Weihbischof Luc De Hovre SJ (1926–2009) und der Niedergang der nordbelgischen Jesuiten in nachkonziliarer Zerrüttung

Nix gesehen, nix gehört, nix gewußt, nix gesagt, nix getan


Msgr. Luc De Hovre SJ war Jesuitenprovinzial und Weihbischof von Mecheln-Brüssel, doch er sah nichts, wußte nichts, sagte nicht, tat nichts.
Msgr. Luc De Hovre SJ war Jesuitenprovinzial und Weihbischof von Mecheln-Brüssel, doch er sah nichts, wußte nichts, sagte nicht, tat nichts.

Von Fer­di­nand Boischot

Anzei­ge

Lukas Alfons De Hov­re wur­de 1926 in Ost­flan­dern in einer kin­der­rei­chen und musi­ka­li­schen katho­li­schen Fami­lie geboren.

1945 trat er in das (inzwi­schen schon lan­ge auf­ge­ge­be­ne) Novi­zi­at des Jesui­ten­or­dens von Dron­gen bei Gent ein. Es folg­te die übli­che Jesuitenausbildung.

Er war Stu­di­en­prä­fekt am Sint-Jan Berch­mans­col­lege in Brüs­sel, wo er einen Schul­chor grün­de­te. Die­ser Schul­chor erreich­te sehr schnell eine hohe Qua­li­tät und bekam, bei den vor­nehm­lich aus eli­tä­ren Fami­li­en stam­men­den Schü­lern gut ver­ständ­lich, einen gro­ßen Ruf. Drei Jah­re nach der Grün­dung (1955) sang der Chor schon am könig­li­chen Hof in Brüssel.

Eine wei­te­re Sta­ti­on war das Sint-Jozefcollege in Turn­hout, wo P. De Hov­re eben­falls einen Chor gründete.

Das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil (1963–1965) ließ, beson­ders auch bei den nord­bel­gi­schen Jesui­ten, gewal­ti­ge revo­lu­tio­nä­re Ten­den­zen aus­bre­chen. Das Novi­zi­at leer­te sich rasant, gut ein Drit­tel der Jesui­ten ver­ließ den Orden und Hals über Kopf wur­den neue Akti­vi­tä­ten angefangen.

Luc De Hov­re wur­de 1970 Direk­tor des Novi­zi­ats und 1975 Pater Pro­vin­zi­al der nord­bel­gi­schen Jesui­ten­pro­vinz. In die­ser Funk­ti­on war er auch eini­ge Jah­re lang der Vor­sit­zen­de der Obe­ren der euro­päi­schen Jesuitenprovinzen.

Er resi­dier­te in Brüs­sel und hat­te mit den erz­bi­schöf­li­chen Dien­sten (ab 1977 mit God­fried Dan­neels) enge Kon­tak­te. Er mach­te vie­le Rei­sen, besuch­te aus­län­di­sche Jesui­ten-Kom­mu­ni­tä­ten und war über die Lage der Jesui­ten und der Kir­che in West­eu­ro­pa bestens informiert.

In die­sen Jah­ren tole­rier­ten die nord­bel­gi­schen Jesui­ten das Wir­ken von P. Luc Ver­stey­len SJ (links­al­ter­na­tiv, Befrei­ungs­theo­lo­gie, Mit­grün­der der Grü­nen-Par­tei AGALEV in Ant­wer­pen, „super­so­zi­al“ und mit Sexu­al­miß­brauch kon­no­tiert), wäh­rend P. Mar­cel Brauns SJ wegen sei­ner flä­mi­schen Gesin­nung exklau­striert (d. h. brot­los auf die Stra­ße gesetzt) wurde.

Die Tri­bu­la­tio­nen und das Wirr­warr unter dem inzwi­schen zere­bral ange­schla­ge­nen Pater Gene­ral Pedro Arru­pe SJ hat De Hov­re sehr genau mit­be­kom­men. Die Ein­set­zung von P. Pao­lo Dez­za SJ durch Papst Johan­nes Paul II. wur­de in der eige­nen nord­bel­gi­schen Zeit­schrift Jezu­ïe­ten sehr knapp und etwas ver­schnupft mitgeteilt.

Die katho­li­sche Kir­che in Flan­dern und die nie­der­län­disch­spra­chi­ge Pasto­ral befan­den sich ab 1966 in einem gewal­ti­gen Nie­der­gang. Die poli­ti­schen Posi­tio­nie­run­gen von Kar­di­nal Sue­n­ens, Erz­bi­schof von Mecheln-Brüs­sel, (Man­de­ment von Mai 1966), wirt­schaft­li­che Pro­ble­me, das Flun­kern mit Links und mit der mar­xi­sti­schen Befrei­ungs­theo­lo­gie in Süd­ame­ri­ka, Des­in­ter­es­se für das eige­ne Volk, die desa­strös enge Ver­bin­dung mit der inhalt­lich inzwi­schen unchrist­lich gewor­de­nen christ­de­mo­kra­ti­schen Chri­ste­li­jke Volks­par­tij (seit 2001: Chri­sten-Demo­cra­tisch en Vlaams) und das Schwei­gen und Nicht­wahr­neh­men der mus­li­mi­schen Mas­sen­ein­wan­de­rung in West- und Nord­brüs­sel hat­ten den größ­ten Teil der Bevöl­ke­rung aus der katho­li­schen Kir­che vertrieben.

1978 wur­de God­fried Dan­neels Erz­bi­schof von Mecheln-Brüs­sel, und schon 1982 wur­de Luc De Hov­re zu sei­nem Weih­bi­schof geweiht mit dem Schwer­punkt Flä­misch-Bra­bant und der Nie­der­län­disch­spra­chi­gen in Brüs­sel. Zudem war er im Erz­bis­tum für die Ordens­ge­sell­schaf­ten und Ordens­nie­der­las­sun­gen zuständig.

Trotz sei­nes Amtes und die­ser nicht gerin­gen Arbeits­be­rei­che ist über die Tätig­keit von Weih­bi­schof De Hov­re sehr wenig bekannt.

Bei gründ­li­cher Recher­che fin­det man die Errich­tung des klei­nen Hör­funk­sen­ders Radio Spes durch De Hov­re, nota­be­ne mit Räum­lich­kei­ten unter der Basi­li­ka von Koe­kel­berg (schon lan­ge wie­der verstummt).

Die Stil­le um die Per­son und das Wir­ken von Msgr. Luc De Hov­re SJ erstaunt, steht es doch im schril­len Kon­trast zu den gewal­ti­gen Skan­da­len und Kata­stro­phen jener Jahre.

Ende der 80er Jah­re wur­de die nord­bel­gi­sche Jesui­ten­pro­vinz wegen des Kin­des­miß­brauch durch einen Jesui­ten­bru­der ver­klagt, der sein Unwe­sen wohl ab 1966 im St.-Johannes-Berchmanskolleg in Brüs­sel, der frü­he­ren Wir­kungs­stät­te von De Hov­re, getrie­ben hatte.

Es gab meh­re­re Zeu­gen­aus­sa­gen, aber das Beson­de­re war: Das unge­sun­de Inter­es­se des Ordens­bru­ders war dem Vize­di­rek­tor der Grund­schu­le (einem Lai­en) auf­ge­fal­len, der es kor­rekt der Direk­ti­on gemel­det hat­te (damals alles Jesui­ten). Die­se bedank­ten sich für den Hin­weis und erklär­ten, daß sie sich um den Fall küm­mern wür­den. Der Vize­di­rek­tor (Laie/​Familienvater) brau­che und sol­le sich, so wur­de ihm ver­si­chert und auf­ge­tra­gen, mit dem Fall nicht mehr beschäf­ti­gen. End­punkt. Alles wur­de ver­tuscht, mund­tot gemacht und am Ende war der Bru­der verstorben.

Die Opfer klag­ten dann aber 1988 und die Jesui­ten gerie­ten ins Kreuz­feu­er. Sie ver­such­ten sich in letz­ter Not zu ret­ten, indem sie dem Vize­di­rek­tor als Bau­ern­op­fer die Schuld(en) zuschoben.

Die Fami­lie des Lai­en-Vize­di­rek­tors war jahr­zehn­te­lang päd­ago­gisch tätig, lokal sehr bekannt und geschätzt, eine wirk­lich christ­lich gepräg­te Fami­lie, die durch die Jesui­ten beson­ders fei­ge und amo­ra­lisch in ihren pädo­phi­len Sumpf hin­ein­ge­zo­gen wur­de. Der Fall sorg­te für gro­ßes Auf­se­hen und wur­de Anfang der 90er Jah­re unter den Brüs­se­ler Fla­men auf den Märk­ten und bei Ver­samm­lun­gen inten­siv diskutiert.

Ein paar Jah­re spä­ter, 1994, wur­de das Reli­gi­ons­un­ter­richts­buch Roeach3 publi­ziert, mit abscheu­li­chen pädo­por­no­gra­phi­schen Abbil­dun­gen und ekel­er­re­gen­den und zu Pädo­sex anre­gen­den Tex­ten. Es gab einen gewal­ti­gen media­len Auf­ruhr, im Par­la­ment wur­de inter­pel­liert und vor der Nun­tia­tur demonstriert.

Zu allen die­sen Fäl­len gab es kei­nen ein­zi­gen Kom­men­tar und kei­ne Akti­vi­tät von De Hovre.

1997 geriet Kar­di­nal Dan­neels dann wirk­lich in Schwie­rig­kei­ten: Die pädo­se­xu­el­len Miß­brauchs­fäl­le Van­der­lyn und Bor­rem­ans (Roger) brach­ten ihn so gut wie ins Gefäng­nis. Sein Kol­le­ge und Weih­bi­schof, Msgr. Paul Lan­neau, opfer­te sich und wur­de verurteilt.

2000 ging der Fall „Anne­ke“ durch die nie­der­län­disch­spra­chi­ge Pres­se und der insti­tu­tio­na­li­sier­te Miß­brauch bei den Broe­ders van Lief­de (wo De Hov­re selbst noch zur Schu­le gegan­gen war) wur­de bekannt. Doch von De Hov­re gab es auch dazu kei­nen Kommentar.

2002 reich­te De Hov­re sein alters­be­ding­tes Rück­tritts­ge­such ein, das sofort ange­nom­men wur­de. Er zog sich zurück in die Kom­mu­ni­tät von Hever­lee bei Löwen, das inzwi­schen zum jesui­ten­ei­ge­nen Alten- und Pfle­ge­heim aus­ge­baut wurde.

20 Jah­re „in Stahl­ge­wit­tern“ und dann: nix gese­hen, nix gehört, nix gewußt, nix gesagt, nix getan und ab ins Senio­ren­klo­ster. Eine sehr dürf­ti­ge Bilanz für einen Bischof.

Bezeich­nend sind 2002 sei­ne Abschieds­wor­te bzw. sein „Auf­trag“ beim letz­ten Besuch bei Radio Spes: „Ger­ne ab und zu ein Lied von Lode­wi­jk de Vocht spielen“.

Lode­wi­jk de Vocht (1887–1977) war sicher ein bra­ver katho­li­scher Kom­po­nist, aber kein musi­ka­li­scher Hoch­flie­ger und bei der in Brüs­sel und Nord­bel­gi­en zutiefst zer­rüt­te­ten Situa­ti­on der moder­nen nach­kon­zi­lia­ren Kir­che war der „Auf­trag“ weder effi­zi­ent noch effektiv.

Par­al­lel mit der nord­bel­gi­schen Kir­che sind auch die dor­ti­gen Jesui­ten unter die Räder gekommen.

Die Nord­bel­gi­sche Pro­vinz fusio­nier­te mit der Nie­der­län­di­schen Pro­vinz und dann wei­ter mit der Mit­tel­deut­schen Pro­vinz und inzwi­schen auch mit der Süd­deut­schen Pro­vinz, der Schwei­zer Pro­vinz, der Öster­rei­chi­schen bzw. Zen­tral­eu­ro­päi­schen Pro­vinz, der Nord­deutsch-Skan­di­na­vi­schen Pro­vinz und der Bri­ti­schen Provinz…

Tabu­la rasa.

Bild: Jezu­ïe­ten uit Vla­an­de­ren (Screen­shot)


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