Versucht der Vatikan McCarrick reinzuwaschen?

Mißbrauchsgipfel vom Fall des Ex-Kardinals überschattet


Papst Franziskus mit Kardinal McCarrick
Papst Franziskus mit Kardinal McCarrick

(Rom/​New York) In sechs Wochen beginnt im Vati­kan der Son­der­gip­fel zum Miß­brauchs­skan­dal, der von Papst Fran­zis­kus ein­be­ru­fen wur­de. Der Gip­fel wird vom Fall des Ex-Kar­di­nals Theo­do­re McCar­ri­ck über­schat­tet. Papst Fran­zis­kus möch­te ihn des­halb vor­her zum Abschluß brin­gen und nach einem Urteil zu den Akten legen. In den ver­gan­ge­nen Tagen haben sich meh­re­re Medi­en mit dem Fall befaßt. Drei Punk­te las­sen sich aus den Berich­ten herauslesen.

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Das Opfer James Grein, das jüngst an die Öffent­lich­keit trat und McCar­ri­ck schwer bela­ste­te, scheint von der Ankla­ge­be­hör­de igno­riert wer­den zu sol­len, um das Anse­hen McCar­ri­cks zu retten.

Fran­zis­kus wün­sche einen sehr all­ge­mei­nen Pro­zeß gegen McCar­ri­ck, der im Eil­ver­fah­ren durch­ge­zo­gen wer­den und zum Gip­fel­tref­fen abge­schlos­sen sein solle.

Die Sache gestal­tet sich aber zuneh­mend pro­ble­ma­ti­scher, weil ein wei­te­res Opfer auf­ge­tre­ten ist.

Fallen schwerste Anklagen unter den Tisch?

Bericht von Church Militant

Die US-Sei­te Church Mili­tant, auf die sich auch die spa­ni­sche Nach­rich­ten­sei­te Info­Va­ti­ca­na beruft, berich­te­te am 3. Janu­ar, aus „zuver­läs­si­ger Quel­le“ erfah­ren zu haben, daß „die kano­ni­sche Unter­su­chung zu Ex-Kar­di­nal Theo­do­re McCar­ri­ck beab­sich­ti­ge, die Glaub­wür­dig­keit des Haupt­op­fers des Prä­la­ten in Fra­ge zu stel­len, indem der Miß­brauch als ein­ver­nehm­lich dar­ge­stellt wer­de sol­le und nicht einen gesetz­lich Min­der­jäh­ri­gen betreffe“.

Laut Church Mili­tant wer­de von den vati­ka­ni­schen Ermitt­lern ver­sucht, die Dar­stel­lung des Opfers James Grein als „unglaub­wür­dig“ ein­zu­stu­fen. Der Jun­ge habe sich, so die behaup­te­te Stra­te­gie, frei­wil­lig in die Obhut McCar­ri­cks bege­ben, und die sexu­el­len Hand­lun­gen McCar­ri­cks an ihm sei­en erst ab dem Alter von 16 Jah­ren als „glaub­wür­dig“ ein­zu­stu­fen, nicht aber sei­ne Schil­de­run­gen, wonach er von McCar­ri­ck bereits miß­braucht wor­den sei, als er elf Jah­re alt war. Als 16-Jäh­ri­ger kön­ne näm­lich nicht mehr von einem Min­der­jäh­ri­gen im Sin­ne des Geset­zes gespro­chen werden.

Verkürztes Verfahren und andere Interventionen?

Das Wall Street Jour­nal berich­te­te am 5. Janu­ar eben­falls, daß Papst Fran­zis­kus ein schnel­les Ver­fah­ren gegen McCar­ri­ck wol­le, um die Sache noch vor dem Miß­brauchs­gip­fel im Febru­ar abschlie­ßen zu können.

„Funk­tio­nä­re des Vati­kans ver­ste­hen es so, daß Papst Fran­zis­kus will, daß sie die Ange­le­gen­heit mit Eile ange­hen, um zu ver­mei­den, daß das Schick­sal des US-Erz­bi­schofs den für den 21. bis 24. Febru­ar geplan­ten Gip­fel überschattet.“

Bericht des Wall Street Journal

Die Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on sei „fest ent­schlos­sen“, so die New Yor­ker Wirt­schafts­zei­tung, McCar­ri­ck bereits in die­ser Woche vor Gericht zu stel­len. Papst Fran­zis­kus könn­te aller­dings ein­grei­fen und den Zeit­plan ändern oder selbst ein Urteil fäl­len und damit jeden wei­te­ren Instan­zen­weg ausschließen.

Die Aus­sa­gen von James Grein, der von Ver­tre­tern des Erz­bis­tums New York ange­hört wur­de, dürf­ten inzwi­schen im Vati­kan ein­ge­trof­fen sein. Ex-Kar­di­nal McCar­ri­ck wur­de ver­gan­ge­ne Woche im Klo­ster in Kan­sas ange­hört, das ihm als Auf­ent­halts­ort zuge­wie­sen wor­den war.

Neben James Grein, Sohn einer mit McCar­ri­ck befreun­de­ten Fami­lie, sag­te aus, ab dem Alter von elf Jah­ren von McCar­ri­ck miß­braucht wor­den zu sein. Der Prä­lat habe dafür mehr­fach die Beich­te mißbraucht.

„Ver­sucht der Vati­kan McCar­ri­ck renzuwachen?“

Neben Grein gibt es noch ein wei­te­res Opfer, das aus­sag­te, von McCar­ri­ck ab dem Alter von 13 Jah­ren miß­braucht wor­den zu sein.

Die­se Aus­sa­gen haben die Posi­ti­on des ehe­ma­li­gen Kar­di­nals mas­siv erschwert. Bis­her wur­de ihm ein homo­se­xu­el­les Dop­pel­le­ben und sexu­el­le Kor­rum­pie­rung von ihm unter­ge­be­nen Semi­na­ri­sten und Prie­stern zur Last gelegt. Die sexu­el­len Ver­feh­lun­gen eines Bischofs wer­den von der römi­schen Bischofs­kon­gre­ga­ti­on ver­han­delt. Der sexu­el­le Miß­brauch von Min­der­jäh­ri­gen unter­steht hin­ge­gen der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on. Die­se hoff­te man in der ursprüng­li­chen Pla­nung umge­hen zu können.

Selbst wenn das Urteil der Bischofs­kon­gre­ga­ti­on ange­foch­ten wer­den soll­te, wür­de der Fall auf dem Schreib­tisch der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on lan­den. Die Ver­fah­rens­ord­nung sieht eine Frist von 60 Tagen für eine Beru­fung vor. Laut dem Wall Street Jour­nal wer­de „gehofft, daß der Papst ein ver­kürz­tes Ver­fah­ren zulas­se, um die Ange­le­gen­heit zeit­ge­recht zum Miß­brauchs­gip­fel Ende Febru­ar abschlie­ßen zu können“.

Neues Opfer: „Wurde als Minderjähriger mißbraucht“

The Tablet: „Wei­te­res Opfer“

Unter­des­sen ist jedoch ein wei­te­res Opfer auf­ge­tre­ten, das bis­her anonym ist, wie am 5. Janu­ar die pro­gres­si­ve, bri­ti­sche Zei­tung The Tablet berich­te­te. Das Blatt bestä­tig­te, daß es wei­te­re Anschul­di­gun­gen gebe, die sich auf McCar­ri­cks Zeit im Erz­bis­tum New York bezie­hen. Das mut­maß­li­che Opfer habe sich erst­mals vor drei Mona­ten gemel­det. Der Mann sei heu­te zwi­schen 40 und 50 Jah­re alt. Als McCar­ri­ck ihn sexu­ell miß­brauch­te, sei er noch min­der­jäh­rig gewe­sen. „Obwohl kon­kre­te Details des Fal­les unbe­kannt sind, kann­te die­se Per­son McCar­ri­ck über die Freund­schaft mit Fami­li­en­mit­glie­dern“, wie es auch im Fall James Grein der Fall war.

Bis heu­te wur­de von die­sem anony­men Opfer kei­ne Anzei­ge bei der staat­li­chen Gerichts­bar­keit ein­ge­bracht. Ein Ein­ga­be an die kirch­li­che Gerichts­bar­keit wur­de aber gemacht.

Ein Ver­tre­ter der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on bestä­tig­te dem Tablet, daß „ein drit­ter Fall gegen McCar­ri­ck“ vor­lie­ge und geprüft wer­de. Nähe­res wur­de nicht gesagt.

„Zwei Quel­len bestä­ti­gen The Tablet, daß die Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on Mit­te Janu­ar zusam­men­tre­ten wird, um alle Fäl­le gegen McCar­ri­ck zu prü­fen, mit einer mög­li­chen Ent­schei­dung für Monatsende.“

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Vati​can​.va/​C​h​u​rch Militant/​Wall Street Journal/​InfoVaticana/​The Tablet (Screen­shots)

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