
(Rom/Peking) Hinter den Kulissen sind die Würfel gefallen: Das Abkommen zwischen dem Heiligen Stuhl und der Volksrepublik China steht. Die Bestätigung erfolgte durch die regimenahe, englischsprachige Tageszeitung Global Times. Nicht nur Kardinal Joseph Zen und die Untergrundkirche im kommunistischen Großreich hoffen allerdings noch auf ein Eingreifen der Vorsehung. Sie sehen in der von Franziskus betriebenen Ostpolitik Verrat. Der britische Catholic Herald enthüllte die Rolle, die ausgerechnet Ex-Kardinal Theodore McCarrick bei den geheim geführten Verhandlungen spielte.
McCarrick wurde Ende Juli die Kardinalswürde entzogen. Laut offizieller Sprachregelung habe er um seine Entbindung gebeten. In Wirklichkeit war sein Verbleib im Heiligen Kollegium untragbar geworden, nachdem selbst die New York Times, dem progressiven US-Kardinal in zwei Artikeln sein homosexuelles Doppelleben vorgerechnet hatte. Seither wurden zahlreiche unappetitliche Details über McCarrick und Homo-Seilschaften in der Kirche bekannt.
Der Skandal scheint noch lange nicht ausgestanden. Der Fall McCarrick führte zum Aufbrechen einer „Eiterbeule“, wie das Stichwort Homosexualität in der Kirche vielfach genannt wird. Gemeint ist eine stillschweigende Homosexualisierung von Teilen des Klerikerstandes seit Ausbruch der Sexuellen Revolution Ende der 60er Jahre.
Der McCarrick-Skandal fällt zeitlich mit verstärkten Versuchen bis hinauf zur höchsten Spitze zusammen, die Lehre der Kirche zur Homosexualität zu ändern und im Gleichschritt mit der Welt (Stichwort Gender-Ideologie) deren Anerkennung zu zelebrieren.
Dagegen regt sich in der Kirche Widerstand. Das hat nicht zuletzt damit zu tun, daß einigen Kirchenverantwortlichen, vor allem Laien dämmert, daß es sich bei dem nicht enden wollenden sexuellen Mißbrauchsskandal Minderjähriger durch Kleriker in Wirklichkeit zum größten Teil um einen homosexuellen Mißbrauchsskandal handelt.
McCarrick steht damit nicht für einen Einzelfall, sondern wurde zum Synonym für ein „System“ homosexueller Seilschaften in der Kirche zur Absicherung und Deckung der eigenen, kanonischen und weltlichen Straftaten, aber auch zur gegenseitigen Karriereförderung und zur Einflußnahme auf Entscheidungen in der Kirche.
Die Forderung nach einer Reinigung, einer Katharsis der Kirche wird immer lauter.
McCarrick: Chinas Staats- und Parteichef über dieselben Dinge besorgt wie Franziskus
Der Catholic Herald enthüllte am Montag, daß McCarrick, auch bei den Geheimverhandlungen zwischen dem Heiligen Stuhl und dem kommunistischen Regime in Peking eine bisher unbekannte, aber nicht unerhebliche Rolle gespielt habe. Eine solche Rolle, die kurz nach der Wahl von Papst Franziskus einsetzte, konnte er nur durch enge Kontakte zu Papst Franziskus spielen.
Der ehemalige Nuntius in den USA, Msgr. Carlo Maria Viganò, warf Papst Franziskus Ende August vor, McCarrick trotz genauer Kenntnislage rehabilitiert zu haben, während Papst Benedikt XVI. gegen ihn Sanktionen verhängt hatte.
McCarrick reiste in den vergangenen 20 Jahren, so der Catholic Herald, mindestens acht Mal in das „Reich der Mitte“. Einige Male hielt er sich dabei in einem staatlich kontrollierten Priesterseminar auf, das als inoffizielle Brücke zwischen den vom Regime ernannten, aber von Rom nicht anerkannten Bischöfen und dem Vatikan diente.
Bevor im Sommer der Sexskandal explodierte, galt der nunmehrige Ex-Kardinal laut chinesischen Medienberichten als entschiedener Befürworter eines Abkommens zwischen Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping und Papst Franziskus.
Chinas kommunistischer „Kaiser“ und Papst Franziskus waren faktisch zeitgleich, beide 2013, an die Spitze ihrer jeweiligen Staaten getreten.
2016 sagte McCarrick, damals noch Kardinal und unter Franziskus gern gesehener und häufiger Gast in Santa Marta, in einem Interview mit der regimenahen Global Times:
„Ich sehe eine Menge Dinge, die wirklich viele Türen öffnen, weil Präsident Xi und seine Regierung über Dinge besorgt sind, um die sich auch Papst Franziskus Sorgen macht“.
Der kanonische Serien-Sexualstraftäter behauptete eine Ähnlichkeit zwischen Franziskus und Xi Jinping, was er als „besonderes Geschenk für die Welt“ bezeichnete.
Schmeicheleien für kommunistische Machthaber
Solche und ähnliche Schmeicheleien für die kommunistischen Machthaber waren in den vergangenen Jahren aus dem Mund mehrerer enger Vertrauter von Papst Franziskus zu hören. Der politische Arm von Franziskus, Kurienbischof Marcelo Sanchez Sorondo, behauptete vor wenigen Monaten, daß es derzeit kein Land auf der Welt gebe, in dem die katholische Soziallehre besser verwirklicht sei als in der Volksrepublik China.
Die Global Times schrieb im Zusammenhang mit dem erwähnten Interview, daß McCarrick im Februar 2016 durch China reiste, „um alte Freunde zu besuchen“.
Zu McCarricks „alten Freunden“ gehörten offenbar auch Wang Zuo-an, der Leiter der Staatsbehörde für Religionsangelegenheiten, und der 2007 verstorbene Michael Fu Tie-shan. Tie-shan wurde 1979 vom Regime ohne Zustimmung des Papstes als Bischof eingesetzt. Bis zu seinem Tod war er neun Jahre Vorsitzender der schismatischen, regimehörigen Patriotischen Vereinigung und Abgeordneter zum Nationalen Volkskongreß. Die letzten drei Jahre seines Lebens war er sogar stellvertretender Präsident des Parlaments der Volksrepublik China.
Msgr. Viganò schreibt in seinem Dossier, McCarrick habe ihm im Juni 2013 bei einer Begegnung gesagt:
„Der Papst hat mich gestern empfangen, morgen reise ich nach China“.
Das dürfte der Auftakt zu McCarricks China-Mission gewesen sein.
McCarricks „alte Freunde“ und die Lücke bei seinen China-Reisen
Ein weiterer „alter Freund“ McCarricks ist Shu-Jie Chen. Laut einer Note von Christopher Sandrolini, damals Geschäftsträger der US-Botschaft beim Heiligen Stuhl, erklärte Chen, Vize-Regens eines staatlich anerkannten Priesterseminars in Peking, zweimal Gastgeber McCarricks gewesen zu sein. Chen beschrieb sich selbst als „King“ des Priesterseminars, der „innerhalb seiner Mauern tun könne, was er wolle“.
Der US-Diplomat vermerkte über die Begegnung mit Chen, daß der Vize-Regens „die Verfolgung der Untergrundkirche herunterspielte“ und sich abschätzig über sie äußerte. Die Vorgabe des kommunistischen Regimes, daß „Evangelisierung keine Option für offizielle Religionsvertreter“ sei, habe Chen „unbekümmert“ gelassen.
Laut dem Catholic Herald falle bei den China-Reisen McCarricks eine Lücke auf, die genau der Amtszeit von Papst Benedikt XVI. entspricht. Allerdings scheint der Kardinal auch in dieser Zeit Kontakte nach China unterhalten zu haben, darunter zu exkommunizierten Bischöfen, die ohne Zustimmung Roms ordiniert worden waren. Im Jahr 2013 setzten die Reisen McCarricks wieder ein.
Die Unterbrechung der China-Reisen deckt sich mit den Enthüllungen von Nuntius Viganò über Sanktionen von Papst Benedikt XVI. gegen McCarrick, während die Wiederaufnahme der Reisen mit den Bestrebungen von Papst Franziskus zusammenfällt, eine Abkommen mit dem kommunistischen Großreich zustande zu bringen, das 1951 die diplomatischen Beziehungen mit dem Heiligen Stuhl abgebrochen hatte.
1949 hatten die Kommunisten die Macht in China übernommen. Seither sind die Christen des Landes nicht nur unterdrückt, sondern hatten eine grausame Verfolgung zu erleiden.
Unklar ist, ob McCarrick, wenn auch inoffiziell, im Auftrag von Franziskus unterwegs war. Fest steht, daß Franziskus über McCarricks China-Aktivitäten unterrichtet war – von McCarrick persönlich.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Catholic Herald