
Von Msgr. Marian Eleganti*
Auf der Homepage der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) lesen wir bei der Vorstellung des Dokumentes „Der Bischof von Rom“: „Im Blick auf die Lehre des Ersten Vatikanischen Konzils über den Jurisdiktionsprimat wird eine Relecture („re-wording“) gefordert, das heisst eine aktualisierende Interpretation und Neuformulierung unter Berücksichtigung der historischen Umstände und der Weiterentwicklung der Lehre insbesondere durch das Zweite Vatikanische Konzil.“ Bei dieser sog. Relectüre, die ja in solchen Fällen meistens zu etwas anderem führt, als es dem bisherigen Verständnis entspricht, gilt die Enzyklika von Johannes Paul II. „Ut unum sint“ (25. Mai 1995) als Startschuss. Dort heisst es in der Nr. 95 der Enzyklika: „Ich bin überzeugt, diesbezüglich eine besondere Verantwortung zu haben, vor allem wenn ich die ökumenische Sehnsucht der meisten christlichen Gemeinschaften feststelle und die an mich gerichtete Bitte vernehme, eine Form der Primatsausübung zu finden, die zwar keineswegs auf das Wesentliche ihrer Sendung verzichtet, sich aber einer neuen Situation öffnet.“ Und weiter: „Der Heilige Geist schenke uns sein Licht und erleuchte alle Bischöfe und Theologen unserer Kirchen, damit wir ganz offensichtlich miteinander die Formen finden können, in denen dieser Dienst einen von den einen und anderen anerkannten Dienst der Liebe zu verwirklichen vermag.“
Unmittelbar vorher (Nr. 94) aber beschreibt Johannes Paul II. den Primat des Papstes mit folgenden Worten: „Mit der Vollmacht und Autorität, ohne die dieses Amt illusorisch wäre, muss der Bischof von Rom die Gemeinschaft aller Kirchen gewährleisten. Dadurch ist er der Erste unter den Dienern an der Einheit. Dieser Primat wird auf verschiedenen Ebenen ausgeübt; sie betreffen die wachsame Aufsicht über die Weitergabe des Wortes, über die Feier der Sakramente und der Liturgie, über die Mission, über die Disziplin und über das christliche Leben. Dem Nachfolger des Petrus obliegt es, an die Forderungen des Gemeinwohls der Kirche zu erinnern, falls jemand versucht wäre, dies zugunsten eigener Interessen zu vergessen. Er hat die Pflicht hinzuweisen, zu warnen und manchmal diese oder jene Meinung, die verbreitet wird, für unvereinbar mit der Einheit des Glaubens zu erklären. Wenn es die Umstände erfordern, spricht er im Namen aller Hirten, die mit ihm in Gemeinschaft stehen. Er kann auch — unter ganz bestimmten, vom I. Vatikanischen Konzil klargestellten Bedingungen — ex cathedra erklären, dass eine Lehre zum Glaubensgut gehört. Durch dieses Zeugnis der Wahrheit dient er der Einheit.“ Wie aber soll das alles gehen ohne Jurisdiktion?
Wir halten fest:
- Ohne Vollmacht (vgl. Jurisdiktion) und Autorität (vgl. Primat) ist das Papstamt nach Johannes Paul II. illusorisch. Das heisst, es wäre nicht mehr das, was es sein soll: „Mit der Vollmacht und Autorität, ohne die dieses Amt illusorisch wäre, muss der Bischof von Rom die Gemeinschaft aller Kirchen gewährleisten“ (94).
- Der Primat umfasst nach Ut unum sint Nr. 94 verschiedene Ebenen, auf denen der Papst «klärend und mit Autorität» eingreifen kann. Sie betreffen die „wachsame Aufsicht“ über die „Weitergabe des Wortes“, die „Feier der Sakramente und der Liturgie“, die „Mission“, die „Disziplin und das christliche Leben“ (94). Dem Nachfolger Petri obliegt es (ich fasse zusammen): a) das Gemeinwohl der Kirche zu schützen, b) zu warnen, c) irrige Ansichten zu verurteilen, die der Einheit im Glauben widersprechen. d) Er kann im Namen aller Hirten sprechen, die mit ihm in Gemeinschaft stehen und e) er kann ex cathedra eine Lehre vorlegen, die von allen zu glauben ist. Abschliessend: „Durch dieses Zeugnis der Wahrheit dient er der Einheit“ (94).
Mit dem von ihm angeregten „Dienst der Liebe“, über den es nachzudenken gilt, kann also m. E. nicht etwas ganz anderes gemeint sein, etwa ein Ehrenprimat des Patriarchen des Westens ohne Jurisdiktion über die anderen des Ostens und über die übrigen bis dato von uns getrennten Christen.
Mit dem „Dienst der Liebe“ kann es m. E. auch nicht einen doppelten Standard bzw. eine doppelte Wahrheit in Bezug auf das Petrusamt geben, ohne dieses zu dekonstruieren: eine(n) für die römisch-katholische Kirche (sozusagen das lateinische Patriarchat) mit maximaler Jurisdiktion gemäss Vat. I. über die ganze Kirche und eine(n) für die anderen, von ihr bisher getrennten Kirchen (Patriarchate des Ostens) und kirchlichen Gemeinschaften (die aus dem Protestantismus hervorgingen) ohne Jurisdiktion über sie.
Meiner Meinung nach wäre das dann nicht eine Relectüre des Vat. I. (Pastor aeternus), sondern seine Aufhebung. Da wir davon ausgehen, dass das Dogma der Unfehlbarkeit des Papstes und seines Jurisdiktionsprimates unfehlbar die Wahrheit über das Petrusamt zum Ausdruck bringt und im Heiligen Geist definiert wurde, muss sie für alle Christen gelten. Es gibt kein Zurück in frühere Zeiten.
*Msgr. Marian Eleganti OSB, der promovierte Theologe war von 1999 bis 2009 Abt der Benediktinerabtei St. Otmarsberg im Kanton Sankt Gallen, dann von 2009 bis 2021 Weihbischof der Diözese Chur.
Bild: Miniatur von Leo dem Großen im Menologion Basileios’ II. (um 985), Vatikanische Bibliothek
Ich danke Hochwürden Marian Eleganti für die Klarheit und Wahrheit seiner Worte. Sie sind geeignet, dass Viele die Wahrheit des Glaubens wiederfinden.
Für einen der Tradition verbundenen Katholiken ist es sicherlich ungewöhnlich, ‚Pastor Aeternus‘ für höchst problematisch zu halten. Trotzdem verhält es sich bei mir so. Kann man wirklich intellektuell redlich Universalprimat und Unfehlbarkeit in der Leseart von Pastor aeternus für in der Offenbarung enthalten glauben? Nicht zu unrecht wirft die orthodoxe Kirche der römischen Neudogmen-Fabrikation vor.
Für den Bereich des Occidents ( also der [einst] lateinischen Kirche) besteht natürlich der päpstliche Primat (wie für alle anderen Patriarchen), allerdings unter Selbstbindung an die Normen, nicht über diese hinweg ( wie P.Ae.behauptet).
Mit P.Ae. haben die Integristen um Pius IX den der Tradition Verbundenen von heute eine schwere Bürde auferlegt. Natürlich war es damals nicht absehbar, daß der Papst selbst zum Haupte der innerkirchlichen Subversion geraten würde. Aber ein Blick in die Kirchengeschichte (über die kastrierten Lehrbücher für den Seminargebrauch hinaus) hätte davon überzeugen müssen, daß das Papsttum keinesfalls immer ein „Felsen“ war.
Wer hatte in der alten Kirche die Gesamtleitungsfunktion? Die drei, dann vier, dann fünf Patriarchate unter der faktischen Leitung der Römischen Kaiser (die auch den universellen Konzilen vorstanden).
Auch im Abendland standen die Kaiser bis zur Gregorianischen Reform über dem Papst; wiederholt wurden unwürdige Päpste von ihnen abgesetzt. Leider fehlt uns heute ein Kaiser für dies Aufgabe…
Für die Leitung der Gesamtkirche muß es ein zentrales Lehramt geben, weil alles andere früher oder später in Zwist und Anarchie endet. Daher halte ich das Vatikanische Konzil 1869/1870 mit seinen Dogmen für folgerichtig. Fragen Sie doch einmal unter den östlichen Schismatikern vom Moskauer und Kiewer Patriarchat, ob Rußlands Staatspräsident Wladimir Putin in seinem Krieg gegen die Wolodymyr-Selenski-Ukraine unterstützt werden soll. Sie werden freilich zwei völlig entgegensetzte Antworten erhalten.
Ich habe glaube, Pastor Aeternus hat eine immense historische Relevanz. Es war in seiner Wirkung nie unantastbarer als in dieser Endzeit. Einmal disqualifiziert es den gegenwärtigen Ursupator in Rom. Jeder kann gemäß des freien Willens seine eigene Person formen. Dies tat Bergoglio so, daß seine heutige Person definiert werden kann als der historische Versager gegenüber Pastor Aeternus. „Wer bin ich…“ ist seine Aussage auf das Dokument. Es ist offensichtlich, Bergoglio wird gerade durch das Dokument historisch als Nicht-Papst entlarvt.
Das zweite ist die einmalige Verkündigung eines Unfehlbarkeitsdogmas. Alles ist dadurch anders. Als Pius XII die leibliche Aufnahme Mariens in den Himmel verkündete, war es eine Revolution des christlichen Glaubens. Weil Maria in den Himmel aufgenommen wurde, ist sie göttliche Fürsprecherin. Die unmittelbare Verbindung Mariens mit dem Heiligen Geist resultiert daraus. Und das Verständnis für göttliche Offenbarung in der Endzeit ist gegeben. Die Bibel hat uns nicht darüber informiert, daß Maria als ewige Fürsprecherin da ist. Wir wissen nur eines: „Als Jesus seine Mutter sah und bei ihr den Jünger, den er liebte, sagte er zu seiner Mutter: Frau, siehe, dein Sohn! Dann sagte er zu dem Jünger: Siehe, deine Mutter! Und von jener Stunde an nahm sie der Jünger zu sich“.
Seit der Verkündigung des Dogmas ist es für das Christentum amtlich. Die Menschheit hat ein weibliches Gegenüber im Jenseits. Die Gottesmutter ist unsere aktive Lehrerin. Und das Gebet zur Jungfrau hat die Dimension einer göttlichen Wirkung.
Gott läßt zu, daß alle Gemeinschaften innerhalb der Kirche zerstört werden. Er läßt zu, daß die heilige Liturgie, das Opfer abgeschafft wird. Die Marienwallfahrtsorte bleiben unberührbar.