
Von Eck*
Einleitung
So nannte man die letzten fünf Jahre des Pontifikats von Johannes Paul II., als der Papst nicht mehr in der Lage war, das Schifflein Petri zu führen, und von den führenden römischen Kurialen in einem verdeckten Krieg um die Ausrichtung und die Nachfolge gesteuert wurde. Der sterbende Papst war so sehr kontrolliert, daß er noch mehrere Ernennungen mit seinem persönlichen Siegel und seiner Unterschrift bestätigte, als er schon tot war.1 Wunder des Vatikans. Die schreckliche Erfahrung dieser Zeit war einer der Gründe für Benedikts Rücktritt. Er, der sie als Nebenfigur erlebt hatte, wollte sie nicht als Hauptfigur erleiden. Nun scheinen wir in diese dunklen und grausamen Zeiten der Fraktionskämpfe unter der Ägide eines isolierten, kontrollierten und manipulierten Papstes zurückzukehren. Daher rührt das Gefühl von Chaos und Blindheit bei den Entscheidungen des Vatikans, ob Traditionis custodes, Fiducia supplicans, Praedicate Evangelium mitsamt seinen Korrekturen, die vom Papst nach der Katastrophe motu proprio vorgenommen wurden, oder – laut Gerüchten – der bevorstehenden Konstitution über die Liturgie.
Die Hände am Schaukelstuhl
Nun gibt es Gerüchte, daß Kardinal Arthur Roche, Andrea Grillo mit den Anselmianern2 und der sogenannte magische Zirkel von Santa Marta, das neue Wundertribunal, ein Dokument ausarbeiten, das der überlieferten Messe ein für allemal den Garaus machen soll.
- Da tanzt er also, ausgerechnet Kardinal Roche, der noch immer seine Wunden leckt nach der Enttäuschung der berühmten ex audientia sanctissimi, nach der er als Kapaun und ohne Federn dastand, der nun aber über die Flure und Höfe des Vatikans kräht und gackert, daß er, ROCHE, und die Seinen, DIE SEINEN, die Konservativen und Traditionalisten zermalmen würden, indem sie den Papst zur Unterzeichnung einer neuen Konstitution bringen werden. Wie könnte er sich dem verweigern, was die Progressiven von ihm verlangten, wo doch sie es waren, die ihn an die Macht gebracht hatten, und er daher dem nachzugeben habe, was sie fordern? Haben wir dich etwa nicht zum König gemacht und deinen Vorgänger zur Abdankung gezwungen?
- Oder der verärgerte Andrea Grillo, dieser große Weise, dem in seiner Verteidigung von Traditionis custodes die Ungeschicklichkeit unterlaufen ist, der Welt frech seine theologische Ignoranz, seine anthropologische Dummheit, seinen menschlichen Kleingeist und seine liturgische Mittelmäßigkeit gezeigt zu haben, die jener eines Veranstalters von Schulfesten, politischen Wahlkampfveranstaltungen und Hochzeiten in Las Vegas würdig sind. Die Feste und Schulaufführungen, als ich jung war, waren phantasievoller, partizipativer und hatten mehr Tiefgang als seine Werke zwischen Kitsch und Pedanterie und einer Anpassungsfähigkeit an den Geist der Umgebung, in jeder Zeit und an jedem Ort, für den das einzig Beständige der Wandel ist: die nicht veränderbare Veränderung.
- Was soll man von den rachsüchtigen Anselmianern sagen, die so ranzig sind, weil ihre Theorien etwas Neues waren, als meine Ururgroßmutter zum ersten Mal einen Canezou3 trug! Man gehe mit den alten Geschichten der Hippies und Beatniks zur heutigen Jugend von Tiktok und Taylor Swift und wird sehen, wie sie einen wie Außerirdische von einem anderen Stern oder wie Cro-Magnons anschauen, die gerade aus der Höhle gekrochen sind. Und der Marsmenschenzirkel, die privilegierten Köpfe, die dachten, daß sie auf diese Weise die arroganten Gelüste der reichen und rassistischen deutschen Progressiven und des anderen globalistischen Abschaums mit einer solchen Kindergartenpolitik befriedigen könnten, wo diese den Hauptpreis wollen, nämlich den Zusammenbruch der hierarchischen Kirche und damit auch der Machtbasis des derzeitigen Papstes: Wenn sie den Löwenanteil bekommen können, warum sollten sie sich mit einer Spielerei zufriedengeben?
Offensichtlich genügte es nicht, daß Franziskus mit dem Desaster und dem Chaos, das durch Traditionis custodes verursacht wurde, in der Luft hing. Er sah sich genötigt, seine Autorität vor allen, vor allem aber gegenüber seinem eigenen widerspenstigen Volk, mittels eines Chirographs an die Petrusbruderschaft zu behaupten, um eine explosive Situation zu entschärfen, die durch die Partikularinteressen und Streitigkeiten seiner unmittelbaren Mitarbeiter in einem Bereich verursacht wurde, an dem er selbst nie wirkliches Interesse zeigte und in dem er aus seiner Sicht nichts Positives erreichen konnte, weder in der Regierung noch im öffentlichen Ansehen.
Und nun diese neue Liturgiekonstitution wenige Monate nach der Katastrophe von Fiducia supplicans, wo Tucho Fernández Bergoglio in das Schwimmbecken springen ließ, ohne sich vorher zu vergewissern, ob überhaupt Wasser drinnen war! Franziskus holte sich einen so heftigen Schlag auf den Kopf, weil es eine so tiefgreifende Ablehnung eines Papstes durch die kirchliche Hierarchie seit dem Konziliarismus des 15. Jahrhunderts nicht mehr gegeben hat und er damit in die Kirchengeschichte eingehen wird. In ganz Afrika, in weiten Teilen Asiens und Amerikas und sogar in den Niederlanden gibt es Bischöfe, die sich weigern, das kurze Dokument zu schlucken, das von einem Theologen aus der vierten Reihe in den Sand gesetzt worden war. Das folgende Ungehorsamsspektakel, nicht nur seiner Gegner, sondern auch jener, die bisher zu den Seinen gezählt wurden und die nicht einmal den Anschein erweckten, ihm ungehorsam sein zu wollen, ließen ihn zum Gespött der Welt werden. Wenn das öffentlich geschieht, was werden diese Hierarchen erst hinter seinem Rücken tun? Wieder einmal mußte das Feuer durch das persönliche Eingreifen von Franziskus gelöscht werden, um die Revolte zu stoppen, wenn dies nur mehr auch mit weniger Schwung als früher gelungen ist.
Aus all diesen Gründen ergibt sich, daß wir in eine neue Phase eines „vakanten Stuhls“ mit einem isolierten Papst eintreten, der von den verschiedenen Fraktionen seines magischen Zirkels kontrolliert und manipuliert wird und völlig in ihrer Hand ist. Er bestimmt nicht mehr die Agenda, sondern wird von ihnen bestimmt, auch wenn er das Gegenteil glaubt und glauben machen will.
Er wird jetzt als Marionette benutzt, deren Fäden geschickt gezogen werden und die dazu gebracht wird, alles zu unterschreiben, was seine Befürworter interessiert, solange er glaubt, am Ruder zu sein… Es ist eine alte kuriale Taktik, die Manien und Vorurteile des Souveräns geduldig mit Einflüsterungen in seinem Ohr zu kultivieren, um ihn von dem abzulenken, was wirklich von Interesse ist. Man hat ihm sogar eingeredet, daß sein Leben in Gefahr sei, weshalb er in der Öffentlichkeit eine kugelsichere Westen trägt (deshalb sieht er so dick aus; es ist nicht nur die römische Pasta), um ihn paranoid zu machen, während alle nur darauf warten, daß die Natur ihre unabänderliche biologische Arbeit tut.
Der Beweis dafür, daß diese Entscheidungen nicht langfristig vom Papst selbst durchdacht sind und auch nicht Teil seiner Pläne waren, sondern daß er von seinen Handlangern unter Ausnutzung einer Schwäche dazu gezwungen wurde, findet sich in der Apostolischen Konstitution Praedicate Evangelium, in der er Traditionis custodes widerspricht, indem er zu einem Zeitpunkt von der nicht mehr existierenden Kommission Ecclesia Dei und ihren Befugnissen spricht, als die überlieferte Messe bereits unterdrückt und eingeschränkt war. Ein so krasser Fehler in einem Text, der von seinen Hauptbefürwortern bis ins letzte Komma überprüft wurde, ergibt ohne die These von einem alten gelenkten Papst keinen Sinn.
Fazit
Es gibt eine Prophezeiung Christi, die sich bei Petrus und seinen Nachfolgern immer buchstabengetreu erfüllt, so wie sie gegeben wurde. Sie steht im Johannesevangelium: „Amen, amen, das sage ich dir: Als du noch jung warst, hast du dich selbst gegürtet und konntest gehen, wohin du wolltest. Wenn du aber alt geworden bist, wirst du deine Hände ausstrecken und ein anderer wird dich gürten und dich führen, wohin du nicht willst“ (Joh 21,18).
Der derzeitige Pontifex ist bereits 87 Jahre alt, und auch wenn er es nicht wahrhaben will, schwinden seine Kräfte, sein Geist läßt nach und sein Körper wird von Tag zu Tag schwächer. Er ist zunehmend auf unterstützende Hände und Helfer angewiesen, die ihrerseits für ihre Pläne auf seine Autorität angewiesen sind. Viele seiner vermeintlichen Unterstützer und treuesten Gehilfen sehen, daß die Zeit gegen sie läuft, und versuchen, die letzten Momente zu nutzen, um ihre Pläne für die Zukunft voranzutreiben, auch dann, wenn ihre Maßnahmen sogar den Interessen ihres Chefs zuwiderlaufen. Kurz gesagt: Sie sind von Dienern von Franziskus dazu übergegangen, sich seiner zu bedienen. Er ist noch ein nützliches Instrument, das weggeworfen wird, sobald er in die Grube fällt.
Welches Interesse kann der Papst, der bereits von Fiducia supplicans und der Reaktion darauf getroffen ist, daran haben, einen noch größeren Brand zu provozieren, den seine Feinde ausnutzen werden, um sich an ihm zu rächen und seine Autorität in der letzten Phase seines Pontifikats zu beenden, und zwar zu einem Thema, das so gar nicht zu ihm paßt, anstatt sich dem heißen Eisen seiner Nachfolge zu stellen, dem wahren Schlachtfeld der Macht?
Welches Interesse hat der Pontifex daran, in seinen letzten Jahren zu verbittern, indem er vom Hauptthema ablenkt und Gründe liefert, um seine Macht zu untergraben, indem er Maßnahmen ergreift, von denen er weiß, daß sie niemand mehr vollständig umsetzen wird, weil alle schon mit Argwohn den Blick auf den nächsten Inhaber des Stuhls Petri richten und niemand es sich mit diesem durch irgendwelchen Radikalismus schon jetzt vertun will?
Welches Interesse kann Bergoglio daran haben, eine Maßnahme zu ergreifen, die sein öffentliches Image und das der angeblichen synodalen Kirche versinken läßt, die Märtyrer in Hülle und Fülle schafft und ein heroisches, gegenkulturelles und rebellisches Bild des Traditionalismus vermittelt, das durch seine Symbolik ein mächtiges Banner gegen ihn schafft, indem es ihn als Tyrannen und Diktator zeigt und es für ihn nichts zu gewinnen, aber alles zu verlieren gibt?
Keines.
Hier geht es nur um die Interessen, den Fanatismus und den Dogmatismus einer kleinen Gruppe von Kardinälen, Monsignori und Professoren, die ihre letzte Chance sehen und nutzen wollen, um ihre Pläne durchzusetzen, indem sie den Papst treten, manipulieren und seine Schwäche ausnutzen. Kein seriöser Herrscher in voller Machtfülle würde so etwas Ungeschicktes und Unbeholfenes tun.
Wir sagen: Er verwaltet nicht mehr, sondern wird verwaltet.
Das ist deutlich zu sehen.
Eck*, argentinischer Kolumnist des Blogs von Caminante Wanderer
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Vatican.va (Screenshot)
1 Man denke auch an die Absetzung von Msgr. Kurt Krenn als Bischof von St. Pölten in Österreich.
2 Gemeint ist das Päpstliche Athenaeum Sant’Anselmo in Rom mit seinem Liturgischen Institut.
3 Ein Mitte des 19. Jahrhunderts aufkommendes weibliches Bekleidungsstück für junge Damen.