(Rom) Wenige Tage nach dem Sensationsurteil des Obersten Gerichtshofs der USA gegen die Abtreibung fiel Papst Franziskus der Lebensrechtsbewegung und den US-Bischöfen in den Rücken. Gestern konnte Nancy Pelosi, die Vorsitzende des Repräsentantenhauses des US-Parlaments, im Petersdom die Kommunion empfangen, obwohl sie von ihrem Ortsbischof Salvatore Cordileone von San Francisco vor wenigen Wochen vom Kommunionempfang ausgeschlossen wurde – wegen ihrer Abtreibungspolitik.
Nur wenige Tage nach dem historischen Urteil des Obersten Gerichtshofes der USA für das Lebensrecht ungeborener Kinder unterstützte Santa Marta die Abtreibungspolitiker in den USA.
Papst Franziskus wiederholte damit, was er bereits im vergangenen Herbst für US-Präsident Joe Biden, ebenfalls ein willfähriger Handlanger der Abtreibungslobby, getan hatte.
Als Santa Marta den US-Bischöfen in den Rücken fiel
Um die Frage, ob Abtreibungspolitiker zur Kommunion zugelassen sind, ist in den USA seit Jahren ein Streit im Gange. Progressive Bischöfe versuchen die Vertreter der linken Demokratischen Partei, die zum Großteil verbissene Abtreibungsverfechter sind, vor der Exkommunikation zu schützen. Seither steht der fatale Eindruck im Raum, daß für einen Teil der kirchlichen Hierarchie Ideologie vor Glaubenslehre geht.
Mit der Wahl des Katholiken Joe Biden zum US-Präsidenten stand die Frage wieder auf der Tagesordnung der US-Bischofskonferenz. Die Mehrheitsverhältnisse in der Abtreibungsfrage sind dort eindeutig zugunsten des Lebensrechts. Mit großem Einsatz und einiger Raffinesse gelang es der progressiven Minderheit um den von Papst Franziskus eingesetzten Erzbischof von Chicago, Kardinal Blase Cupich, die Absicht der Mehrheit zu torpedieren. Diese sah vor, festzustellen, daß Abtreibungspolitiker aufgrund ihrer verstockten Haltung sich selbst aus der Gemeinschaft der Kirche ausgeschlossen haben. Das bedeutet, daß sie ipso facto exkommuniziert und daher nicht mehr zur heiligen Kommunion zugelassen sind. Lehre und Kirchenrecht sehen vor, daß jeder Katholik, der willentlich darin beharrt, die Tötung ungeborener Kinder zu unterstützen, die Einheit mit Christus aufgegeben hat.
Die US-Demokraten befürchteten dadurch in den USA und weltweit einen bedenklichen Image-Schaden für den US-Präsidenten und andere hochrangige Staatsvertreter wie Nancy Pelosi, die ebenfalls katholische Vorsitzende des amerikanischen Repräsentantenhauses. Progressive Kirchenkreise befürchteten, den durch Papst Franziskus gelungenen Brückenschlag zum linksliberalen Establishment wieder zu verlieren. Diese Sorge wurde auch von Santa Marta geteilt. So war es Papst Franziskus selbst, der den Plan der Mehrheit der US-Bischöfe durchkreuzte. Dabei wurde vor dieser „Versuchung“ gewarnt.
Als eine von Franziskus gewünschte Intervention der Glaubenskongregation nicht den gewünschten Erfolg hatte, intervenierte der Papst persönlich. Kurz vor der Herbstvollversammlung der US-Bischöfe im Herbst 2021 empfing er Joe Biden im Vatikan in Audienz. Der Vatikan überließ es Biden, anschließend die Weltöffentlichkeit darüber zu informieren, daß Franziskus ihm persönlich bekundet habe, daß er in der Kirche willkommen sei und zur Kommunion gehen könne. Gleich am nächsten Tag empfing der US-Präsident in der amerikanischen Botschaft in Rom die heilige Kommunion und ließ diese Tatsache über die Medien breitflächig verbreiten. Die Frage seiner Exkommunikation war vom Tisch. Welcher Bischof hätte es noch gewagt, dem Papst zu widersprechen?
Auf Joe Biden folgte Nancy Pelosi
Nach einigen Monaten schritt Erzbischof Cordileone von San Francisco dann doch zur Tat. Dazwischen waren weitere schwerwiegende Schritte der Abtreibungspolitiker der Demokratischen Partei im Senat und durch Biden selbst erfolgt. Erzbischof Cordileone verhängte ein Kommunionverbot für Nancy Pelosi, die Nummer zwei der US-Demokraten – wegen ihrer Abtreibungshaltung. Sie gehört seiner Diözese an und unterliegt somit seiner Jurisdiktion. Das war ein Paukenschlag, der zudem einen Monat vor dem erwarteten Urteil des Höchstgerichts in Washington zur Abtreibungsfrage erfolgte.
Erzbischof Cordileone ließ sich von der aufgeheizten Stimmung, die von linksradikalen Kräften in den USA inszeniert wurde, nicht einschüchtern. Zu jener Zeit wurden von Abtreibungsfanatikern Kirchen niedergebrannt und Morddrohungen gegen die Höchstrichter ausgesprochen. Diese ließen sich ebensowenig beeindrucken und verkündeten am vergangenen 24. Juni ihr Jahrhunderturteil, mit dem sie das infame Urteil Roe gegen Wade von 1973 kippten, mit dem 50 Jahre lang in den USA Millionen von ungeborenen Kindern getötet werden konnten. Die Höchstrichter stellten in ihrem neuen Urteil fest, daß das damalige Urteil von Anfang an falsch war und verneinten ein verfassungsmäßiges Recht auf Abtreibung. Seit einem halben Jahrhundert hatte die Abtreibungslobby keinen so geballten und grundsätzlichen Gegenschlag mehr erleben müssen.
Die US-Bischofskonferenz und die Lebensrechtsbewegung feierten das Urteil als sensationellen Sieg für das Leben und für ein neues Amerika. Dabei fiel jedoch auf, daß der Vatikan verhalten reagierte. Dabei war die katholische Kirche unter Johannes Paul II. und Benedikt XVI. die Speerspitze des weltweiten Widerstandes gegen die massenhafte Tötung unschuldiger Kinder.
Mit der Wahl von Papst Franziskus änderte sich das allerdings. Eine grundsätzliche Kritik an der Abtreibung blieb zwar aufrecht, doch zugleich wurde jede direkte Kritik an Abtreibungsgesetzen vermieden. Das geschah so auffällig, daß die Abtreibungslobby damit leben konnte.
Diese „Anpassung“ an den Mainstream ist Teil eines großen Projekts von Papst Franziskus, die Kirche aus dem „Kulturkampf“ abzuziehen und dem vorherrschenden globalen linksliberalen Establishment anzugleichen.
Nur fünf Tage nach der historischen Wende, die vom Obersten Gerichtshof in den USA in der Abtreibungsfrage vollzogen wurde, war Nancy Pelosi, die hinter Biden zweitwichtigste Politikerin des Abtreibungs-Establishments, zu Gast im Vatikan. Die Nähe zur Urteilsverkündung mag Zufall sein, Pelosis Anwesenheit hatte aber einen präzisen Zweck. Das „Narrativ“, auch von progressiven katholischen Medien in den USA verbreitet, sie und ihre Familie hätten sich „zufällig“ in der Nähe aufgehalten, kann schlichtweg überhört werden. Der Zweck ihrer gezielten Anwesenheit war, wie einige Monate zuvor bereits Joe Biden, vom Papst „reingewaschen“ zu werden. Damit war kein Sündenbekenntnis in der Beichte gemeint, auch kein Bereuen ihrer Unterstützung des grausamsten Verbrechens der Menschheitsgeschichte. Damit war gemeint, daß ihre Abtreibungshaltung nicht thematisiert wird, sie diese also unverändert fortsetzen kann, aber dennoch zur Kommunion zugelassen ist, weil der Papst selbst es ihr erlaubt.
Und so geschah es.
Beim gestrigen Hochfest der Apostelfürsten Petrus und Paulus nahm Pelosi an den Zelebrationen im Petersdom teil. Papst Franziskus zelebrierte zwar aufgrund seiner Kniebeschwerden nicht persönlich, konzelebrierte aber. Bei dieser Gelegenheit empfing Pelosi ungehindert und mit entsprechender Medienbegleitung die heilige Kommunion, obwohl ihr Heimatbischof ihre Exkommunikation festgestellt hatte. Die Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses wagte natürlich keinen eigenmächtigen Schritt, sich gar den Kommunionzugang zu erzwingen. Ihre Reise nach Rom war an Erzbischof Cordileone vorbei unter anderem über die Erzdiözese der Bundeshauptstadt Washington vorbereitet gewesen. Dort regiert seit 2019 der von Franziskus ernannte und zum Kardinal kreierte Wilton Daniel Gregory, einer der McCarrick Boys. Philip Pullella, der Vatikan-Korrespondent von Reuters, war informiert und sorgte für die nötige internationale Beachtung von Pelosis Kommuniongang.
Papst Franziskus hat erneut die Pro-Life-Mehrheit der Amerikanischen Bischofskonferenz vor den Kopf gestoßen und der Lebensrechtsbewegung einen Dolchstoß versetzt. Er kann damit das Jahrhunderturteil des Obersten Gerichtshofs, zu dem er sich trotz seiner Tragweite noch nicht geäußert hat, nicht rückgängig machen. Franziskus zeigte allerdings erneut, daß offensichtlich wirklich gilt, daß für einen Teil der kirchlichen Hierarchie, für den von ihm geförderten Teil, und für ihn selbst die Ideologie vor der Glaubenslehre kommt und politische Allianzen wichtiger sind als der kompromißlose Einsatz für die Wahrheit.
Der Kontrast ist eklatant. Als das Urteil Roe gegen Wade erlassen wurde, saß nur ein Katholik im neunköpfigen Richtersenat. Am vergangenen Freitag waren alle sechs Richter, welche die Wende in der Abtreibungsfrage herbeiführten, Katholiken. Drei davon waren von US-Präsident Donald Trump ernannt worden. Die katholische Mehrheit der Höchstrichter „gegen“ den Papst, indem sie sich in der Frage der Abtreibungsgesetzgebung eindeutiger positionieren? Auch das ist eine traurige Wirklichkeit Anno Domini 2022.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: VaticanMedia/Twitter/Philip Pullella (Screenshots)
Präsident Trump hat die entscheidenden Richter ernannt – so hat es dem Herrn gefallen, der Heilige Geist weht, wo er will.