Von Ferdinand Boischot
Lukas Alfons De Hovre wurde 1926 in Ostflandern in einer kinderreichen und musikalischen katholischen Familie geboren.
1945 trat er in das (inzwischen schon lange aufgegebene) Noviziat des Jesuitenordens von Drongen bei Gent ein. Es folgte die übliche Jesuitenausbildung.
Er war Studienpräfekt am Sint-Jan Berchmanscollege in Brüssel, wo er einen Schulchor gründete. Dieser Schulchor erreichte sehr schnell eine hohe Qualität und bekam, bei den vornehmlich aus elitären Familien stammenden Schülern gut verständlich, einen großen Ruf. Drei Jahre nach der Gründung (1955) sang der Chor schon am königlichen Hof in Brüssel.
Eine weitere Station war das Sint-Jozefcollege in Turnhout, wo P. De Hovre ebenfalls einen Chor gründete.
Das Zweite Vatikanische Konzil (1963–1965) ließ, besonders auch bei den nordbelgischen Jesuiten, gewaltige revolutionäre Tendenzen ausbrechen. Das Noviziat leerte sich rasant, gut ein Drittel der Jesuiten verließ den Orden und Hals über Kopf wurden neue Aktivitäten angefangen.
Luc De Hovre wurde 1970 Direktor des Noviziats und 1975 Pater Provinzial der nordbelgischen Jesuitenprovinz. In dieser Funktion war er auch einige Jahre lang der Vorsitzende der Oberen der europäischen Jesuitenprovinzen.
Er residierte in Brüssel und hatte mit den erzbischöflichen Diensten (ab 1977 mit Godfried Danneels) enge Kontakte. Er machte viele Reisen, besuchte ausländische Jesuiten-Kommunitäten und war über die Lage der Jesuiten und der Kirche in Westeuropa bestens informiert.
In diesen Jahren tolerierten die nordbelgischen Jesuiten das Wirken von P. Luc Versteylen SJ (linksalternativ, Befreiungstheologie, Mitgründer der Grünen-Partei AGALEV in Antwerpen, „supersozial“ und mit Sexualmißbrauch konnotiert), während P. Marcel Brauns SJ wegen seiner flämischen Gesinnung exklaustriert (d. h. brotlos auf die Straße gesetzt) wurde.
Die Tribulationen und das Wirrwarr unter dem inzwischen zerebral angeschlagenen Pater General Pedro Arrupe SJ hat De Hovre sehr genau mitbekommen. Die Einsetzung von P. Paolo Dezza SJ durch Papst Johannes Paul II. wurde in der eigenen nordbelgischen Zeitschrift Jezuïeten sehr knapp und etwas verschnupft mitgeteilt.
Die katholische Kirche in Flandern und die niederländischsprachige Pastoral befanden sich ab 1966 in einem gewaltigen Niedergang. Die politischen Positionierungen von Kardinal Suenens, Erzbischof von Mecheln-Brüssel, (Mandement von Mai 1966), wirtschaftliche Probleme, das Flunkern mit Links und mit der marxistischen Befreiungstheologie in Südamerika, Desinteresse für das eigene Volk, die desaströs enge Verbindung mit der inhaltlich inzwischen unchristlich gewordenen christdemokratischen Christelijke Volkspartij (seit 2001: Christen-Democratisch en Vlaams) und das Schweigen und Nichtwahrnehmen der muslimischen Masseneinwanderung in West- und Nordbrüssel hatten den größten Teil der Bevölkerung aus der katholischen Kirche vertrieben.
1978 wurde Godfried Danneels Erzbischof von Mecheln-Brüssel, und schon 1982 wurde Luc De Hovre zu seinem Weihbischof geweiht mit dem Schwerpunkt Flämisch-Brabant und der Niederländischsprachigen in Brüssel. Zudem war er im Erzbistum für die Ordensgesellschaften und Ordensniederlassungen zuständig.
Trotz seines Amtes und dieser nicht geringen Arbeitsbereiche ist über die Tätigkeit von Weihbischof De Hovre sehr wenig bekannt.
Bei gründlicher Recherche findet man die Errichtung des kleinen Hörfunksenders Radio Spes durch De Hovre, notabene mit Räumlichkeiten unter der Basilika von Koekelberg (schon lange wieder verstummt).
Die Stille um die Person und das Wirken von Msgr. Luc De Hovre SJ erstaunt, steht es doch im schrillen Kontrast zu den gewaltigen Skandalen und Katastrophen jener Jahre.
Ende der 80er Jahre wurde die nordbelgische Jesuitenprovinz wegen des Kindesmißbrauch durch einen Jesuitenbruder verklagt, der sein Unwesen wohl ab 1966 im St.-Johannes-Berchmanskolleg in Brüssel, der früheren Wirkungsstätte von De Hovre, getrieben hatte.
Es gab mehrere Zeugenaussagen, aber das Besondere war: Das ungesunde Interesse des Ordensbruders war dem Vizedirektor der Grundschule (einem Laien) aufgefallen, der es korrekt der Direktion gemeldet hatte (damals alles Jesuiten). Diese bedankten sich für den Hinweis und erklärten, daß sie sich um den Fall kümmern würden. Der Vizedirektor (Laie/Familienvater) brauche und solle sich, so wurde ihm versichert und aufgetragen, mit dem Fall nicht mehr beschäftigen. Endpunkt. Alles wurde vertuscht, mundtot gemacht und am Ende war der Bruder verstorben.
Die Opfer klagten dann aber 1988 und die Jesuiten gerieten ins Kreuzfeuer. Sie versuchten sich in letzter Not zu retten, indem sie dem Vizedirektor als Bauernopfer die Schuld(en) zuschoben.
Die Familie des Laien-Vizedirektors war jahrzehntelang pädagogisch tätig, lokal sehr bekannt und geschätzt, eine wirklich christlich geprägte Familie, die durch die Jesuiten besonders feige und amoralisch in ihren pädophilen Sumpf hineingezogen wurde. Der Fall sorgte für großes Aufsehen und wurde Anfang der 90er Jahre unter den Brüsseler Flamen auf den Märkten und bei Versammlungen intensiv diskutiert.
Ein paar Jahre später, 1994, wurde das Religionsunterrichtsbuch Roeach3 publiziert, mit abscheulichen pädopornographischen Abbildungen und ekelerregenden und zu Pädosex anregenden Texten. Es gab einen gewaltigen medialen Aufruhr, im Parlament wurde interpelliert und vor der Nuntiatur demonstriert.
Zu allen diesen Fällen gab es keinen einzigen Kommentar und keine Aktivität von De Hovre.
1997 geriet Kardinal Danneels dann wirklich in Schwierigkeiten: Die pädosexuellen Mißbrauchsfälle Vanderlyn und Borremans (Roger) brachten ihn so gut wie ins Gefängnis. Sein Kollege und Weihbischof, Msgr. Paul Lanneau, opferte sich und wurde verurteilt.
2000 ging der Fall „Anneke“ durch die niederländischsprachige Presse und der institutionalisierte Mißbrauch bei den Broeders van Liefde (wo De Hovre selbst noch zur Schule gegangen war) wurde bekannt. Doch von De Hovre gab es auch dazu keinen Kommentar.
2002 reichte De Hovre sein altersbedingtes Rücktrittsgesuch ein, das sofort angenommen wurde. Er zog sich zurück in die Kommunität von Heverlee bei Löwen, das inzwischen zum jesuiteneigenen Alten- und Pflegeheim ausgebaut wurde.
20 Jahre „in Stahlgewittern“ und dann: nix gesehen, nix gehört, nix gewußt, nix gesagt, nix getan und ab ins Seniorenkloster. Eine sehr dürftige Bilanz für einen Bischof.
Bezeichnend sind 2002 seine Abschiedsworte bzw. sein „Auftrag“ beim letzten Besuch bei Radio Spes: „Gerne ab und zu ein Lied von Lodewijk de Vocht spielen“.
Lodewijk de Vocht (1887–1977) war sicher ein braver katholischer Komponist, aber kein musikalischer Hochflieger und bei der in Brüssel und Nordbelgien zutiefst zerrütteten Situation der modernen nachkonziliaren Kirche war der „Auftrag“ weder effizient noch effektiv.
Parallel mit der nordbelgischen Kirche sind auch die dortigen Jesuiten unter die Räder gekommen.
Die Nordbelgische Provinz fusionierte mit der Niederländischen Provinz und dann weiter mit der Mitteldeutschen Provinz und inzwischen auch mit der Süddeutschen Provinz, der Schweizer Provinz, der Österreichischen bzw. Zentraleuropäischen Provinz, der Norddeutsch-Skandinavischen Provinz und der Britischen Provinz…
Tabula rasa.
Bild: Jezuïeten uit Vlaanderen (Screenshot)
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