand­lung. Für homo­se­xu­el­le Bezie­hun­gen aber gilt aus­nahms­los, dass ihnen vie­le posi­ti­ve Aspek­te der hete­ro­se­xu­el­len Ehe feh­len: Zwei Män­ner «machen» kei­ne Mut­ter; zwei Frau­en «machen» kei­nen Vater. Sie kön­nen kei­ne Kin­der in einem genui­nen Lie­bes­akt zeu­gen. All­ge­mei­ne Norm bleibt die hete­ro­se­xu­el­le Ehe, die Fami­lie, ver­stan­den als Vater, Mut­ter und Kind. Wür­den Homo­se­xu­el­le ihre Lie­be, falls sie den Namen ver­dient, nicht sexu­ell aus­le­ben, wür­den sie m.E. mehr gewin­nen als verlieren.

Sün­de gibt es unter­schieds­los über­all. Genau­so geht der Ruf zur Hei­lig­keit alle an. Homo­se­xu­el­le soll­ten des­halb nicht als beson­de­re, qua­si natur­ge­ge­be­ne Grup­pe betrach­tet wer­den. In leib­li­cher Hin­sicht sind sie Hete­ro­se­xu­el­le, die emo­tio­nal homo­se­xu­ell füh­len, aus wel­chen Grün­den auch immer. Die Sexua­li­tät des Men­schen ist im Unter­schied zum Tier von ihm form- und kul­ti­vier­bar. Ja, das ist sogar sei­ne Auf­ga­be. Um den Namen Ehe zu ver­die­nen, muss sie der Natur der Sache (Wahr­heit) und dem Sit­ten­ge­setz ent­spre­chen. Das Glück des Kin­des, das für sei­ne bio­lo­gi­sche und psy­cho­so­zia­le Ent­wick­lung auf Vater und Mut­ter ange­wie­sen ist, darf nicht aus­ge­klam­mert wer­den. Es ist im All­ge­mei­nen am besten bei sei­nem leib­li­chen Vater und sei­ner leib­li­chen Mut­ter auf­ge­ho­ben. Mit ihnen bil­det es eine Fami­lie und wächst in ihrer Gebor­gen­heit auf. Das Modell ist unschlag­bar und soll­te vom Staat geför­dert wer­den. Die in die­sem Sinn natür­li­che Fami­lie ist allen ande­ren For­men des Zusam­men­le­bens, die sich «Fami­lie» nen­nen, überlegen.

Mit die­sen Anmer­kun­gen ver­las­se ich die all­ge­mei­ne Betrach­tungs­wei­se und kom­me zur Homo­se­xua­li­tät im kirch­li­chen Kon­text bzw. im Klerus.

Hier ist zuerst ein­fach fest­zu­stel­len, dass es in der Kir­che star­ke Kräf­te gibt, die ver­su­chen, Homo­se­xua­li­tät ent­spre­chend den säku­la­ren, gesell­schaft­li­chen Stan­dards auch inner­halb der Kir­che zu nor­ma­li­sie­ren und ihre dies­be­züg­li­che Leh­re (schwer­wie­gen­de Sün­de; in sich unge­ord­ne­te Nei­gung) zu kas­sie­ren bzw. zu revi­die­ren. Ich glau­be nicht, dass dies gelin­gen wird. Die dies­be­züg­li­che Hete­ro­do­xie in man­chen Köp­fen stellt aber für die Kir­che ein gro­sses Pro­blem dar.

Alle bereits umge­setz­ten Miss­brauchs­stu­di­en, wel­che von Bischofs­kon­fe­ren­zen in Auf­trag gege­ben wur­den, doku­men­tie­ren, dass um die 80 Pro­zent6 der sexu­el­len Über­grif­fe durch Kle­ri­ker mit ihrer Homo­se­xua­li­tät in einem fak­ti­schen, nicht logi­schen Zusam­men­hang ste­hen: John Jay Report (USA, 2004); MHG-Stu­die (Deutsch­land, „Sexu­al Abu­se at the Hands of Catho­lic Cler­gy“) 2018; Unter­su­chung der CIASE (Frank­reich, 2021), um die wich­tig­sten zu nen­nen. Dar­aus folgt nicht, wie bereits ein­gangs betont, dass Homo­se­xu­el­len unter­stellt wird, auf­grund ihrer Ver­an­la­gung not­wen­dig über­grif­fig zu wer­den. Wir stel­len hier nur fest, dass auf­fal­lend vie­le (ja mehr­heit­lich) Opfer von sexu­el­len Über­grif­fen durch den Kle­rus männ­lich sind. Dies lässt auf die Nei­gung der Täter schlie­ssen bei der Aus­wahl ihrer Opfer. Natür­lich sind damit auch wei­te­re Impli­ka­tio­nen gege­ben, die als pro­ble­ma­tisch ange­se­hen wer­den müs­sen, wie die Dau­er­schwie­rig­kei­ten die­ser Prie­ster mit der kirch­li­chen Leh­re zu die­sem und ande­ren The­men, ihr Ver­hält­nis zum Zöli­bat, ihre Bezie­hungs­fä­hig­keit u.a.m. Zwei­fel­los gibt es auch Prie­ster mit homo­se­xu­el­ler Nei­gung, die keusch leben und auf dem Weg der Tugend gehen.

Am 8. Dezem­ber 2016 wur­de vom Vati­kan das Doku­ment “The Gift of the Priestly Voca­ti­on – Ratio Fun­da­men­ta­lis Insti­tu­tio­nis Sacer­do­ta­lis” ver­öf­fent­licht und von Papst Fran­zis­kus auto­ri­siert. Dort lesen wir: „Bezüg­lich Per­so­nen mit homo­se­xu­el­len Ten­den­zen, die sich dem Prie­ster­se­mi­nar nähern oder wäh­rend der Aus­bil­dung fest­stel­len, dass sie sich in einer sol­chen Situa­ti­on befin­den, kann die Kir­che — bei aller Ach­tung der betrof­fe­nen Per­so­nen — in Über­ein­stim­mung mit ihrem eige­nen Lehr­amt jene nicht zum Prie­ster­se­mi­nar und zu den hei­li­gen Wei­hen zulas­sen, die Homo­se­xua­li­tät prak­ti­zie­ren, tief ver­wur­zel­te homo­se­xu­el­le Ten­den­zen haben oder eine soge­nann­te homo­se­xu­el­le Kul­tur unter­stüt­zen.“ Lei­der hält man sich auch im Vati­kan nicht dar­an (vgl. die Dul­dung der sog. LGBTQ-Wall­fahrt im Hei­li­gen Jahr 2025 und das Durch­schrei­ten der Hl. Pfor­te durch ihre Aktivisten).

Es muss hier also zum gro­ssen Bedau­ern fest­ge­stellt wer­den, dass der «Ele­fant im Raum» (die ver­brei­te­te Homo­se­xua­li­tät im Kle­rus und ihre Bedeu­tung in der Miss­brauchs­kri­se) seit Aus­bruch der Miss­brauchs-Kri­se im «Jahr des Prie­sters» (2009) wei­ter­hin igno­riert oder gegen bes­se­res Wis­sen nicht beim Namen genannt wird. Die dies­be­züg­li­che «Nebel­pe­tar­de» und offi­zi­el­le «Immu­ni­sie­rungsstra­gie» lau­tet mit einem Wort: «Pädo­phi­lie», nicht «Homo­se­xua­li­tät».

Die Mehr­heit der sexu­el­len Über­grif­fe durch den Kle­rus fällt aber nicht unter die Kate­go­rie der Pädo­phi­lie (sexu­el­le Prä­fe­renz prä­pu­ber­tä­rer Kin­der, also bis etwa 11/​12 Jah­ren); son­dern die Mehr­heit der sexu­el­len Über­grif­fe durch den Kle­rus fällt unter die Kate­go­rie der Ephe­b­o­phi­lie (in unse­rem Kon­text die sexu­el­le Prä­fe­renz mehr­heit­lich puber­tä­rer und post­pu­ber­tä­rer jun­ger Män­ner). Trotz­dem spricht man uni­so­no aus­schliess­lich von Pädo­phi­lie und sug­ge­riert, dass alle sexu­el­len Über­grif­fe des Kle­rus aus­schliess­lich Kin­der (Mäd­chen und Buben) betref­fen, was für die All­ge­mein­heit mora­lisch beson­ders schwer wiegt und die Homo­se­xua­li­tät der Täter ver­schlei­ert bzw. tabui­siert. Auch wenn der Zusam­men­hang von Homo­se­xua­li­tät und sexu­el­len Über­grif­fen nicht zwin­gend ist, spielt er fak­tisch bei der Aus­wahl der Opfer doch eine unter­ge­ord­ne­te Rol­le: Die Prä­fe­renz männ­li­cher Opfer und ihre Häu­fig­keit erlaubt näm­lich den Rück­schluss auf die Homo­se­xua­li­tät der Täter.

Trotz der aus­ge­ru­fe­nen Null­to­le­ranz und Ver­ur­tei­lung von Ver­tu­schung sind in unse­rem Kon­text erwie­se­ner­ma­ssen kom­pro­mit­tier­te Wür­den­trä­ger in der Zeit des ver­gan­ge­nen Pon­ti­fi­ka­tes geschützt wor­den. Die Medi­en tole­rier­ten bei Papst Fran­zis­kus, was sie einem Johan­nes Paul II. und Bene­dikt XVI. nie ver­zie­hen und zum rie­si­gen Skan­dal auf­ge­bla­sen hät­ten. Der letz­te­re aber hat dies­be­züg­lich von den letz­ten Päp­sten am aller­mei­sten gegen sexu­el­le Über­grif­fe und für ihre Bestra­fung getan (vgl. die hohe Zahl von Lai­sie­run­gen von Prie­stern aus die­sem Grund in sei­nem Pon­ti­fi­kat). Die Medi­en blie­ben auf ihrem lin­ken Auge bewusst blind, weil Fran­zis­kus ihr Lieb­ling war und die Nor­ma­li­sie­rung der Homo­se­xua­li­tät in der Kir­che auf ihrer Agen­da stand.

Immer noch war­ten wir des­halb ver­geb­lich auf die Nen­nung eines gro­ssen Pro­blems in der Kir­che: die über­pro­por­tio­na­le Häu­fig­keit von Homo­se­xua­li­tät im Kle­rus mit all ihren nega­ti­ven Folgen.

*Msgr. Mari­an Ele­gan­ti OSB, pro­mo­vier­ter Theo­lo­ge, war von 1999 bis 2009 Abt der Bene­dik­ti­ner­ab­tei St. Otmars­berg im Kan­ton Sankt Gal­len, dann von 2009 bis 2021 Weih­bi­schof der Diö­ze­se Chur. Bischof Ele­gan­ti betreibt einen eige­nen Blog.

Bild: https://x.com/michael_j_matt/status/1971235661266157805?s=61


1 The Cau­ses and Con­text of sexu­al Abu­se of Minors by Catho­lic Priests in the United Sta­tes, 1950–2010. Report by John Joy Col­lege Rese­arch Team (2011). S. 11:

2 Theo­dor W. Ador­no. Max Hork­hei­mer. Her­bert Mar­cuse. Erich Fromm. Wal­ter Ben­ja­min. Spä­ter Jür­gen Habermas.

3 Michel Fou­cauld. Jac­ques Der­ri­da. Gil­les Deleu­ze. Jean-Fran­çois Lyo­tard. Roland Barthe.

4 Judith But­ler. Eve Kosof­sky Sedgwicdk. Paul B. Preciado.

5 Zum Fol­gen­den: https://​www​.mar​co​to​sat​ti​.com/​2​0​2​5​/​1​0​/​1​0​/​l​a​-​f​o​l​l​e​-​a​g​e​n​d​a​-​l​g​b​t​q​-​d​e​l​l​e​u​r​o​p​a​-​3​6​-​m​i​l​i​a​r​d​i​-​p​r​o​-​v​i​t​a​-​e​-​f​a​m​i​g​l​i​a​-​g​e​n​e​r​a​z​i​o​n​e​-​v​o​g​l​i​o​-​v​i​v​e​re/

6 John Jay (USA, 2004) — Die John-Jay-Unter­su­chung kommt klar zu dem Ergeb­nis, dass ≈81 % der in ihren Akten erfass­ten mut­maß­li­chen Opfer männ­lich waren (81.0% männ­lich, 19.0% weib­lich). MHG-Stu­die (Deutsch­land, 2018) — Im Gesamt­be­fund der MHG-Stu­die sind 62,8 % der Opfer männ­lich (34,9 % weib­lich, 2,3 % ohne Anga­be). Aller­dings lie­fern unter­schied­li­che Teil­pro­jek­te unter­schied­li­che Antei­le: in Teil­pro­jekt 2 wur­den 76,6 % männ­li­che Opfer und in Teil­pro­jekt 3 sogar 80,2 % gefun­den — also je nach Daten­quel­le schwankt der Anteil stark. In allen Teil­pro­jek­ten über­wie­gen männ­li­che Opfer. CIASE /​ Sau­vé-Bericht (Frank­reich, 2021) — Die CIASE stellt fest, dass histo­risch mehr­heit­lich Jun­gen (meist prä­pu­ber­tär) betrof­fen sind; das Ver­hält­nis vari­iert aber stark über Zeit und je nach Daten­satz. Die Kom­mis­si­on betont, dass der Anteil weib­li­cher Opfer in neue­ren Zeit­ho­ri­zon­ten (und in bestimm­ten Stich­pro­ben) zuge­nom­men hat und dass ver­schie­de­ne Erhe­bungs­me­tho­den zu unter­schied­li­chen Antei­len führen.


Die bis­he­ri­gen Klar­stel­lun­gen von Bischof Eleganti:

Klar­stel­lun­gen 19: Vati­ka­num II: Der aus­ge­ru­fe­ne Früh­ling hat nicht stattgefunden

Klar­stel­lun­gen 18: Syn­oda­li­tät als Code-Wort

Klar­stel­lun­gen 17: Resist! Wider­ste­he!

Klar­stel­lun­gen 16: Die Fra­ge der Geschwi­ster­lich­keit mit Andersgläubigen

Klar­stel­lun­gen 15: Wer kei­ne Wahr­heit hat bzw. ein­for­dert, kann zu allen lieb sein!

Klar­stel­lun­gen 14: Migra­ti­on und Gren­zen des Wachstums

Klar­stel­lun­gen 13: Die nicht mehr ver­lieb­te Braut. Gedan­ken zum Hei­li­gen Jahr 2025

Klar­stel­lun­gen 12: Die Dekon­struk­ti­on des Prie­sters und der Frau

Klar­stel­lun­gen 11: Syn­oda­li­tät ist kei­ne neue Offenbarung

Klar­stel­lun­gen 10: Wäre ein Ehren­pri­mat des römi­schen Pon­ti­fex ein ech­ter öku­me­ni­scher Fortschritt?

Klar­stel­lun­gen 9: Kein Zugang zum VATER ohne JESUS CHRISTUS. Mis­si­on ist ein Auf­trag Jesu

Klar­stel­lun­gen 8: Ihr könnt uns kein Schlan­gen­öl verkaufen!

Klar­stel­lun­gen 7: Über­le­gun­gen zur Öku­me­ne seit dem Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Konzil

Klar­stel­lun­gen 6: Patri­arch des Westens?

Klar­stel­lun­gen 5: Eine erste Reak­ti­on zum Neu­en Doku­ment über die Aus­übung des Petrusamtes

Klar­stel­lun­gen 4: Anmer­kun­gen zu den neu­en Nor­men für den Umgang mit Privatoffenbarungen

Klar­stel­lun­gen 3: Unend­li­che oder unan­tast­ba­re Würde?

Klar­stel­lun­gen 2: Der sakra­men­ta­le Lock­down der Kir­che war ein Knie­fall vor der Politik

Klar­stel­lun­gen 1: Syn­oda­lis­mus und Gremienkatholizismus

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Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

Die­se Posi­ti­on haben wir uns weder aus­ge­sucht noch sie gewollt, son­dern im Dienst der Kir­che und des Glau­bens als not­wen­dig und fol­ge­rich­tig erkannt. Damit haben wir die Bericht­erstat­tung verändert.

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