„Jemand ohne besonderes Talent“

Caminante Wanderer über den neuen Papst Leo XIV.


Augustiner-Generalprior Robert Francis Prevost bei der Eröffnung der Augustiner-Bibliothek in Buenos Aires
Augustiner-Generalprior Robert Francis Prevost bei der Eröffnung der Augustiner-Bibliothek in Buenos Aires

Die Stim­men häu­fen sich, die den neu­en Papst Leo XIV. ein­zu­ord­nen ver­su­chen. Dazu gehört der argen­ti­ni­sche Blog­ger und Phi­lo­soph Cami­nan­te Wan­de­rer, der „eini­ge, zuge­ge­be­ner­ma­ßen vor­ei­li­ge, Über­le­gun­gen zum neu­en Papst“ anstellt, die wir dokumentieren:

Anzei­ge

Von Cami­nan­te Wanderer*

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Katho­li­scher Men­schen­ver­stand: Wir sind nicht die Reli­gi­on des Pap­stes, son­dern die Reli­gi­on Chri­sti. Wir fol­gen dem Papst weder wie einem Füh­rer – wir wären ein Hau­fen Fana­ti­ker – noch wie einem Inspi­ra­tor – wir wären ein Hau­fen Ideologen.

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Da Pre­vost fast allen unbe­kannt ist, begin­nen wir mit dem Posi­ti­ven, das wir gese­hen haben: Er hat einen sug­ge­sti­ven Namen gewählt. Es ist weder der Name eines nach­kon­zi­lia­ren Pap­stes, noch ist es eine Ori­gi­na­li­tät wie bei Berg­o­glio. Leo ist ein tra­di­tio­nel­ler Name, sehr tra­di­tio­nell unter den päpst­li­chen Namen.

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Er trat als Papst geklei­det auf die Log­gia hin­aus. Soviel zum berg­o­glia­ni­schen Pobris­mus [ein argen­ti­ni­scher Begriff, der eine Art mora­li­schen Popu­lis­mus beschreibt, der die Armut nicht als Pro­blem betrach­tet, son­dern als Tugend oder Aus­druck von Authen­ti­zi­tät ver­herr­licht] und dem berg­o­glia­ni­schen Zir­kus1. Außer­dem, und das ist ein Detail, aber auch bedeut­sam: Er trägt ein Hemd mit Man­schet­ten­knöp­fen! Es ist ein Umblättern.

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In sei­ner Rede sprach er von Jesus Chri­stus, von sei­ner Auf­er­ste­hung und bete­te das Ave Maria. Für die heu­ti­ge Zeit fin­de ich das sehr gut. Ein Gebet zur Mut­ter­got­tes klingt nicht sehr ökumenisch…

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Kom­men wir nun zu dem, was mehr Geräu­sche macht: Er erwähn­te die „syn­oda­le Kir­che“ und „todos, todos“ („alle, alle“). Viel­leicht ist das ein Zuge­ständ­nis, viel­leicht ist es ein Pro­gramm. Wir wer­den sehen. Laut der Inter­net­sei­te Col­lege of Car­di­nals war Pre­vost einer der gro­ßen Befür­wor­ter der Synodalität.

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Vie­le befreun­de­te Sei­ten schrei­en zum Him­mel, weil er als Prä­fekt des Bischofs­dik­aste­ri­ums kei­ne gute Rol­le gespielt hat. Erin­nern wir uns zum Bei­spiel an den Fall Strick­land oder den Fall Rey. Und es ist wahr. Er hat kei­ne gute Rol­le gespielt, aber mei­ner Mei­nung nach hat er sich dar­auf beschränkt, das zu unter­schrei­ben, was Fran­zis­kus ihm auf­ge­tra­gen hat. Ich neh­me ihn nicht aus der Ver­ant­wor­tung, aber ich mache ihn auch nicht allein ver­ant­wort­lich für die schreck­li­chen Bischofs­er­nen­nun­gen wäh­rend des Pon­ti­fi­kats von Berg­o­glio. Er war nur zwei Jah­re lang im Amt.

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Kei­ner weiß, wie er zur tra­di­tio­nel­len Mes­se steht. Und genau das ist für uns aber sehr wichtig.

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Mei­ner Mei­nung nach ist er ein gemä­ßig­ter Kan­di­dat, der nach links ten­diert. Was ist im Kon­kla­ve pas­siert? Ich schät­ze, daß Paro­lins Stim­men nach des­sen Sta­gna­ti­on zu ihm gewan­dert sind und er pro­gres­si­ve Stim­men hin­zu­ge­won­nen haben wird. Die Fra­ge ist, ob er Stim­men von den Kon­ser­va­ti­ven gebraucht hat. Wenn ja, wür­den wir eine Gegen­lei­stung erhal­ten, zumin­dest kei­ne Verfolgung.

9

Ich schlie­ße mit einer per­sön­li­chen Erin­ne­rung: An einem spä­ten Nach­mit­tag Anfang Febru­ar 2023 war ich im Päpst­li­chen Patri­sti­schen Insti­tut Augu­sti­nia­num und sprach mit einem älte­ren Augu­sti­ner-Pro­fes­sor, einem Augu­sti­ner von gro­ßer Weis­heit und nicht gera­de einem Kon­ser­va­ti­ven. Er war sehr ver­är­gert über das, was Fran­zis­kus tat, und er sag­te mir mehr oder weni­ger Fol­gen­des: „Schau­en Sie, wen er in die Bischofs­kon­gre­ga­ti­on gesetzt hat. Pre­vost, einen von uns; er war unser Gene­ral­pri­or“. Und ich frag­te ihn: „Ist er sehr schlecht?“ 

„Nein, er ist ein Nie­mand. Er ist ein Nichts. Jemand ohne beson­de­res Talent.“ 

Der Kom­men­tar ist weder gut noch schlecht; mehr oder weni­ger wie die mei­sten Päp­ste der Geschich­te. Das Gute dar­an ist, daß Pre­vost für die­sen Augu­sti­ner­bru­der nichts ist: weder pro­gres­siv noch tra­di­tio­na­li­stisch. Er ist das, was er zur gege­be­nen Zeit sein soll. Und genau des­halb wur­de er gewählt: eine Mischung aus Erster und Drit­ter Welt, geschickt in Spra­chen und poli­ti­schen Manö­vern. Er hat­te Erfolg. Wir wer­den sehen, was er jetzt macht.

Einige Perlen zum Trost

Bücher

Robert Pre­vost, Gene­ral­pri­or der Augu­sti­ner, in Bue­nos Aires bei der Ein­wei­hung der [her­vor­ra­gen­den] Biblio­thek der Augu­sti­ner­pa­tres. Ein gutes Zei­chen: Er weiß, was ein Buch ist, er liest es und weiß es zu schät­zen. Das war nicht bei jedem Papst der Fall, von dem ich weiß. Zudem erschien er im Ordens­ha­bit, was nicht alle Augu­sti­ner tun.

Gen­der-Ideo­lo­gie

Wäh­rend sei­nes bischöf­li­chen Wir­kens in Peru wand­te sich Pre­vost gegen die Auf­nah­me von Leh­ren der Gen­der-Ideo­lo­gie in die Lehr­plä­ne der Schu­len mit dem Argument: 

„Die För­de­rung der Gen­der-Ideo­lo­gie ist ver­wir­rend, weil sie ver­sucht, Geschlech­ter zu schaf­fen, die nicht exi­stie­ren.“ Quel­le.

Ordi­na­ti­on von Frauen

Auf der Syn­ode der Syn­oda­li­tät 2023 sprach sich Pre­vost gegen die Ordi­na­ti­on von Frau­en aus und stell­te fest:

„Die Kle­ri­ka­li­sie­rung der Frau­en löst nicht not­wen­di­ger­wei­se ein Pro­blem, sie könn­te ein neu­es Pro­blem schaf­fen.“ Quel­le.

Tra­di­ti­on der Kirche

Auf der glei­chen Syn­ode erklär­te er:

„Es ist nicht so ein­fach zu sagen: ‚Wißt ihr was, in die­sem Sta­di­um wer­den wir die Tra­di­ti­on der Kir­che nach 2000 Jah­ren in irgend­ei­nem die­ser Punk­te ändern.“ Quel­le.

Segen für Homo-Paare

„Unse­re kul­tu­rel­le Situa­ti­on ist so, daß die Anwen­dung die­ses Doku­ments [Fidu­cia sup­pli­cans] ein­fach nicht funk­tio­nie­ren wird.“

Im Jahr 2012 beklag­te der dama­li­ge Gene­ral­pri­or des Augu­sti­ner­or­dens Pre­vost, daß die Pop-Kul­tur „Sym­pa­thie für Über­zeu­gun­gen und Prak­ti­ken (för­de­re), die im Wider­spruch zum Evan­ge­li­um stehen“.

*Cami­nan­te Wan­de­rer, argen­ti­ni­scher Blog­ger und Philosoph

Kurze Anmerkung von Giuseppe Nardi

Die­se von Cami­nan­te Wan­de­rer zusam­men­ge­stell­ten „Per­len“, die Trost spen­den sol­len, weil sie einen Kon­tra­punkt zur pro­gres­si­ven Agen­da und dem west­li­chen Zeit­geist dar­stel­len, zei­gen zugleich alle Ele­men­te der Schwä­che einer neo­kon­ser­va­ti­ven Argu­men­ta­ti­on. Das Rich­ti­ge wird gesagt, aber in so schwa­cher Form, als wäre sei­ne Akzep­tanz nur eine Fra­ge der Klug­heit, der momen­ta­nen Situa­ti­on, der Kul­tur des Augen­blicks. Dies impli­ziert, daß in einer ande­ren Situa­ti­on, poli­tisch oder kul­tu­rell, auch etwas ganz ande­res ent­schie­den oder ein­ge­führt wer­den könnte.

Pre­vost lie­fert in den genann­ten „Per­len“ kei­ne inhalt­li­chen Argu­men­te, son­dern ledig­lich tak­ti­sche. Er sagt nicht, war­um es kei­ne Seg­nung für Homo-Paa­re geben kann. Er sagt nicht, war­um es kei­ne Frau­en­or­di­na­ti­on geben kann. Er sagt nicht, war­um man die Tra­di­ti­on nicht ein­fach so ändern kann. An die­ser Argu­men­ta­ti­ons­schwä­che krankt die Kir­che, beson­ders im Westen, eben­so wie in der Poli­tik die Christ­de­mo­kra­tie dar­an krankt. 

Eine sol­che Posi­ti­on bedeu­tet eine struk­tu­rel­le Defen­si­ve. Man befin­det sich immer auf dem Rück­zug. Und es bleibt die Fra­ge, war­um die Ver­tre­ter die­ser Linie nicht meri­to­risch argu­men­tie­ren kön­nen: weil sie es nicht bes­ser ver­ste­hen, also schlecht vor­be­rei­tet sind? Oder weil sie sich aus wel­chen Grün­den auch immer nur kon­ser­va­tiv bemän­teln, in Wirk­lich­keit aber gar nicht die Posi­tio­nen ver­tei­di­gen wol­len, die sie ver­tei­di­gen soll­ten? Damit steht immer die Fra­ge der Kapi­tu­la­ti­on im Raum.

Die genann­ten Per­len lie­fern viel­leicht nicht unbe­deu­ten­de Hin­wei­se, war­um Robert Kar­di­nal Pre­vost zum neu­en Papst gewählt wur­de. Sie zei­gen zugleich aller­dings einen mäßig talen­tier­ten Ver­tei­di­ger der kirch­li­chen Sache, der Sache Jesu Chri­sti. Auf Anhieb möch­te man, viel­leicht etwas vor­ei­lig, aus­ru­fen, wür­de man es auf das poli­ti­sche Feld umle­gen: ein ech­ter CDU­ler, ÖVPler oder in der Schweiz ein Mittiger.

Aller­dings muß sich erst zei­gen, ob sich Leo XIV. ver­hal­ten wird, wie sich Robert Fran­cis Pre­vost ver­hal­ten hat.

Übersetzung/​Anmerkung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Cami­nan­te Wanderer


1 Fran­zis­kus hat­te das Tra­gen der lit­ur­gi­schen Gewän­der bei sei­nem ersten Erschei­nen nach der Wahl 2013 abge­lehnt mit den Wor­ten, nun sei Schluß „mit die­sem Zirkus“.

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Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

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4 Kommentare

  1. Dar­um ver­lie­ren die Kon­ser­va­ti­ven immer, weil sie nicht ideo­lo­gisch geschult sind.
    Ihre Gedan­ken sind nicht verschlagwortet.

  2. Auf KathTV in der Stun­de der Seel­sor­ge wur­de Pre­vost gefei­ert. Die Pas­to­res Wall­ner und Rim­mel nann­ten Pre­vost einen sanft brül­len­den Löwen.

    Rim­mel beton­te, Prevost/​Leo XIV sei ein mode­ra­ter Befür­wor­ter der Seg­nung Homosexueller.
    Er befür­wor­te zudem die Kom­mu­ni­on für die soge­nann­ten wie­der­ver­hei­ra­te­ten Geschiedenen.

    An ande­rer Stel­le hieß es, er habe sich für dring­lich erfor­der­li­che Maß­nah­men zur Bekämp­fung des men­schen­ge­mach­ten Kli­ma­wan­dels aus­ge­spro­chen. Er glaubt also die­se Erzählung.

    Einem Bei­trag auf X zufol­ge nahm er das Gleich­nis vom Barm­her­zi­gen Sama­ri­ter, um gegen­über J.D. Van­ce und Donald Trump her­aus­zu­stel­len, dass jeder „mein Näch­ster“ sei. Aus der Sicht eines perua­ni­schen Mis­sio­nars ist die nach­voll­zieh­bar. Dabei scheint er aber nicht genug zu dif­fe­ren­zie­ren wie Van­ce es tat: „Erst kommt mei­ne Fami­lie, dann mei­ne Gemein­de, dann mein Land – und dann die gan­ze Welt.“ Van­ce irre sich, so Pre­vost. Bei­de argu­men­tie­ren auf ganz ver­schie­de­nen Ebe­nen und aus unter­schied­li­chen Perspektiven.

    Ein nicht so gutes Zei­chen ist sein Bezug zur Diö­ze­se Chi­ca­go. Die Bischö­fe und Hom­o­ak­ti­vi­sten Mar­tin und Cupich äußer­ten sich mit gro­ßer Freu­de über die Wahl von Pre­vost zum neu­nen Papst.

    Ich den­ke auch, dass er ein gemä­ßig­ter Lin­ker ist, der schlimm­sten­falls dies­mal die Tra­di­ti­on (Gewän­der, Insi­gni­en …) nimmt, um gegen die Tra­di­ti­on zu arbeiten. 

    Sei­ne Hal­tung wird in den näch­sten Wochen sehr schnell erkenn­bar werden. 

    Es bleibt spannend!

  3. Unter dem ver­link­ten Video:

    https://​www​.you​tube​.com/​w​a​t​c​h​?​v​=​P​J​K​g​8​O​g​W​2sI

    äußern die User auf You­Tube ihre tie­fe Ent­täu­schung über Pre­vost, der die Imp­fung wie in einem Ver­kaufs­ge­spräch bewor­ben hat.
    Eini­ge nen­nen ihn einen „Frei­mau­rer“, ande­re einen „Klon von Fran­zis­kus“, ein drit­ter Schrieb „die Erleich­te­rung währ­te nicht lang“.

    Ich den­ke auch, dass er ein Ver­tre­ter der Glo­ba­li­sten ist und aus­ge­wählt wur­de, um der Agen­da Trumps den Wind aus den Segeln zu nehmen.

    Die ersten Ein­drücke sind also nach einer ersten optisch und habi­tu­ell posi­ti­ven Auf­nah­me doch eher enttäuschend!

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