
Von Don Nicola Bux*
Wenn das, was wir erleben, in den Strom göttlicher Ermahnungen fällt, steht unsere Sünde, auch die Sünde in der Kirche, auf der Tagesordnung. Die Stellungnahme von Msgr. Nicola Bux will auf die Frage nach der Bedeutung antworten, die uns die quälende Pandemie, ob gesundheitlich oder durch die Einschränkung der Freiheitsrechte oder wirtschaftlich, unaufhaltsam vor Augen führt. Ausgangspunkt jeder Antwort auf die Frage nach Sein und Sinn ist die Freiheit des Menschen und die Grenze dieser Freiheit. Die wirkliche Antwort muß in der Wahrheit gesucht werden, die in sein Herz und in das Naturgesetz eingeschrieben ist.
Die Grenzen
In der aktuellen Verschärfung der Krise der westlichen Zivilisation stellt sich die große Frage: Was ist der Mensch angesichts seiner Selbstüberschätzung, die eigenen Grenzen überwinden und dafür Wissenschaft und Recht als Waffen kombinieren zu wollen? Es ist offensichtlich, daß der Schlüssel für den gesamten Diskurs über den Menschen die Grenze seiner Freiheit ist. Eine Grenze, die nicht auf den Bereich des Glaubens zu beschränken ist, sondern – gemäß Pascals Einladung, „als ob Gott existiere“, die Kardinal Ratzinger den Ungläubigen in Erinnerung rief – in der Wahrheit gesucht werden soll, die in das Herz eines jeden Menschen und in die unveränderlichen Gesetze des Naturrechts eingeschrieben ist. Die Verteidigung des Menschen und seiner wirklichen Freiheit ist ein kategorischer Imperativ für jeden, der sich um das Schicksal des Westens und der Menschheit sorgt.[1]
Wir können dieses Virus als „Zeichen der Zeit“ lesen, vor allem im Sinne einer Ermahnung an die Welt: Von vielen Umarmungen und vielen Beziehungen, auch wider die Natur, müssen wir jetzt im Sinne einer ausgleichenden Zurechtweisung Abstand nehmen. Wir haben die Naturgesetze herausgefordert und Sünden begangen, „die vor Gott nach Rache schreien“.
Was ist erst von der Untreue und der Gleichgültigkeit jener zu sagen, die im praktischen Atheismus leben und eine von Gott emanzipierte Natur propagieren!
Und Ehebrüche, Abtreibungen, Scheidungen.
Wir haben die Rechte Gottes unkenntlich gemacht und die Rechte des Menschen an ihre Stelle gesetzt.
Was steckt dahinter?
Ich schließe mich den Schlußfolgerungen der jüngsten Stellungnahme von Prof. Stefano Fontana an[2]:
„Leider hat uns die Säkularisierung daran gewöhnt, jede Ebene als autonom zu betrachten: die Technologie unabhängig von der Wissenschaft, die Wissenschaft unabhängig von der Politik, die Politik unabhängig von der Ethik, die Ethik unabhängig von der Religion… Jede Ebene sei in der Lage, unabhängig ihre eigenen Ziele zu erreichen – und das Gegenteil zu behaupten, sei Fundamentalismus. Der letzte Zweck ist aber nicht die letzte Stufe einer Treppe, die sich einfach an die vorherigen anfügt. Der letzte Zweck stimmt vielmehr mit dem Prinzip überein. Kein Zwischenschritt, keine einzelne Stufe kann es alleine schaffen: ‚Getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen‘.
Es erinnert mich an das, was Don Giussani[3] sagte: Gott hat etwas mit Mathematik zu tun. Benedikt XVI. sagte das auch in einer Ansprache an die Jugend des Bistums Rom. Fontanas Stellungnahme ruft auch eine heftig diskutierte Stelle von Gaudium et spes über die Autonomie irdischer Wirklichkeiten in Erinnerung:
„Wird aber mit den Worten ‚Autonomie der zeitlichen Dinge‘ gemeint, daß die geschaffenen Dinge nicht von Gott abhängen und der Mensch sie ohne Bezug auf den Schöpfer gebrauchen könne, so spürt jeder, der Gott anerkennt, wie falsch eine solche Auffassung ist. Denn das Geschöpf sinkt ohne den Schöpfer ins Nichts“ (GS, 36).
Dieser Glaube muß auf die heute weitverbreitete ökologische Auffassung angewendet werden, die Schöpfung sei zum Scheitern verurteilt, wenn der Mensch nicht eingreift. Das widerspricht jedoch der Offenbarungslehre, die von den Kirchenvätern und Kirchenlehrern unterstützt wird, man denke nur an Clemens, Athanasius und Thomas von Aquin.
Die Warnung
Dieses Virus ist aber auch eine Warnung an die Männer der Kirche, die im Namen des „Paradigmenwechsels“ die Lehre Christi der Welt unterordnen. Sie sagen, daß sie die nicht verhandelbaren Werte nicht verstehen. Sie sehen in der Ungleichheit und nicht in der Sünde die Wurzel aller Übel – auch der sozialen. Sie haben die Projektion gnostischer und neuheidnischer Szenen auf die Fassade des Petersdomes erlaubt. Sie haben den Auftrag des Evangeliums und die Notwendigkeit der Bekehrung zugunsten eines selbstgefälligen Dialogs mit den Religionen aufgegeben, und den katholischen Gott für den einen Gott. Sie haben Luther als Medizin für die Kirche präsentiert und die Situationsethik anstelle der moralischen Grundsätze.
Mit einem Wort: Mit dem Paradigmenwechsel haben sie sich der weltlichen Mentalität angepaßt.
In Wahrheit war die christliche Gemeinschaft seit den Ursprüngen des Christentums, obwohl gewiß nicht von nüchternen Bräuchen umgeben, wie es auch heute der Fall ist, nicht bereit, mit der weltlichen Mentalität Kompromisse einzugehen. Im Gegenteil, es lag den Vätern am Herzen, sich klar von den Einstellungen des Heidentums zu unterscheiden: Dieser Welt, die so weit entfernt von den Idealen des Evangeliums ist, hat nicht unser Verständnis zu gelten, und schon gar nicht soll ihr Honig um den Mund gestrichen, sondern sie herausgefordert werden. Stattdessen sprechen pastorale Dokumente zwar oft von Herausforderungen, doch dann stellen sie sich ihnen nicht, sondern geben der Welt und ihrem Pragmatismus nach.
Bei der jüngsten Synode [der Amazonassynode] wurden nicht Priesterberufungen und der Zölibat gefördert, sondern „Viri probati“ herbeigeredet und von neuen Diensten für Frauen geträumt. Es wurde die ökologische Umkehr anstatt die des Herzens gefordert, eine globale Wirtschaft statt der Erlösung, eine synodale Kirche statt der hierarchisch geordneten Kirche, wie sie Jesus Christus gewollt hat. Ja sogar die Änderung der sakramentalen Formeln und des Vaterunsers wurde in der Annahme gefordert, daß Gott uns zu unserem Wohl gar nicht prüfen könne.
Doch das Virus hat alles vereitelt.
Jetzt ist der Papst, der so um den Pueblo besorgt ist, ohne Volk.
Die von der aktiven Teilnahme so berauschten Priester sind ohne Gläubige.
Die Gläubigen, die so an Gemeinschaftsliturgien gewöhnt wurden, leiden unter Verlassenheit, weil sie nicht in der Anbetung, in der inneren Sammlung auf den Knien und im persönlichen Gebet geschult wurden, das im Verborgenen verrichtet wird, wo uns allein der Vater sieht.
Zur Zeit der Asiatischen Grippe (1969)[4] und der Cholera (1973)[5] waren wir noch an das persönliche Gebet gewöhnt. Im Wesentlichen wollten wir den kirchlichen Leib stärken und uns nicht um die einzelnen Glieder sorgen. Heute wissen viele aber nicht mehr, wie man persönlich betet. Wir sind physisch zwar in der Liturgie, aber weder empfängt noch gibt man.
Nun sind die Kirchen verlassen, und Gläubige und Hirten sind wie Verbannte.
Ein deutscher Prälat sagte vor einigen Monaten, vielleicht unbewußt[6]:
„Nichts wird mehr so sein wie zuvor.“
In Wahrheit war es den Vätern seit den Ursprüngen des Christentums nicht wichtig, sich mit der Welt einzulassen. In der Debatte über die Amazonassynode wurden Zölibat und Liturgie auf Angelegenheiten innerhalb der Kirche reduziert, aber vergessen, daß sie auch einen missionarischen Zweck haben. Sie sind an die Welt gerichtet, damit diese eine effiziente Verkündigung des Evangeliums erhalten kann. Wir haben zwar viel vom „Wort Gottes“ gesprochen, aber vergessen hinzuzufügen, daß darin die Offenbarung des lebendigen Gottes enthalten ist. Es hat uns gefallen, die Kruzifixe aus der Mitte unserer Kirchen zu entfernen und noch mehr den Tabernakel mit dem Allerheiligsten. Wir haben sie hastig durch Darstellungen des Auferstandenen und durch den Sitz des Zelebranten ersetzt. In der Tat: Nach dieser Seuche wird für jene, die Augen haben, um zu sehen, Ohren, um zu hören, ein Herz, um nachzusinnen, in der Kirche und in der Welt nichts mehr sein wie zuvor. Der Herr hat andere Wege aufgezeigt!
Zweihundert Jahre?
Was derzeit geschieht, scheint wie eine ägyptische Plage, die auch die Unschuldigen trifft. Der Würgeengel des Exodus, der sterben und leben läßt, scheint in Aktion. Ja, es scheint die große Trübsal von Daniel zu sein. Diese Ansteckung ist vorkonziliar: Sie erwischt die Kirche auf dem falschen Fuß und diese fällt viel weiter zurück als nur die zweihundert Jahre, die von Kardinal Martini befürchtet wurden. Die Plage drängt die Kirche zurück in die Rolle, die ihr von ihrem Gründer zugewiesen wurde, der sagte:
„Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt, und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird auf ewig nicht sterben.“
Das ist ein Boden, der von der modernen Katechese zugunsten des „Sozialen“ aufgegeben wurde: Es ist der Boden der Novissima, der letzten Dinge. Gerade die Predigten dieser Zeit – die berühmten Fastenpredigten – hatten die Aufgabe, sie jedes Jahr anzusprechen, denn der Mensch steht jeden Tag vor Tod und Gericht, Paradies und Hölle – wir hoffen zumindest auf das Fegefeuer. In den Kirchen gab es sieben Altäre und noch mehr, damit die Priester zahlreich das heilige Meßopfer für die Vergebung der Sünden darbringen konnten.
Vor der aktuellen Notsituation glaubten viele, daß eine Missa privata (Privatmesse) oder Missa sine populo (ohne Volk) wenn nicht ungültig, so doch zumindest illegitim sei, wie einige Befürworter der liturgischen Bewegung behaupteten. Diese Vorstellung verbreitete sich nach dem Zweiten Vaticanum auch aufgrund einiger Deformationen der Konzelebration, die bis heute nicht geklärt wurden. Und doch haben sowohl Pius XII. in Mediator Dei als auch Paul VI. in Mysterium fidei die Gültigkeit dieser Form der Messe und ihre volle Legitimität bekräftigt:
„Jede Messe nämlich, auch wenn sie privat vom Priester zelebriert wird, ist dennoch nicht privat, sondern ein Handeln Christi und der Kirche; die Kirche lernt ja im Opfer, das sie darbringt, sich selbst als ein universales Opfer darzubringen, und sie wendet die einzige und unendlich erlösende Kraft des Kreuzesopfers der ganzen Welt zum Heile zu. Denn jede Messe, die zelebriert wird, wird nicht nur für das Heil einiger, sondern auch für das Heil der ganzen Welt dargebracht“ (Mysterium fidei, 33).
Alles entstand aus dem Mißverständnis über die Natur der Messe als öffentliches Gebet der Kirche, und es wurde behauptet, daß „öffentlich“ die Teilnahme des Volkes meine. Privatmessen (oder ohne Volk) wurden daher nicht mehr als zulässig angesehen.
Das Reich Gottes steht im Zeichen der Glückseligkeit, aber die Offenbarung spricht von göttlichen Strafen, die darauf abzielen, jedes Geschöpf mit Gott zu versöhnen:
„Doch mein Volk hat nicht auf meine Stimme gehört; Israel hat mich nicht gewollt. Da überließ ich sie ihrem verstockten Herzen und sie handelten nach ihren eigenen Plänen“ (Ps 81, 12–13).
Könnte ein ernsthaftes Nachdenken über diese und ähnliche Stellen der Heiligen Schrift nicht ein wahres Wort der Hirten für das Volk Gottes werden? Eine echte Einladung zur Bekehrung?
Vielleicht wäre es angebracht, zum Beispiel zu sagen, daß wir jetzt in dieser vom Menschen erbauten Welt, ohne Gott hören zu wollen, vielmehr Ihn ganz auszuklammern, die Rechnung mit der Härte unseres Herzens machen müssen.
Das wäre von den Hirten, die in der Kirche das munus (die Aufgabe) der Lehre haben, den Anordnungen vorauszuschicken gewesen, die sie zu den Zelebrationen des Jahreskreises und der Hochfeste erließen und die eine nicht geringe Strafe bedeuten, die zu erdulden ist. Man darf nicht bei rechtlichen Aspekten stehenbleiben und die Kirchen schließen, als wären sie öffentliche Ämter, denn sie sind Kliniken des Geistes. Die großen Päpste und Bischöfe haben immer entschieden die Rechte der Kirche verteidigt. Kardinal Burke schreibt dazu:
„Wir müssen darauf bestehen, daß die Regeln des Staates, auch zum Wohl des Staates, die besondere Bedeutung von Kultstätten anerkennen, insbesondere in Zeiten nationaler und internationaler Krisen. Tatsächlich haben die Regierungen in der Vergangenheit die Bedeutung des Glaubens, des Gebets und den Kultus des Volkes für die Überwindung einer Seuche verstanden“ (Botschaft vom 23. März 2020).
Es ist die heilige Kirche, die die Geschichte beurteilt und nicht umgekehrt, denn alles, was in der Geschichte geschieht, wird von Gott zugelassen, der unendliche Gerechtigkeit und unendliche Barmherzigkeit ist.
Die Offenbarung
Im umgangssprachlichen Gebrauch wird die Aussage oftmals unangemessen auf Menschen und Ereignisse angewandt, wenn es heißt: „Es ist eine Strafe Gottes“, „Es ist der Zorn Gottes“. Wenden wir sie jetzt aber auf die Pandemie an: Wie ist sie da zu verstehen? Ist sie eine Strafe Gottes im Sinne von castus, „rein“, und ago, „tun“: also reinigen?
Es ist wie bei Kindern, die bestraft werden… Wir nun mit einem Maulkorb (einem Mundschutz).
Warum ist es so schwer zu akzeptieren, daß Gott straft? Seit der Zeit der alten Griechen und Römer bis ins vorige Jahrhundert fanden Prozessionen statt und wurden Gelöbnisse gemacht, damit eine Strafe endet. Heute gilt das Wort „Bestrafung“ selbst unter Geistlichen als ein Ärgernis, weil vergessen wurde, daß der Weltgeschichte nicht nur die Liebe, sondern auch Sünde, Zorn und Gericht zugrunde liegen.
Es stimmt, daß wir in Jesus Christus das Geheimnis der göttlichen Liebe verehren, das mit Geduld und Barmherzigkeit die Bekehrung des Sünders will. Unwissenheit, Pest, Hunger, Krieg, Leiden, Tod offenbaren dem Menschen aber seine Situation als Sünder. Die Strafe ist die Folge der Sünde. Gott zeigt Sein Gesicht, das urteilt und rettet, wie wir es in den Psalmen oft anrufen, so im Psalm 80:
„Zeig uns dein Antlitz, und wir werden gerettet werden.“
Strafe ist also ein Zeichen der Sünde, weil sie uns verstehen läßt, daß wir uns von Gott getrennt haben (vgl. Röm 8, 20)[7]. Strafe ist auch die Frucht der Sünde, denn sie ist die Schranke gegen die Sünde und kann für manche zur Verurteilung, für andere aber zur Bekehrung führen (vgl. Lk 15, 14–20). Christus kannte die Strafe, nicht wegen Sünden, die Er begangen hätte, sondern wegen der Sünden der Menschen, die Er auf sich nahm. Deshalb ist Strafe immer auch Offenbarung Gottes!
Wer die Gnade der göttlichen Heimsuchung nicht annimmt, stellt sich gegen die Heiligkeit Gottes und tritt in Konflikt mit Gott selbst (vgl. Lk 19, 41–44)[8]. So spricht der Prophet:
„Dann wirst du wissen, daß ich Jahwe bin“ (Ez 11, 10; 15, 7).
Und Jesus:
„Wer an den Sohn glaubt, hat das ewige Leben; wer aber dem Sohn nicht gehorcht, wird das Leben nicht sehen, sondern Gottes Zorn bleibt auf ihm“ (Joh 3, 36).
Die Strafe als Offenbarung erfolgt durch das Wort (vgl. Weish 18, 14–15; Offb 19, 11–16)[9]. Gerade vor dem gekreuzigten Jesus Christus nimmt es seine ganze, wahre Dimension an (vgl. Joh 8, 28)[10]. Christus wurde an unserer Stelle und für unser Heil bestraft.
Die Umkehr
Das Opfer Christi verlangt nach unserer Bekehrung, nach unserer Umkehr:
„Mein Sohn, verachte nicht die Zucht des Herrn, verzage nicht, wenn er dich zurechtweist. Denn wen der Herr liebt, den züchtigt er; er schlägt mit der Rute jeden Sohn, den er gern hat“ (Hebr 12, 5–6).
Kehren wir um und schauen wir auf Christus und auf unsere Sünde. Auch wir müssen das Kreuz tragen und ergänzen, was an Seinem Leiden noch fehlt (vgl. Kol 1, 24)[11]: Wir müssen die Strafe (poenam tenere) ertragen, die Buße, die uns auferlegt wird. Die Strafe offenbart die Tiefen des Herzens Gottes: Seine Eifersucht, Seinen Zorn, Seine Rache an Seinen Feinden, Seine Gerechtigkeit, Seinen Willen zur Vergebung, Seine Barmherzigkeit, schließlich Seine durchdringende Liebe. Die Erziehung zur menschlichen Freiheit kann nicht ohne Umkehr erreicht werden (vgl. 1 Kor 11, 32; Gal 3, 23f)[12]. Für den fleischlichen Menschen ist die Bestrafung eine Verurteilung, für den geistlichen Menschen ist sie eine Sühne in Christus, und das Gericht ist eine Rechtfertigung. Der heilige Thomas sagt, daß die Strafe als Heilmittel oder als Bestrafung gesehen werden kann.
Daher ist die gegenwärtige Pandemie, bezogen auf die Offenbarung, zweifellos eine Strafe Gottes, weil die Rechte Gottes mißachtet wurden. Die Propheten würden sagen: Wir haben uns von Gott abgewandt und getan, was in Seinen Augen schlecht ist, auch innerhalb der Kirche. Kardinal Burke schreibt dazu:
„Wir sind selbst innerhalb der Kirche Zeugen eines Heidentums, das die Natur und die Erde anbetet. Es gibt in der Kirche solche, die die Erde als unsere Mutter bezeichnen, als wären wir von der Erde gekommen, und als wäre die Erde unser Heil“ (s. o.).
Wir sind – im Widerspruch zum Ersten Gebot – dem Götzendienst erlegen, der schwersten aller Sünden, indem wir vor Erdhaufen niedergekniet und sogar im Petersdom götzendienerische Figuren verehrt haben. Wir haben die Kirchen in Biwaks und Gasthäuser verwandelt, obwohl wir viel besser geeignete Einrichtungen hatten, um die Armen und Migranten aufzunehmen. Wir haben vergessen, wofür eine Kirche benutzt wird, und warum sie mit einem feierlichen Ritus geweiht wird. Wir haben Mißbräuche, Entweihungen der heiligen Liturgie und unerträgliche Verzerrungen, Beleidigungen und Respektlosigkeiten begangen. Wir sind so weit gegangen, zu behaupten, daß die Gnade Gottes sogar mit einer Situation gewohnheitsmäßiger Sünde koexistieren könne, die nicht reuigen Sündern die sakrilegische Kommunion ermöglicht. Die Liturgie ist, wie Jesaja sagt, zu einem angelernten menschlichen Brauch geworden (vgl. 29,13)[13]. Wir haben Verwirrung unter dem Volk Gottes gesät durch die Koexistenz zweier Päpste, und die Auslieferung der Gläubigen an die Behörden atheistischer Staaten wie der Volksrepublik China gefördert. Die Warnung Pauls VI. von der Selbstzerstörung der Kirche wird hörbar. Haben sich Atheismus und Glaubensverlust unter den Männern der Kirche niedergelassen, wie Kardinal Müller sagte?
Das Flehen
Ist es ein Zufall, daß diese Epidemie am Beginn der Fastenzeit ausgebrochen ist? Und warum so virulent? Die Fastenliturgie betrachtet die Buße des Körpers als Medizin für die Seele. Das bedeutet, daß auch heute die göttlichen Gnaden in Reichweite sind! Das ist die günstige Zeit, um das Heil Jesu Christi zu verkündigen, das in der Kostbarkeit der Seele besteht, die größer ist als der Gewinn der ganzen Welt. Die Römische Kirche bittet in ihren öffentlichen Gebeten darum, Seuchen und Epidemien enden zu lassen, im letzten Gebet zu Gott aber darum, daß die Sterblichen verstehen, daß diese Geißeln aus Seinem gerechten Zorn über unsere Sünden entspringen und durch Seine Barmherzigkeit beendet werden:
Miserere nostri Domine! Miserere nostri.
Erbarme Dich unser, Herr! Erbarme Dich unser.
Wir können mit der Fastenliturgie sagen: Groß ist unsere Sünde, aber größer ist Deine Liebe, tilge unsere Schuld zum Ruhme Deines Namens. Im Verborgenen unserer Seele laßt uns uns niederwerfen und die göttliche Gnade anflehen, befreie uns vom Zorn des Gerichts … Vergib unsere Fehler, heile unsere Wunden, führe uns mit Deiner Gnade zum österlichen Sieg.
Ist die Stunde der Gerechtigkeit nach jener der Barmherzigkeit unerwartet gekommen? Wir dürfen hoffen, daß dem nicht so ist, und flehen, solange Zeit ist:
„Durch Sein schmerzhaftes Leiden habe Erbarmen mit uns und mit der ganzen Welt.“
Deshalb bitten wir den Herrn, daß Er Seinen Erzengel das Schwert so bald als möglich wieder zurück in die Scheide stecken läßt. Lassen wir unser Flehen aufsteigen wie Weihrauch zum Herrn:
„Zur Ehre Deines Namens, allmächtiger Gott, komm, um uns zu befreien. Schenke uns Zeit für die Buße.“
Wir befinden uns in einer von der Vorsehung bestimmten Bestrafung, die Früchte tragen wird, aber wir müssen einen Actus contritionis vollbringen, wir müssen in uns Reue erwecken, weil wir durch unsere Sünden Seine Strafen und vieles mehr verdient haben, weil wir Ihn, der unendlich gut und würdig ist, über alles geliebt zu werden, beleidigt haben.
Machen wir es uns mit Seiner heiligen Hilfe zum Vorsatz, Ihn nie wieder zu beleidigen, legen wir feierliche Gelübde ab, und die Pandemie wird verschwinden.
Haben wir keine Angst vor Gott, aber Ehrfurcht: Sie erinnert uns daran, wie klein wir vor Ihm sind. Fürchten wir, Ihn, unseren Vater, zu beleidigen, weil wir Seine Kinder sind und jeden Tag unter Seinem Blick leben, uns bewegen und existieren (vgl. Apg 17, 28)[14]. Das Prinzip der Weisheit ist die Gottesfurcht, und wenn wir Weisheit wünschen, dann halten wir die Gebote in der Gewißheit, daß Jesus Sein Versprechen hält:
„Dies habe ich zu euch gesagt, damit ihr in mir Frieden habt. In der Welt seid ihr in Bedrängnis; aber habt Mut: Ich habe die Welt besiegt“ (Joh 16, 33).
Weil es immer einen Rest geben wird, der um die Heiligen mit Maria und ihrem unbefleckten Herzen standhalten wird.
Es scheint derzeit, daß Er uns sagt:
„Hirten und Diener Seines mystischen Leibes, habt Augen, um den Ruin zu sehen, und Ohren, um die ‚Klage Gottes‘ zu hören, damit ihr nicht wie jene Jungen auf dem Platz angeklagt werdet, zu denen wir sagen werden: ‚Wir haben für euch auf der Flöte gespielt und ihr habt nicht getanzt; wir haben Klagelieder gesungen und ihr habt nicht geweint‘. Gott schenkt Seine Gaben großzügig, aber Er überläßt immer und ausnahmslos die Verantwortung für die Antwort dem Einzelnen!“
*Don Nicola Bux, geboren 1947 in Bari, wurde 1975 zum Priester geweiht und zählt zu den renommiertesten Liturgiewissenschaftlern. Er lehrte unter anderem in Jerusalem und Rom und noch heute an der Theologischen Fakultät und der Hochschule für Religionswissenschaften in Bari. „Wegen seiner vielseitigen Kompetenzen und seiner Ausgewogenheit“ ist er Consultor der Glaubenskongregation und der Heiligsprechungskongregation an der Römischen Kurie, aber auch Berater der internationalen theologischen Fachzeitschrift „Communio“. Unter Benedikt XVI., mit dem er persönlich befreundet ist, war er auch Consultor des Amtes für die liturgischen Feiern des Papstes und unterstützte die von Benedikt gewollte liturgische Erneuerung, die im Motu proprio Summorum Pontificum ihren bleibenden Ausdruck fand. Er ist geistlicher Assistent der St. Josefsbruderschaft von Bari und Autor zahlreicher Bücher, von denen mehrere in verschiedene Sprachen übersetzt wurden, zuletzt: „Perché i cristiani non temono il martirio“ (Warum die Christen das Martyrium nicht fürchten), Fede&Cultura, Verona 2018.
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild/Erstveröffentlichung: Chiesa e postconcilio
[1] Vgl. C. Ruini‑G.Quagliariello: Un’altra libertà. Contro i nuovi profeti del paradiso in terra (Eine andere Freiheit. Gegen die neuen Propheten des Paradieses auf Erden), Soveria Mannelli 2020, S. 7–9.
[2] „La Messa è essenziale per il bene comune” (Die Messe ist essentiell für das Allgemeinwohl), in: Nuova Bussola Quotidiana v. 9. März 2020. Stefano Fontana ist Direktor des International Observatory Cardinal Van Thuan for the Social Doctrine of the Church (Kardinal-Van-Thuan-Beobachtungsstelle für die Soziallehre der Kirche) und Chefredakteur der Kirchenzeitung des Erzbistums Triest, das von Erzbischof Giampaolo Crepaldi geleitet wird.
[3] Don Luigi Giussani (1922–2005), Priester des Erzbistums Mailand, Professor der Theologie an der Cattolica (Katholische Universität vom Heiligen Herzen) in Mailand und Gründer der neuen geistlichen Gemeinschaft Comunione e Liberazione (CL).
[4] Die Asiatische Grippe (H3N2) von 1969, die ebenfalls aus der Volksrepublik China kam, war nach der Spanischen Grippe die schlimmste Influenza-Pandemie im 20. Jahrhundert. Allein in der Bundesrepublik Deutschland starben an ihr rund 30.000 Menschen. Mindestens 10 Millionen Bundesbürger hatten sich infiziert.
An der Spanischen Grippe (1918/1920) starben in zwei Wellen allein im Deutschen Reich über 186.000 Menschen direkt und noch einmal so viele an den Folgen der Influenzainfektion, also insgesamt rund 400.000 Menschen.
[5] Auslöser der Cholera-Pandemie war der Subtyp El Tor des Bakteriums Vibrio cholerae, der sich von Indonesien über die Sowjetunion nach Mittel- und Westeuropa ausbreitete.
[6] Die euphorische Aussage stammt von Bischof Franz-Josef Overbeck von Essen und bezog sich auf die damals noch bevorstehende Amazonassynode.
[7] Brief an die Römer 8, 20: „Die Schöpfung ist der Vergänglichkeit unterworfen, nicht aus eigenem Willen, sondern durch den, der sie unterworfen hat; aber zugleich gab er ihr Hoffnung“.
[8] Evangelium nach Lukas 19, 41–44: „Als er näher kam und die Stadt sah, weinte er über sie und sagte: Wenn doch auch du an diesem Tag erkannt hättest, was dir Frieden bringt. Jetzt aber bleibt es vor deinen Augen verborgen. Es wird eine Zeit für dich kommen, in der deine Feinde rings um dich einen Wall aufwerfen, dich einschließen und von allen Seiten bedrängen. Sie werden dich und deine Kinder zerschmettern und keinen Stein auf dem andern lassen; denn du hast die Zeit der Gnade nicht erkannt.“
[9] Buch der Weisheit 8, 14–15: „Als tiefes Schweigen das All umfing und die Nacht bis zur Mitte gelangt war, da sprang dein allmächtiges Wort vom Himmel, vom königlichen Thron herab als harter Krieger mitten in das dem Verderben geweihte Land.“
Geheime Offenbarung des Johannes 19, 11–16: „Dann sah ich den Himmel offen, und siehe, da war ein weißes Pferd, und der, der auf ihm saß, heißt «Der Treue und Wahrhaftige»; gerecht richtet er und führt er Krieg. Seine Augen waren wie Feuerflammen und auf dem Haupt trug er viele Diademe; und auf ihm stand ein Name, den er allein kennt. Bekleidet war er mit einem blutgetränkten Gewand; und sein Name heißt «Das Wort Gottes». Die Heere des Himmels folgten ihm auf weißen Pferden; sie waren in reines, weißes Leinen gekleidet. Aus seinem Mund kam ein scharfes Schwert; mit ihm wird er die Völker schlagen. Und er herrscht über sie mit eisernem Zepter, und er tritt die Kelter des Weines, des rächenden Zornes Gottes, des Herrschers über die ganze Schöpfung. Auf seinem Gewand und auf seiner Hüfte trägt er den Namen: «König der Könige und Herr der Herren».“
[10] Evangelium nach Johannes 8, 28: „Da sagte Jesus zu ihnen: Wenn ihr den Menschensohn erhöht habt, dann werdet ihr erkennen, daß Ich es bin. Ihr werdet erkennen, daß ich nichts im eigenen Namen tue, sondern nur das sage, was mich der Vater gelehrt hat.“
[11] Brief an die Kolosser 1, 24: „Jetzt freue ich mich in den Leiden, die ich für euch ertrage. Für den Leib Christi, die Kirche, ergänze ich in meinem irdischen Leben das, was an den Leiden Christi noch fehlt.“
[12] Erster Brief an die Korinther 11, 32: „Doch wenn wir jetzt vom Herrn gerichtet werden, dann ist es eine Zurechtweisung, damit wir nicht zusammen mit der Welt verdammt werden.“
Brief an die Galater 3, 23: „Ehe der Glaube kam, waren wir im Gefängnis des Gesetzes, festgehalten bis zu der Zeit, da der Glaube offenbart werden sollte. So hat das Gesetz uns in Zucht gehalten bis zum Kommen Christi, damit wir durch den Glauben gerecht gemacht werden.“
[13] Buch Jesaja 29, 13: „Der Herr sagte: Weil dieses Volk sich mir nur mit Worten nähert und mich bloß mit den Lippen ehrt, sein Herz aber fern hält von mir, weil seine Furcht vor mir nur auf einem angelernten menschlichen Gebot beruht, darum will auch ich in Zukunft an diesem Volk seltsam handeln, so seltsam, wie es niemand erwartet. Dann wird die Weisheit seiner Weisen vergehen und die Klugheit seiner Klugen verschwinden.“
[14] Apostelgeschichte 17, 28: „Denn in ihm leben wir, bewegen wir uns und sind wir, wie auch einige von euren Dichtern gesagt haben: Wir sind von seiner Art.“
Mein erster Gedanke nach dem Lesen der Überschrift war: Würden sich die Priester am Altar und mit ihnen die ganze Kirche wieder Gott zuwenden, dann würde ihnen auch niemand von vorne auf die Füße treten …
Danke für den gehaltvollen Artikel.
Man kann zb. die Konzilskirche fragen: „Was bleibt jetzt von eurer Revolution?“
Eure sog. „Früchte des Konzils“ haben sich allesamt als faul und verdorben erwiesen.
Was bleibt, ist die hl.Messe, aber die habt ihr auch bis zur Unkenntlichkeit zerstört.
Und da wagt sich einer von Euch zu fragen, ob es eine Strafe Gottes ist was passiert?
Nur kurz für den letzten „Konzilsseligen“: Ja es ist eine Strafe, schlag nach bei Fatima 1917!
Ein starker Text. Schon lange nicht mehr einen solchen Tiefgang gelesen. Man versteht, warum dieser Priester sich einen Freund von Benedikt XVI. nennen darf. Habe leider nur ein Buch von ihm auf deutsch gefunden. In andere Sprachen gibt es viel mehr Übersetzungen. Schade.