
(Rom) Am Gründonnerstag veröffentlichte die vom Papstvertrauten Pater Antonio Spadaro geleitete römische Jesuitenzeitschrift La Civiltà Cattolica wie nach jeder Papstreise eine Zusammenfassung der Begegnung mit den örtlichen Jesuiten. Bei seinem Malta-Besuch traf sich Franziskus am 3. April in der Apostolischen Nuntiatur in Rabat, dem alten Melite, mit der maltesischen Jesuitengemeinschaft. Auf die Frage eines Mitbruders gestand Franziskus, daß sein Apostolisches Schreiben Gaudete ed exsultate „auf Eis“ gelegt wurde.
Das Schreiben trägt das Datum vom 19. März 2018 und wurde am 9. April jenes Jahres vom Vatikan veröffentlicht. Am 26. Mai 2018 machte es Franziskus dem Ökumenischen Patriarchen Bartholomäus I. von Konstantinopel zum Geschenk und unterzeichnete es bei dieser Gelegenheit persönlich für den Primus inter pares der Ostkirche.
Die apostolische Ermahnung (Exhortatio) ist dem „Ruf zur Heiligkeit in der Welt von heute“ gewidmet. Es wurde von Franziskus nahestehenden Kreisen als „Katalog von Aufforderungen“ bezeichnet. In Wirklichkeit handelt es sich um einen Katalog der Beleidigungen. Katholisches.info schrieb am 10. April 2018: „Wenig Freude, viele Schmähungen“. Es erinnert an die Weihnachtsbotschaften von Franziskus an die Römische Kurie, die als „Weihnachtsschelten“ bekannt wurden.
Der Vatikanist Sandro Magister bezeichnete die damalige vatikanische Pressekonferenz zur Vorstellung des Dokuments als „völlig überflüssig, sei es wegen der Nichtigkeit dessen, was gesagt wurde, sei es wegen der Bedeutungslosigkeit derer, die es sagten“.
Ein deutscher Theologe versuchte das Dokument mit dem Hinweis zu retten, Franziskus strebe eine „Demokratisierung des Heiligkeitsbegriffs“ an. Es nützte nichts.
So verwundert es nicht, daß ein Dokument, das eine ganze Salve von Beschimpfungen enthält, dem „Vergessen“ anheimgestellt wird – und dies von Franziskus nun selbst eingestanden wurde.
War Benedikt XVI. ein „Prophet der Kirche der Zukunft“ oder hatte er sie nicht verstanden?
Verwundern dürfte vielmehr eine andere Antwort, die Franziskus seinen Mitbrüdern im Jesuitenorden gab. Er wurde nach der Zukunft der Kirche „in einem säkularisierten und materialistischen Europa“ gefragt. Die doppelt verblüffende Antwort des Papstes lautete:
„Papst Benedikt war ein Prophet dieser Kirche der Zukunft, einer Kirche, die kleiner wird, viele Privilegien verliert, bescheidener und authentischer sein wird und Energie für das Wesentliche findet. Es wird eine spirituellere, ärmere und weniger politische Kirche sein: eine Kirche der Kleinen. Als Bischof hatte Benedikt gesagt: Lasst uns uns darauf vorbereiten, eine kleinere Kirche zu sein. Dies ist eine seiner wichtigsten Erkenntnisse.“
Daran verblüfft, daß Franziskus seinen Vorgänger Benedikt XVI. als Kronzeugen anführt, von dem er eine Weichenstellung für die Kirche von morgen mit dem Motu proprio Traditionis custodes zunichte machte. Benedikt machte den überlieferten Ritus und die Tradition für den gesamten Klerus zugänglich, weil er darin ein Instrument erkannte, die Kirche für morgen vorzubereiten. Franziskus hingegen will die Tradition wieder zurück in ein engumgrenztes Gehege zwingen. Sie darf existieren, wie das Dekret für die Petrusbruderschaft zeigt, aber nur in einem kleinen umzäunten Gelände, möglichst abseits vom Rest der Kirche.
Mehr noch verblüfft, daß ausgerechnet der „Politiker auf dem Papstthron“, als der Franziskus in den neun Jahren seines Pontifikats bekannt wurde, von einer „weniger politischen Kirche“ spricht.

Schließlich nannte das Kirchenoberhaupt den „synodalen Weg“ als entscheidendes Element der kirchlichen Zukunft. „Wir lernen ’synodal‘ zu sprechen und zu schreiben“, so Franziskus zu den Jesuiten auf Malta. Da die Deutsche Bischofskonferenz mit ihrem umstrittenen „synodalen Weg“ den Begriff bereits besetzt hatte, sprach Franziskus bisher von einem „synodalen Prozeß“. Beim internen Gespräch mit den Jesuiten auf Malta ließ er die beiden Begriffe zusammenfallen und benannte seinen synodalen Prozeß als „synodalen Weg“. Zudem sagte er:
„Es war Paul VI., der den verlorengegangenen synodalen Diskurs wieder aufnahm. Seitdem haben wir Fortschritte im Verständnis gemacht, im Verständnis dessen, was die Synode ist.“
Spätestens an dieser Stelle wurden die Ausführungen widersprüchlich, denn zugleich versetzte Franziskus seinen Vorgängern, dem damaligen Papst Johannes Paul II. und dessen Glaubenspräfekten Joseph Ratzinger und späteren Papst Benedikt XVI., den er wenige Sätze zuvor noch als „Propheten“ lobte, einen Seitenhieb. Bei der Bischofssynode 2001, an der er, Bergoglio, als Erzbischof von Buenos Aires teilgenommen hatte, habe sich „klar“ gezeigt, daß man in Rom „nicht verstanden hatte, was eine Synode ist“.
„Heute haben wir uns weiterentwickelt und es gibt keinen Weg zurück. Am Ende der jüngsten Synode waren die ersten beiden Themen, die auf der nächsten Synode behandelt werden sollten, das Priestertum und die Synodalität. Es schien mir klar, daß wir über die Theologie der Synodalität nachdenken wollen, um einen entscheidenden Schritt in Richtung einer synodalen Kirche zu tun.“
Auch diese Aussagen sind bemerkenswert, wenn man sich vor Augen führt, wie manipulierend die Synodenregie bei der Durchführung der bisherigen Bischofssynoden unter Franziskus war. Dergleichen hatte es unter seinen Vorgängern, die angeblich „nicht verstanden hatten, was eine Synode ist“, nicht gegeben.
War nun Benedikt XVI. ein „Prophet“ der Kirche der Zukunft oder hatte er sie „nicht verstanden“? Bei Franziskus scheint alles fließend und vor allem politisch motiviert zu sein. Ein wenig Lob, in Wirklichkeit aber Kritik. Womit Franziskus sich selbst widersprach, denn kein Papst vor ihm hatte die Kirche so politisiert wie er.
Im deutschen Sprachraum, man denke an die Würzburger Synode von 1971 bis 1975 und an den Synodalen Weg seit 2019, sind die „synodalen“ Erfahrungen der vergangenen 50 Jahre zudem alles andere als positiv.
Sich nicht um das Klima zu kümmern ist eine Sünde?
Irrational wurde Franziskus in seiner Antwort auf die seltsam zeitgeistige Frage eines Jesuiten, wie man „Evangelisierung und Klimawandel verbinden“ könne. Der Papst forderte seine Mitbrüder auf „in diesem Bereich“ zu arbeiten und betonte eine vor seinem Pontifikat unbekannte Sünde. Die Mahnung, sich nicht an der Schöpfung zu versündigen, wurde von Franziskus auf das Klima übertragen:
„Sich nicht um das Klima zu kümmern ist eine Sünde gegen das Geschenk Gottes, die Schöpfung“.
Wie „kümmert“ man sich um „das Klima“? Wie verändert man „das Klima“? Wie macht man sich an etwas schuldig, das man gar nicht beeinflussen kann? Rätsel über Rätsel, die seit 2015 anhalten, als Franziskus die Kirche auf die Klimaagenda der UNO einschwor.
Zudem griff er indirekt eine gegen ihn gerichtete Kritik auf und kehrte sie dialektisch ins Gegenteil. Ihm wird von gläubigen Katholiken der Vorwurf gemacht, im Zuge der Amazonassynode die Pachamama als eine Art esoterischen Erdgötzen in die Kirche eingeführt zu haben. In Rabat drehte Franziskus den Vorwurf um und meinte zugleich apokalyptisch, sich nicht um das Klima zu kümmern „ist für mich eine Form des Heidentums“:
„Es bedeutet, das, was der Herr uns zu seiner Ehre und seinem Lob gegeben hat, wie Götzen zu benutzen. Wenn ich mich nicht um die Schöpfung kümmere, ist das so, als würde ich sie vergöttern, sie zu einem Götzen machen und sie von der Gabe der Schöpfung abkoppeln. In diesem Sinne ist die Pflege des gemeinsamen Hauses bereits ‚evangelisierend‘. Und es ist dringend: Wenn es so weitergeht wie bisher, werden unsere Kinder nicht mehr auf unserem Planeten leben können.“
Weitere Themen waren die Förderung der Migration, die Franziskus einmahnte, und „Heuchelei“ von Oberen, die in der Berufungspastoral der Kirche tätig seien.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: La Civiltà Cattolica (Screenshots)
Oft wäre es sicherlich besser, sich daran zu erinnern: „Wenn ihr aber betet, so sollt ihr nicht plappern, wie die Heiden; denn sie meinen, sie werden erhört mit ihrer Wortmacherei“ (Mt 6;7) und das auch auf das tägliche Leben anzuwenden.
Viva Christo Rey!
In diesem Pontifikat erscheint mir die akribische Analyse päpstlicher Aussagen sinnfrei, er redet viel und gern, oft widersprüchlich und unklar. Seine realen Handlungen wiederum sind davon völlig verschieden, daher verschwendet man bei der Exegese nur Zeit und Energie.