Migration und Grenzen des Wachstums

Klarstellungen 14


Beispiele für die Migrationspolitik
Beispiele für die Migrationspolitik

Von Msgr. Dr. Mari­an Eleganti*

Der Staat hat die Pflicht, sei­ne Gren­zen zu bewa­chen und die eige­ne Bevöl­ke­rung vor Scha­den zu bewah­ren. Die Immi­gra­ti­on soll auf lega­lem und kon­trol­lier­tem Weg erfol­gen, damit der sozia­le Frie­den im Inne­ren des Lan­des gewahrt bleibt, grenz­über­schrei­ten­de Kri­mi­na­li­tät ver­hin­dert wird und die Inte­gra­ti­on der Migran­ten in die Bevöl­ke­rung und in den Arbeits­markt auf geord­ne­te Wei­se erfol­gen kann. Frem­den- und Näch­sten­lie­be, Gast­freund­schaft, kul­tu­rel­le Offen­heit sind gesin­nungs­ethi­sche Postu­la­te, die das ein­zel­ne Gewis­sen ange­hen. Der Staat kann das Gute in der Gesin­nung sei­ner Bür­ger nicht struk­tu­rell her­vor­brin­gen. Der Bür­ger muss selbst sein Gewis­sen an Wahr­heit und Gerech­tig­keit bzw. an Gott bin­den. Das gilt auch für den Poli­ti­ker. Es ist nicht Auf­ga­be des Staa­tes, eine Gesin­nungs­dik­ta­tur mit Pro­pa­gan­da und Zen­sur zu errich­ten, die den poli­ti­schen Zie­len jener die­nen, die gera­de an der Macht sind. Der frei­heit­li­che Staat hat Ver­samm­lungs- und Mei­nungs­frei­heit der Bür­ger zu schüt­zen und zu garan­tie­ren. Er darf sie nicht selbst unter­mi­nie­ren mit Sank­tio­nen, die angeb­lich sei­ner eige­nen Dele­gi­ti­mie­rung durch die freie Mei­nungs­äu­sse­rung der Bür­ger ent­ge­gen­wir­ken sol­len. Auf­ga­be des Staa­tes ist es, den Frie­den im Land zu garan­tie­ren durch gerech­te Ver­hält­nis­se, die durch sein Gewalt­mo­no­pol geschützt wer­den, z. B. Eigen­tum, Demon­stra­ti­ons­recht und Ver­samm­lungs­frei­heit. Herr im Land ist nicht der Staat, son­dern der Bür­ger, der in einer Demo­kra­tie die Poli­ti­ker wählt und ihnen ein Man­dat erteilt oder auch wie­der ent­zieht. Poli­ti­ker müs­sen abge­wählt und kri­ti­siert wer­den kön­nen, falls sie ihren Auf­trag nicht erfül­len. Das ist Demokratie.

Es wäre naiv, zu glau­ben, der Frie­de im Land kön­ne durch Gut­men­schen­tum auf­recht­erhal­ten wer­den, indem in der Poli­tik gesin­nungs­ethisch argu­men­tiert wird. Gerech­tig­keit als Inter­es­sens­aus­gleich ist Sache des Staa­tes. In der Poli­tik gilt der Kom­pro­miss. Das ist ver­ant­wor­tungs­ethisch. Oft bleibt nichts ande­res, als zwi­schen laten­ten Übeln das gerin­ge­re unter ihnen zu wäh­len. Die Poli­tik hat ver­ant­wor­tungs­ethisch vor­zu­ge­hen, d. h. die Kon­se­quen­zen abzu­wä­gen. Sie darf nicht als Gedan­ken­po­li­zei agie­ren. Freie Mei­nungs­äu­sse­rung und unab­hän­gi­ge, kom­pe­ti­ti­ve Medi­en ohne Gleich­schal­tung des Den­kens und ohne vor­ge­schrie­be­ne Mei­nungs­kor­ri­do­re (vgl. die Bericht­erstat­tung in der Coro­na­zeit und zum Krieg in der Ukrai­ne) sind eine Vor­aus­set­zung der Demo­kra­tie. Der Bür­ger muss sich sei­ne Mei­nung frei bil­den kön­nen und darf sie bei jeder Gele­gen­heit fried­lich äussern. Der Staat muss Rah­men­be­din­gun­gen schaf­fen für einen frei­en Wett­be­werb der Ideen.

Die Reli­gi­on ist nicht Staats­die­ne­rin. Sie hat dafür zu sor­gen, dass Gott bekommt, was Gott gehört und der Staat, was ihm gehört. Wo der Staat, sei­ne Geset­ze und sein Macht­mo­no­pol Unrecht schaf­fen, muss der Bür­ger Gott mehr gehor­chen als dem Staat und dem Staat den Gehor­sam ver­wei­gern. Ent­schei­dend ist die Bin­dung des Gewis­sens jedes ein­zel­nen an Gott bzw. an Wahr­heit und Gerech­tig­keit. Man fragt sich immer öfters, wo die­se Bin­dung in Poli­tik und Bericht­erstat­tung geblie­ben ist. Inter­es­sen waren immer schon gröss­ter Feind der Wahr­heit. Oppor­tu­ni­sten igno­rie­ren ihr eige­nes Gewissen.

Das Exi­stenz­recht der Reli­gi­on inner­halb eines staat­li­chen Gefü­ges ergibt sich nicht aus ihrem Nut­zen für den Staat. Sie darf sich ihm nicht anbie­dern, indem sie ihn von ihrer eige­nen Nütz­lich­keit für ihn über­zeu­gen will. Die Reli­gi­on bzw. der Glau­be spie­len in einer ande­ren Liga als die Poli­tik. Sie ste­hen nicht auf der glei­chen Ebe­ne. Es genügt, wenn das Gewis­sen der Bür­ger sich an Gott bin­det und aus die­sem Grund mora­lisch han­delt. Domä­ne der Reli­gi­on ist das Gewis­sen. Domä­ne des Staa­tes sind die gerech­te Ord­nung und das Wohl des Bür­gers. Das staat­li­che Han­deln muss sich als gerecht erweisen.

Ein Land hat nicht die Pflicht, jeden Migran­ten auf­zu­neh­men. Nicht­in­te­grier­bar­keit auf­grund objek­ti­ver Hin­der­nis­se oder auf­grund von kul­tu­rell beding­ter oder reli­gi­ös moti­vier­ter Inte­gra­ti­ons­un­wil­lig­keit (Par­al­lel­ge­sell­schaf­ten) wie auch die Gren­zen der Finan­zier­bar­keit des Inte­gra­ti­ons­pro­zes­ses über Jah­re hin­weg soll­ten sehr gut bedacht wer­den (Aus­bil­dung, Exi­stenz­si­che­rung aus eige­ner Kraft, Arbeit). Hier geht es nicht um Gesin­nung, son­dern um Zah­len­ver­hält­nis­se. Die Pro­ble­me müs­sen lös­bar blei­ben. Beschwö­run­gen wie «Wir schaf­fen das!» hel­fen nicht weiter.

Ein Ver­gleich: Jedes ver­ant­wort­lich han­deln­de Eltern­paar wird sich ver­nünf­ti­ger­wei­se zwei­mal über­le­gen, ob es ein frem­des Kind adop­tie­ren, in die bereits bestehen­de, eige­ne Fami­lie inte­grie­ren und sei­ne Ent­fal­tung und Aus­bil­dung garan­tie­ren kann, bevor es sich zu einem sol­chen Schritt ent­schei­det. Sei­ne Res­sour­cen zum Hel­fen sind begrenzt. Dies­be­züg­li­che ver­ant­wor­tungs­ethi­sche Über­le­gun­gen wer­den mit jedem wei­te­ren Kind umso dring­li­cher. Alles ande­re wäre trotz guter Gesin­nung unver­ant­wort­lich. Das Glei­che gilt muta­tis mut­an­dis für die Migra­ti­on. Ver­ant­wor­tung im Kon­text der Migra­ti­on (not­wen­di­ge, even­tu­ell restrik­ti­ve Mass­nah­men wie Grenz­kon­trol­len; Regu­lie­rung der Aus­ga­ben in die­sem Bereich) hat nichts mit Frem­den­feind­lich­keit zu tun.

Die Pro­ble­me, wel­che die Immi­gra­ti­on löst und jene, die sie stellt, müs­sen in einem aus­ge­wo­ge­nen Ver­hält­nis blei­ben. Dass das so schwer zu begrei­fen ist, ver­wun­dert im aktu­el­len Dis­kurs. Der Vor­wurf trifft Leu­te inner­halb der Kir­che umso stär­ker, als die Kir­che nie etwas ande­res gelehrt hat. Die Wür­de des Men­schen ist unan­tast­bar, ja, aber so wenig unend­lich bzw. unbe­grenzt wie sei­ne Rech­te. Sei­ne Ansprü­che sind im Fall der Migra­ti­on nicht zuletzt durch die Res­sour­cen des Gast­ge­bers begrenzt. Der Staat hat für sta­bi­le und geord­ne­te Ver­hält­nis­se zu sor­gen. Kann der Staat sie auf­grund einer aus den Fugen gera­te­nen Immi­gra­ti­on (Kri­mi­na­li­tät; nicht finan­zier­ba­re Sozi­al­lei­stun­gen; Über­for­de­rung der Kom­mu­nen; Über­la­stung der Infra­struk­tur etc.) nicht län­ger garan­tie­ren, muss er Mass­nah­men ergrei­fen, wel­che die Immi­gra­ti­on und die mit ihr ver­bun­de­nen Pro­ble­me begren­zen. Das soll­te eigent­lich jedem ein­leuch­ten. War­um es das nicht tut oder not­wen­di­ge Mass­nah­men feh­len, hat ande­re Grün­de als man­geln­de Einsicht.

*Msgr. Mari­an Ele­gan­ti OSB, pro­mo­vier­ter Theo­lo­ge, war von 1999 bis 2009 Abt der Bene­dik­ti­ner­ab­tei St. Otmars­berg im Kan­ton Sankt Gal­len, dann von 2009 bis 2021 Weih­bi­schof der Diö­ze­se Chur. Bischof Ele­gan­ti betreibt einen eige­nen Blog.

Bild: MiL


Die bis­he­ri­gen Klar­stel­lun­gen von Bischof Eleganti:

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