Verwirrende Aussagen: War Benedikt XVI. für Franziskus ein Prophet der „Kirche der Zukunft“ oder hatte er sie nicht verstanden?


Franziskus mit Jesuiten auf Malta am 3. April 2022. Verblüffende, irrationale, verwirrende und widersprüchliche Antworten des Papstes auf Fragen seiner Mitbrüder.
Franziskus mit Jesuiten auf Malta am 3. April 2022. Verblüffende, irrationale, verwirrende und widersprüchliche Antworten des Papstes auf Fragen seiner Mitbrüder.

(Rom) Am Grün­don­ners­tag ver­öf­fent­lich­te die vom Papst­ver­trau­ten Pater Anto­nio Spa­da­ro gelei­te­te römi­sche Jesui­ten­zeit­schrift La Civil­tà Cat­to­li­ca wie nach jeder Papst­rei­se eine Zusam­men­fas­sung der Begeg­nung mit den ört­li­chen Jesui­ten. Bei sei­nem Mal­ta-Besuch traf sich Fran­zis­kus am 3. April in der Apo­sto­li­schen Nun­tia­tur in Rabat, dem alten Meli­te, mit der mal­te­si­schen Jesui­ten­ge­mein­schaft. Auf die Fra­ge eines Mit­bru­ders gestand Fran­zis­kus, daß sein Apo­sto­li­sches Schrei­ben Gau­de­te ed exsul­ta­te „auf Eis“ gelegt wurde.

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Das Schrei­ben trägt das Datum vom 19. März 2018 und wur­de am 9. April jenes Jah­res vom Vati­kan ver­öf­fent­licht. Am 26. Mai 2018 mach­te es Fran­zis­kus dem Öku­me­ni­schen Patri­ar­chen Bar­tho­lo­mä­us I. von Kon­stan­ti­no­pel zum Geschenk und unter­zeich­ne­te es bei die­ser Gele­gen­heit per­sön­lich für den Pri­mus inter pares der Ostkirche.

Die apo­sto­li­sche Ermah­nung (Exhorta­tio) ist dem „Ruf zur Hei­lig­keit in der Welt von heu­te“ gewid­met. Es wur­de von Fran­zis­kus nahe­ste­hen­den Krei­sen als „Kata­log von Auf­for­de­run­gen“ bezeich­net. In Wirk­lich­keit han­delt es sich um einen Kata­log der Belei­di­gun­gen. Katho​li​sches​.info schrieb am 10. April 2018: „Wenig Freu­de, vie­le Schmä­hun­gen“. Es erin­nert an die Weih­nachts­bot­schaf­ten von Fran­zis­kus an die Römi­sche Kurie, die als „Weih­nachts­schel­ten“ bekannt wurden. 

Der Vati­ka­nist San­dro Magi­ster bezeich­ne­te die dama­li­ge vati­ka­ni­sche Pres­se­kon­fe­renz zur Vor­stel­lung des Doku­ments als „völ­lig über­flüs­sig, sei es wegen der Nich­tig­keit des­sen, was gesagt wur­de, sei es wegen der Bedeu­tungs­lo­sig­keit derer, die es sagten“.

Ein deut­scher Theo­lo­ge ver­such­te das Doku­ment mit dem Hin­weis zu ret­ten, Fran­zis­kus stre­be eine „Demo­kra­ti­sie­rung des Hei­lig­keits­be­griffs“ an. Es nütz­te nichts.

So ver­wun­dert es nicht, daß ein Doku­ment, das eine gan­ze Sal­ve von Beschimp­fun­gen ent­hält, dem „Ver­ges­sen“ anheim­ge­stellt wird – und dies von Fran­zis­kus nun selbst ein­ge­stan­den wurde.

War Benedikt XVI. ein „Prophet der Kirche der Zukunft“ oder hatte er sie nicht verstanden?

Ver­wun­dern dürf­te viel­mehr eine ande­re Ant­wort, die Fran­zis­kus sei­nen Mit­brü­dern im Jesui­ten­or­den gab. Er wur­de nach der Zukunft der Kir­che „in einem säku­la­ri­sier­ten und mate­ria­li­sti­schen Euro­pa“ gefragt. Die dop­pelt ver­blüf­fen­de Ant­wort des Pap­stes lautete:

„Papst Bene­dikt war ein Pro­phet die­ser Kir­che der Zukunft, einer Kir­che, die klei­ner wird, vie­le Pri­vi­le­gi­en ver­liert, beschei­de­ner und authen­ti­scher sein wird und Ener­gie für das Wesent­li­che fin­det. Es wird eine spi­ri­tu­el­le­re, ärme­re und weni­ger poli­ti­sche Kir­che sein: eine Kir­che der Klei­nen. Als Bischof hat­te Bene­dikt gesagt: Lasst uns uns dar­auf vor­be­rei­ten, eine klei­ne­re Kir­che zu sein. Dies ist eine sei­ner wich­tig­sten Erkenntnisse.“

Dar­an ver­blüfft, daß Fran­zis­kus sei­nen Vor­gän­ger Bene­dikt XVI. als Kron­zeu­gen anführt, von dem er eine Wei­chen­stel­lung für die Kir­che von mor­gen mit dem Motu pro­prio Tra­di­tio­nis cus­to­des zunich­te mach­te. Bene­dikt mach­te den über­lie­fer­ten Ritus und die Tra­di­ti­on für den gesam­ten Kle­rus zugäng­lich, weil er dar­in ein Instru­ment erkann­te, die Kir­che für mor­gen vor­zu­be­rei­ten. Fran­zis­kus hin­ge­gen will die Tra­di­ti­on wie­der zurück in ein eng­um­grenz­tes Gehe­ge zwin­gen. Sie darf exi­stie­ren, wie das Dekret für die Petrus­bru­der­schaft zeigt, aber nur in einem klei­nen umzäun­ten Gelän­de, mög­lichst abseits vom Rest der Kirche.

Mehr noch ver­blüfft, daß aus­ge­rech­net der „Poli­ti­ker auf dem Papst­thron“, als der Fran­zis­kus in den neun Jah­ren sei­nes Pon­ti­fi­kats bekannt wur­de, von einer „weni­ger poli­ti­schen Kir­che“ spricht.

Papst Fran­zis­kus mit den mal­te­si­schen Jesui­ten in der Apo­sto­li­schen Nun­tia­tur in Rabat

Schließ­lich nann­te das Kir­chen­ober­haupt den „syn­oda­len Weg“ als ent­schei­den­des Ele­ment der kirch­li­chen Zukunft. „Wir ler­nen ’syn­odal‘ zu spre­chen und zu schrei­ben“, so Fran­zis­kus zu den Jesui­ten auf Mal­ta. Da die Deut­sche Bischofs­kon­fe­renz mit ihrem umstrit­te­nen „syn­oda­len Weg“ den Begriff bereits besetzt hat­te, sprach Fran­zis­kus bis­her von einem „syn­oda­len Pro­zeß“. Beim inter­nen Gespräch mit den Jesui­ten auf Mal­ta ließ er die bei­den Begrif­fe zusam­men­fal­len und benann­te sei­nen syn­oda­len Pro­zeß als „syn­oda­len Weg“. Zudem sag­te er:

„Es war Paul VI., der den ver­lo­ren­ge­gan­ge­nen syn­oda­len Dis­kurs wie­der auf­nahm. Seit­dem haben wir Fort­schrit­te im Ver­ständ­nis gemacht, im Ver­ständ­nis des­sen, was die Syn­ode ist.“

Spä­te­stens an die­ser Stel­le wur­den die Aus­füh­run­gen wider­sprüch­lich, denn zugleich ver­setz­te Fran­zis­kus sei­nen Vor­gän­gern, dem dama­li­gen Papst Johan­nes Paul II. und des­sen Glau­bens­prä­fek­ten Joseph Ratz­in­ger und spä­te­ren Papst Bene­dikt XVI., den er weni­ge Sät­ze zuvor noch als „Pro­phe­ten“ lob­te, einen Sei­ten­hieb. Bei der Bischofs­syn­ode 2001, an der er, Berg­o­glio, als Erz­bi­schof von Bue­nos Aires teil­ge­nom­men hat­te, habe sich „klar“ gezeigt, daß man in Rom „nicht ver­stan­den hat­te, was eine Syn­ode ist“.

„Heu­te haben wir uns wei­ter­ent­wickelt und es gibt kei­nen Weg zurück. Am Ende der jüng­sten Syn­ode waren die ersten bei­den The­men, die auf der näch­sten Syn­ode behan­delt wer­den soll­ten, das Prie­ster­tum und die Syn­oda­li­tät. Es schien mir klar, daß wir über die Theo­lo­gie der Syn­oda­li­tät nach­den­ken wol­len, um einen ent­schei­den­den Schritt in Rich­tung einer syn­oda­len Kir­che zu tun.“

Auch die­se Aus­sa­gen sind bemer­kens­wert, wenn man sich vor Augen führt, wie mani­pu­lie­rend die Syn­oden­re­gie bei der Durch­füh­rung der bis­he­ri­gen Bischofs­syn­oden unter Fran­zis­kus war. Der­glei­chen hat­te es unter sei­nen Vor­gän­gern, die angeb­lich „nicht ver­stan­den hat­ten, was eine Syn­ode ist“, nicht gegeben.

War nun Bene­dikt XVI. ein „Pro­phet“ der Kir­che der Zukunft oder hat­te er sie „nicht ver­stan­den“? Bei Fran­zis­kus scheint alles flie­ßend und vor allem poli­tisch moti­viert zu sein. Ein wenig Lob, in Wirk­lich­keit aber Kri­tik. Womit Fran­zis­kus sich selbst wider­sprach, denn kein Papst vor ihm hat­te die Kir­che so poli­ti­siert wie er.

Im deut­schen Sprach­raum, man den­ke an die Würz­bur­ger Syn­ode von 1971 bis 1975 und an den Syn­oda­len Weg seit 2019, sind die „syn­oda­len“ Erfah­run­gen der ver­gan­ge­nen 50 Jah­re zudem alles ande­re als positiv. 

Sich nicht um das Klima zu kümmern ist eine Sünde?

Irra­tio­nal wur­de Fran­zis­kus in sei­ner Ant­wort auf die selt­sam zeit­gei­sti­ge Fra­ge eines Jesui­ten, wie man „Evan­ge­li­sie­rung und Kli­ma­wan­del ver­bin­den“ kön­ne. Der Papst for­der­te sei­ne Mit­brü­der auf „in die­sem Bereich“ zu arbei­ten und beton­te eine vor sei­nem Pon­ti­fi­kat unbe­kann­te Sün­de. Die Mah­nung, sich nicht an der Schöp­fung zu ver­sün­di­gen, wur­de von Fran­zis­kus auf das Kli­ma übertragen:

„Sich nicht um das Kli­ma zu küm­mern ist eine Sün­de gegen das Geschenk Got­tes, die Schöpfung“.

Wie „küm­mert“ man sich um „das Kli­ma“? Wie ver­än­dert man „das Kli­ma“? Wie macht man sich an etwas schul­dig, das man gar nicht beein­flus­sen kann? Rät­sel über Rät­sel, die seit 2015 anhal­ten, als Fran­zis­kus die Kir­che auf die Kli­maagen­da der UNO einschwor. 

Zudem griff er indi­rekt eine gegen ihn gerich­te­te Kri­tik auf und kehr­te sie dia­lek­tisch ins Gegen­teil. Ihm wird von gläu­bi­gen Katho­li­ken der Vor­wurf gemacht, im Zuge der Ama­zo­nas­syn­ode die Pacha­ma­ma als eine Art eso­te­ri­schen Erd­göt­zen in die Kir­che ein­ge­führt zu haben. In Rabat dreh­te Fran­zis­kus den Vor­wurf um und mein­te zugleich apo­ka­lyp­tisch, sich nicht um das Kli­ma zu küm­mern „ist für mich eine Form des Heidentums“:

„Es bedeu­tet, das, was der Herr uns zu sei­ner Ehre und sei­nem Lob gege­ben hat, wie Göt­zen zu benut­zen. Wenn ich mich nicht um die Schöp­fung küm­me­re, ist das so, als wür­de ich sie ver­göt­tern, sie zu einem Göt­zen machen und sie von der Gabe der Schöp­fung abkop­peln. In die­sem Sin­ne ist die Pfle­ge des gemein­sa­men Hau­ses bereits ‚evan­ge­li­sie­rend‘. Und es ist drin­gend: Wenn es so wei­ter­geht wie bis­her, wer­den unse­re Kin­der nicht mehr auf unse­rem Pla­ne­ten leben können.“

Wei­te­re The­men waren die För­de­rung der Migra­ti­on, die Fran­zis­kus ein­mahn­te, und „Heu­che­lei“ von Obe­ren, die in der Beru­fungs­pa­sto­ral der Kir­che tätig seien.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: La Civil­tà Cat­to­li­ca (Screen­shots)

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