
Die Stimmen häufen sich, die den neuen Papst Leo XIV. einzuordnen versuchen. Dazu gehört der argentinische Blogger und Philosoph Caminante Wanderer, der „einige, zugegebenermaßen voreilige, Überlegungen zum neuen Papst“ anstellt, die wir dokumentieren:
Von Caminante Wanderer*
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Katholischer Menschenverstand: Wir sind nicht die Religion des Papstes, sondern die Religion Christi. Wir folgen dem Papst weder wie einem Führer – wir wären ein Haufen Fanatiker – noch wie einem Inspirator – wir wären ein Haufen Ideologen.
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Da Prevost fast allen unbekannt ist, beginnen wir mit dem Positiven, das wir gesehen haben: Er hat einen suggestiven Namen gewählt. Es ist weder der Name eines nachkonziliaren Papstes, noch ist es eine Originalität wie bei Bergoglio. Leo ist ein traditioneller Name, sehr traditionell unter den päpstlichen Namen.
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Er trat als Papst gekleidet auf die Loggia hinaus. Soviel zum bergoglianischen Pobrismus [ein argentinischer Begriff, der eine Art moralischen Populismus beschreibt, der die Armut nicht als Problem betrachtet, sondern als Tugend oder Ausdruck von Authentizität verherrlicht] und dem bergoglianischen Zirkus1. Außerdem, und das ist ein Detail, aber auch bedeutsam: Er trägt ein Hemd mit Manschettenknöpfen! Es ist ein Umblättern.
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In seiner Rede sprach er von Jesus Christus, von seiner Auferstehung und betete das Ave Maria. Für die heutige Zeit finde ich das sehr gut. Ein Gebet zur Muttergottes klingt nicht sehr ökumenisch…
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Kommen wir nun zu dem, was mehr Geräusche macht: Er erwähnte die „synodale Kirche“ und „todos, todos“ („alle, alle“). Vielleicht ist das ein Zugeständnis, vielleicht ist es ein Programm. Wir werden sehen. Laut der Internetseite College of Cardinals war Prevost einer der großen Befürworter der Synodalität.
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Viele befreundete Seiten schreien zum Himmel, weil er als Präfekt des Bischofsdikasteriums keine gute Rolle gespielt hat. Erinnern wir uns zum Beispiel an den Fall Strickland oder den Fall Rey. Und es ist wahr. Er hat keine gute Rolle gespielt, aber meiner Meinung nach hat er sich darauf beschränkt, das zu unterschreiben, was Franziskus ihm aufgetragen hat. Ich nehme ihn nicht aus der Verantwortung, aber ich mache ihn auch nicht allein verantwortlich für die schrecklichen Bischofsernennungen während des Pontifikats von Bergoglio. Er war nur zwei Jahre lang im Amt.
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Keiner weiß, wie er zur traditionellen Messe steht. Und genau das ist für uns aber sehr wichtig.
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Meiner Meinung nach ist er ein gemäßigter Kandidat, der nach links tendiert. Was ist im Konklave passiert? Ich schätze, daß Parolins Stimmen nach dessen Stagnation zu ihm gewandert sind und er progressive Stimmen hinzugewonnen haben wird. Die Frage ist, ob er Stimmen von den Konservativen gebraucht hat. Wenn ja, würden wir eine Gegenleistung erhalten, zumindest keine Verfolgung.
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Ich schließe mit einer persönlichen Erinnerung: An einem späten Nachmittag Anfang Februar 2023 war ich im Päpstlichen Patristischen Institut Augustinianum und sprach mit einem älteren Augustiner-Professor, einem Augustiner von großer Weisheit und nicht gerade einem Konservativen. Er war sehr verärgert über das, was Franziskus tat, und er sagte mir mehr oder weniger Folgendes: „Schauen Sie, wen er in die Bischofskongregation gesetzt hat. Prevost, einen von uns; er war unser Generalprior“. Und ich fragte ihn: „Ist er sehr schlecht?“
„Nein, er ist ein Niemand. Er ist ein Nichts. Jemand ohne besonderes Talent.“
Der Kommentar ist weder gut noch schlecht; mehr oder weniger wie die meisten Päpste der Geschichte. Das Gute daran ist, daß Prevost für diesen Augustinerbruder nichts ist: weder progressiv noch traditionalistisch. Er ist das, was er zur gegebenen Zeit sein soll. Und genau deshalb wurde er gewählt: eine Mischung aus Erster und Dritter Welt, geschickt in Sprachen und politischen Manövern. Er hatte Erfolg. Wir werden sehen, was er jetzt macht.
Einige Perlen zum Trost
Bücher
Robert Prevost, Generalprior der Augustiner, in Buenos Aires bei der Einweihung der [hervorragenden] Bibliothek der Augustinerpatres. Ein gutes Zeichen: Er weiß, was ein Buch ist, er liest es und weiß es zu schätzen. Das war nicht bei jedem Papst der Fall, von dem ich weiß. Zudem erschien er im Ordenshabit, was nicht alle Augustiner tun.
Gender-Ideologie
Während seines bischöflichen Wirkens in Peru wandte sich Prevost gegen die Aufnahme von Lehren der Gender-Ideologie in die Lehrpläne der Schulen mit dem Argument:
„Die Förderung der Gender-Ideologie ist verwirrend, weil sie versucht, Geschlechter zu schaffen, die nicht existieren.“ Quelle.
Ordination von Frauen
Auf der Synode der Synodalität 2023 sprach sich Prevost gegen die Ordination von Frauen aus und stellte fest:
„Die Klerikalisierung der Frauen löst nicht notwendigerweise ein Problem, sie könnte ein neues Problem schaffen.“ Quelle.
Tradition der Kirche
Auf der gleichen Synode erklärte er:
„Es ist nicht so einfach zu sagen: ‚Wißt ihr was, in diesem Stadium werden wir die Tradition der Kirche nach 2000 Jahren in irgendeinem dieser Punkte ändern.“ Quelle.
Segen für Homo-Paare
„Unsere kulturelle Situation ist so, daß die Anwendung dieses Dokuments [Fiducia supplicans] einfach nicht funktionieren wird.“
Im Jahr 2012 beklagte der damalige Generalprior des Augustinerordens Prevost, daß die Pop-Kultur „Sympathie für Überzeugungen und Praktiken (fördere), die im Widerspruch zum Evangelium stehen“.
*Caminante Wanderer, argentinischer Blogger und Philosoph
Kurze Anmerkung von Giuseppe Nardi
Diese von Caminante Wanderer zusammengestellten „Perlen“, die Trost spenden sollen, weil sie einen Kontrapunkt zur progressiven Agenda und dem westlichen Zeitgeist darstellen, zeigen zugleich alle Elemente der Schwäche einer neokonservativen Argumentation. Das Richtige wird gesagt, aber in so schwacher Form, als wäre seine Akzeptanz nur eine Frage der Klugheit, der momentanen Situation, der Kultur des Augenblicks. Dies impliziert, daß in einer anderen Situation, politisch oder kulturell, auch etwas ganz anderes entschieden oder eingeführt werden könnte.
Prevost liefert in den genannten „Perlen“ keine inhaltlichen Argumente, sondern lediglich taktische. Er sagt nicht, warum es keine Segnung für Homo-Paare geben kann. Er sagt nicht, warum es keine Frauenordination geben kann. Er sagt nicht, warum man die Tradition nicht einfach so ändern kann. An dieser Argumentationsschwäche krankt die Kirche, besonders im Westen, ebenso wie in der Politik die Christdemokratie daran krankt.
Eine solche Position bedeutet eine strukturelle Defensive. Man befindet sich immer auf dem Rückzug. Und es bleibt die Frage, warum die Vertreter dieser Linie nicht meritorisch argumentieren können: weil sie es nicht besser verstehen, also schlecht vorbereitet sind? Oder weil sie sich aus welchen Gründen auch immer nur konservativ bemänteln, in Wirklichkeit aber gar nicht die Positionen verteidigen wollen, die sie verteidigen sollten? Damit steht immer die Frage der Kapitulation im Raum.
Die genannten Perlen liefern vielleicht nicht unbedeutende Hinweise, warum Robert Kardinal Prevost zum neuen Papst gewählt wurde. Sie zeigen zugleich allerdings einen mäßig talentierten Verteidiger der kirchlichen Sache, der Sache Jesu Christi. Auf Anhieb möchte man, vielleicht etwas voreilig, ausrufen, würde man es auf das politische Feld umlegen: ein echter CDUler, ÖVPler oder in der Schweiz ein Mittiger.
Allerdings muß sich erst zeigen, ob sich Leo XIV. verhalten wird, wie sich Robert Francis Prevost verhalten hat.
Übersetzung/Anmerkung: Giuseppe Nardi
Bild: Caminante Wanderer
1 Franziskus hatte das Tragen der liturgischen Gewänder bei seinem ersten Erscheinen nach der Wahl 2013 abgelehnt mit den Worten, nun sei Schluß „mit diesem Zirkus“.
Sehr scharfsinnige und lehrreiche Anmerkungen seitens Nardi. Vielen Dank!
Darum verlieren die Konservativen immer, weil sie nicht ideologisch geschult sind.
Ihre Gedanken sind nicht verschlagwortet.
Auf KathTV in der Stunde der Seelsorge wurde Prevost gefeiert. Die Pastores Wallner und Rimmel nannten Prevost einen sanft brüllenden Löwen.
Rimmel betonte, Prevost/Leo XIV sei ein moderater Befürworter der Segnung Homosexueller.
Er befürworte zudem die Kommunion für die sogenannten wiederverheirateten Geschiedenen.
An anderer Stelle hieß es, er habe sich für dringlich erforderliche Maßnahmen zur Bekämpfung des menschengemachten Klimawandels ausgesprochen. Er glaubt also diese Erzählung.
Einem Beitrag auf X zufolge nahm er das Gleichnis vom Barmherzigen Samariter, um gegenüber J.D. Vance und Donald Trump herauszustellen, dass jeder „mein Nächster“ sei. Aus der Sicht eines peruanischen Missionars ist die nachvollziehbar. Dabei scheint er aber nicht genug zu differenzieren wie Vance es tat: „Erst kommt meine Familie, dann meine Gemeinde, dann mein Land – und dann die ganze Welt.“ Vance irre sich, so Prevost. Beide argumentieren auf ganz verschiedenen Ebenen und aus unterschiedlichen Perspektiven.
Ein nicht so gutes Zeichen ist sein Bezug zur Diözese Chicago. Die Bischöfe und Homoaktivisten Martin und Cupich äußerten sich mit großer Freude über die Wahl von Prevost zum neunen Papst.
Ich denke auch, dass er ein gemäßigter Linker ist, der schlimmstenfalls diesmal die Tradition (Gewänder, Insignien …) nimmt, um gegen die Tradition zu arbeiten.
Seine Haltung wird in den nächsten Wochen sehr schnell erkennbar werden.
Es bleibt spannend!
Unter dem verlinkten Video:
https://www.youtube.com/watch?v=PJKg8OgW2sI
äußern die User auf YouTube ihre tiefe Enttäuschung über Prevost, der die Impfung wie in einem Verkaufsgespräch beworben hat.
Einige nennen ihn einen „Freimaurer“, andere einen „Klon von Franziskus“, ein dritter Schrieb „die Erleichterung währte nicht lang“.
Ich denke auch, dass er ein Vertreter der Globalisten ist und ausgewählt wurde, um der Agenda Trumps den Wind aus den Segeln zu nehmen.
Die ersten Eindrücke sind also nach einer ersten optisch und habituell positiven Aufnahme doch eher enttäuschend!