
(Rom) Eine Gruppe namhafter, katholischer Intellektueller klagt Papst Franziskus der Häresie an und dokumentiert die Anschuldigung detailliert. Umstritten ist, was aber mit einem häretischen Papst geschehen soll. Das Kirchenrecht zeigt dafür keinen klaren Rechtsweg auf. Die Frage, was mit einem häretischen Papst zu geschehen habe, wurde zwar im Laufe der Geschichte mehrfach erörtert, wirft aber eine Reihe von Vorfragen auf, deren verbindliche Klärung alles andere als leicht scheint.
Diese Unsicherheit erklärt bis zu einem bestimmten Grad die Verunsicherung, die Papst Franziskus in der Kirche auslöst, auch im hohen Klerus. Damit sind nicht seine Parteigänger gemeint, sondern die breite Masse der Bischöfe, die irgendwo zwischen den drei jüngsten Päpsten Johannes Paul II., Benedikt XVI. und Franziskus angesiedelt sind. Klarer fällt die Positionierung jenen gar nicht so kleinen Teilen der Kirche, die sich nach wie vor – oder vielleicht erst recht oder wieder – an Benedikt XVI. ausrichten.
Der deutsche Papst, der vor mehr als sechs Jahren seinen Amtsverzicht bekanntgab und vollzog, ist der große Zeuge des ihm nachfolgenden Pontifikats, mit dem die Krise die höchste kirchliche Autorität erfaßt hat. Auf den Philosophen und den Theologen folgte der Politiker auf dem Papstthron.
Die Frage steht seit heute im Raum: Ist Papst Franziskus ein Häretiker?
Eine der Vorfragen zu dieser erschütternden Kernfrage lautet: Wer kann und soll in der Kirche klären und feststellen, daß Franziskus ein Häretiker ist? In der Kirche gibt es keine Institution, die kanonisch für einen solchen Fall zuständig ist. Damit ist auch schon das Dilemma umschrieben, das zur Tragödie werden kann, wenn der inkriminierte Papst sich uneinsichtig zeigen sollte.
Vorerst, so die Intention der 20 katholischen Intellektuellen, die mit ihrem Namen den Häresievorwurf erheben, geht es darum, im Kardinalskollegium, im Episkopat, im Klerus und unter den katholischen Gläubigen das Bewußtsein für das bisher Undenkbare zu schaffen, daß ein Papst zum Häretiker werden kann. Eine ausreichende Sensibilisierung könnte dann auch die nötigen Wege aufzeigen.
Daher läßt sich die Frage vorerst leichter und unverfänglicher einer anderen „Institution“ stellen.
Fragt man Google, beispielsweise auf italienisch, der informellen Sprache der Kirche, ob Papst Franziskus ein Häretiker ist, liefert die Suchmaschine in nur 0,48 Sekunden sagenhafte 2.040.000 Ergebnisse. Diese Suchabfrage ist zwar nicht wirklich von Belang, aber doch erschreckend und beispiellos.
Sucht man, immer bei Google, nach „Papst Franziskus + Häresien“, diesmal auf englisch, liefert die Suchmaschine von Larry Page und Sergey Brin ganze 2.180.000 in lediglich 0,45 Sekunden.
Das ruft eine ebenso seltsame wie schockierende Episode in Erinnerung, die sich am Beginn des Pontifikats von Papst Franziskus zutrug. Kehren wir kurz zurück zum Jahreswechsel 2013/2014.
Der Papst aus Argentinien hatte bereits seit einem Dreivierteljahr seine Residenz im Gästehaus Santa Marta bezogen, da er den Apostolischen Palast verschmähte. Wer, um bei Google zu bleiben, mit dem Google Translator Bergoglio, den Familiennamen von Franziskus ins Dänische übersetzte, bekam das Wort hævn zu lesen – das heißt „Rache“. Wollte man Bergoglio mit dem Translator aus dem Baskischen in irgendeine andere Sprache übersetzen, lautete das Ergebnis immer „Antichrist“. Im Deutschen sogar „Der Antichrist“.
Hier eine kleine Auswahl, der damals von Katholisches.info überprüften und gespeicherten Ergebnisse:
- Albanisch: Antikrishti
- Bulgarisch: антихрист
- Dänisch: Antikrist
- Deutsch: Der Antichrist
- Englisch: The Antichrist
- Esperanto: le antikristo
- Estnisch: Antichrist
- Finnisch: Antichrist
- Französisch: l’Antéchrist
- Galizisch: O Anticristo
- Griechisch: αντίχριστος
- Haitianisch: antikristyanism a
- Hausa: maƙiyin Kristi
- Hebräisch: אנטיכריסט
- Indonesisch: Antikristus
- Irisch: an Antichrist
- Isländisch: Andkristur
- Italienisch: l’Anticristo
- Katalanisch: l’Anticirst
- Kroatisch: Antikrist
- Lateinisch: Antichristus
- Lettisch: Antikrists
- Litauisch: Antikristas
- Niederländisch: de Antichrist
- Norwegisch: Antikrist
- Polnisch: Antychryst
- Portugiesisch: o Anticristo
- Rumänisch: Antihristul
- Russisch: антихрист
- Schwedisch: Antikrist
- Slowakisch: Antikrist
- Slowenisch: Antichrist
- Spanisch: El Antichristo
- Suahili: Mpinga Kristo
- Tagalog: Ang Antikristo
- Tschechisch: Antikrist
- Türkisch: deccal, şeytan, Hıristiyanlığın Düşmanı (Antichrist, Satan, Feind des Christentums)
- Ungarisch: Az Antikrisztus
- Walisisch: anghrist
- Yoruba: ti Dajjal (Antichrist)
- Zulu: Umphik’ukristu
Da solche Übersetzungsergebnisse nicht „vom Himmel fallen“, muß sie jemand programmiert haben. Die Programmierer der türkischen Übersetzung machten sich besondere Mühe und boten für „Bergoglio“ gleich drei Übersetzungsmöglichkeiten an: „Antichrist“, „Satan“ und „Feind des Christentums“.
Im Frühjahr 2014 nahm Google stillschweigend eine Korrektur vor. Bis heute sind die Hintergründe dieses ungewöhnlichen Vorfalls nicht geklärt. Der Konzern selbst äußerte sich nicht dazu. Ob es sich um einen geschmacklosen „Scherz“ oder gar eine Böswilligkeit von Google-Programmierern handelte, oder um einen (eher unwahrscheinlichen) Hackerangriff auf Google, muß daher offen bleiben.
Davon ganz unabhängig bleibt das verblüffende Zusammentreffen dieses Vorfalls mit der unglaublichen Tatsache, daß der regierende Papst einige Zeit später tatsächlich der Häresie angeklagt wird. Wer hätte dergleichen gegenüber einem früheren Papst für möglich oder notwendig gehalten, geschweige denn ernsthaft und begründet gewagt?
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Google Translator (Screenshot)