Epochale Wende in der Abtreibungsfrage

Oberster Gerichtshof der USA: "Die Verfassung räumt kein Recht auf Abtreibung ein"


Der Oberste Gerichtshof könnte bereits eine epochale Entscheidung für das Lebensrecht ungeborener Kinder gefällt haben.
Der Oberste Gerichtshof könnte bereits eine epochale Entscheidung für das Lebensrecht ungeborener Kinder gefällt haben.

(Rom) Viel­leicht gelingt es dem Ober­sten Gerichts­hof der USA, das berüch­tig­te Urteil Roe gegen Wade zu kip­pen, mit dem 1973 die Abtrei­bung im gan­zen Land lega­li­siert wur­de. Eini­ge Stim­men berich­ten, daß dies schon gesche­hen, aber noch nicht publik gemacht wor­den sei. Droht dem Abtrei­bungs­greu­el ein Tsu­na­mi, der ihn hin­weg­fe­gen wird? Wie ist der Stand der Dinge?

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Neben dem Urteil Roe gegen Wade gibt es noch ein wei­te­res, weni­ger bekann­tes Urteil aus dem Jahr 1992, das inhalt­lich auf der glei­chen Linie ist: das Urteil Plan­ned Paren­thood gegen Casey. Plan­ned Paren­thood ist der welt­größ­te Abtrei­bungs­kon­zern. Er wur­de 1916 in New York gegrün­det und tritt seit 1942 unter dem heu­ti­gen Namen auf. Auch im deut­schen Sprach­raum ver­fügt die inter­na­tio­na­le Dach­or­ga­ni­sa­ti­on IPPF in allen Staa­ten über Able­ger. Hin­ter Plan­ned Paren­thood und der Abtrei­bungs­lob­by steht eine älte­re Bewe­gung, die der Neo­mal­thu­sia­ner, die vor allem Gebur­ten­ra­ten kon­trol­lie­ren und die Welt­be­völ­ke­rung dezi­mie­ren will. Die Abtrei­bungs­lob­by ist einer ihrer Arme.

Der Ober­ste Gerichts­hof der USA ist nun auf­ge­ru­fen, eine Ent­schei­dung des Bun­des­be­ru­fungs­ge­richts des 5. Bezirks mit Sitz in New Orleans zu über­prü­fen, mit der das Gesetz des Staa­tes Mis­sis­sip­pi aus dem Jahr 2018 für ver­fas­sungs­wid­rig erklärt wur­de, das ein Abtrei­bungs­ver­bot nach der 15. Schwan­ger­schafts­wo­che vorsieht.

In Medi­en kur­siert der­zeit der erste Ent­wurf eines Antrags, mit dem das Höchst­ge­richt in Washing­ton das Urteil des Bun­des­be­ru­fungs­ge­richts bzw. das die­sem zugrun­de­lie­gen­de Urteil eines Bun­des­rich­ters auf­he­ben könn­te. Inzwi­schen könn­ten wei­te­re Anträ­ge vor­lie­gen. Die­ses Doku­ment wur­de von Höchst­rich­ter Samu­el Ali­to im ver­gan­ge­nen Febru­ar ver­faßt und gelang­te in den ver­gan­ge­nen Tagen an die Öffent­lich­keit. Sein Antrag hat bereits die Zustim­mung von vier wei­te­ren repu­bli­ka­ni­schen Rich­tern erhal­ten: Cla­rence Tho­mas, Neil Gor­such, Brett Kava­n­augh und Amy Coney Bar­rett. Alle drei letzt­ge­nann­ten Rich­ter wur­den von US-Prä­si­dent Donald Trump ernannt. 

Fünf Rich­ter, das bedeu­tet die Mehr­heit am neun­köp­fi­gen Höchst­ge­richt. Die demo­kra­ti­schen Rich­ter Ste­phen Brey­er, Sonia Soto­ma­yor und Ele­na Kagan schei­nen einen Gegen­ent­wurf zu ver­fas­sen. Die Ent­schei­dung des Vor­sit­zen­den John Roberts in die­ser Ange­le­gen­heit ist noch nicht bekannt.

Undichte Stelle

In der Geschich­te des Gerichts­hofs ist sel­ten ein ver­trau­li­ches Doku­ment vor­zei­tig an die Öffent­lich­keit gelangt. Es gibt offen­bar eine undich­te Stel­le, die der Initia­ti­ve der kon­ser­va­ti­ven Rich­ter scha­den will. Da das end­gül­ti­ge Urteil erst in eini­gen Mona­ten erfol­gen wird, bleibt der finanz­kräf­ti­gen Abtrei­bungs­lob­by und ihren von Mil­li­ar­därs­stif­tun­gen und EU gespon­ser­ten links­wo­ken Ver­bün­de­ten viel Zeit, um die Stra­ße und die Medi­en zu mobi­li­sie­ren. Die­se Quer­trei­be­rei dürf­te jedoch vor allem auf den US-Kon­greß abzie­len. Die Regie­rung Biden kün­dig­te näm­lich einen Gesetz­ent­wurf an, mit dem die Tötung unge­bo­re­ner Kin­der in den USA lega­li­siert wer­den soll. Bis­her fehlt ein sol­ches Gesetz. Das unglaub­li­che Mas­sa­ker von 63 Mil­lio­nen unge­bo­re­nen Kin­dern in den USA seit 1973, die­se Zahl wur­de gestern von FOX News gemel­det, erfolg­te aus­schließ­lich auf der Grund­la­ge des Urteils Roe gegen Wade. Mit die­sem höchst­rich­ter­li­chen Urteil wur­den seit­her alle Staats­ge­set­ze zum Schutz des Lebens­rechts aufgehoben.

Der seit bald 50 Jah­ren anhal­ten­de töd­li­che Teu­fels­kreis soll, so die Hoff­nung der Lebens­rechts­be­we­gung, durch ein neu­es Urteil des Ober­sten Gerichts­hof gebro­chen und das Urteil Roe gegen Wade auf­ge­ho­ben wer­den. Das Mis­sis­sip­pi-Gesetz, über das das Höchst­ge­richt in Washing­ton befin­den muß, könn­te der Tür­öff­ner zu die­ser epo­cha­len Wen­de sein. Die Abtrei­bungs­lob­by und ihre neo­mal­thu­sia­ni­schen Auf­trag­ge­ber sind natür­lich auf der Hut und bereit, alle Hebel in Bewe­gung zu set­zen, um die von ihr eta­blier­te Kul­tur des Todes auf Teu­fel komm raus zu verteidigen.

Der Antrag bedeutet einen Paradigmenwechsel

Was aber besagt der vor­zei­tig durch­ge­sicker­te Antrag? 

Zunächst ist unum­wun­den fest­zu­hal­ten, daß der Antrag es nicht an Klar­heit ver­mis­sen läßt. Die Mehr­heit der Höchst­rich­ter defi­niert dar­in eine alles ent­schei­den­de Prämisse:

„Wir sind der Auf­fas­sung […], daß die Ver­fas­sung kein Recht auf Abtrei­bung ein­räumt. Roe und Casey müs­sen außer Kraft gesetzt wer­den. Es ist an der Zeit, die Ver­fas­sung zu beher­zi­gen, und die Befug­nis zur Rege­lung der Abtrei­bung muß an das Volk und sei­ne gewähl­ten Ver­tre­ter zurück­ge­ge­ben werden.“

Das bedeu­tet, daß das Urteil, soll­te es so gefällt wer­den, nicht auto­ma­tisch in den USA die Tötung unge­bo­re­ner Kin­der ver­bie­tet und die Abtrei­bung zu dem erklärt, was sie ist: ein Ver­bre­chen. Es wür­de den Par­la­men­ten und über Volks­ab­stim­mun­gen dem Wahl­volk jedoch ihre Rech­te zurück­ge­ben, künf­tig auf Staats­ebe­ne die Fra­ge zu ent­schei­den. Über 30 Staa­ten haben in der Ver­gan­gen­heit Geset­ze zum Schutz des Lebens erlas­sen, die alle wegen des Urteils Roe gegen Wade von Bun­des­rich­tern kas­siert wur­den. Damit wäre in Zukunft Schluß. Es steht aller­dings außer Zwei­fel, daß eine Rei­he von der­zeit links­li­be­ral domi­nier­ten Staa­ten wie New York, Ore­gon, Washing­ton und ande­re mehr mit Staats­ge­set­zen die Tötung unge­bo­re­ner Kin­der lega­li­sie­ren werden. 

Wei­ter heißt es im Antrag:

Das Urteil im Fall „Roe war von Anfang an ent­setz­lich falsch. Sei­ne Argu­men­ta­ti­on war außer­or­dent­lich schwach und die Ent­schei­dung hat­te schäd­li­che Fol­gen. Weit davon ent­fernt, zu einer natio­na­len Lösung in der Abtrei­bungs­fra­ge zu füh­ren, haben Roe und Casey die Debat­te ange­heizt und die Spal­tung vertieft.“

Zur Fra­ge der gesell­schaft­li­chen Spal­tung, die durch die Legi­ti­mie­rung der Abtrei­bung ver­ur­sacht wird, heißt es in dem Ent­wurf weiter:

Roe hat die Spal­tung in der Abtrei­bungs­fra­ge sicher­lich nicht been­det. Im Gegen­teil, Roe hat ein natio­na­les The­ma ‚ent­facht‘, das seit einem hal­ben Jahr­hun­dert bit­te­re Grä­ben auf­wirft. […] Die­ses Gericht kann nicht ver­su­chen, eine dau­er­haf­te Lösung für eine natio­na­le Kon­tro­ver­se zu fin­den, die Res­sen­ti­ments her­vor­ruft, indem es ein­fach eine Lösung dik­tiert und den Men­schen sagt, sie sol­len wei­ter­ma­chen. Wel­chen Ein­fluß der Gerichts­hof auch immer auf die Ein­stel­lung der Men­schen haben mag, [die­ser Ein­fluß] muß sich aus der Stär­ke unse­rer Argu­men­te erge­ben, nicht aus dem Ver­such, ‚rohe rich­ter­li­che Macht‘ auszuüben.“

Die­se Aus­sa­ge ist nicht nur äußerst bemer­kens­wert, son­dern von epo­cha­ler Bedeu­tung. Die Mehr­heit der Höchst­rich­ter stellt damit fest, daß der Ober­ste Gerichts­hof in sei­ner dama­li­gen mehr­heit­lich lin­ken Zusam­men­set­zung mit den Urtei­len in den Fäl­len Roe (1973) und Casey (1992) der gan­zen Nati­on eine Ent­schei­dung nicht mit der Kraft von Ideen, son­dern mit der Gewalt der Ideo­lo­gie auf­ge­zwun­gen hat.

Die Rechtstradition kennt kein Abtreibungsrecht

Ali­to betont, daß das angeb­li­che Recht auf Abtrei­bung, wie es von der Abtrei­bungs­lob­by und dem demo­kra­ti­schen Prä­si­den­ten Barack Oba­ma behaup­tet wur­de, weder Teil der ame­ri­ka­ni­schen Kul­tur noch der ame­ri­ka­ni­schen Rechts­tra­di­ti­on ist. Viel­mehr gibt es „eine unge­bro­che­ne Tra­di­ti­on des straf­recht­li­chen Abtrei­bungs­ver­bots […] von den frü­he­sten Tagen des Com­mon Law bis 1973“. Bis in die zwei­te Hälf­te des 20. Jahr­hun­derts gebe es im ame­ri­ka­ni­schen Recht nicht die gering­ste Spur eines angeb­lich ver­fas­sungs­mä­ßi­gen Rechts auf Abtreibung.

„Kei­ne staat­li­che Ver­fas­sungs­be­stim­mung hat­te ein sol­ches Recht anerkannt.“

In Erwar­tung eines mög­li­chen Ein­spruchs der Geg­ner wird im Antrag auch dar­auf hin­ge­wie­sen, daß es nicht unge­wöhn­lich ist, daß der Gerichts­hof sich selbst des­avou­iert und eige­ne Leit­li­ni­en, die in der Ver­gan­gen­heit fest­ge­legt wur­den, auf­grund neu­er oder bes­se­rer Erkennt­nis­se oder wegen einer offen­sicht­li­chen Fehl­ent­schei­dung auf­hebt. Dazu wer­den eini­ge Urtei­le zitiert, die das bele­gen und den Rah­men auf­zei­gen, inner­halb dem Revi­sio­nen denk­bar sind. Kon­kret genannt wer­den Urtei­le zur Ras­sen­tren­nung. Abtrei­bung bewegt sich noch deut­li­cher auf die­ser grund­sätz­li­chen Ebe­ne, da das Leben von Men­schen direkt auf dem Spiel steht. Jede Abtrei­bung ist eine Hin­rich­tung und bedeu­tet den siche­ren Tod.

Der Ali­to-Antrag ist bezüg­lich einer Revi­si­on der höchst­rich­ter­li­chen Judi­ka­tur eindeutig:

Roe und Casey sind ein Feh­ler, der nicht zuge­las­sen wer­den kann.“

Nein zu äußerer Einflußnahme

Höchst­rich­ter Ali­to weiß, daß sich sein Antrag unwei­ger­lich auf Kol­li­si­ons­kurs mit der poli­ti­schen Kor­rekt­heit befin­det und der von der Regie­rung Biden ver­tre­te­nen Abtrei­bungs-Agen­da wider­spricht. Die Demo­kra­ti­sche Par­tei kon­trol­liert der­zeit bei­de Häu­ser des Par­la­ments. Aller­dings dürf­te dies nur mehr bis Janu­ar 2023 der Fall, wie poli­ti­sche Beob­ach­ter sich sicher sind. Dann tritt das Par­la­ment in der neu­en Zusam­men­set­zung zusam­men, die bei den Halb­zeit­wah­len im kom­men­den Novem­ber bestimmt wird. Dabei wer­den das Reprä­sen­tan­ten­haus zur Gän­ze und der Senat zu einem Drit­tel neu gewählt.

Ali­to zieht in sei­nem Antrag auch einen Ver­tei­di­gungs­ring um das Höchst­ge­richt und die US-Ver­fas­sung als höch­stes kodi­fi­zier­tes Recht des Staates:

„Wir kön­nen nicht zulas­sen, daß unse­re Ent­schei­dun­gen von äuße­ren Ein­flüs­sen wie der Sor­ge um die Reak­ti­on der Öffent­lich­keit auf unse­re Arbeit beein­flußt wer­den. Wir behaup­ten nicht zu wis­sen, wie unser poli­ti­sches System oder unse­re Gesell­schaft auf die heu­ti­ge Ent­schei­dung, Roe und Casey auf­zu­he­ben, reagie­ren wird. Und selbst wenn wir vor­her­sa­gen könn­ten, was pas­sie­ren wird, könn­ten wir nicht zulas­sen, daß die­ses Wis­sen unse­re Ent­schei­dung beeinflußt.“

Dar­aus fol­gert er im Antrag:

„Wir glau­ben, daß [die Urtei­le] Roe und Casey für nich­tig erklärt wer­den soll­ten. Die Ver­fas­sung ent­hält kei­nen Hin­weis auf die Abtrei­bung, und kein sol­ches Recht ist impli­zit durch eine Ver­fas­sungs­be­stim­mung geschützt.“

Der Antrag stellt, soll­te er so beschlos­sen wer­den, einen Mei­len­stein in der Lebens­rechts­fra­ge dar. Die end­gül­ti­ge Ent­schei­dung wird in zwei Mona­ten erwar­tet. Bis dahin kann noch eini­ges pas­sie­ren, doch die Rich­tung stimmt.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Pix­a­bay

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1 Kommentar

  1. Ehr­li­che Mal­thu­sia­ner müß­ten bei der Ver­hin­de­rung von Ein­wan­de­rung anset­zen, um die Bevöl­ke­rung zu ver­min­dern, und nicht durch Abtrei­bun­gen die Gebur­ten­ra­te, die ohne­dies schon unter 2 liegt, wei­ter abzu­sen­ken versuchen.
    Es geht in Wirk­lich­keit aber nicht um Bevöl­ke­rungs­ver­min­de­rung, son­dern um Bevölkerungsaustausch.

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