Ehemaliger Kardinal McCarrick für verhandlungsunfähig befunden – Fall geschlossen

"Onkel Ted" und die offenen Fragen


Der ehemalige Kardinal Theodore "Onkel Ted" McCarrick (im Bild vor Jahren beim Weltwirtschaftforum in Davos) wurde für verhandlungsunfähig befunden und muß sich nicht vor Gericht verantworten.
Der ehemalige Kardinal Theodore "Onkel Ted" McCarrick (im Bild vor Jahren beim Weltwirtschaftforum in Davos) wurde für verhandlungsunfähig befunden und muß sich nicht vor Gericht verantworten.

(New York) Vom zustän­di­gen Rich­ter im Staat Mas­sa­chu­setts wur­de der ehe­ma­li­ge Kar­di­nal Theo­do­re McCar­ri­ck, genannt „Onkel Ted“, für nicht ver­hand­lungs­fä­hig befun­den, um sich vor Gericht wegen der Ankla­ge des homo­se­xu­el­len Miß­brauchs von Min­der­jäh­ri­gen zu verantworten.

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Im Som­mer 2018 war das homo­se­xu­el­le Dop­pel­le­ben des damals unter Papst Fran­zis­kus mäch­tig­sten US-Kar­di­nals auf­ge­flo­gen. Ent­hüllt hat­te es die New York Times in zwei Arti­keln. Papst Fran­zis­kus ent­zog McCar­ri­ck dar­auf die Kar­di­nals­wür­de. Eini­ge Zeit spä­ter wur­de er auch aus dem Prie­ster­stand ent­las­sen und lai­siert.

Bis zur Ankla­ge­er­he­bung sind fünf Jah­re ver­gan­gen. McCar­ri­ck ist inzwi­schen 93 Jah­re alt und, wie man­che befürch­tet hat­ten, nicht mehr ver­hand­lungs­fä­hig. Dies erklär­te jeden­falls der zustän­di­ge Rich­ter von Mas­sa­chu­setts, wo sich McCar­ri­ck wegen des Miß­brauchs eines damals min­der­jäh­ri­gen Jun­gen vor Gericht ver­ant­wor­ten sollte.

Die Gerichts­psy­cho­lo­gin Ker­ry Nel­ligan sag­te aus, daß McCar­ri­ck an Demenz lei­det und erheb­li­che kogni­ti­ve Defi­zi­te auf­weist. Er ist, laut Nel­ligan, unfä­hig zu ler­nen und sich Infor­ma­tio­nen zu mer­ken. Dar­auf wies Rich­ter Paul McCallum vom Bezirks­ge­richt Dedham am gest­ri­gen Mitt­woch die Kla­ge gegen McCar­ri­ck ab.

Der Fall in Mas­sa­chu­setts ist für die welt­li­che Justiz geschlossen.

Die kirch­li­che Justiz hat­te ihr Ver­fah­ren bereits im Febru­ar 2019 abge­schlos­sen. Am 11. Janu­ar jenes Jah­res wur­de McCar­ri­ck der sexu­el­len Ver­füh­rung in der Beich­te, des Ver­sto­ßes gegen uner­laub­te sexu­el­le Hand­lun­gen mit Min­der­jäh­ri­gen und jun­gen Erwach­se­nen unter straf­ver­schär­fen­dem Macht­miß­brauch schul­dig gespro­chen und lai­siert. Einen Monat spä­ter wur­de das Urteil von Papst Fran­zis­kus bestä­tigt, der Rechts­mit­tel dage­gen aus­schloß, wes­halb es rechts­kräf­tig wurde.

Der Fall McCar­ri­ck bekam jedoch noch im Som­mer 2018 eine ganz beson­de­re Note. Kurz nach den Ent­hül­lun­gen durch die New York Times mel­de­te sich der ehe­ma­li­ge Apo­sto­li­sche Nun­ti­us in den USA, Erz­bi­schof Car­lo Maria Viganò, zu Wort, dem durch das Ver­hal­ten von Papst Fran­zis­kus der Kra­gen geplatzt war.

Msgr. Viganò ent­hüll­te, daß der­sel­be Papst, der nun auf Zuruf des links­li­be­ra­len Medi­en­flagg­schiffs der US-Eli­ten sofort reagier­te, mehr als fünf Jah­re nichts unter­nom­men hat­te, obwohl er, Viganò, ihn als damals zustän­di­ger Bot­schaf­ter bereits im Juni 2013 aus­führ­lich über das Trei­ben McCar­ri­cks unter­rich­tet hat­te. Mehr noch: Fran­zis­kus blieb nicht nur untä­tig, son­dern mach­te McCar­ri­ck zu sei­nem per­sön­li­chen Bera­ter für die USA und die dor­ti­gen Bischofs­er­nen­nun­gen und sand­te ihn als sei­nen Ver­tre­ter im Rah­men der „neu­en Ost­po­li­tik“ sogar in die Volks­re­pu­blik Chi­na, um das im Sep­tem­ber 2018 unter­zeich­ne­te Geheim­ab­kom­men mit den kom­mu­ni­sti­schen Macht­ha­bern vor­zu­be­rei­ten. Das pas­se nicht zusam­men, so Erz­bi­schof Viganò, der gegen San­ta Mar­ta den Vor­wurf erhob, McCar­ri­ck geschützt zu haben und ins­ge­samt von im Vati­kan ope­rie­ren­den gehei­men Macht- und Homo-Seil­schaf­ten sprach, die McCar­ri­cks Auf­stieg gedeckt hat­ten. Aus die­sem Grund for­der­te Erz­bi­schof Viganò den Rück­tritt des Pap­stes, um Scha­den für die Kir­che abzu­wen­den. Doch die­ser dach­te nicht dar­an. Statt­des­sen ließ er Weih­bi­schof Atha­na­si­us Schnei­der, der sich der Rück­tritts­for­de­rung ange­schlos­sen hat­te, unter Beob­ach­tung stellen.

Obwohl der links­li­be­ra­le Medi­en-Main­stream Papst Fran­zis­kus auch in die­sem Punkt mit Samt­hand­schu­hen anfaß­te, geriet das Kir­chen­ober­haupt unter Druck. Auf dem Rück­flug von Tal­linn nach Rom im Sep­tem­ber 2018 wünsch­te Fran­zis­kus von den Jour­na­li­sten „kei­ne Fra­gen zu McCar­ri­ck“. Fran­zis­kus erklär­te, sich an die von Msgr. Viganò genann­ten Infor­ma­tio­nen vom Juni 2013 „nicht erin­nern“ zu kön­nen, sicher­te aber zu, daß die Sache genau unter­sucht und noch vor Jah­res­en­de ein Bericht vor­ge­legt wer­de. Zudem kün­dig­te er die Ein­be­ru­fung eines Anti-Miß­brauchs­gip­fels im Vati­kan an. Wäh­rend eine sol­che Aus­sa­ge in ande­ren Fäl­len für nicht aus­rei­chend befun­den wür­de, gaben sich die ton­an­ge­ben­den Mei­nungs­ma­cher damit zufrie­den. Erz­bi­schof Viganò wur­de als Stö­ren­fried gemie­den. Die­ser sag­te ein Jahr nach den Ent­hül­lun­gen, daß er „unend­lich trau­rig ist, daß Papst Fran­zis­kus die gan­ze Welt belo­gen hat“.

Der Unter­su­chungs­be­richt wur­de nicht bis Jah­res­en­de ver­öf­fent­licht, auch nicht im fol­gen­den Jahr. Man ließ offen­sicht­lich Gras über die Sache wach­sen, was durch den media­len Kuschel­kurs mög­lich wurde.

Der glo­ba­le Anti-Miß­brauchs­gip­fel im Febru­ar 2019 wur­de von inter­es­sier­ter Sei­te beklatscht und von den Medi­en wohl­wol­lend zur Kennt­nis genom­men. In Wirk­lich­keit schei­ter­te er weit­ge­hend, da das Haupt­the­ma aus­ge­klam­mert blieb. Min­de­stens 80 Pro­zent aller sexu­el­len Miß­brauchs­fäl­le durch Kle­ri­ker an Min­der­jäh­ri­gen sind homo­se­xu­el­ler Natur. Doch beim Miß­brauchs­gip­fel war das The­ma Homo­se­xua­li­tät, homo­se­xu­el­le Pädo­phi­lie und Päd­era­sten­tum das gro­ße Tabu.

Zugleich ver­hin­der­te Fran­zis­kus mit dem Gip­fel im Vati­kan eige­ne Maß­nah­men, wel­che die US-Bischofs­kon­fe­renz sofort noch 2018 ergrei­fen woll­te. Offen­sicht­lich befürch­te­ten eini­ge das gro­ße Rei­ne­ma­chen und eine kir­chen­in­ter­ne Abrech­nung. Eine Min­der­heit der US-Bischö­fe stell­te sich hin­ter Fran­zis­kus, inter­es­san­ter­wei­se die pro­gres­siv-homo­phi­le Frak­ti­on. Fran­zis­kus ver­hin­der­te ein schnel­les und effi­zi­en­tes Han­deln der US-Bischofs­kon­fe­renz, um die pro­gres­si­ve Frak­ti­on zu schüt­zen, die Fran­zis­kus seit sei­ner Wahl stärkt mit dem Ziel, die Mehr­heits­ver­hält­nis­se in der US-Bischofs­kon­fe­renz zu kip­pen. Aus kir­chen­po­li­ti­schen Grün­den war der regie­ren­de Papst sofort bereit, die „Prio­ri­tät“ Kin­der­schutz zurückzustellen.

Erst im Herbst 2020 wur­de schließ­lich doch ein vati­ka­ni­scher Unter­su­chungs­be­richt zum Fall McCar­ri­ck vor­ge­legt, der gan­ze 449 Sei­ten umfaßt, jedoch inhalt­lich erschreckend dürf­tig aus­fiel. Anstatt auf die drän­gen­den Fra­gen zur Cau­sa McCar­ri­ck zu ant­wor­ten, wur­de ver­sucht, Erz­bi­schof Viganò zu dis­kre­di­tie­ren. Die­ser wird im Bericht gan­ze 304mal genannt, wur­de aber nie angehört.

Die bei­den zen­tra­len Fra­gen, wie es mög­lich war, daß das homo­se­xu­el­le Dop­pel­le­ben McCar­ri­cks so lan­ge uner­kannt blei­ben und ein Päd­erast bis in die höch­sten Ämter und Wür­den der Kir­che auf­stei­gen konn­te – anders aus­ge­drückt: wer wann in den USA und im Vati­kan über McCar­ri­cks Per­ver­sio­nen infor­miert war und wer sei­ne Kar­rie­re ermög­licht hat­te – und was Papst Fran­zis­kus wann wuß­te und war­um er McCar­ri­ck ab 2013 geför­dert hat­te, blie­ben unbeantwortet.

Die Medi­en, die sonst so ger­ne mit der Miß­brauchs-Keu­le auf die Kir­che ein­schla­gen, zeig­ten sich in der Sache desinteressiert.

Cau­sa finita.

McCar­ri­ck muß sich auch noch im Staat Wis­con­sin wegen sexu­el­len Miß­brauchs vor Gericht ver­ant­wor­ten. Ob dort in der Fra­ge sei­ner Ver­hand­lungs­fä­hig­keit anders ent­schie­den wird, erscheint unsi­cher. Unter­des­sen ist Papst Fran­zis­kus nach wie vor im Amt und setzt in den USA wei­ter­hin auf die McCar­ri­ck Boys, wäh­rend Erz­bi­schof Viganò als Geäch­te­ter seit­her in der Semik­lande­st­in­i­tät leben muß.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Wiki­com­mons

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2 Kommentare

  1. Bei sei­nem näch­sten Gerichts­ter­min wird er nicht auf ver­hand­lungs­un­fä­hig plä­die­ren können

Kommentare sind deaktiviert.