Wäre ein Ehrenprimat des römischen Pontifex ein echter ökumenischer Fortschritt?

Klarstellungen 10


Heiliger Geist, Petersdom, Rom
Heiliger Geist, Petersdom, Rom

Von Msgr. Dr. Mari­an Eleganti*

Anzei­ge

Die von der röm.-kath. Kir­che getrenn­ten Kir­chen und kirch­li­chen Gemein­schaf­ten sen­den Signa­le, dass für sie ein Ehren­pri­mat des römi­schen Pap­stes als gemein­sa­mes Sprach­rohr der Chri­sten und als Mode­ra­tor von Zusam­men­künf­ten mit gemein­sa­men Anlie­gen denk­bar wäre.
Letz­te­re müss­ten natür­lich alle zuerst syn­odal ver­han­delt und ent­schie­den wer­den. Sonst stün­den dann doch nicht alle hin­ter dem, was der Papst in ihrem Namen sagt. Allein das ist bereits eine stei­le Vor­la­ge. Mehr liegt aber nicht drin, wie sich abzeich­net, als die­ser klein­ste gemein­sa­me Nen­ner: ein Ehren­pri­mat! Aber ist das wirk­lich etwas Neu­es? Aus mei­ner Sicht: Nein.

Was hier als mög­li­che öku­me­ni­sche Errun­gen­schaft vor­ge­stellt wird und auf die Aner­ken­nung durch die getrenn­ten Chri­sten war­tet, ist schlicht und ein­fach bereits der Fall, ob es einem gefällt oder nicht. Auf­grund sei­ner histo­risch gewach­se­nen Auto­ri­tät und Stel­lung kann nie­mand ver­hin­dern, dass der Papst wie kein ande­rer für das Chri­sten­tum steht und sich auf der Welt­büh­ne ent­spre­chend und aner­kann­ter­ma­ssen bewegt. Auch kann er jeder­zeit Vor­ste­her ande­rer Kir­chen und kirchl. Gemein­schaf­ten nach Rom ein­la­den, um mit ihnen eine Agen­da zu dis­ku­tie­ren, die für alle Betei­lig­ten rele­vant ist, wenn er oder sie das wol­len. Also nichts Neu­es. Nun signa­li­sie­ren die von ihm getrenn­ten Chri­sten: Ein Ehren­pri­mat wäre für uns denk­bar. Dar­in mögen vie­le einen Fort­schritt erken­nen, falls es ein­mal aus ihrer Sicht dazu kom­men wird. Bei genaue­rem Hin­se­hen hät­te sich wenig bis nichts bewegt. Die vom Papst getrenn­ten Chri­sten betrach­ten näm­lich ihren Sta­tus als legi­tim und authen­tisch. Des­halb wol­len sie bei ihrem Glau­ben und bei ihren Struk­tu­ren blei­ben und nicht in den Schoss der röm.-kath. Kir­che zurück­keh­ren unter der Juris­dik­ti­on des Pap­stes, der von Petrus die Schlüs­sel­ge­walt geerbt hat und von dem sie sich aus unter­schied­li­chen Moti­ven zu einem geschicht­li­chen Zeit­punkt abge­spal­ten haben. Eine Rück­kehr in die­sem Sin­ne kommt also erklär­ter­ma­ssen nicht in Fra­ge. Das bedeu­tet, dass die in Aus­sicht gestell­te Erklä­rung eines all­seits akzep­tier­ten Ehren­pri­ma­tes das Ärger­nis der Spal­tung retou­chie­ren – und die Berech­ti­gung ver­schie­de­ner „Chri­sten­tü­mer“, um es etwas salopp zu for­mu­lie­ren, zemen­tie­ren wür­de. Man hät­te einen gemein­sam aner­kann­ten Modus viven­di eta­bliert, der aber nicht der vol­len Ein­heit mit der röm.-kath. Kir­che ent­spricht, die zwei­fel­los das Ziel der Wie­der­her­stel­lung von allem, näm­lich der unteil­ba­ren Ein­heit, ist. Eine real nicht exi­stie­ren­de Ein­heit wäre damit geklit­tert und nolens volens legi­ti­miert. Das kommt einem Nar­ko­ti­kum für den ech­ten Schmerz über die Kir­chen­spal­tung gleich und dem Bekennt­nis, kei­ne histo­ri­schen Feh­ler gemacht zu haben, die zur Spal­tung geführt haben. Und genau das ist das Gefähr­li­che dar­an. Die eine, hei­li­ge, katho­li­sche und apo­sto­li­sche Kir­che, die Chri­stus auf Petrus, dem Fel­sen, gegrün­det hat, ist jeden­falls etwas ande­res als die­se Art von „com­mu­nio eccle­si­arum“. Sie ist in der röm.-kath. Kir­che voll­um­fäng­lich ver­wirk­licht. Der Papst kann von die­ser Maxi­mal­for­de­rung nicht abrücken oder sich mit weni­ger begnü­gen, weil sie aus katho­li­scher Sicht eine unfehl­ba­re Wahr­heit und Wirk­lich­keit ist. Die Schlüs­sel­ge­walt bedeu­tet eben die vol­le Juris­dik­ti­ons­ge­walt über das Haus. Wie ihre Ein­heit muss die Kir­che sicht­bar sein. Das ist sie durch die Ein­heit im apo­sto­li­schen, sakra­men­ta­len Amt.

Kurz: Mit einem all­ge­mei­nen akzep­tier­ten Ehren­pri­mat wäre sozu­sa­gen und rea­li­sti­scher­wei­se das öku­me­nisch Erreich­ba­re erreicht. Mehr (die Maxi­mal­for­de­rung) liegt nicht drin. Das haben die bis­he­ri­gen Kon­sens­ge­sprä­che bereits erwie­sen. Ist es das, was Chri­stus gewollt hat und immer noch will, als er sei­ne Kir­che auf Petrus, dem Fel­sen, bau­te? Der Glau­be der Kir­che lehrt mich: Nein, ist es nicht! Wir erin­nern uns an den ersten Korin­ther­brief des Hl. Pau­lus. Es gibt nur einen Leib Chri­sti, und die­ser ist sicht­bar und nicht zer­teilt: ein Leib, eine Tau­fe, eine Eucha­ri­stie, ein Glau­be. Sicht­bar wird er in der Ein­heit mit Petrus, der Pau­lus des­sen eige­ne Sen­dung und Ver­kün­di­gung bestä­tigt hat. Des­halb ging Pau­lus nach Jeru­sa­lem und hielt sich 14 Tage bei Petrus auf: um sicher zu sein, dass er (ohne die Beglau­bi­gung durch Petrus) mit sei­nem Evan­ge­li­um nicht ins Lee­re läuft. Und Petrus hat ihn bestä­tigt und zu den Hei­den gesandt.

Auf­grund von allem Gesag­ten glau­be ich nicht an eine schritt­wei­se Rück­kehr zur vol­len Ein­heit mit Vor­stu­fen. Als eine sol­che Vor­stu­fe könn­te der ange­peil­te Ehren­pri­mat gese­hen wer­den nach dem Mot­to: Bes­ser als nichts. Mei­ner Mei­nung nach wür­de das dazu füh­ren, die vol­le Ein­heit unter der Juris­dik­ti­on des Pap­stes über­haupt nicht mehr anzu­stre­ben und sich mit dem Ehren­pri­mat zu begnü­gen. Die von uns getrenn­ten Chri­sten sehen es jeden­falls so. Zu mehr sind sie nicht bereit. Das Wort „Rück­keh­r­ö­ku­me­ne“ darf nicht ein­mal mehr in den Mund genom­men wer­den. Sie gilt als obsolet.

Im kras­sen Gegen­satz dazu wei­sen uns die Kon­ver­ti­ten den rich­ti­gen Weg. Sie sind die wah­ren Öku­me­ni­ker. Sie wis­sen auch, wovon sie reden und war­um sie kon­ver­tie­ren. Das darf nicht aus­ge­klam­mert wer­den. Auf sie soll­te man hören. Man­che haben für ihre Kon­ver­si­on ein Mar­ty­ri­um auf sich genom­men. War­um? Weil sie in ihrem Gewis­sen von der Wahr­heit gelei­tet wur­den, nicht von einem aus­ge­han­del­ten klein­sten gemein­sa­men Nen­ner. Wie gesagt wider­spricht die­ser der (gan­zen bzw. vol­len) Wahr­heit des Petrus­am­tes und dem Wil­len Jesu, der Petrus die­se Voll­macht fei­er­lich über­tra­gen hat. Ohne die­se Voll­macht bleibt das Petrus­amt, wie bereits Johan­nes Paul II. am 25. Mai 1995 in sei­ner Enzy­kli­ka über den Ein­satz für die Öku­me­ne „Ut unum sint“ (Nr. 94) aus­drück­lich (s. w. unten in fet­ter und kur­si­ver Schrift) fest­ge­hal­ten hat, eine Illu­si­on. Wir soll­ten aber nicht Illu­sio­nen erzeu­gen, wo wir von Ein­heit reden. Zur Erin­ne­rung und im Hin­blick auf sei­ne blei­ben­de Bedeu­tung zitie­re ich hier den ent­spre­chen­den Pas­sus in sei­ner vol­len Länge:

„94. Die­ser im Werk der gött­li­chen Barm­her­zig­keit ver­wur­zel­te Dienst an der Ein­heit wird inner­halb des Bischofs­kol­le­gi­ums einem von denen anver­traut, die vom Hei­li­gen Geist den Auf­trag erhal­ten haben, nicht die Macht über das Volk aus­zu­üben — wie das die Füh­rer der Natio­nen und die Mäch­ti­gen tun (vgl. Mt 20, 25; Mk 10, 42) —, son­dern es zu lei­ten, damit es sich ruhi­gen Wei­den zuwen­den kann. Die­se Auf­ga­be kann die Hin­ga­be des eige­nen Lebens erfor­dern (vgl. Joh 10, 11–18). Nach­dem der hl. Augu­sti­nus dar­ge­legt hat, daß Chri­stus »der ein­zi­ge Hir­te (ist), in des­sen Ein­heit alle eins sind«, for­dert er auf, »daß daher alle Hir­ten eins sein sol­len in dem ein­zi­gen Hir­ten, daß sie die ein­zi­ge Stim­me des Hir­ten hören las­sen sol­len; daß die Scha­fe die­se Stim­me hören, ihrem Hir­ten, das heißt nicht die­sem oder jenem, son­dern dem einen, fol­gen sol­len; daß alle in ihm eine ein­zi­ge Stim­me und nicht wider­spre­chen­de Stim­men ver­neh­men las­sen sol­len 5; die Stim­me macht frei von jeder Spal­tung, rei­nigt von jeder Irr­leh­re, die die Scha­fe hören«. 151 Der Auf­trag des Bischofs von Rom in der Grup­pe aller Bischö­fe besteht eben dar­in, wie ein Wäch­ter zu ‚wachen«‘(episkopein), so daß dank der Hir­ten in allen Teil­kir­chen die wirk­li­che Stim­me des Hir­ten Chri­stus zu hören ist. Auf die­se Wei­se ver­wirk­licht sich in jeder der ihnen anver­trau­ten Teil­kir­chen die una, sanc­ta, catho­li­ca et apo­sto­li­ca Eccle­sia. Alle Kir­chen befin­den sich in vol­ler und sicht­ba­rer Gemein­schaft, weil alle Hir­ten in Gemein­schaft mit Petrus und so in der Ein­heit Chri­sti sind.
Mit der Voll­macht und Auto­ri­tät, ohne die die­ses Amt illu­so­risch wäre, muß der Bischof von Rom die Gemein­schaft aller Kir­chen gewähr­lei­sten. Dadurch ist er der Erste unter den Die­nern an der Ein­heit. Die­ser Pri­mat wird auf ver­schie­de­nen Ebe­nen aus­ge­übt; sie betref­fen die wach­sa­me Auf­sicht über die Wei­ter­ga­be des Wor­tes, über die Fei­er der Sakra­men­te und der Lit­ur­gie, über die Mis­si­on, über die Dis­zi­plin und über das christ­li­che Leben. Dem Nach­fol­ger des Petrus obliegt es, an die For­de­run­gen des Gemein­wohls der Kir­che zu erin­nern, falls jemand ver­sucht wäre, dies zugun­sten eige­ner Inter­es­sen zu ver­ges­sen. Er hat die Pflicht hin­zu­wei­sen, zu war­nen und manch­mal die­se oder jene Mei­nung, die ver­brei­tet wird, für unver­ein­bar mit der Ein­heit des Glau­bens zu erklä­ren. Wenn es die Umstän­de erfor­dern, spricht er im Namen aller Hir­ten, die mit ihm in Gemein­schaft ste­hen. Er kann auch — unter ganz bestimm­ten, vom I. Vati­ka­ni­schen Kon­zil klar­ge­stell­ten Bedin­gun­gen — ex cathe­dra erklä­ren, daß eine Leh­re zum Glau­bens­gut gehört. 152 Durch die­ses Zeug­nis der Wahr­heit dient er der Ein­heit.

*Msgr. Mari­an Ele­gan­ti OSB, pro­mo­vier­ter Theo­lo­ge, war von 1999 bis 2009 Abt der Bene­dik­ti­ner­ab­tei St. Otmars­berg im Kan­ton Sankt Gal­len, dann von 2009 bis 2021 Weih­bi­schof der Diö­ze­se Chur. Bischof Ele­gan­ti betreibt einen eige­nen Blog.

Bild: GN


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3 Kommentare

  1. Nein, Ehren­pri­mat wäre nichts Neu­es, son­dern der nor­ma­le Zustand bis 1056. Daß sich der Papst als Vize­gott kon­sti­tu­iert, war ein Putsch Gre­gors VII. und sei­ner unmit­tel­ba­ren Nach­fol­ger. Umge­kehrt kann man sagen, daß das Schis­ma die Vor­aus­set­zung für die­sen Putsch war, denn die Ost­kir­chen hät­ten die­sen nie akzeptiert.
    Vom Ehren­pri­mat über die Gesamt­kir­che ist der Juris­dik­ti­ons­pri­mat über den Bereich des Patri­ar­cha­tes des Westens zu unterscheiden.
    Wie sehr die­ser Papst-Vize­gott der Wahr­heit dient, sieht man an Bergolio.

  2. Ein „Fort­schritt“ wäre es, wenn sich der Papst auf sei­ne Rol­le besin­nen wür­de und in der gebüh­ren­den Demut die Kir­che Christ als treu­er und klu­ger Ver­wal­ter lei­tet. Davon sind wir mei­len­weit ent­fernt. Solan­ge Fran­zis­kus die Kir­che pul­ve­ri­siert, brau­chen wir nicht dar­über nach­zu­den­ken, ob eine Umge­stal­tung des Pri­ma­tes ein Fort­schritt ist oder nicht. Nicht das Amt des Pap­stes ist unser Pro­blem, son­dern die­ser Papst und dar­über soll­te wir nach­den­ken – und handeln!

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