
von Rino Cammilleri*
Wenn es kein Komplott war, dann ähnelt es einem solchen jedenfalls sehr. Wir sprechen vom Rücktritt von Benedikt XVI. am 11. Februar (dem Lourdes-Tag) vor vier Jahren.
Der ehemalige Erzbischof von Ferrara, Msgr. Luigi Negri, wollte einen Stein loswerden, der ihn schon seit einer Weile im Schuh drückte:
„Eines Tages werden schwerwiegende Verantwortlichkeiten innerhalb und außerhalb des Vatikans an die Öffentlichkeit kommen.“
Er erklärte, sicher zu sein, daß auf Benedikt XVI. „enormer Druck“ ausgeübt wurde.
Von wem? Obama?
Negri erinnerte daran, daß
„auch aufgrund dessen, was von Wikileaks veröffentlicht wurde, einige Gruppen von Katholiken Präsident Trump ersucht haben, eine Untersuchungskommission einzusetzen, um zu klären, ob die Regierung von Barack Obama Druck auf Benedikt ausgeübt hat“.
Der Betroffene selbst, dementierte im jüngsten Gesprächsbuch mit Peter Seewald:
„Niemand hat versucht, mich zu erpressen.“
Mag sein. Man darf sich aber fragen, welche Glaubwürdigkeit den letztgenannten Worten Ratzingers zukommt, da sie seinen ersten widersprechen. Zum Zeitpunkt seines Amtsverzichts kündigte er an, sich in Stille und Gebet zurückziehen und „für die Welt unsichtbar“ machen zu wollen. Seit wann aber gibt jemand, der sich in Stille und Gebet zurückziehen will, Bestseller-Interviews? So bleibt die Tatsache, daß er nie einen plausiblen Grund für seinen Rücktritt geliefert hat. Immerhin handelt es sich dabei ja nicht um irgendeine Sache, die man auf die leichte Schulter nehmen könnte.
Ein zurückgetretener Papst ist ein epochales Ereignis für die Kirche, erst recht, wenn er sich weiterhin als Papst kleidet und sich (emeritierter) Papst nennen läßt. Mehr noch, so etwas hat es überhaupt noch nie gegeben.
Eine weitere Tatsache ist: Durch ihn und seinen Rücktritt ist die Kirche zu einem neuen Pontifikat gekommen, das darauf bedacht ist, in allem das Gegenteil vom vorigen zu tun. So wie Trump nun den Obamaismus zerlegt.
Die dunklen Punkte, die auf dem Rücktritt von Benedikt XVI. liegen, bleiben. Der Umstand, daß es vor allem traditionsverbundene Katholiken sind, denen die Sache suspekt ist, ändert daran keinen Beistrich. Ja, und zwar deshalb, weil man die Bäume nach ihren Früchten beurteilt, wie das Evangelium lehrt und auch der gesunde Menschenverstand.
So sehr Ratzinger von jenen, die wirklich Einfluß haben, geschmäht wurde, so sehr wird Bergoglio von denselben gefeiert. Ratzinger wurde es verweigert, an der staatlichen Universität von Rom zu sprechen, vor Franziskus wurde von derselben Universität der rote Teppich ausgerollt. Und nicht etwa, daß Franziskus dort epochale Reden gehalten hätte wie sein Vorgänger zum Beispiel in Regensburg. Nein, er hat spontan gesprochen, mehr noch, er hat drauflosgeredet wie unter Freunden an der Theke. Vor allem war das wirklich eine politische Rede und zwar eine politisch korrekte Rede. Auch sein Beharren, ob angemessen oder unangemessen, auf der unterschiedslosen Aufnahme von Migranten, nährt den Verdacht jener, die von einem Komplott überzeugt sind.
Die katholische Lehre gilt als zu streng für die „neue Welt“, die Kobolde wie Soros erschaffen wollen: eine hybride, flüssige, homosexualisierte und individualisierte Welt entwurzelter Konsumenten. Weg daher mit dem Theologen-Papst und vorwärts mit dem Hirten-Papst, der die Glaubenslehre verwässert und den Meistern der politischen Korrektheit so sehr gefällt. Auf in Richtung einer Jovanotti-Kirche, die sich bestens in die kommende Brave New World einfügen läßt.
Wie gesagt: Es wird keine Verschwörung sein, natürlich nicht. Nur: Wenn es doch eine solche wäre, würden dann die Ergebnisse anders aussehen?
*Rino Cammilleri, geboren 1950 auf Sizilien, Studium der Politikwissenschaften, Assistent für Diplomatisches und Konsularisches Recht an der Universität Pisa, seither freier Publizist, während seiner Studentenzeit militanter Anhänger der Studentenbewegung, darauf folgte die Bekehrung zum katholischen Glauben.
Bild: Corrispondenza Romana