Francesco Colafemmina über Franziskus, den selbstentblößten Papst

„Mich besorgt nicht das Ende einer Welt, sondern die Kräfte, die die nächste aufbauen werden“


Der Alt­phi­lo­lo­ge, Lite­ra­tur­wis­sen­schaft­ler, Essay­ist und Kul­tur­kri­ti­ker Fran­ces­co Cola­femmi­na, der das Pon­ti­fi­kat von Bene­dikt XVI. als enga­gier­te tra­di­ti­ons­ver­bun­de­ne Stim­me unter­stützt hat­te, erklär­te 2013, unmit­tel­bar nach der Wahl von Papst Fran­zis­kus, sei­nen Rück­zug aus der öffent­li­chen Debat­te und die Schlie­ßung sei­nes Blogs Fides et For­ma. Nun mel­de­te er sich zurück mit einer kur­zen Über­le­gung zum jüng­sten Auf­tritt von Papst Fran­zis­kus im Petersdom.

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Durch sein selbst auf­er­leg­tes Schwei­gen brach­te Cola­femmi­na sei­ne Besorg­nis über die Wahl von Fran­zis­kus und die damit ver­bun­de­ne Rich­tung zum Aus­druck, die die katho­li­sche Kir­che unter dem neu­en Papst ein­ge­schla­gen hat­te. Er erklär­te, nicht län­ger Teil eines Pro­zes­ses sein zu wol­len, den er für pro­ble­ma­tisch hal­te. Sei­ne Ent­schei­dung, zu schwei­gen, wur­de von vie­len als ein Zei­chen des Pro­te­stes und der Ent­täu­schung über die radi­ka­le Rich­tungs­än­de­rung in der Kir­che ver­stan­den, die auf das Pon­ti­fi­kat von Bene­dikt XVI. folg­te. Cola­femmi­na sag­te damals: „Alles, wofür wir bis­her gekämpft und was wir im vori­gen Pon­ti­fi­kat unter­stützt haben, war ver­ge­bens“.
Seit­her war sein publi­zi­sti­sches Schaf­fen umso frucht­ba­rer. Zu sei­nen jüng­sten Büchern gehö­ren: „La demo­cra­zia di Ate­ne. Sto­ria di un mito“ („Die Demo­kra­tie von Athen. Geschich­te eines Mythos“, 2020); „Enig­ma Lao­coon­te“ („Das Lao­ko­on-Rät­sel“, 2021), die Über­set­zung des Buches von Ili­as Vene­zis: „Il nume­ro 31328. Il libro del­la schia­vitù“ („Num­mer 31328. Das Buch der Skla­ve­rei“, 2022), jüngst „Sal­via­mo i clas­si­ci“ („Ret­ten wir die Klas­si­ker. Die grie­chi­sche und römi­sche Kul­tur: Licht für den Men­schen in einer dunk­len Epo­che“, 2024) und ande­re mehr.
Nach dem jüng­sten Auf­tritt von Fran­zis­kus in schwar­zen Hosen und einem Pon­cho, ohne die gering­sten Zei­chen sei­ner päpst­li­chen Wür­de, ohne wei­ßes Gewand, ohne Brust­kreuz und ohne Fischer­ring, mel­de­te sich Fran­ces­co Cola­femmi­na mit kur­zen Über­le­gun­gen wie­der zu Wort:

Ist der Mensch durch seinen Willen der Institution überlegen, die er verkörpert?

Von Fran­ces­co Colafemmina

Abge­se­hen davon, daß nie­mand sei­nen kran­ken Groß­va­ter in einem Kran­ken­hemd und einer Decke her­um­füh­ren wür­de und daß die Ver­ant­wor­tung für die­se Zur­schau­stel­lung daher bei denen liegt, die sich bereit erklärt haben, Fran­zis­kus auf die­se Wei­se her­um­zu­fah­ren, bleibt noch ein gro­ßes The­ma: das The­ma der Insi­gni­en und der Würde.

Ist der Mensch durch sei­nen Wil­len der Insti­tu­ti­on, die er ver­kör­pert, über­le­gen? Kann er sich nach Belie­ben der Insi­gni­en sei­ner Wür­de berau­ben und die­se damit als nutz­lo­sen Flit­ter präsentieren?

Wer ist ver­ständ­li­cher: das Ober­haupt einer tau­send­jäh­ri­gen Insti­tu­ti­on, das im Zen­trum der Katho­li­zi­tät in Hose und Pon­cho her­um­ge­führt wird, oder sei­ne Vor­gän­ger, die das Lei­den zeig­ten, ohne auf die Insi­gni­en ihrer Wür­de zu verzichten?

Liegt nicht ein sub­ti­ler Nihi­lis­mus dar­in, die Digni­tas und ihre Insi­gni­en als etwas Unbe­deu­ten­des und Unwe­sent­li­ches zu betrach­ten, gera­de von Sei­ten derer, die ohne Digni­tas und ohne Insi­gni­en nicht in ihre Posi­ti­on hät­ten auf­stei­gen können?

Wir erle­ben das Ende einer Welt, das Ende von Sym­bo­len und Macht­struk­tu­ren, das Ende eines Men­schen­bil­des und sei­ner idea­len Bezü­ge. Ehr­lich gesagt, beun­ru­higt mich nicht der Motus in fine velo­ci­or des Endes einer Welt, son­dern die Art der Kräf­te, die die näch­ste auf­bau­en werden.

Über­set­zung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: MiL

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Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

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