(Washington) Erzbischof Salvatore Cordileone von San Francisco hat Nancy Pelosi, die Vorsitzende (Speaker) des Repräsentantenhauses der USA, von der Heiligen Kommunion ausgeschlossen – gegen den Willen Roms. Seine Entscheidung fällt unmittelbar vor einer richtungsweisenden Entscheidung des Obersten Gerichtshofs der USA zur Abtreibungsfrage, die für Ende Juni erwartet wird.
Überraschende Wende im Kommunion-Streit
Kaum hatte sich abgezeichnet, daß Joe Biden in das Weiße Haus einziehen wird – ob regulär gewählt oder nicht, sei dahingestellt –, wurde von Bischöfen die Frage aufgeworfen, ob ihm nicht spätestens jetzt, da er als mächtigster Mann der Welt großen Einfluß ausüben wird, die Zulassung zum Kommunionempfang zu verweigern sei.
Für jeden Katholiken gilt als Voraussetzung zum Kommunionempfang, daß er sich in der Gemeinschaft (lat. communio) mit Jesus Christus befindet, also in wesentlichen Punkten nicht von der Glaubenswahrheit abweicht, diese leugnet oder ihr hartnäckig widerspricht. Was für jeden Gläubigen gilt, gilt erst recht für Entscheidungsträger, die Verantwortung tragen und durch ihr Reden und Handeln viele Menschen beeinflussen und sogar bedingen können.
Joe Biden vertritt seit Jahren eine Abtreibungs- und Homo-Agenda, die mit der kirchlichen Lehre nicht in Einklang zu bringen ist. Er verharrt darin hartnäckig, wie seine konkreten Versprechen im Wahlkampf und seine Entscheidungen nach der Wahl zeigen.
Für ein ganzes Jahr lang entbrannte in den USA ein hitziger Streit über die Frage der Kommunionzulassung Bidens und anderer Abtreibungspolitiker, was konkret vor allem die Demokratische Partei betrifft. Nach dem US-Präsidenten wurde dabei am häufigsten Nancy Pelosi genannt, die Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses.
Der progressive Flügel der US-Bischofskonferenz – er steht der Demokratischen Partei von Biden und Pelosi nahe – sträubte sich energisch gegen eine Verurteilung und rief dagegen Papst Franziskus zu Hilfe. Dessen Sympathien für die politische Linke sind hinlänglich bekannt. Nach vier Jahren Donald Trump, die Rom mit einer faktischen Funkstille zwischen Santa Marta und dem Weißen Haus belegte, war Franziskus alles andere als interessiert, sich von konservativen Bischöfen in den USA, die ohnehin nicht seine Sympathie genießen, die wiedererlangte „Harmonie“ stören zu lassen. So kam es zu massiven Interventionen Roms gegen die Mehrheitsmeinung unter den US-Bischöfen, die letztlich zu einem Stillstand führten. Die Herbstvollversammlung der Bischofskonferenz, die im November 2021 ein Kommunionverbot aussprechen sollte, gelangte nach einem faktischen Veto aus Rom zu keiner Entscheidung. Die Progressiven hatten mit Unterstützung des Papstes gesiegt.
Damit dies gelingt, gewährte Franziskus kurz vor der Herbstvollversammlung Biden eine Audienz und überließ es dem US-Präsidenten den Inhalt des Gesprächs in Sachen Kommunion an die Öffentlichkeit zu tragen. Und das fiel erwartungsgemäß aus. Der Papst hatte Fakten geschaffen, die den Handlungsspielraum der US-Bischöfe lähmte.
Bidens Heimatbischof hatte sich ohnehin frühzeitig auf die Seite von Santa Marta gestellt und verlautbart, der US-Präsident sei natürlich weiterhin zur Kommunion zugelassen. Gleiches gab der Erzbischof der Bundeshauptstadt Washington bekannt. Solange sich der Präsident nicht irgendwo in den Weiten der USA ins „falsche“ Bistum verirrt, hat er beim Kirchgang also nichts zu befürchten.
Cordileones Alleingang
Nun kam es aber doch noch zu einem Paukenschlag. Nach der Lähmung der Bischofskonferenz schien die Angelegenheit vom Tisch zu sein. Nun entschied Msgr. Salvatore Cordileone, der Erzbischof von San Francisco, der Heimatdiözese von Nancy Pelosi, der bekanntesten und einflußreichen Vertreterin der Demokratischen Partei hinter Biden, aber im Alleingang anders. Erzbischof Cordileone schloß die Vorsitzende des Unterhauses im US-Parlament vom Kommunionempfang aus und gab dies gestern öffentlich bekannt. Die Begründung liegt auf der Linie, die im vergangenen Jahr zu einer allgemeinen Verurteilung von Abtreibungspolitikern führen hätte sollen: Weil Nancy Pelosi hartnäckig die Tötung ungeborener Kinder unterstützt, befinde sie sich nicht in der Gemeinschaft der Kirche und habe sich damit selbst von der Kommunion ausgeschlossen, so der Erzbischof. Auf Twitter faßte Msgr. Cordileone seine Entscheidung zusammen:
„Nach zahlreichen Versuchen, mit Pelosi zu sprechen, um ihr zu helfen, das schwere Übel einzusehen, das sie begeht, den Skandal, den sie verursacht, die Gefahr für ihre eigene Seele, die sie riskiert, habe ich entschieden, daß sie nicht zur Heiligen Kommunion zugelassen wird.“
Erzbischof Cordileone, der mehrfach durch mutiges Auftreten in Erscheinung trat, hatte schon im Mai 2021 seine Empörung über die römischen Interventionen zugunsten Bidens und Pelosis erkennen lassen. Am gleichen Tag, als das Schreiben der Glaubenskongregation bekannt wurde, mit dem diese im Auftrag von Papst Franziskus den Abtreibungspolitikern der Demokratischen Partei zu Hilfe eilte, twitterte der Erzbischof von San Francisco:
„Ich zittere bei dem Gedanken, daß, wenn ich die Katholiken unter meiner Seelsorge, die die Abtreibung unterstützen, nicht offen herausfordere, sowohl sie als auch ich, wir alle uns vor Gott für das unschuldige Blut verantworten müssen.“
Pelosi hingegen erklärte sich „zufrieden“ mit dem Brief aus dem Vatikan.
„Pelosis Haltung zur Abtreibung ist immer extremer geworden“
In einem Schreiben an seine Diözese gab der Erzbischof ausführlicher die Gründe für seine Entscheidung bekannt. Darin heißt es:
„Es kann kein extremeres Beispiel für […] kulturelle Verderbtheit geben, als wenn direkte Angriffe auf das menschliche Leben im Gesetz einer Nation verankert sind, von der Gesellschaft gefeiert und sogar von der Regierung bezahlt werden. Deshalb hat Papst Franziskus, wie kein anderer Papst seit Menschengedenken, wiederholt und anschaulich die klare und beständige Lehre der Kirche bekräftigt, daß Abtreibung ein schweres moralisches Übel ist. […]
Als Erzbischof von San Francisco bin ich verpflichtet, mich um alle christlichen Gläubigen zu kümmern, die mir anvertraut sind.
Diese schwerwiegende Pflicht kann manchmal unangenehm werden, besonders wenn Katholiken im öffentlichen Leben ausdrücklich Praktiken fördern, die die direkte Tötung unschuldiger Menschenleben beinhalten, was bei der Abtreibung der Fall ist. Ich ringe schon seit vielen Jahren mit diesem Thema in meinem eigenen Gewissen, insbesondere im Hinblick auf die Sprecherin des US-Repräsentantenhauses und Mitglied unserer Erzdiözese, Nancy Pelosi.
Ich habe im Laufe der Jahre von vielen, vielen von Ihnen Briefe erhalten, in denen Sie Ihre Besorgnis über den Skandal zum Ausdruck brachten, der von jenen Katholiken im öffentlichen Leben verursacht wird, die so schwerwiegende böse Praktiken wie die Abtreibung fördern.
Ich habe geantwortet, daß Bekehrung immer besser ist als Ausgrenzung und daß jeder solchen Maßnahme aufrichtige und sorgfältige Bemühungen um Dialog und Überzeugung vorausgehen müssen.
Leider ist die Position von Pelosi zur Abtreibung im Laufe der Jahre immer extremer geworden, insbesondere in den letzten Monaten.
Anfang dieses Monats berief sie sich, wie schon so oft, ausdrücklich auf ihren katholischen Glauben, um Abtreibung als ‚Wahl‘ zu rechtfertigen, und stellte sich diesmal in direkten Gegensatz zu Papst Franziskus: ‚Allein die Vorstellung, daß man Frauen die Größe, den Zeitpunkt oder was auch immer ihrer Familie vorschreibt, ist so entsetzlich, und das sage ich als gläubige Katholikin‘. […]
Nach zahlreichen Versuchen, mit ihr zu sprechen, um ihr zu helfen, das schwere Übel einzusehen, das sie begeht, den Skandal, den sie verursacht, und die Gefahr für ihre eigene Seele, die sie riskiert, bin ich zu dem Schluß gekommen, daß der Punkt erreicht ist, an dem ich eine öffentliche Erklärung abgeben muß, daß sie nicht zur Heiligen Kommunion zugelassen wird, solange sie nicht öffentlich ihre Unterstützung für „Abtreibungsrechte“ zurückweist, beichtet und im Sakrament der Buße die Absolution für ihre Mitwirkung an diesem Übel erhält. Dementsprechend habe ich ihr eine entsprechende Mitteilung übermittelt, die ich nun veröffentlicht habe.“
Erzbischof Cordileone fügte hinzu, daß er über die Entscheidung „nicht erfreut“ sei und sein Handeln „rein pastoral, nicht politisch“ ist. Obwohl sich der Erzbischof gegen den Willen Santa Martas stellt, beruft er sich dabei auf Papst Franziskus. Das ist legitim, da die von Msgr. Cordileone zitierten Aussagen des Papstes öffentlich erfolgten, während die Interventionen hinter den Kulissen stattfanden.
Msgr. Cordileone schließt im Schreiben mit den Worten:
„Möge Gott uns die Gnade gewähren, wahre Verteidiger der Würde des menschlichen Lebens zu sein, in allen Phasen und Bedingungen des Lebens, und Frauen zu begleiten, zu unterstützen und zu lieben, die sonst im verletzlichsten Moment ihres Lebens allein und verängstigt wären.“
Das Schreiben wurde gestern nachmittag auf der Internetseite des Erzbistums San Francisco veröffentlicht. Kurz darauf war die Seite tot. Ein Zufall? Der Erzbischof reagierte auf Twitter, indem er dort auf eine andere Seite mit dem vollständigen Text seines Schreibens verlinkte.
Im Juni wird richtungsweisendes Urteil des Obersten Gerichtshofs erwartet
Cordileones Schritt erfolgt zu einer Zeit, in der der Oberste Gerichtshof der USA bereit zu sein scheint, das berüchtigte Urteil Roe gegen Wade von 1973 zu kippen, das seither alle Staaten – ohne ein Abtreibungsgesetz, das es bis heute nicht gibt – zwingt, die Tötung ungeborener Kinder zuzulassen. Auf diesen Schritt wird seit einem halben Jahrhundert gewartet. Die Ende der 60er Jahre installierte linksliberale Mehrheit am Obersten Gerichtshof konnte erst von Donald Trump gebrochen werden.
Als vor wenigen Wochen durch ein Datenleck die bevorstehende Entscheidung der Höchstrichter gezielt an die Öffentlichkeit gespielt und von dem linken Nachrichtenmagazin Politico veröffentlicht wurde, starteten die Abtreibungslobby und führende Demokraten, darunter Nancy Pelosi, eine aggressive Kampagne zur Einschüchterung der Richter und zur Verteidigung eines „Rechts“ auf Tötung ungeborener Kinder.
Die Demokraten im US-Parlament wollten schnell ein brutales Abtreibungsgesetz durchdrücken, das sie heuchlerisch „Women’s Health Protection Act“ nannten. Dabei stand Pelosi an vorderster Front. Im Repräsentantenhaus gelang es auch, dank der demokratischen Mehrheit, das Gesetz zu beschließen. Im Senat scheiterte die Operation dann jedoch, dank der Gegenstimme eines mutigen demokratischen Senators, der in den vergangenen Monaten bereits zum zweiten Mal zusammen mit den 50 republikanischen Senatoren den Vorstoß versenkte.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Twitter/ArchCordileone/Wikicommons