Benedikt XVI. ist heute entschlafen

Zum Tod eines wirklich Großen


Benedikt XVI., der von 2005 bis 2013 die heilige Kirche regierte, ist am heutigen Vormittag im Kloster Mater Ecclesiae entschlafen.
Benedikt XVI., der von 2005 bis 2013 die heilige Kirche regierte, ist am heutigen Vormittag im Kloster Mater Ecclesiae entschlafen.

Ein erster Nach­ruf von Giu­sep­pe Nardi

Anzei­ge

In Dank­bar­keit und Ehr­furcht ver­nei­gen wir uns vor Bene­dikt XVI., die­ser gro­ßen Gestalt, die das Papst­tum mit so gro­ßer Wür­de aus­ge­füllt hat und ein Leh­rer der Men­schen war. Im Gegen­satz zu den unzäh­li­gen Schwät­zern unse­rer Zeit war er jener, der der Mensch­heit etwas zu sagen hat­te. Daß die­se ihn kaum hören woll­te, tut dem kei­nen Abbruch. In die­ser ersten Reak­ti­on auf sein Able­ben ist nicht der Platz für eine umfas­sen­de Wür­di­gung, dafür umso mehr aber für eine Ver­nei­gung vor die­ser her­aus­ra­gen­den Gestalt, die so vie­len ein Hir­te, Lehr­mei­ster, Vater und Füh­rer gewe­sen ist.

Unver­ges­sen ist der Moment, als am 19. April 2005 von der Mit­tel­log­gia des Peters­do­mes sein Name als erwähl­ter Papst ver­kün­det wur­de. Er gab der geschun­de­nen Kir­che neue Hoff­nung, auf die all jene bereit­wil­lig Ant­wort gaben, die wil­lens waren, sich um Petrus zu scharen.

Unver­ges­sen ist der Schock sei­nes Amts­ver­zichts, der in sei­ner Art in der Kir­chen­ge­schich­te bei­spiel­los ist und Grund für anhal­ten­des Rät­seln blieb.

Unver­ges­sen sind als dräu­en­des Zei­chen für das Kom­men­de aber auch die Bil­der jenes nicht min­der bei­spiel­lo­sen Blitz­ein­schlags in die Peters­kup­pel am 11. Febru­ar 2013, dem Tag, als er sei­nen bevor­ste­hen­den Rück­tritt bekannt­gab, eines Natur­er­eig­nis­ses, das weder vor­her noch seit­her doku­men­tiert und unwei­ger­lich von vie­len als Fin­ger­zeig des Him­mels gedeu­tet wurde.

Fast zehn Jah­re muß­te er seit­her selbst­ge­wähl­ter Zeu­ge wer­den, wie sein Bemü­hen, die Kir­che wie­der­auf­zu­rich­ten, von sei­nem Nach­fol­ger und ande­ren Gegen­spie­lern Stück um Stück demon­tiert wur­de. Wie es ihm, der sich betend in das Klo­ster Mater Eccle­siae zurück­ge­zo­gen hat­te, dabei ergan­gen sein muß, behielt er wegen sei­ner fei­nen und edlen Art und sei­nes gro­ßen Respekts vor dem Petrus­amt in sich ver­bor­gen. Nur gele­gent­lich blitz­te sei­ne Auto­ri­tät noch auf, zuletzt, als er zusam­men mit Kar­di­nal Robert Sarah im Janu­ar 2020 in Buch­form ein lei­den­schaft­li­ches Plä­doy­er für das Wei­he­sa­kra­ment und den prie­ster­li­chen Zöli­bat hielt. Dar­in sprach er von einer „dunk­len Zeit“, die das Prie­ster­tum durch­schrei­te, eine Ein­schät­zung, die er als histo­ri­schen Moment durch­aus für die gan­ze Kir­che ver­stan­den wis­sen woll­te. Es war wie ein letz­tes Auf­bäu­men. Ein Schritt, der in San­ta Mar­ta nicht ohne Ein­druck blieb.

Bene­dikt XVI. wur­de am 16. April 1927 als Joseph Ratz­in­ger in Marktl am Inn in Ober­bay­ern gebo­ren. 1951 wur­de er in Frei­sing zum Prie­ster, 1977 zum Bischof geweiht und im sel­ben Jahr zum Kar­di­nal kreiert.

Anschlie­ßend lie­ßen sei­ne Kräf­te bald und immer schnel­ler nach. Im Som­mer 2021 fühl­te man sich im Gäste­haus des Vati­kans schließ­lich so sicher, daß man mit dem Motu pro­prio Tra­di­tio­nis cus­to­des zum Angriff auf das Herz­stück des bene­dik­t­i­ni­schen Pon­ti­fi­kats ansetz­te, dem Angriff auf den über­lie­fer­ten Ritus.

Der auf­merk­sa­me Beob­ach­ter Mar­tin Mose­bach hat­te bereits unmit­tel­bar nach dem Amts­ver­zicht ein für den dama­li­gen Moment sehr hart anmu­ten­des Ver­dikt gefällt, indem er vor­aus­sag­te, vom Pon­ti­fi­kat Bene­dikts wer­de, wenn über­haupt, nur sein Motu pro­prio Sum­morum Pon­ti­fi­cum über­dau­ern. Heu­te zeigt sich, wie klar­sich­tig die­ses Resü­mee war, denn genau so kam es. Auch Sum­morum Pon­ti­fi­cum wur­de von sei­nem Nach­fol­ger Fran­zis­kus besei­tigt und Bene­dikt XVI. vor aller Welt wenn nicht als „Indiet­rist“, so zumin­dest als För­de­rer eines „Indiet­ris­mus“ denunziert.

Bene­dikt XVI. war kei­ne Kämp­fer­na­tur, sein Kampf geschah auf einer inne­ren Ebe­ne und im Gebet. Die gläu­bi­gen See­len ver­stan­den, trotz man­cher Dif­fe­ren­zen, instink­tiv, daß er in sei­ner Inten­ti­on das Rich­ti­ge, das Gott­ge­fäl­li­ge woll­te. Dar­an änder­te auch nichts, daß er vor gro­ßen, ent­schei­den­den Schrit­ten zurück­schreck­te. So blieb er bei aller intel­lek­tu­el­len Red­lich­keit bis zuletzt ein Ver­fech­ter des Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zils und ver­such­te einen Spa­gat, der nur am grü­nen Tisch des Hoch­ge­lehr­ten zu gelin­gen scheint – viel­leicht. Er erkann­te die nega­ti­ven Fol­gen und die unzäh­li­gen Usur­pa­tio­nen, konn­te sich aber nicht von die­sem Teil sei­nes eige­nen Lebens tren­nen, der ihn damals, gewiß in guter Absicht, tief bewegt hat­te. Er ver­such­te mit sei­ner anti­the­ti­schen Her­me­neu­tik der Kon­ti­nui­tät eine Kor­rek­tur und zeig­te damit zumin­dest, daß sehr wohl neue Aspek­te in die Dis­kus­si­on ein­ge­bracht und die­se wie­der­auf­ge­nom­men wer­den konn­te. Er wag­te auch nicht im Okto­ber 2012, als zumin­dest das Gerücht umging, bei der ersten inter­na­tio­na­len Wall­fahrt der Tra­di­ti­on zum Stuhl Petri selbst teil­zu­neh­men und im Peters­dom als Papst erst­mals wie­der im über­lie­fer­ten Ritus zu zele­brie­ren. Lit­ur­gi­ker haben ein­ge­wen­det, daß die Rekon­struk­ti­on der Papst­mes­se als erster und ober­ster Aus­druck der Lit­ur­gie gar nicht so ohne wei­te­res mög­lich sei. Bene­dikt hät­te, als unüber­seh­ba­res Signal, aber zumin­dest einem Pon­ti­fi­kal­amt im über­lie­fer­ten Ritus bei­woh­nen kön­nen. Die Welt ahn­te zu jenem Zeit­punkt noch nicht, daß er bald das Undenk­ba­re tun und zurück­tre­ten wür­de. Er aber wuß­te es schon.

1977 wur­de er Erz­bi­schof von Mün­chen und Frei­sing, 1982 Prä­fekt der römi­schen Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on und 2002 Dekan des Kar­di­nals­kol­le­gi­ums. Am 19. April 2005 wur­de er als 265. Stell­ver­tre­ter Chri­sti auf Erden zum Papst gewählt.

Durch sei­nen gro­ßen Intel­lekt und durch gött­li­che Gna­de erkann­te er viel, wo ande­re mit Blind­heit geschla­gen sind. Es fehl­te ihm als Mensch des Gei­stes aber die Kraft zu den sich aus dem Erkann­ten erge­ben­den not­wen­di­gen Schrit­ten. Er hoff­te auf eine orga­ni­sche Ent­wick­lung über Gene­ra­tio­nen hin­weg, die ganz sei­nem Kir­chen­ver­ständ­nis ent­sprach. Er wür­de die ihm mög­li­chen Wei­chen stel­len, die dann von sei­nen Nach­fol­gern beschrit­ten wer­den kön­nen. Doch schon sein unmit­tel­ba­rer Nach­fol­ger tat dies nicht. Die Gna­de des Todes, den die Päp­ste vor ihm hat­ten, um even­tu­ell nach­fol­gen­de Fehl­ent­wick­lun­gen nicht mit­er­le­ben zu müs­sen, blieb ihm aus eige­nem Wol­len ver­sagt. Man­che sahen dar­in eine „Stra­fe“ für sei­ne Amts­nie­der­le­gung. So muß­te er Zeu­ge einer fort­ge­setz­ten Demon­ta­ge der Kir­che im all­ge­mei­nen und sei­ner Bemü­hun­gen, die­ser ent­ge­gen­zu­tre­ten, im beson­de­ren sein. Man erahnt viel­leicht ein wenig, was eine Vor­weg­nah­me des Fege­feu­ers auf Erden sein könnte.

Heu­te wur­de ihm die Gna­de geschenkt, die­se Zeu­gen­schaft, die Fol­ge sei­nes Amts­ver­zichts ist, been­den zu kön­nen. Bischof Atha­na­si­us Schnei­der sag­te vor kur­zem, die Kir­che gehö­re nicht dem Papst und die Gläu­bi­gen soll­ten dar­um bit­ten, daß ihr ein hei­li­ger Papst geschenkt wer­de. Wir dür­fen anneh­men, daß Bene­dikt XVI. nicht anders dach­te und in die­sen letz­ten Jah­ren sei­nes Erden­le­bens mit Nach­druck in die­sem Anlie­gen den Him­mel bestürmt haben wird.

Im Gegen­satz zu zwei­fel­haf­ten Benen­nun­gen, die sein Nach­fol­ger vor­nahm, kön­nen wir aus Über­zeu­gung und rei­nen Gewis­sens sagen, daß Bene­dikt XVI. wirk­lich „ein Gro­ßer“ war, der nun aus unse­rer Mit­te gegan­gen ist, um in der Läu­te­rung alles zu erken­nen, wonach er sich gesehnt und auf Erden in bester Absicht aus­ge­streckt hat.

In para­di­sum dedu­cant te ange­li;
in tuo adven­tu sus­ci­piant te mar­ty­res,
et per­du­cant te in civitatem sanc­tam Ierusa­lem.
Cho­rus ange­lorum te sus­ci­pi­at,
et cum Laza­ro, quon­dam pau­pe­re,
æter­nam habe­as requiem.

Ins Para­dies mögen die Engel dich gelei­ten,
bei dei­ner Ankunft die Mär­ty­rer dich emp­fan­gen
und dich füh­ren in die hei­li­ge Stadt Jeru­sa­lem.
Der Chor der Engel möge dich emp­fan­gen,
und mit Laza­rus, dem einst armen,
mögest du ewi­ge Ruhe haben.

Requiescat in pace.

Bild: Vati​can​.va (Screen­shots)


Wei­ter­füh­rend:

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