„Da lief uns der kalte Schweiß über den Rücken“

Papst Franziskus zitierte den Konzilstheologen Henri de Lubac


Papst Franziskus zitierte am Sonntag den Konzilstheologen Henri de Lubac, den er auch in seiner letzten Ansprache als Kardinal vor seiner Papstwahl zitiert hatte.
Papst Franziskus zitierte am Sonntag den Konzilstheologen Henri de Lubac, den er auch in seiner letzten Ansprache als Kardinal vor seiner Papstwahl zitiert hatte.

(Rom) „Zwei Tage nach der Wahl von Fran­zis­kus haben wir mit der Illu­si­on, uns zu irren, den Gedan­ken geäu­ßert, daß nun die Zeit begin­nen könn­te, in die Tat umzu­set­zen, was ein gewis­ser Autor der Nou­vel­le Théo­lo­gie, Hen­ri de Lubac, in einer sei­ner Schrif­ten ver­tritt“, wie sich Secre­tum meum mihi erin­nert.

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Eini­ge Tage spä­ter „lief uns der kal­te Schweiß über den Rücken“, so der Blog­ger wei­ter, als Kar­di­nal Jai­me Orte­ga, der Erz­bi­schof von Havan­na, die letz­te Rede von Kar­di­nal Jor­ge Mario Berg­o­glio vor sei­ner Wahl zum Papst ver­öf­fent­lich­te, in der er de Lubac zitiert hat­te, und damit „die Befürch­tung bestätigte“.

Der Rück­blick liegt nahe, da Fran­zis­kus am Sonn­tag, dem 14. August, erneut den Kon­zils­theo­lo­gen der Nou­vel­le Théo­lo­gie zitier­te, der noch heu­te man­chen „den kal­ten Schweiß“ über den Rücken lau­fen läßt. Bevor der Papst auf dem Peters­platz den Ange­lus bete­te, medi­tier­te er über das Evan­ge­li­um des 20. Sonn­tags im Kir­chen­jahr (Lese­jahr C) des Novus Ordo, der laut Fran­zis­kus „die ein­zi­ge Aus­drucks­form der lex oran­di des Römi­schen Ritus“ ist, wie er in sei­nem Motu pro­prio Tra­di­tio­nis cus­to­des erklär­te und in sei­nem Apo­sto­li­schen Schrei­ben Desi­de­rio desi­dera­vi bekräf­tig­te. Dabei sag­te der Papst:

„‚In der Tat‘, so ein Theo­lo­ge, ‚beru­higt uns der Glau­be an Gott, aber nicht so, wie wir es uns wün­schen: das heißt, nicht, um uns eine läh­men­de Illu­si­on oder eine glück­se­li­ge Befrie­di­gung zu ver­schaf­fen, son­dern um uns zum Han­deln zu befähigen‘.“

Um wel­chen Theo­lo­gen es sich dabei han­delt, sag­te Fran­zis­kus nicht. Erst in der offi­zi­el­len Wie­der­ga­be der Anspra­che auf der Inter­net­sei­te des Hei­li­gen Stuhls fin­det sich sein Name und eine Quel­len­an­ga­be: „De Lubac, Über die Wege Got­tes, Mai­land 2008, S. 184“. In der spa­ni­schen Über­set­zung wird zwar das Buch, nicht aber des­sen Autor genannt.

Hen­ri de Lubac gehör­te zu den prä­gen­den Gestal­ten, die den Boden für das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil berei­te­ten und die Prä­mis­sen vor­ga­ben, unter denen es tag­te und sich ent­fal­te­te. Unter dem Ein­druck der Nach­kon­zils­zeit voll­zog de Lubac dann eine Kurs­än­de­rung und grün­de­te 1972 zusam­men mit Hans Urs von Bal­tha­sar und Joseph Ratz­in­ger die Zeit­schrift Com­mu­nio, die ein Gegen­ge­wicht zur Zeit­schrift Con­ci­li­um dar­stel­len soll­te, die den „Kon­zils­geist“ befeuerte. 

Für die Gesamt­ein­schät­zung ist dabei von Bedeu­tung, daß sich in den genann­ten Zeit­schrif­ten nicht Moder­ni­sten und Tra­di­tio­na­li­sten gegen­über­stan­den, son­dern radi­ka­le und gemä­ßig­te Anhän­ger des Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zils, ver­gleich­bar den Giron­di­sten und Jako­bi­nern zur Zeit der Fran­zö­si­schen Revo­lu­ti­on.

De Lubac beklag­te nun die fie­ber­haf­te Agi­ta­ti­on, mit der nach dem Kon­zil des­sen Inter­pre­ta­ti­on usur­piert wur­de. De Lubac gehör­te zu jener Kon­zils­frak­ti­on, wie auch der dama­li­ge Theo­lo­ge Joseph Ratz­in­ger, die von der Radi­ka­li­tät erschreckt waren, mit der ein Teil vor­ging, den sie bis dahin als Par­tei­gän­ger der­sel­ben Sache gese­hen hat­ten. Die­sen Radi­ka­len hat­ten die Gemä­ßig­te­ren wie de Lubac und Ratz­in­ger dabei gehol­fen, die Büch­se der Pan­do­ra zu öff­nen.

Die­se Umkehr war auch der Grund, wes­halb de Lubac von Papst Johan­nes Paul II. 1983 in den Kar­di­nals­rang erho­ben wur­de. Von der grund­sätz­li­chen Not­wen­dig­keit des Kon­zils und auch der Rich­tig­keit des Weges, den die­ses ein­ge­schla­gen hat­te, konn­ten sich aber selbst die­se Ver­tre­ter der gemä­ßig­ten Frak­ti­on nicht wirk­lich tren­nen. Das zeig­te sich auf eben­so bezeich­nen­de wie tra­gi­sche Wei­se in der letz­ten Anspra­che von Bene­dikt XVI. als Papst, die er kurz vor sei­ner Abdan­kung an den römi­schen Kle­rus hielt. Das Feh­len der letz­ten Kon­se­quenz scheint ein maß­geb­li­cher Grund dafür, wes­halb Bene­dikt XVI. mit sei­nen Bemü­hun­gen einer Kurs­kor­rek­tur geschei­tert ist, ja schei­tern muß­te, wie man­che Beob­ach­ter meinen.

Dabei scheint es zwei­fel­haft, daß Fran­zis­kus Hen­ri de Lubac dafür zitiert, wofür ihn Johan­nes Paul II. zum Kar­di­nal kre­ierte. Der päpst­li­che Gun­st­er­weis scheint mehr jenen de Lubac im Blick zu haben, der mit der Nou­vel­le Théo­lo­gie das Ter­rain für das kirch­li­che ’68 berei­te­te, das bereits eini­ge Jah­re vor den Pari­ser Stu­den­ten­pro­te­sten im Mai 1968 anzu­set­zen ist.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Twit­ter (Screen­shots)

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