Von Ferdinand Boischot
Emiel Jozef De Smedt wurde 1909 im flämischen Brabant (Belgien) in einer wohlhabenden Brauerfamilie geboren. Sein Vater war dort sehr lange Zeit auch Bürgermeister für die Christdemokraten.
1927 trat De Smedt in das Große Seminar in Mecheln ein und wurde 1933 zum Priester geweiht. Im Anschluß wurde er zwei Jahre zum Studium nach Rom gesandt, wo er den Doktortitel in Philosophie und später auch in Theologie erwarb. Eine schnelle Karriere folgte: Mit 26 Jahren wurde er Professor am Großen Seminar in Mecheln, 1938 Regens und 1940 (mit 32 Jahren!) Präsident des Priesterseminars – alles unter Kardinal Jozef Ernest Van Roey und dem damaligen Generalvikar, dem Brüsseler Léon-Joseph Suenens.
1945 – in Belgien tobte die Repression nach dem Zweiten Weltkrieg mit einer deutlich anti-flämischen und anti-katholischen Tendenz bei gleichzeitigem gewaltigem Schweigen und großer Angst des Episkopats – wurde De Smedt mit 36 Jahren zum Weihbischof für das Erzbistum Mecheln (seit 1961 Erzbistum Mecheln-Brüssel) geweiht.
1951 verstarb in Westflandern (Bistum Brügge) der dortige Bischof Henricus Lamiroy. Lamiroy war gegenüber seinem Klerus und den Gläubigen sehr autoritär, reaktionär und konservativ gewesen. Er hatte eine starke Abneigung gegen Sozialismus, Kommunismus und Freimaurerei und viel Begeisterung für die französische Sprache und für die reiche katholische Tradition in Frankreich. Zugleich stand er der belgischen Kompromißpolitik und den christlichen Gewerkschaftsaktivitäten kritisch und argwöhnisch gegenüber.
Bei Lamiroys Tod war der Klerus im Bistum Brügge in sehr unterschiedliche Fraktionen gespalten. So wurde kurzerhand De Smedt aus dem Erzbistum Mecheln auf den Bischofssitz Brügge pilotiert, wobei zugleich sehr elegant der Weg für Suenens auf den erzbischöflichen Stuhl von Mecheln freigeräumt wurde.
Die Provinz Westflandern war schon immer partikularistisch orientiert: sowohl sprachlich als auch wirtschaftlich und politisch. Bischof De Smedt kam beim Klerus und Volk sehr gut an: Er war flämischer als Lamiroy, weniger autoritär, stand dem Volk näher, war sehr stark mit der Christdemokratie und mit der Politik verbunden und zeigte mehr Interesse und Wohlwollen für die lokalen Gewohnheiten und für äußerliches Auftreten.
Insbesondere beim Ausbau des katholischen Unterrichtswesens und im Kampf für dessen staatliche Subsidierung, was im sogenannten „Schoolstrijd“ (Schulkampf) kulminierte, profilierte sich Bischof De Smedt. Er machte Westflandern zur christlich-demokratischen Bastion (Christelijke VolksPartij CVP) in Belgien, und dies für die nächsten sechs Jahrzehnte.
Unter De Smedt blühte mit bischöflicher Unterstützung und Wohlwollen das katholische Gesellschaftsleben gewaltig auf. Das Große Seminar von Brügge entwickelte sich zum größten Priesterseminar von Belgien. De Smedt weihte in 33 Jahren mehr als 620 Priester, darunter die künftigen Bischöfe Johan Bonny (öffentlich homophil), Godfried Danneels (pädophilievertuschend und bekannt durch seinen verlorenen und wiedergefundenen Ring) und Roger Vangheluwe (pädophiler Bischof super-plus).
Westflandern bzw. das Bistum Brügge als abgeschottete katholische Wagenburg einerseits und die intensive Verbindungsachse zwischen der Katholischen Universität Löwen und dem Bistum und Seminar Brügge werden das kirchliche Leben in Nordbelgien fast 70 Jahre dominieren.
Die enge Verflechtung von Bischof und Bistum mit der Christendemocratie und der lokalen Politik, das Florieren des katholischen Gesellschaftslebens und des Großen Seminars von Brügge kontrastierten stark mit dem restlichen Belgien: Dort hatte seit Mitte der 50er Jahre eine kontinuierliche Erosion des katholischen Milieus eingesetzt (ab 1955 ging die Anzahl der Seminaristen unaufhaltsam und teils rapide zurück, außer in Brügge) .
Das belgisch-katholische christdemokratische Eldorado im Bistum Brügge (Provinz Westflandern) wurde sowohl in Belgien als auch in Rom aufmerksam bemerkt und als pastorales Vorbild dargestellt. Bischof De Smedt bekam so einen speziellen politischen und religiösen Nimbus in einem sich säkularisierenden Land, besonders in Flandern.
De Smedt verbündete sich an erster Stelle mit der christdemokratischen Partei. 1958 ließ er von den Kanzeln verkünden, daß „es eine Sünde wäre, die Christelijke Vlaamse Volksunie zu wählen“, eine Konkurrenzpartei.
1961 verstarb Kardinal Van Roey und Suenens wurde Erzbischof von Mecheln und Kardinal.
Im gleichen Jahr 1958 verstarb Papst Pius XII. Kardinal Roncalli wurde zum Papst Johannes XXIII. gewählt und rief das Zweite Vatikanische Konzil aus.
Bischof De Smedt wurde in die Vorbereitungskommission namens Sekretariat für die Einheit der Christen berufen, obwohl es in Westflandern kaum andere Konfessionen oder Religionen gab.
Die 60er Jahre waren sowohl generell weltlich als auch kirchlich für Belgien eine sehr unruhige und wirre Zeit.
Das Zweite Vatikanische Konzil wurde mit vielen Erwartungen, Hoffnungen, Ängsten, kritischen Bedenken, Vorahnungen und vielen Träumen und Visionen eröffnet – und offensichtlich auch mit nicht geringen üblen Absichten von seiten einiger Teilnehmer.
Pater Sebastian Tromp SJ, von Papst Johannes XXIII. mit der inhaltlichen Vorbereitung des Konzils beauftragt, hatte sorgfältig ein Arbeitsschema ausgearbeitet, um das Ganze in guten Bahnen zu halten.
Bei der ersten Plenumssitzung des Konzils am 19. November 1962 ergriff Bischof De Smedt als Wortführer des Sekretariats für die Einheit der Christen das Wort und hielt eine wortgewaltige feurige Rede zu dem vorgeschlagenen Text „Schrift und Tradition“. Er plädierte für die Eigeninitiative der Konzilsväter und für die Freiheit von Denken und Reden. Daraufhin geriet das Plenum in Wallung.
Johannes XIII. entschied, den von Pater Tromp SJ vorbereiteten Text zurückzuziehen.
Das Konzil wurde rasant rebellischer.
Am 3. Dezember 1962 äußerte Bischof De Smedt vor der Weltöffentlichkeit eine feurige Kritik gegen den „Klerikalismus“ und den „Juridismus“, die seiner Ansicht nach in der Kirche herrschten. Zudem beklagte er sehr scharf ihren „Triumphalismus“ (sic). Seine Auslassungen wurden groß veröffentlicht in Le Monde, vom 4. November 1962.
Das Konzil geriet in die Stromschnellen: Heftige Diskussionen folgten, es wurden vier „Moderatoren“ gewählt, um die Sache zu beruhigen und die Diskussionen zu lenken. Kardinal Suenens wurde natürlich sofort Moderator und das Konzil ging seinen holprigen unguten Lauf.
Die „squadra belga“ (belgische Mannschaft) nahm in der Folgezeit einen sehr starken Einfluß auf das Konzil.
Von De Smedt ist – im Gegensatz zu anderen Belgiern (z. B. Bischof André-Marie Charrue von Namur) – dazu nicht viel bekannt. Er beschäftigte sich hauptsächlich mit Glaubensfreiheit und pastoraler Erneuerung („Gaudium et spes“).
Es fällt auf, daß Bischof De Smedt hinterher kaum etwas Substantielles über das Konzil publiziert hat.
Das Konzil geriet immer mehr in eine Sackgasse mit Streitigkeiten zwischen zwei großen Fraktionen. Das Papstamt wurde beschädigt, wobei besonders der schwache Papst Paul VI. ein jämmerliches Bild abgab. Ziemlich abrupt wurde das Konzil schließlich Ende 1965 abgebrochen und sein Ende dekretiert.
Parallel dazu war in diesen Jahren die politische Lage in Belgien äußerst unruhig geworden: eine langdauernde ökonomische Krise, hohe Arbeitslosigkeit, die Irrungen und Wirrungen und tiefe Frustrationen der Dekolonisierung des Kongo, der aufbäumende Kampf der Flamen für Gleichberechtigung und heftige Parteienkämpfe. Das Land litt unter hochgradiger politischer Instabilität. Dazu kam 1965 das plötzliche liturgische Chaos, die Verwirrung der Gläubigen, die Eskalierung des Vietnamkriegs, das Rebellieren der Jugend und das Einfordern der großwortigen hehren Konzilsideale wie wanderndes Gottesvolk, Liebe, Partizipation, Freiheit, Freude usw…
Die belgischen Bischöfe hatten sich seit 1960 ängstlich neutral ganz aus der Politik herausgehalten.
In der Universitätsstadt Löwen rumorte es ab 1965. Ein niederländisch-französischer Sprachenkonflikt, der einen Kindergarten für Professorenkleinkinder betraf, löste landesweite Tumulte aus und brachte Belgien an den Rand einer Revolution.
Die belgischen Bischöfe, Suenens und De Smedt voran, assoziierten sich komplett mit der belgizistisch-unitaristischen politischen Führung, die den belgischen Einheitsstaat beibehalten wollte.
Am Freitag, 13. Mai 1966, ließen sie, den ganzen „Geist des Konzils“ mit seinen hehren Idealen und schwulstigen Worten vergessend und negierend, das geharnischte „Mandement der belgischen Bischöfe“ veröffentlichen. Sie forderten in militärischer Kommandosprache den hierarchischen Gehorsam der Gläubigen gegenüber den bischöflichen Verordnungen ein.
Flandern kam sofort in Aufruhr.
Die Regierung stürzte zweimal, 1966 und 1968. Die Christdemokraten erlitten gewaltige Verluste. Die erste von einer bis jetzt nicht endenden Serie von Staatsreformen wurde eingeleitet.
Der Kirchgang ging mit einem Schlag um 25% zurück, in dem darauffolgenden Dezennium um 75%.
Die belgischen Bischöfe hatten im Versuch, die Einheit Belgiens zu retten (übrigens mit starker freigeistiger-freimaurerischer Kolorierung), die katholische Kirche in Flandern weggesprengt.
Dort blieben nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil nur kleine Fetzen übrig.
(Fortsetzung folgt.)
Bild: MiL
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Kleiner Fehler: 1961, nicht 1958, verstarb Kardinal Van Roey.
Vielen Dank, wurde korrigiert.