Wer keine Wahrheit hat bzw. einfordert, kann zu allen lieb sein!

Klarstellungen 15


Von Msgr. Dr. Mari­an Eleganti*

Anzei­ge

Ein Leben lang habe ich nur Pro­ble­me bekom­men und die Rol­le des Aussen­sei­ters gespielt, des Ruhe­stö­rers. weil es für mich in allen Din­gen eine Wahr­heit gibt, die man suchen und für die man ein­tre­ten muss. Natür­lich habe ich sie nicht gepach­tet, wie man so ger­ne vor­wirft. So pri­mi­tiv im Den­ken bin ich nicht. Sechs Jah­re lang habe ich mich mit Wahr­heits­theo­rien befasst (Was ist Wahr­heit? Kann man sie fin­den? Gibt es Kri­te­ri­en der Gewiss­heit, sie gefun­den zu haben etc.). Ich bin in die­ser Fra­ge kei­nes­wegs naiv, auch nicht into­le­rant oder anma­ssend. Ich ken­ne die skep­ti­schen Theo­rien, die Plu­ra­li­täts­the­se und den Rela­ti­vis­mus als ihre Kon­se­quenz. Ich ken­ne auch die Vor­wür­fe gegen­über der Reli­gi­on: dass Abso­lut­heits­an­sprü­che angeb­lich ipso fac­to zu Gewalt und Unfrie­den füh­ren. Ein gan­zes Leben lang muss­te ich mich gegen die dies­be­züg­li­chen, immer wie­der glei­chen Vor­wür­fe und phi­lo­so­phi­schen Plat­ti­tü­den ver­tei­di­gen. Ich bin es müde, sie alle­samt hier beim Namen zu nen­nen und zu wider­le­gen in all ihren Variationen.

Wahr­heit ist, weil Gott ist. Auch die Athe­isten wol­len nicht getäuscht wer­den. Auch sie set­zen die Über­ein­stim­mung von Den­ken, Reden und Fak­ten vor­aus, wenn sie reden oder zuhö­ren. Etwas ande­res wäre nicht wün­schens­wert. Wir wol­len wis­sen, ob der Part­ner Ehe­bruch began­gen hat oder nicht. So ein­fach ist es. Also müs­sen wir die Wahr­heit suchen und Schein über­win­den. Ein­mal fest­ge­stellt, nimmt eine Wahr­heit kei­ne Rück­sicht auf Gefüh­le und Befind­lich­kei­ten. Hier liegt das Pro­blem. Into­le­rant sind nur jene Men­schen, die Wider­spruch nicht ertra­gen, oder jene, die ihre eige­ne Sicht und ihre eige­nen Inter­es­sen durch­set­zen wol­len. Für die­se sind dann alle Mit­tel recht, und sie wer­den täg­lich ange­wandt. Die wah­ren Zeu­gen der Wahr­heit aber ster­ben für sie, nicht immer blu­tig. Eine ande­re Sei­te die­ser Medail­le ist die Gerech­tig­keit. Auch sie bringt Mär­ty­rer hervor.

Wer kei­ne Wahr­heit hat, die ihn in die Pflicht nimmt, kann zu allen nett sein. Er stösst nir­gends an. Er kann alles und jeden irgend­wie in sei­ne Hal­tung inklu­die­ren und tole­rie­ren. Er hat ein annehm­li­ches Leben und wird beliebt.

Sobald man aber wider­spricht, weil die Wahr­heit einen dazu ver­pflich­tet, wird es unge­müt­lich. Schaut in die Welt hin­aus und erkennt, wie vie­le davon ein Lied sin­gen könnten!

Unse­re Zeit hat kei­ne Wahr­heit. Des­halb hat sie ver­lernt, um ihret­wil­len über sich selbst hin­aus­zu­ge­hen. Das gilt auch für den ein­zel­nen. Da es kei­ne Wahr­heit gibt, die grö­sser ist als die eige­ne Befind­lich­keit, bleibt nur letz­te­re. Die­se gilt dann als wahr. Auf die­se Wei­se bil­den sich Män­ner ein, Frau­en zu sein, um nur das bekann­te­ste Bei­spiel zu nen­nen. Psy­cho­lo­gi­sche Pro­ble­me sind immer invol­viert, wenn man von Objek­ti­vi­tät und Wahr­heit redet. Sie sind auch der Grund für Into­le­ranz, Fana­tis­mus u. a. m., abge­se­hen von knall­har­ten Inter­es­sen, die schon immer die stärk­sten Geg­ner der ein­sam daste­hen­den Wahr­heit waren. Den­ken wir an Chri­stus vor Pilatus.

Ich plä­die­re für einen neu­en Sinn für Objek­ti­vi­tät. Es gibt einen Unter­schied zwi­schen Wahr­heit und Befind­lich­keit, Gerech­tig­keit und Barm­her­zig­keit, Exklu­si­on (von Sün­de und Irr­tum) und Inklu­si­on (des Sün­ders), zwi­schen Gege­be­nem (Wirk­lich­keit) und Gewoll­tem, auch zwi­schen Amt und Trä­ger. Das Amt ist grö­sser als sein Trä­ger. Auch das begreift unse­re Zeit nicht. Sie jubelt der Dekon­struk­ti­on des Amtes zu und hält es für Demut.

Woher kommt das Schwert der Wahr­heit, ihre Eigen­art, zu pola­ri­sie­ren, aus­zu­schlie­ssen und zu ver­ur­tei­len? Ich ant­wor­te: Aus ihrem Wesen selbst! Wahr­heit ist unbeug­sam, uner­bitt­lich, exklu­siv (gegen­über dem Irr­tum und der Lüge), into­le­rant gegen­über jeder Art von Falsch­heit und Schein. Sie bleibt in Ewig­keit. Und je nach­dem, mit was sich die Men­schen ver­bin­den, bekom­men sie es mit Wahr­heit und Gerech­tig­keit in aller Här­te (Unbieg­sam­keit) zu tun. Die­se (gefühl­te) Här­te aber stammt nicht aus der Wahr­heit selbst, son­dern aus dem Wider­spruch zu ihr (die Wahr­heit kann man nicht bie­gen). Am letz­te­ren (Wider­spruch) hal­ten vie­le Men­schen fest. Umso emp­find­li­cher ihre Reak­ti­on, sobald man die Wahr­heit sagt, Wider­sprü­che und fal­schen Schein aufdeckt.

Der Fels Petri ist Fels, weil er die Wahr­heit Chri­sti ver­kün­det und gegen Irr­tum ver­tei­digt. Solan­ge er sie aus­spricht und ver­kün­det, ist er auch Stein des Ansto­sses. Dar­an führt kein Weg vor­bei, denn der Knecht steht nicht über dem HERRN.

Wehe einer Kir­che, die es allen recht machen will, die jeder Befind­lich­keit in ihrer Leh­re ent­ge­gen­kommt, sich dem Geschmack und den Wün­schen der Zeit anpasst mit Abstri­chen an den Gebo­ten Chri­sti, Freund­schaft mit der Welt sucht, von ihr akzep­tiert wer­den will. Das geht immer auf Kosten des Evan­ge­li­ums Jesu Chri­sti. Wehe einer inklu­si­ven Kir­che, wel­che die Sün­de nicht beim Namen nennt, Irr­tü­mer nicht ver­ur­teilt, Chri­stus nicht bezeugt als den ein­zig rich­ti­gen Weg, die (geof­fen­bar­te) Wahr­heit schlecht­hin und als das wah­re, ewi­ge Leben. Wehe einer Kir­che, die alles gel­ten lässt, um von allen geliebt und akzep­tiert zu werden.

Hof­fen wir, dass das kom­men­de Pon­ti­fi­kat in die rich­ti­ge Rich­tung geht.

*Msgr. Mari­an Ele­gan­ti OSB, pro­mo­vier­ter Theo­lo­ge, war von 1999 bis 2009 Abt der Bene­dik­ti­ner­ab­tei St. Otmars­berg im Kan­ton Sankt Gal­len, dann von 2009 bis 2021 Weih­bi­schof der Diö­ze­se Chur. Bischof Ele­gan­ti betreibt einen eige­nen Blog.

Bild: Wiki­com­mons


Die bis­he­ri­gen Klar­stel­lun­gen von Bischof Eleganti:

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