Für die Auseinanderung mit aktuellen Fragen ist es intellektuell redlich und angemessen, jene Stimmen zu hören, die öffentlich nicht so durchdringen oder gar unerwünscht sind. Mit ihnen gilt es sich zu konfrontieren. In diesem Sinne veröffentlichen wir folgenden Kommentar, der unter dem Pseudonym „Mastro Titta“ verfaßt und auf dem Blog des Vatikanisten Marco Tosatti publiziert wurde. Er richtet sich primär an Kardinal Matteo Zuppi, den päpstlichen Sondergesandten im Ukraine-Konfikt, aber nicht nur an ihn:
Kardinal Zuppi, unternimmt die EU wirklich wenig, um den Krieg zu stoppen?
Von Mastro Titta
„Für die Beendigung des Konflikts in der Ukraine tut die Europäische Union zu wenig, sie sollte viel mehr tun.“ Diese Worte sagte der Vorsitzende der Italienischen Bischofskonferenz, S. Em. Card. Matteo Maria Zuppi, auf dem Meeting in Rimini [der Gemeinschaft Comunione e Liberazione] und wurden von VaticanNews berichtet.
Ich verstehe die vorsichtige, in Watte gepackte und leicht aromatisierte Sprache der Diplomatie. Ich gebe zu: Die Informationsquellen, auf die sich Seine Eminenz beruft, sind manchmal ungenau und nicht immer verifiziert. Sonst müßte ich schreiben, daß Seine Eminenz nach Strich und Faden lügt.
Es ist allgemein bekannt, daß EU-Mitgliedsstaaten wie Belgien, Holland und Dänemark in diesen Tagen Langstrecken-Kampfbomber an die Ukraine liefern. Ebenso ist bekannt, daß Deutschland Leopard-Panzer, Frankreich mobile Raketensysteme, Italien gepanzerte Fahrzeuge und alle Arten von schweren und leichten Waffen geliefert hat. Wir haben wahrscheinlich jeden letzten Feuerwerkskörper, jeden letzten Knallkörper vom Typ Raudi und jeden letzten Knallfrosch geschickt, den es gibt. Vielleicht sogar Wasserbomben. Kurzum alles, was irgendwie bumm macht.
Ganz zu schweigen von den Unmengen an Geld, die an eine Regierung gespendet werden, die sich um den ersten Platz unter den korruptesten der Welt bewirbt. Ein Hort von Nazis, die sich selbst so bezeichnen und stolz darauf sind. Vielleicht haben viele die haßerfüllten Erklärungen von Mario Draghi, Giorgia Meloni und einer Reihe von Politikern, Intellektuellen und Meinungsmachern vergessen, die zu mehr Krieg aufriefen. Es sind dieselben, die davor zu mehr Impfungen, zu einer stärkeren Einschränkung der Freiheiten und zur Vernichtung der Impfkritiker aufgerufen hatten.
Ich würde sagen, daß Europa genug für den Frieden getan hat, zumindest im Sinne von Tacitus: Solitudinem faciunt, pacem appellant. Sie schaffen eine Wüste und nennen es Frieden. Die Europäische Union hat einen Hauch von nichts für den Frieden getan, aber alles für den Krieg.
Die verschiedenen Standpunkte, so Zuppi weiter, „dürfen nicht dazu führen, daß wir die Klarheit über die Verantwortung, über den Aggressor und den Angegriffenen verlieren. Wir müssen daran glauben, daß es einen Weg gibt, einen gerechten und sicheren Frieden nicht mit Waffen, sondern mit Dialog zu erreichen“.
Aber bitte: mit dem Angegriffenen und dem Aggressor. Erinnert sich Seine Eminenz daran, daß sein lachender und aggressiver Anführer, der, um die Gemüter zu besänftigen, Patriarch Kyrill „Putins Meßdiener“ nannte, und als er nach dem islamistischen Massaker in Paris verständnisvoll sagte, wenn jemand seine Mutter beleidige, „wartet ein Fausthieb auf ihn“? Ganz zu schweigen von den NATO-Hunden, die vor Rußlands Haustür bellen. Es ist Zuppis feinsinniger Arbeitgeber, der sich immer wieder so zu Wort meldet.
Noch einmal Zuppi: „Wir sollten uns um eine Wiederbelebung des europäischen Geistes bemühen und uns bewußt sein, wie unverzichtbar dieser ist, wenn wir unseren Kindern eine friedliche Zukunft garantieren wollen“.
Von welchem Geist aber spricht der Kardinal? Vom „europäischen Geist“, der Belgrad bombardierte, oder dem, der Gaddafi abschlachtete und Libyen in ein Niemandsland verwandelte? Derselbe Geist, der, fast ohne einen Finger zu rühren, Jugoslawiens teils blutige und ungerechte Aufteilung mitgemacht hat?
Oder meint er den europäischen Geist in seiner französischen Version, als es darum ging, den Völkermord in Ruanda zu entfesseln, der zu 800.000 Toten in wenigen Wochen führte?
Oder den europäischen Geist, der im Namen des Diktats von Frankreich und der Bundesrepublik Deutschland Milliarden an die Türkei, Tunesien und wer weiß wen noch zahlt, um die Migrationswelle einzudämmen, während er gleichzeitig die NGOs finanziert, die im Akkord die Migranten an den italienischen und griechischen Küsten wie Salzsäcke abladen?
Zuppi ist ein guter Mensch, aufrichtig und davon überzeugt, daß das Streben nach Frieden eine gute Sache ist. Was seine Lage allerdings eher noch verschlimmert.
Persönliche Güte, die besten Absichten und nicht einmal alle Macht und Autorität der Welt rechtfertigen solche makroskopischen Lügen. Und zwar sowohl auf moralischer als auch auf sachlicher Ebene. So ist es zum Beispiel nicht gerade eine brillante Idee, Rußland immer wieder darauf hinzuweisen, daß es die Rolle eines gewalttätigen Tyrannen spielt.
Diese Art von verzweifelt unverhohlener Lüge ist umso problematischer bei einem Christen. Bei einem Prälaten von Zuppis Niveau nimmt sie karnevaleske Züge an.
Ich habe eine Frage an Seine Eminenz: Halten Sie die Katholiken für eine Masse von unverbesserlichen Idioten?
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Meeting Rimini (Screenshot)