Von Ferdinand Boischot
Louis Mestdagh wurde 1916 in Deinze in Ostflandern, Bistum Gent (Belgien) geboren. Mit etwa 18 Jahren trat er dort bei den Jesuiten ein und wurde in den Niederlanden, Großbritannien und den USA ausgebildet.
Mit einer Filmkamera drehte er dort seinen ersten Film, eine sehr lange Dokumentation über die Sioux-Indianer. Ab 1949 reiste er durch die Welt, mit einem Jeep quer durch Indien, von Kerala zum Himalaya, durch Südamerika und für Belgien selbstverständlich auch durch die Kolonie Belgisch-Kongo.
Der detaillierte, objektive und dementsprechend recht kritische Blick des letzten Films war zugleich das Ende seiner cineastischen Laufbahn: Die belgischen Jesuitenoberen verboten ihm weitere Filme zu machen und weitere Reisen zu unternehmen.
Mestdagh sattelte dann flugs auf die Musik um: Mit Gitarre und Banjo zog er ab 1957 mit selbstkomponierten Liedern, Allerwelttrivialem und seinen Dokumentarfilmen als der „Troebadoer van het Heilig Hart“ (Minnesänger des Heiligen Herzens) durch die flämischen Provinzen. Seine Auftritte als „De Zingende Pater“ waren ein riesiger Erfolg: Pro Jahr gab er in bis zu 200 Pfarrlokalen Auftritte mit Film und Musik. Er wurde im Hörfunk gespielt, sehr schnell auch im staatlichen Fernsehen, es wurden 15 Schallplatten aufgenommen, 10 Filme gedreht… Der nicht geringe Ertrag ging fast ganz in die Missionskasse und in die Kasse des Herz-Jesu-Bundes.
Etwa um 1960 lernte Mestdagh bei seinen Auftritten eine 19 Jahre jüngere Frau (ca. 25 Jahre alt) kennen und es entstand eine nicht nur platonische Verbindung. (Etwas unklar ist, ob es sich um eine Ordensfrau oder Laienschwester mit Kongo-Erfahrung und ohne/mit zeitlichen/ewigen Gelübden handelte.)
1963 wurde die junge Frau schwanger. Das Paar meldete sich bei einer Oberin aus dem Bekanntenkreis, die wohl helfen wollte, aber „das Paar verriet“ (sic die modernistische Kanalpresse). Die junge Frau wurde nach Lille in Nordfrankreich geschickt, wo sie in einem Kloster als Küchenmagd arbeiten sollte. P. Mestdagh wurde gleichzeitig beim Provinzial einbestellt und in der Jesuitenresidenz in Mecheln zwischen Brüssel und Antwerpen festgesetzt.
Mestdagh floh, „entführte seine Frau“ (sic), und das Ehepaar zog sich in die Anonymität der Großstadt Brüssel (einer kleinen Wohnung in Anderlecht) in bitterer Armut zurück. 1966 endete seine Zugehörigkeit zum Jesuitenorden.
Der Skandal war enorm.
Mestdagh und seine Frau wurden von ihren Eltern enterbt, seine Mutter wollte für ihr weiteres Leben nicht mehr mit ihm sprechen, der tiefe Fall des „Troubadours des Heiligen Herzens“ wurde in antiklerikalen Milieus und den Gazetten breit und genüßlich kommentiert.
Zu gleicher Zeit stürmte die ebenfalls belgische, aber französischsprachige Nonne Soeur Sourire („Schwester Lächeln“) mit ihrem Lied „Dominique…nique…nique“ die Charts und verdrängte, geradezu unerhört, als erste für 15 Wochen Elvis Presley von der Spitze der Hitparade in den USA.
Die Verbitterung der nordbelgischen Jesuiten wegen dieser Demütigung durch Mestdagh war enorm.
Die gewaltigen politischen Probleme in Belgien seit 1963, die nachkonziliare Zerstörungswelle, die schweren ökonomischen Probleme ließen den „Troubadour des Heiligen Herzens“ aber bald vollständig in Vergessenheit geraten.
Mestdagh ließ sich einen Bart wachsen, um nicht erkannt zu werden, wurde Lagerarbeiter, Korrektor in einer Druckerei und führte am Ende ein kleines Reisebüro. Schwerpunkt: Kreuzfahrten für Ärzte.
Bei Busreisen schlug er gerne noch einmal, unerkannt, die Gitarre oder Ukulele an.
Es ist bezeichnend für den plötzlichen Zusammenbruch des katholischen Geistes in Flandern, daß Mestdagh seine Vergangenheit auch im engsten Familienkreis sehr lange komplett verschwieg. Als 1978 an dem von Jesuiten geführten St.-Johannes-Berchmans-Kolleg in Brüssel im Fach Geschichte/Gemeinschaftskunde die Geschichte des „Troubadours“ zur Sprache kam, fragte der Lehrer den Gymnasiasten Mestdagh nebenbei, ob jener vielleicht irgendwie verwandt sei. Der Junge fragte zu Hause nach und entdeckte dann, daß es sein Vater war.
Louis Mestdagh starb 2007 mit 91 Jahren, ohne Nachruf durch die Jesuiten.
Der „Troubadour“ ist jetzt fast ganz vergessen, die Vinylplatten kann man im Internet für 0,50 Euro kaufen, seine Kinder sind inzwischen groß und auch beim Fernsehen tätig.
Es blieb trotzdem ein Rest von jesuitischem Stolz: In einem seltenen Interview sagte Mestdagh, daß „die Liedchen natürlich nicht sehr tiefgehend und von großer Intelligenz geprägt waren, aber daß natürlich die Zuhörer auch nicht von hohem Niveau waren“.
Das ist wahrscheinlich wohl richtig, aber es bleibt ein bitterer Geschmack zurück: Den eigenen Zuhörern, auch noch hinterher, in einem Geist von Hochmut und Herablassung zu begegnen ist zutiefst kontraproduktiv für einen nachhaltigen Missionserfolg.
Die totale Zerkrümelung des christlich-demokratischen Milieus in Flandern ist da der beste Beweis.
Bild: Facebook/Youtube (Screenshots)
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