Das Zeichen für ein neues Amerika

Die New York Times über den Sieg und die "geistliche Dimension" des Anti-Abtreibungsurteils


Am 24. Juni wurde das Urteil Roe gegen Wade von 1973 gekippt. Nun besteht die Chance "ein neues Amerika" zu bauen. Die Students for Life und andere Lebensrechtsbewegungen sind bereit dazu.
Am 24. Juni wurde das Urteil Roe gegen Wade von 1973 gekippt. Nun besteht die Chance "ein neues Amerika" zu bauen. Die Students for Life und andere Lebensrechtsbewegungen sind bereit dazu.

(New York) Wegen des Jahr­hun­der­tur­teils, mit dem der Ober­ste Gerichts­hof der USA das Schand­ur­teil Roe gegen Wade von 1973 kipp­te, sind die poli­ti­sche Lin­ke und die Abtrei­bungs­lob­by wut­ent­brannt. Zor­ni­ge Kom­men­ta­re und ein ein­sei­ti­ger Zun­gen­schlag prä­gen die Bericht­erstat­tung der Main­stream-Medi­en auch im deut­schen Sprach­raum. Gestern berich­te­te die New York Times auch von einem „Sieg der kon­ser­va­ti­ven Chri­sten“ und dar­über, in dem Urteil auch eine „geist­li­che“ Dimen­si­on zu erkennen.

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Die Abtrei­bungs­fra­ge ist in der Tat ein bru­ta­ler und gna­den­lo­ser Lack­mus­test. Bru­tal, weil jede Abtrei­bung die Tötung eines unschul­di­gen Men­schen bedeu­tet; gna­den­los, weil die­se Grau­sam­keit durch die öffent­li­che Dis­kus­si­on auf­ge­deckt wird und ihre Befür­wor­ter enttarnt.

Für Eliza­beth Dias von der New York Times, dem Main­stream-Flagg­schiff schlecht­hin, ist das Jahr­hun­der­tur­teil vom ver­gan­ge­nen Frei­tag ein „Sieg für kon­ser­va­ti­ve Chri­sten“, die dar­in auch einen „geist­li­chen Sieg“ erkennen.

Sie berich­tet, daß bei der Mit­tags­mes­se in der St. Patrick’s Cathe­dral in New York Gläu­bi­ge und Prie­ster in Begei­ste­rungs­stür­men ihre Freu­de dar­über zum Aus­druck brach­ten, als sie von dem kurz zuvor ergan­ge­nen Urteil des Höchst­ge­richts erfuhren.

Aller­dings irrt Dias, wenn sie das Sze­na­rio in lin­ke Scha­blo­nen pres­sen will. Mit der Eti­ket­tie­rung „kon­ser­va­ti­ve Chri­sten“ nimmt sie nicht nur eine poli­ti­sche Ein­ord­nung vor, son­dern bedient Feind­bil­der. Und sie liegt damit falsch.

Bei Orga­ni­sa­tio­nen wie Catho­lics for Choice, die von Abtrei­bungs­lob­by­isten finan­ziert wird, han­delt es sich um einen Betrug. Die Rede ist nicht von den schwan­ge­ren Frau­en, son­dern von lebens­feind­li­chen Kräf­ten. Für die Kir­che herrscht in die­sem Punkt Klar­heit. Wer durch eige­ne Mit­wir­kung oder Unter­stüt­zung wil­lent­lich die Tötung eines unschul­di­gen Men­schen durch Abtrei­bung för­dert, schließt sich selbst aus der Gemein­schaft der Kir­che aus. Das ist der Grund für die in den USA so hart­näckig geführ­te Dis­kus­si­on über den Kom­mu­nion­emp­fang durch Abtreibungspolitiker.

Die Auf­he­bung des infa­men Urteils Roe gegen Wade von 1973 ist ein Sieg für das Leben. Sie ist ein Sieg für alle Chri­sten, nicht nur „kon­ser­va­ti­ver“. Dar­in offen­bart sich eine tie­fe­re Wahr­heit, die mit der Wahr­heits­fra­ge selbst zu tun hat.

Auf der Ebe­ne der Reli­gio­nen ver­tritt allein das Chri­sten­tum eine kon­se­quen­te Hei­lig­keit des Lebens. An der Abtrei­bungs­fra­ge läßt sich daher nach­voll­zie­hen, wer wie weit die­sen ele­men­ta­ren Test besteht – im Ver­gleich zwi­schen den Reli­gio­nen, im Ver­gleich der christ­li­chen Kon­fes­sio­nen und natür­lich als Fra­ge an jeden ein­zel­nen selbst. Dabei geht es nicht um irgend­ei­ne Form von Tri­um­pha­lis­mus, wie ihn Dias unter­schwel­lig sug­ge­riert. Dar­in ist viel­mehr eine Wahr­heits­fra­ge zu erkennen.

Das Urteil wurde jahrzehntelang erhofft

Dias weist dar­auf hin, daß „vie­le gläu­bi­ge Abtrei­bungs­geg­ner jahr­zehn­te­lang“ dar­auf gehofft und „hin­ge­ar­bei­tet“ haben, daß das Urteil Roe gegen Wade gekippt wird, wes­we­gen in den USA 60 Mil­lio­nen Men­schen ster­ben muß­ten. Dias zitiert dazu Erz­bi­schof Wil­liam E. Lori von Baltimore:

„Es ist ein Moment der Dank­bar­keit gegen­über dem Herrn und der Dank­bar­keit gegen­über so vie­len Men­schen, die so hart für die­sen Tag gear­bei­tet und gebe­tet haben.“

Erz­bi­schof Lori ist der Vor­sit­zen­de des Pro-Life-Komi­tees der Ame­ri­ka­ni­schen Bischofs­kon­fe­renz.

Fast 50 Jah­re, so Dias, sind „kon­ser­va­ti­ve Chri­sten mar­schiert, haben Stra­te­gien ent­wickelt und gebe­tet. Dias schildert:

„Und dann, an einem zufäl­li­gen Frei­tag­mor­gen im Juni, kam end­lich der Tag, von dem sie geträumt hatten.“

Und wei­ter:

„Die Abschaf­fung des ver­fas­sungs­mä­ßi­gen Rechts auf Abtrei­bung durch die Auf­he­bung des Urteils Roe v. Wade war das Ergeb­nis einer jahr­zehn­te­lan­gen Kam­pa­gne; sie ist der Höhe­punkt gemein­sa­mer Mahl­zei­ten in Kir­chen­turn­hal­len und Gebe­te im Oval Office. Es war der Moment, von dem sie lan­ge geträumt hat­ten, ein Ergeb­nis, das vie­le nicht für mög­lich hiel­ten, das Zei­chen für ein neu­es Amerika.“

Die New York Times ist posi­tio­niert. Ein „ver­fas­sungs­mä­ßi­ges Recht auf Abtrei­bung“ gibt es natür­lich nicht, weil die Tötung eines unschul­di­gen Men­schen nie und unter kei­nen Umstän­den rech­tens, schon gar nicht mit einer Ver­fas­sung ver­ein­bar sein kann. Nie gilt der eiser­ne Grund­satz ein­deu­ti­ger, daß ein Unrecht nie zum Recht wer­den kann.

„Wenn man das Gegenteil von Leben wählt, wählt man das Gegenteil von Liebe“

In der Tat ist das Jahr­hun­der­tur­teil vom ver­gan­ge­nen Frei­tag ein „Zei­chen für ein neu­es Ame­ri­ka“. Der 24. Juni 2022 ist ein Tag, an dem Geschich­te geschrie­ben und die Tür zu einem neu­en Ame­ri­ka auf­ge­sto­ßen wur­de. Den Moment zu nüt­zen und tat­säch­lich ein bes­se­res Ame­ri­ka zu bau­en, das ist die Her­aus­for­de­rung, an der vie­le mit­wir­ken müs­sen. Auch für Euro­pa wer­den die posi­ti­ven Fol­gen die­ser Ent­schei­dung nicht aus­blei­ben, obwohl auf dem alten Kon­ti­nent, der in der Lebens­fra­ge wirk­lich alt aus­sieht, alles getan wird, um die Unkul­tur des Todes mit Sta­chel­draht und Pan­zer­sper­ren abzu­si­chern. Die fana­ti­schen Abtrei­bungs­ver­fech­ter, die das Töten unge­bo­re­ner Kin­der zum unre­flek­tier­ten und nicht zu hin­ter­fra­gen­den Dog­ma erho­ben haben, wür­den den Rechts­staat am lieb­sten dazu miß­brau­chen, um Selbst­schuß­an­la­gen um die Abtrei­bung zu instal­lie­ren. Die Rech­nung wird nicht auf­ge­hen, denn der Fluch der bösen Tat besteht auch dar­in, daß sich das Böse immer­fort selbst zerstört.

Dias nennt die geist­li­che Dimen­si­on, die Lebens­recht­ler erwäh­nen. Auch Erz­bi­schof Lori macht dar­auf auf­merk­sam, indem er auf das Herz-Jesu-Fest ver­weist, an dem das höchst­rich­ter­li­che Urteil für das Leben gefällt wur­de. Dias schreibt:

„Sogar der Zeit­punkt der Ent­schei­dung hat­te geist­li­che Unter­tö­ne, denn sie fiel auf den Tag, an dem die Katho­li­ken das Herz-Jesu-Fest zu Ehren der Lie­be Jesu für die Welt fei­ern. Die Ent­schei­dung des Ober­sten Gerichts­hofs gebe den Men­schen ‚die Mög­lich­keit, unse­re Her­zen in Lie­be zu erwei­tern‘ für Men­schen in allen Lebens­pha­sen, von der Zeu­gung bis zum natür­li­chen Tod’, sag­te Lori.“

Enri­que Sal­vo, der neue Rek­tor der katho­li­schen Kathe­dra­le von New York, wird von der New York Times mit den Wor­ten zitiert:

„Wenn man das Gegen­teil von Leben wählt, wählt man das Gegen­teil von Lie­be. Und wir müs­sen immer die Lie­be wählen.“

Der Wen­de­punkt für die Ver­ei­nig­ten Staa­ten war „ein­fach ein phä­no­me­na­les Werk des Herrn“, sagt Mar­ga­ret H. Harts­horn, Vor­sit­zen­de von Heart­beat Inter­na­tio­nal, einem Netz­werk von Lebens­rechts­zen­tren. Die New York Times frag­te Harts­horn, wie weit die Lebens­rechts­be­we­gung seit jenem 22. Janu­ar 1973, als der Ober­ste Gerichts­hof das unsäg­li­che Urteil Roe gegen Wade fäll­te, gekom­men ist und wie weit sie noch gehen kann.

„Ich glau­be, daß Gott dies nut­zen wird, um uns zu hel­fen, eine grö­ße­re Kul­tur des Lebens auf­zu­bau­en, daß in 50 Jah­ren kei­ne Frau mehr eine Abtrei­bung in Betracht zie­hen wird.“

Bart Bar­ber, der neue Vor­sit­zen­de der Sou­thern Bap­tist Con­ven­ti­on, sag­te zum neu­en Urteil, mit dem das jenes von 1973 kas­siert wurde:

„Auf­grund der Freu­de, die ich emp­fin­de, wenn ich sehe, wie mei­ne Söh­ne erwach­sen wer­den und etwas bewir­ken, kann ich nicht anders, als mich für all die ande­ren Babys zu freu­en, die jetzt auch die­se Mög­lich­keit haben werden.“

Zugleich erwähn­te Bar­ber aber auch den „enor­men Ver­lust an Kin­der­le­ben“, der durch Roe gegen Wade in den ver­gan­ge­nen 50 Jah­ren ver­ur­sacht wur­de und der noch nicht zu Ende ist:

„In vie­len Staa­ten ist die Abtrei­bung immer noch legal, und wir haben noch viel Arbeit vor uns, um Gerech­tig­keit und Schutz für die unge­bo­re­nen Kin­der in die­sen Län­dern zu erreichen.“

Pen­ny Nan­ce, Vor­sit­zen­de von Con­cer­ned Women for Ame­ri­ca, die, wie auch ande­re Lebens­rechts­be­we­gun­gen, dar­un­ter Stu­dents for Life, seit ein Ent­wurf für das Urteil vom ver­gan­ge­nen Frei­tag vor eini­gen Wochen bekannt wur­de, regel­mä­ßig vor dem Ober­sten Gerichts­hof dafür gebe­tet hat, sagte:

„Ein schwe­rer Feh­ler wur­de kor­ri­giert. Ich emp­fin­de eine unglaub­li­che und tie­fe Dank­bar­keit, vor allem Gott gegen­über, daß ich die­sen Moment erle­ben darf.“

John Seago, der Direk­tor von Texas Right to Life, spricht von einem „phä­no­me­na­len Moment für die Pro-Life-Bewe­gung, die seit 50 Jah­ren auf die­se Ent­schei­dung hin­ge­ar­bei­tet hat“.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Stu​dents​for​li​fe​.org (Screen­shot)

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