Überlegungen zur Ökumene seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil

Klarstellungen 7


Mit der Bedeutung des päpstlichen Primats und der Ökumenischen Bewegung befaßt sich Titularbischof Marian Eleganti in seinen jüngsten Klarstellungen
Mit der Bedeutung des päpstlichen Primats und der Ökumenischen Bewegung befaßt sich Titularbischof Marian Eleganti in seinen jüngsten Klarstellungen

Von Msgr. Mari­an Eleganti*

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Ich brin­ge hier noch ein­mal eini­ge Über­le­gun­gen zur Öku­me­ne im Zusam­men­hang mei­ner Aus­ein­an­der­set­zung mit dem Stu­di­en­do­ku­ment „Der Bischof von Rom“, das vor kur­zem vom Dik­aste­ri­um zur För­de­rung der Ein­heit der Chri­sten unter Kar­di­nal Kurt Koch vor­ge­stellt wur­de. Es macht Vor­schlä­ge für die wei­te­ren Gesprä­che mit den getrenn­ten Chri­sten. Dazu habe ich über die fol­gen­de Stel­lung­nah­me hin­aus bereits drei­mal Stel­lung genommen:

Ich per­sön­lich mache schon einen Unter­schied zwi­schen dem Vati­ca­num I, das eine unfehl­ba­re Dog­ma­ti­sie­rung vor­ge­legt hat, und einem Vati­ca­num II, das erklär­ter­ma­ssen (nur) ein pasto­ra­les Kon­zil sein woll­te. Es ist nach­voll­zieh­bar, dass es die Spit­zen­aus­sa­gen des Ersten Vati­ca­num in die Kol­le­gia­li­tät der Bischö­fe ein­bin­den woll­te, um einen gewis­sen Aus­gleich zu errei­chen im Ver­hält­nis zwi­schen Papst und Bischö­fen. Das bedeu­tet ja nicht, dass man inhalt­li­che Abstri­che machen konn­te oder kann am Ersten Vaticanum.

Aller­dings ist mir bereits in der Jugend auf­ge­fal­len, dass vie­le Text­pas­sa­gen von Vati­ca­num II für Aus­le­gun­gen offen sind und sehr stark den Cha­rak­ter eines Kom­pro­mis­ses oder einer gewis­sen Unschär­fe auf­wei­sen, die mich schon damals gestört hat. Ich war damals ein zwan­zig­jäh­ri­ger Novize.

Schon als Mini­strant hat­te ich erlebt, wie rabi­at und über­trie­ben eine Lit­ur­gie­re­form durch­ge­setzt wur­de, die weder von den Kon­zils­vä­tern so inten­diert war noch den Kon­zils­tex­ten zu ent­neh­men ist. Als Mini­strant wur­de ich vom alten in den neu­en Ritus umge­schult. Da waren eher die Kom­mis­sio­nen (Bug­nini) als die Kon­zils­vä­ter am Werk. Sicher sind eini­ge nach Hau­se gegan­gen vom Kon­zil, um den Spiel­raum, den die Kon­zils­tex­te bie­ten, so weit wie mög­lich aus­zu­le­gen. Mit der Zeit haben das wohl auch Ratz­in­ger und Woj­ty­la etwas kri­ti­scher gese­hen. Heu­te sehen lei­der vie­le von den Tex­ten selbst ab, auch da, wo sie sich an das Kon­zil hal­ten müss­ten. Ich den­ke, dass damals (60er Jah­re), wie auch im säku­la­ren Bereich (Fort­schritts­glau­be), in der Öku­me­ne eine über­trie­be­ne Begei­ste­rung und Zuver­sicht herrsch­ten. Mit die­ser Gene­ra­ti­on ist nicht mehr weiter-zukommen.

Die heu­ti­gen jun­gen Gläu­bi­gen, das konn­te ich als Jugend­bi­schof sehr gut sehen, ken­nen das Kon­zil über­haupt nicht und inter­es­sie­ren sich auch nicht dafür. Sie haben kaum einen Text gele­sen, füh­len sich aber von der alten Lit­ur­gie ange­zo­gen, ohne ideo­lo­gisch zu sein. Auch im jun­gen Kle­rus gibt es als Reak­ti­on auf die letz­ten 50 Jah­re «Kir­chen­re­form» eine kla­re, kon­ser­va­ti­ve Wende.

Ich glau­be, dass die Päp­ste Johan­nes Paul II. und Bene­dikt XVI. noch viel zu stark mit dem Vati­ca­num II bio­gra­phisch ver­wo­ben waren, um der Gene­ra­ti­on von mor­gen mit einer grö­sse­ren inne­ren Frei­heit gegen­über­tre­ten zu kön­nen. Ich sehe eini­ge Din­ge im Pon­ti­fi­kat und Cha­rak­ter von Johan­nes Paul II. und von Bene­dikt XVI. durch­aus kri­tisch. Letz­te­rer hat aber mit sei­ner For­de­rung einer Her­me­neu­tik der Kon­ti­nui­tät gegen­über jener des Bru­ches das Pro­blem seit dem Vati­ca­num II klar erfasst. Kar­di­nal Sue­n­ens sprach von einer Revo­lu­ti­on ähn­lich der fran­zö­si­schen, die die katho­li­sche gesell­schaft­li­che Ord­nung des «Anci­en régime» zer­stört hat.

In der Öku­me­ne tei­le ich den Opti­mis­mus des Kon­zils schon lan­ge nicht mehr. Die Bemü­hun­gen haben nur die Atmo­sphä­re ver­bes­sert, aber kei­ne Ein­heit gebracht. Auch haben wir über­all viel von unse­rer katho­li­schen Sub­stanz abge­baut und zur Dis­po­si­ti­on gestellt, ohne dass wirk­li­che Kir­chen­ein­heit ent­stan­den wäre. Die Spal­tun­gen gehen sogar immer wei­ter (vgl. Angli­ka­ni­sche Kir­che; Aus­stieg der kop­ti­schen Kir­che seit Fidu­cia sup­pli­cans; der Bruch zwi­schen grie­chi­schen Ortho­do­xen (Bar­tho­lo­mä­us) und Rus­sisch-Ortho­do­xen (Kyrill); Ukraine/​Kiew und Moskau/​Kyrill; die Spal­tun­gen inner­halb der katho­li­schen Kir­che unter die­sem Pon­ti­fi­kat (vgl. z. B. die Reak­tio­nen gan­zer Bischofs­kon­fe­ren­zen auf Fidu­cia sup­pli­cans). Das alles kann noch schlim­mer werden.

Das Vati­ca­num II ist mit sei­nem pasto­ra­len, eher anti­dog­ma­ti­schen Ansatz aus sei­ner Zeit her­aus zu ver­ste­hen und muss heu­te etwas dif­fe­ren­zier­ter gele­sen wer­den, wäh­rend ande­rer­seits (das ist mein Punkt) die Dog­ma­ti­sie­rung des Petrus­am­tes eine gewis­se zeit­lo­se Nor­ma­ti­vi­tät behält, an der wir kei­ne Abstri­che machen kön­nen, um eine Aus­übung des Petrus­am­tes zu ent­wickeln, die hin­ter dem Inhalt und Wort­laut des Dog­mas zurück­bleibt. Eine histo­ri­sche Relek­tü­re die­ses Kon­zils, die ja auch mög­lich ist, darf also nicht das Kind mit dem Bad aus­schüt­ten durch ein soge­nann­tes re-wor­ding. Das wäre kein Fort­schritt. Ein­heit gibt es nur in der (vol­len) Wahr­heit, mei­ne Über­zeu­gung. So lan­ge letz­te­re nicht erreicht ist, bleibt sie real nicht exi­stie­rend. Die Lie­be ver­mag dar­an nichts zu ändern.

Wir müs­sen in allen Dia­lo­gen von der Wahr­heit aus­ge­hen und in ihr blei­ben. Wie auch in der Gesell­schaft herr­schen aber viel­fach die Gefüh­le und die Inter­es­sen (Macht), nicht die objek­ti­ve Wahrheit.

Ich per­sön­lich wür­de mich lie­ber um Zusam­men­ar­beit bemü­hen und in Anlie­gen wie z. B. Frie­den, wo Über­ein­stim­mung erreicht wer­den kann, die­se Über­ein­stim­mung pro­pa­gie­ren. Aber zu mei­nen, wir könn­ten refor­ma­to­ri­sche Bekennt­nis­se (Gemein­schaf­ten) zu einer Ein­heit im Glau­ben mit uns zurück­brin­gen durch Kon­sens­ge­sprä­che, ohne dass sie sich zum katho­li­schen Glau­ben bekeh­ren, bleibt für mich eine Illu­si­on. Sie wol­len ja erklär­ter­ma­ssen Pro­te­stan­ten blei­ben und kei­ne Rück­keh­r­ö­ku­me­ne: «Sie haben also nichts falsch gemacht im 16. Jh.». Mit den Ortho­do­xen ist es auf eine ande­re Wei­se eben­so aus­sichts­los. Wenn sie unter sich kei­ne Ein­heit zustan­de brin­gen, wie dann aus­ge­rech­net und noch dazu mit uns mit einem Patri­ar­chat mehr? Auch «Stell­ver­tre­ter Chri­sti» wird im Annu­a­r­io Pon­ti­fi­cio unter die histo­ri­schen Titel gereiht. War­um? Und war­um taucht aus­ge­rech­net «Patri­arch des Westens» dar­in wie­der auf? Die Pen­te­ko­sta­len expan­die­ren selbst­be­wusst und sind wohl über­zeugt, dass wir säku­la­ri­sier­ten Katho­li­ken gar nicht mehr rich­tig glau­ben. Das den­ken auch die Ortho­do­xen, die uns oft an der Basis wie eine Sek­te behan­deln, wenig­stens wenn man auf Rei­sen ist.

Ich erwar­te die Ein­heit von Chri­stus, der wie­der­kom­men wird in Herr­lich­keit. Argu­men­ta­tiv wie in der bis­he­ri­gen Form der Öku­me­ne, die immer davon aus­geht, dass die ande­ren bei sich selbst blei­ben dür­fen wie auch wir, ist (argu­men­ta­tiv; Kon­sens­ge­sprä­che) die­se Ein­heit ein­fach nicht zu haben bzw. zu errei­chen. Ich habe noch nie erlebt, dass ich jeman­den durch Argu­men­te von irgend­et­was über­zeu­gen konn­te, wenn ihm nicht zuvor die Gna­de inner­lich schon Ein­sicht gege­ben hät­te, noch ehe ich mei­nen Mund ihm gegen­über geöff­net habe. Sau­lus wur­de durch das inne­re Licht bekehrt, nicht durch die Argu­men­te des Ananias.

Wir dür­fen die Wahr­heit nicht auf irgend­wel­che (Teil-)Aspekte in ihr dekon­stru­ie­ren, z. B. die Auf­er­ste­hung auf «die Sache Jesu geht wei­ter» her­un­ter­bre­chen, um die Athe­ner (bis hier­her hät­ten sie wohl zuge­stimmt) zu gewin­nen, für wel­che die gan­ze, kru­de Wahr­heit von der leib­li­chen Auf­er­ste­hung Jesu Grund zum Aus­stieg aus dem Dia­log war (dar­über ein ande­res Mal). Wenn wir das mit dem Petrus­amt auch so machen wür­den, wäre das für mich defi­ni­tiv ein Irrweg.

Mit ande­ren Wor­ten: Ehren­pri­mat; Dienst der Lie­be; Vor­sitz bei Syn­oden und Kon­zi­li­en; Mode­ra­ti­on; Schlich­ter; Sprach­rohr; Pri­mus inter pares etc. etc.: Das alles Ja (d. h. akzep­tiert), aber ohne Schlüs­sel­ge­walt im Sin­ne des Vati­ca­num I., also ohne Juris­dik­ti­on und Defi­ni­ti­ons­ho­heit über die gan­ze Kir­che (in die­sem Fall eher als com­mu­nio eccle­si­arum ver­stan­den). Das wäre für mich eine auf die beschrie­be­ne Wei­se her­ab­ge­stuf­te, dekon­stru­ier­te Wahr­heit, die jedoch auf dem Vati­ca­num I unfehl­bar defi­niert wor­den ist, aber von den getrenn­ten Chri­sten so nicht akzep­tiert (Maxi­mal­for­de­rung) wird.

Dar­auf könn­ten die Befür­wor­ter ant­wor­ten: «Aber wenig­stens haben wir etwas erreicht, einen Ehren­pri­mat.» Mei­ne Ant­wort: Aber eben kei­ne Ein­heit in der Wahr­heit. Und auch in vie­len ande­ren sicht­ba­ren Berei­chen blie­ben wir uneins und wider­sprüch­lich wie bis­her. Wenn sich Johan­nes Paul II. das so vor­ge­stellt hat mit sei­nem Ange­bot (Ut unum sint, 95), dann lag er mei­ner Mei­nung nach so falsch, wie als er den Koran geküsst hat. Ausser man abstra­hiert bei die­ser Geste typi­scher­wei­se wie­der von der Wahr­heit (d. h. vom eige­nen Wahr­heits­an­spruch) und sieht in die­ser Geste nur eine Ehr­be­kun­dung gegen­über dem, was dem ande­ren (aber eben nicht mir) hei­lig ist. Trotz­dem: Wie kann man das Evan­ge­li­ar küs­sen in der Lit­ur­gie und den Koran in der Begeg­nung, noch dazu, wenn man weiss, wie Mus­li­me das sehen bzw. interpretieren?

*Msgr. Mari­an Ele­gan­ti OSB, pro­mo­vier­ter Theo­lo­ge, war von 1999 bis 2009 Abt der Bene­dik­ti­ner­ab­tei St. Otmars­berg im Kan­ton Sankt Gal­len, dann von 2009 bis 2021 Weih­bi­schof der Diö­ze­se Chur. Bischof Ele­gan­ti betreibt einen eige­nen Blog.

Bild: Wiki­com­mons

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1 Kommentar

  1. Nun ja, bis zum Schis­ma von 1054 und bis zur Gre­go­ria­ni­schen Reform WAR der Papst der Patri­arch des Westens, danach woll­ten sich die Päp­ste an die Stel­le der Kai­ser set­zen (Boni­faz!).
    Bei den christ­li­chen Reli­gi­ons­ge­mein­schaf­ten wären aller­dings streng zu unter­schei­den: 1. Kir­chen, wel­che die apo­sto­li­sche Suk­zes­si­on, die Sakra­men­te und das Prie­ster­tum bewahrt haben (d. s. Im gro­ßen die Ost­kir­chen) und 2. die aus der Refor­ma­ti­on ent­stan­de­nen Gemein­schaf­ten, die all dies nicht bewahr­ten (lt. – nicht nur – EB Viganò ist die Kon­zils­kir­che im Begrif­fe, sich bei letz­te­ren ein­zu­rei­hen). Es ist klar, daß eine wie immer gear­te­te „Gemein­schaft“ mit dem Pro­te­stan­tis­mus nur auf Kosten der Sub­stanz gehen kann (sie­he Lit­ur­gie­re­form). Was soll da ein „Ehren­pri­mat“? Ein typi­sches Glo­ba­li­sten­pro­jekt, pas­send für den Freund Schwabs, Al Gores, Soros‘,…

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