Papst wünscht keine Fragen zu McCarrick und Murphy-O’Connor


Papst Franziskus
Papst Franziskus fliegende Pressekonferenz

(Rom) Gestern abend hob  in der est­ni­schen Haupt­stadt Tal­linn das Flug­zeug mit Papst Fran­zis­kus an Bord ab. Gewohn­heits­ge­mäß fand wie nach jeder Pasto­ral­rei­se eine flie­gen­de Pres­se­kon­fe­renz statt, bei der sich das Kir­chen­ober­haupt den Fra­gen der Jour­na­li­sten stell­te. Gestern ver­lief jedoch alles etwas anders.

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In der Ver­gan­gen­heit wur­den die Ant­wor­ten des Pap­stes auf der offi­zi­el­len Inter­net­sei­te des Vati­kans in meh­re­ren Spra­chen ver­öf­fent­licht. Nach dem gest­ri­gen Rück­flug ver­zö­ger­te sich die Ver­öf­fent­li­chung in der Ori­gi­nal­spra­che. Zunächst publi­zier­te der Haus­va­ti­ka­nist Andrea Tor­ni­el­li die Ant­wor­ten des Pap­stes auf Vati­can Insi­der. Inzwi­schen wur­den sie auch auf der Sei­te des Hei­li­gen Stuhls ver­öf­fent­licht.

Laut den Aus­sa­gen ver­schie­de­ner Jour­na­li­sten, die an Bord waren, wirk­te das Kir­chen­ober­haupt „ner­vös“. Vor allem wur­den gestern stren­ge Vor­ga­ben gemacht. Der Papst woll­te aus­schließ­lich Fra­gen beant­wor­ten, die mit der Pasto­ral­rei­se in die bal­ti­schen Staa­ten zu tun hat­ten. Die Wei­sung war ein­deu­tig: Fra­gen zum Fall McCar­ri­ck, zum Viganò-Dos­sier und zum Fall Murphy‑O’Connor waren uner­wünscht. Die hei­ßen Eisen wur­den aus­ge­klam­mert. Wer von den Jour­na­li­sten dazu Fra­gen hat­te, wur­de zurück­ge­stellt („Zuerst die Fra­gen zur Rei­se“) und bekam dann ein­fach das Wort nicht mehr erteilt („Man sagt mir, das Abend­essen steht bereit, und der Flug ist nicht lang“).

Als Vati­kan­spre­cher Greg Bur­ke die Fra­gen zur Rei­se für abge­schlos­sen erklärt hat­te, ergriff Papst Fran­zis­kus kur­zer­hand selbst das Wort und sprach eini­ge Din­ge an. Das war kei­ne Pres­se­kon­fe­renz, son­dern ein Mono­log. Zum Penn­syl­va­nia-Bericht und dem sexu­el­len Miß­brauch sag­te Franziskus:

“Ich neh­me den Penn­syl­va­nia-Bericht zum Bei­spiel, und wir sehen, daß es bis zu den frü­hen 70er Jah­ren vie­le Prie­ster gab, die in die­se Kor­rup­ti­on gefal­len sind. Dann, in jün­ge­rer Zeit, haben sie abge­nom­men, weil die Kir­che sich bewußt wur­de, daß sie auf eine ande­re Wei­se dage­gen kämp­fen muß­te. In ver­gan­ge­nen Zei­ten wur­den sol­che Din­ge gedeckt. Man deck­te sie auch zu Hau­se, wenn der Onkel die klei­ne Nich­te ver­ge­wal­tig­te, wenn der Vater die Kin­der ver­ge­wal­tig­te: Man deck­te sie zu, weil es eine sehr gro­ße Schan­de war. Das war das Den­ken der ver­gan­ge­nen Jahr­hun­der­te und des ver­gan­ge­nen Jahrhunderts.“

Ist das Pro­blem des sexu­el­len Miß­brauchs also nur eine Fra­ge der Ver­gan­gen­heit, „bis Anfang der 70er Jah­re“? Stimmt das? Es gibt die Gegen­the­se, daß der Miß­brauch und ins­ge­samt sexu­el­les Fehl­ver­hal­ten sich erst Ende der 60er Jah­re und beson­ders in den 70er Jah­ren, par­al­lel zur Sexu­el­len Revo­lu­ti­on,  epi­de­misch in der Kir­che aus­ge­brei­tet hät­ten. Nach­fra­gen waren den Jour­na­li­sten aber nicht gestattet.

Im Anschluß an die päpst­li­chen Aus­füh­run­gen wur­de nur mehr eine Fra­ge zuge­las­sen, die eines spa­ni­schen Jour­na­li­sten zum Abkom­men mit der Volks­re­pu­blik China.

Die unge­wöhn­li­che Vor­ge­hens­wei­se wur­de von den Jour­na­li­sten auf­merk­sam regi­striert und sorg­te für eini­ge Irritation.

„Einen Monat nach der Ver­öf­fent­li­chung des Viganò-Dos­siers gibt es vom Vati­kan noch immer kei­ne Ant­wort – oder ein Demen­ti – auf die Behaup­tun­gen des ehe­ma­li­gen Apo­sto­li­schen Nun­ti­us in den USA“, so Nuo­va Bus­so­la Quo­ti­dia­na.

Am 26. August war das Viganò-Dos­sier mit sei­nen schwer­wie­gen­den Anschul­di­gun­gen gegen Papst Fran­zis­kus und hoch­ran­gi­ge Kir­chen­ver­tre­ter sei­nes eng­sten Umfel­des erho­ben und sein Rück­tritt gefor­dert wor­den. Als Reak­ti­on ver­ord­ne­te sich Fran­zis­kus am sel­ben Tag auf dem Rück­flug aus Irland strik­tes Schwei­gen. Damit gewann er Zeit, blieb aber eine Ant­wort schul­dig. Aus sei­ner Umge­bung wur­de in den fol­gen­den Tagen inhalts­schwan­ge­re, kryp­ti­sche Ankün­di­gun­gen gemacht, daß der Papst den „Gegen­schlag“ vor­be­rei­te und „dem­nächst“ eine Ant­wort aus Rom kom­me, das „Punkt für Punkt“ die Anschul­di­gen wider­le­gen werde.

Seit­her kamen im Zusam­men­hang mit Groß­bri­tan­ni­en und Argen­ti­ni­en neue Fra­gen und Anschul­di­gun­gen hin­zu. Doch aus dem Vati­kan fehlt nach wie vor jede Ant­wort. Fran­zis­kus wähl­te einen ver­zwei­fel­ten und zugleich ein­fach­sten Weg: Er ver­sucht das Pro­blem aus­zu­sit­zen. Das funk­tio­niert nur, solan­ge ihn die welt­li­che Medi­en scho­nen. Mit die­ser Tak­tik ist daher eine Kehr­sei­te ver­bun­den: Sie schafft Abhängigkeiten.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: InfoVaticana

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