(Rom) Papst Franziskus zelebrierte gestern abend zum Festtag Unserer Lieben Frau von Guadalupe, der Patronin Amerikas, eine Heilige Messe im Petersdom. Sie findet jährlich auch mit besonderem Augenmerk für die in Rom lebenden Hispanoamerikaner statt, wie auch der Papst selbst einer ist. Sowohl die Messe als auch eine gestern in Rom eröffnete Tagung richteten den Blick auf die bevorstehende Amazonas-Synode.
Details zur Amazonas-Synode
Zugleich wurde gestern von Kurienkardinal Peter Turkson eine Tagung zum 25jährigen Bestehen der Stiftung Populorum Progressio für Lateinamerika eröffnet. Ein enger Vertrauter von Papst Franziskus, Kurienkardinal Lorenzo Badisseri, der Generalsekretär des ständigen Sekretariats der Bischofssynoden, gab auf der Tagung Details zur Amazonas-Synode bekannt, die von Franziskus für Oktober 2019 angekündigt wurde.
Laut Baldisseri werde eine Vorsynode zur eigentlichen Bischofssynode stattfinden. Der Kardinal sagte zu Radio Vatikan:
„Diese könnte gemäß den Möglichkeiten, die es vor Ort gibt, auch in dem betroffenen Gebiet durchgeführt werden. Wichtig ist, dass die Menschen, die im Amazonas-Gebiet leben, miteinbezogen werden. Es sollen jene angesprochen werden, die in Armut leben, aber auch die Politiker und Verantwortlichen, die von den Ressourcen profitieren. Jede Stimme muss angehört werden. Wichtig ist, dass wir dann zur eigentlichen Synode genügend Elemente für die Debatte zur Verfügung haben.“
„Jede Stimme“ für welches „Projekt“?
„Jede Stimme muß gehört werden“, betonte der Kurienkardinal. Aus dem Mund eines anderen Papst-Vertrauten klang das vor einem Jahr ganz anders. Der deutschstämmige Brasilianer Claudio Hummes, die eigentliche treibende Kraft hinter der Amazonas-Synode, arbeitet zusammen mit dem inzwischen emeritierten, österreichischen Missionsbischof Erwin Kräutler und anderen seit Jahren in der Amazonas-Werkstatt an dem Projekt.
An welchem „Projekt“?
Der Vatikanist Marco Tosatti schrieb dazu im Vorjahr:
„Claudio Hummes arbeitet intensiv an seinem Projekt. Dieses ‚Projekt‘ ist eine Synode der Amazonas-Diözesen, die über viel ‚Ökologie‘ und ‚natürlich auch und vielleicht vor allem über die Umwandlung der ständigen Diakone in ‚viri probati‘ diskutieren soll. Eine Art von Laienverwalter der Sakramente als Ersatz für die Priester. Es gibt aber auch Stimmen, die in diesem Projekt nur die Spitze des Eisbergs zur Änderung der Regeln des Priesterzölibats im lateinischen Ritus sehen.“
Tosatti erinnerte auch daran, daß Hummes seit der Wahl von Franziskus „häufig und gerne“ betont, „im Namen des Papstes“ zu sprechen, auch auf Bischofsversammlungen.
Im Spätsommer 2016 hatte Kardinal Hummes das Projekt Amazonas-Synode im Bistum Osasco vorgestellt und dabei vor allem den Priestermangel unter den Indios im Amazonas-Urwald beklagt. Dabei handelt es sich zwar um ein riesiges Gebiet, aber nur um knapp 300.000 Menschen. Dennoch wird dieser Mangel an seelsorglicher Betreuung der Urwald-Indios zu einem die Weltkirche bewegendes Thema stilisiert. Diese Unverhältnismäßigkeit veranlaßte aufmerksame Beobachter, darunter vor allem den Vatikanisten Sandro Magister, schon im Herbst 2015 von einer Dramatisierung der Situation und von einem instrumentalisierten Priestermangel im Amazonas zu sprechen. Das Ungleichgewicht zwischen Gläubigen und Priestern ist im Amazonas-Becken nicht ungünstiger als in etlichen anderen Teilen der Welt.
„Nein, nein, das ist nicht, was der Papst will“
Der seit Dezember 2015 erhobene Vorwurf lautet daher, daß der Priestermangel im Amazonas-Gebiet in Wirklichkeit als Brecheisen zur Aufhebung des Priesterzölibats instrumentalisiert werden soll. Der Zölibat ist vor allem im Westen seit der Sexuellen Revolution vielen in- und außerhalb der Kirche ein Dorn im Auge.
Als Hummes in Osasco den Priestermangel im Amazonasbecken beklagte, machte ein Teilnehmer den Vorschlag, einen Appell an alle Missionsorden der Kirche zu richten. Jeder Orden sollte zwei Priester zur Verfügung stellen. Damit könne der notwendige Bedarf an Priestern, von dem Hummes gesprochen hatte, problemlos gedeckt werden. Hummes reagierte aber ganz und gar nicht, wie Kardinal Balidesseri es nun für die Vorsynode ankündigte, sondern sichtlich erregt und sofort abwehrend:
„Nein, nein, das ist nicht, was der Papst will.“
Der Papst habe ihm vielmehr gesagt:
„Weiht eine große Anzahl ständiger Diakone.“
Zu den „ständigen Diakonen“ siehe. Nach dem Konzil, so die Ausführungen von Hummes unter Berufung auf Franziskus, dürfe es keine Missionare mehr geben. Jedes Volk müsse sich allein evangelisieren. Es dürfe nur mehr einen einheimischen Klerus geben, nur mehr einheimische Priester und Bischöfe, auch ohne akademische Bildung.
„Einheimisch“ sei also das wichtigste aller Kriterien für das Priestertum und auch den Episkopat. Alles andere, auch die Ausbildung, sei demgegenüber nur von sekundärer Bedeutung. Das widerspricht so eklatant den kirchlichen Dokumenten und der gesamten bisherigen Praxis der Kirche, daß die Aussage Hummes die Mutmaßungen, daß es bei der Amazonas-Synode in Wirklichkeit um etwas ganz anderes geht, nur noch verstärkten.
Verheiratete Priester, „sprecht untereinander darüber“
Das bestätigte auch Bischof Erwin Kräutler, der zweite große Akteur der Amazonas-Werkstatt, indem er die Amazonas-Synode als „Meilenstein“ bezeichnete. „Meilenstein“ wofür? Wie gesagt, es geht zwar um eine große Region, aber nur um 300.000 Menschen. Kräutlers Heimat Vorarlberg hat allein mehr Einwohner.
Auch Kardinal Hummes ließ keinen Zweifel daran, daß es bei der Amzonas-Synode in Wirklichkeit um etwas ganz anderes geht, wie Tosatti von der Osasco-Tagung berichtete:
„Hummes fuhr dann fort und kam auf das zu sprechen, worum es eigentlich geht: die ‚Überwindung von Tabus‘. Früher sei es ein ‚Tabu‘ gewesen, so Hummes, über verheiratete Priester zu sprechen. Heute könne man darüber sprechen. ‚Sprecht untereinander darüber‘, habe ihm Papst Franziskus gesagt. Und damit trat Hummes wieder in seine Rolle als ‚Sprecher‘ des Papstes: Papst Franziskus habe ihm geraten, ‚den Bischöfen zu sagen, sie sollen eine große Anzahl ständiger Diakone weihen‘.“
Das Ziel dieses päpstlichen „Ratschlags“ sei es, so Hummes, den Weg für die Priesterweihe von verheirateten Laien zu ebnen, „um den Priestermangel auszugleichen“.
Diese Vorgeschichte wirft auch Zweifel auf, ob wirkliche „jede Stimme“ gehört werden soll, oder doch nur bestimmte.
Vor einem Monat sagte Kardinal Beniamino Stella, der von Franziskus ernannte Präfekt der Kleruskongregation, in einem Interview, daß der Papst „vor einigen Monaten“ gesagt habe, daß „man über verheiratete Priester reden kann“.
Amazonas wird gesagt, aber anderes gemeint?
Wird also Amazonas gesagt, aber weit mehr gemeint?
Als Papst Franziskus die Einberufung der Amazonas-Synode bekanntgab, sagte er kein Wort über einen Priestermangel, über „viri probati“ oder die Aufhebung des Priesterzölibats. Kein Wort. Und dennoch titelten zahlreiche Massenmedien, manchmal als Frage, manchmal als Feststellung, daß Papst Franziskus mit der Regenwald-Synode den Priesterzölibat abschaffen wolle.
Kaum hatte Papst Franziskus die Synode angekündigt, schob sich Mauricio Lopez, der Geschäftsführer der Red Eclesial Panamazonica (REPAM, Panamazonisches Kirchennetzwerk) verstärkt in die Öffentlichkeit. Seine Grundaussage: Amazonien ist nicht nur in Brasilien. Er gab zu verstehen, daß die Fragen, die zum Amazonas behandelt werden, auch andere Weltgegenden betreffen. Damit wurde der Horizont der Amazonas-Synode bereits ausgeweitet, und zwar auf die ganze Welt.
Kurienkardinal Baldisseri selbst wies gestern gegenüber Radio Vatikan die Behauptung zurück, bei der Amazonas-Synode handle es sich um eine „lokale Geschichte“. Radio Vatikan – Deutsche Sektion betonte diesen Aspekt sogar ungewöhnlich deutlich, indem gesagt wurde, der Kardinal erteile einer solchen Einengung „eine Absage“.
Es geht also um weit mehr, als nur um den Amazonas-Urwald.
Radio Vatikan wörtlich:
„Denn die Probleme, mit denen man im Amazonas-Gebiet zu tun habe, seien auch anderswo anzutreffen, die Herausforderung für die Kirche sei überall gleich.“
Römische Widersprüche
Warum dann eine Amazonas-Synode? Und warum sollten dann nur die Stimmen aus Amazonien dazu gehört werden? Oder fällt der Widerspruch in Rom gar nicht auf? Eine territorial so spezifische Synode wie über das Amazonas-Becken, an deren Vorbereitung seit Jahren nur dort und unter weitgehendem Ausschluß der Öffentlichkeit gearbeitet wird, soll gleichzeitig für die ganze Weltkirche gelten?
Am Amazonas soll die Welt(kirche) genesen?
Die Angelegenheit ist zumindest erklärungsbedürftig, denn der Rest der Welt hat vom Amazonas so gut wie keine Ahnung und verfügt kaum elementare Kenntnisse der dortigen Verhältnisse. Wie könnte es also sein, daß eben diese spezifischen Verhältnisse – denn das Spezifische wurde in den vergangenen Jahren von den Vertretern der Amazonas-Werkstatt ständig betont – plötzlich für die ganze Welt stehen würden.
Gegenüber Radio Vatikan nannte Baldisseri nicht den Zölibat, sondern die „Klimaproblematik“, denn die „betrifft uns alle“. Geradezu atemberaubend interessant ist der nächste Satz des Kardinals:
„Die Kirche hat die Lösungen, um darauf Antworten zu geben“.
Rom wird dieses Durcheinander zu klären haben. Entweder es geht um Themen der Weltkirche, dann kann es nicht sein, daß auf einer Synode für den Amazonas und mit Synodalen von dort darüber befunden wird, oder es geht um Themen des Amazonas, dann kann es nicht um Themen der Weltkirche gehen.
Legt Papst Franziskus Hand an das vierte Sakrament?
Außer die kritischen Beobachter haben recht mit ihrer Mutmaßung – von „mehr als nur Indizien“ sprach der Vatikanist Magister bereits im Frühjahr 2016 –, daß progressive, westliche Kirchenkreise den Umweg über den Amazonas nur deshalb gehen, um in der Weltkirche durchzusetzen, was ihnen auf direktem Weg bisher nicht gelungen ist: die Abschaffung des Priesterzölibats.
Sollte dem so sein, und vieles spricht dafür, dann würde Papst Franziskus in seiner noch kurzen Amtszeit bereits Hand an das vierte von sieben Sakramenten legen. Zum Ehe‑, Buß- und Altarsakrament nahm er Eingriffe durch die Änderung des Ehenichtigkeitsverfahrens, das umstrittene nachsynodale Schreiben Amoris laetitia und durch die Generaldispens an alle Priester von der Sünde der Abtreibung lossprechen zu können, vor. Mit der Bischofssynode, darin sind sich erfahrene Vatikanisten wie Sandro Magister und Marco Tosatti einig, soll der Versuch unternommen, auch Hand an das Weihesakrament zu legen.
In der Tat war von Papst Franziskus bisher keine echte, also theologische Verteidigung des Priesterzölibats zu hören. Daß er persönlich „keine Probleme“ damit habe, mag ein interessanter Erfahrungsbericht sein, aber eine wirkliche Begründung und Verteidigung des Zölibats ist es nicht. Vor allem fiel in der Vergangenheit auf, daß enge Papst-Vertraute im Zusammenhang mit dem Priesterzölibat betonten, daß es sich dabei „nur“ um ein Gesetz der Kirche handle, nicht um ein göttliches Gebot. Ist dem wirklich so? Oder ist diese penetrante Einschränkung der Fuß in der Tür, um – wenn nicht heute, dann morgen, aber vielleicht doch lieber schon heute – Hand an den Zölibat legen zu können?
Deja-vu – Wiederholt sich das gleiche Szenario?
Tatsache ist, daß Kardinal Hummes, Bischof Kräutler und die federführende Amazonas-Werkstatt die Aufhebung des Priesterzölibats wollen. Die Frage ist, was Papst Franziskus will. Die Einberufung der Amazonas-Synode bestätigt, daß er seinem Wähler Hummes, von dem auch der Vorschlag kam, sich als erster Papst Franziskus zu nennen, entgegenkommen will. Die Situation wirkt wie ein Deja-vu. In der Frage der wiederverheirateten Geschiedenen wurde Hummes Rolle von Kardinal Kasper eingenommen. Franziskus verhielt sich ihm gegenüber ähnlich wie nun gegenüber Hummes.
Im Rückblick spricht alles dafür, daß es zwischen Franziskus und Kasper bereits 2013, noch vor Bekanntgabe der Einberufung der Bischofssynoden über die Familie, ein grundsätzliches Einvernehmen in der Sache gegeben haben muß. Ein ebensolches Einvernehmen ist nun auch in Sachen Zölibatsaufhebung zwischen Franziskus und Kardinal Hummes anzunehmen. Damit wäre auch die weitere Choreographie klar. Läuft sie ab wie zur Familiensynode und den wiederverheirateten Geschiedenen, dann wird Franziskus sich mit keinem Wort direkt zur Zölibatsfrage äußern, aber stillschweigend vollendete Tatsachen schaffen lassen.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Radio Vatikan (Screenshot)
- Nach dem Konzil, so Hummes unter Berufung auf Franziskus, dürfe es keine Missionare mehr geben. Jedes Volk müsse sich allein evangelisieren. –
Das ist ein grundlegender Widerspruch zu Jesus.
Sein ganz konkret gegebener Auftrag an die Jünger:
„Geht hinaus in die ganze Welt und verkündet das Evangelium allen Menschen. (Mk 16,15)
Woher nimmt irgendjemand die Unverfrorenheit, Jesu Auftrag zur Missionierung eigenmächtig abzulehnen?
Und es scheint ja überhaupt so, dass der gesamte Ablauf der Amazonas-Synode bereits im Vorfeld so gesteuert werden soll, dass sie am Ende die angepeilten Ergebnisse ergibt.
Ist dem so, dann wäre dies ein sehr hinterhältiges Vorgehen. Doch könnte das nach den bisherigen Erfahrungen noch wirklich jemanden überraschen?
Wenn dieser Papst die Sakramente nach und nach verändert oder abschafft, ein ökumenisches Messbuch einführt (wie kürzlich berichtet) dann ist die katholische Kirche am Ende. Zentrale Wesensmerkmale der katholischen Kirche die dann nicht mehr existieren machen die katholische Kirche überflüssig. Warum sollte sich ein Mensch zu dieser Kirche bekennen?