Fragen nach den Herausforderungen von Giuseppe Nardi.
72 Stunden sind seit der Promulgation des Motu proprio Traditionis custodes vergangen. Noch immer halten Priester und Gläubige der Tradition die Luft an. Manche sind sich des Ausmaßes der Katastrophe noch gar nicht bewußt geworden. Was aber bedeutet das neue Gesetz wirklich und welche Konsequenzen sind daraus zu ziehen? Die Gedanken sind zu ordnen und anstehende Fragen zu benennen. An dieser Stelle soll ein Versuch in diese Richtung unternommen werden.
Zunächst zur Frage, was Traditionis custodes wirklich bedeutet. Bei diesem neuen Motu proprio handelt es sich um etwas, das nach acht Jahren des derzeitigen Pontifikats als typisch bergoglianisch bezeichnet werden kann. Papst Franziskus greift massiv ein, wie auch mit Amoris laetitia geschehen, ohne selbst konkrete Schritte zu setzen. Die überläßt er anderen. Es ist derselbe Führungsstil, wie er sich in der Politik zeigt, wenn die Bundesregierung ein Hate-Speech-Gesetz erläßt, das in Wirklichkeit die Meinungsfreiheit knebelt. Die Internetkonzerne als Betreiber von sozialen Netzwerken werden gezwungen, unerwünschte Meinungen zu zensieren. Wenn dann die Bundesregierung gefragt wird, was sie zur Einschränkung der freien Meinungsäußerung sagt, da dieser oder jener gesperrt wurde, tut die Bundesregierung, als wüßte sie von nichts, denn die Sperren und Löschungen seien doch „Sache“ dieser Unternehmen. Das heißt?
Das heißt, daß das neue Motu proprio Traditionis custodes zunächst einen Paradigmenwechsel, einen Bruch im Bruch darstellt: Der Bruch war die Liturgiereform von Annibale Bugnini, die Papst Paul VI. 1969 eingeführt hat. Seither gab es aber kein direktes Gesetz der Weltkirche gegen die Tradition. Es gab nur – wenn auch spät und zögerlich – Schritte der Wiedergutmachung. So geschehen mit dem Motu proprio Ecclesia Dei 1988 und mit dem Motu proprio Summorum Pontificum 2007. Nun aber gibt es ein explizites und direktes Gesetz, ein Gesetz für die ganze Weltkirche, das sich gezielt und bewußt gegen den überlieferten Ritus und die Tradition richtet. Das ist neu, und es ist aussagekräftig für die dahinterstehende Absicht.
Zudem bedeutet das neue Motu proprio:
- Traditionis custodes ist eine Einladung und Aufforderung an die 3.151 Diözesanbischöfe und alle Ordensoberen weltweit, die bestehenden Meßorte der Tradition zu zerschlagen. Franziskus erteilte ihnen den Freibrief dazu.
- Traditionis custodes ist das Verbot, neue Meßorte des überlieferten Ritus zu errichten.
- Traditionis custodes hat die Priester, die bisher im überlieferten Ritus zelebrierten, zu Bittstellern degradiert. Wenn sie weiterhin im überlieferten Ritus zelebrieren möchten, sind sie von der Willkür ihres Bischofs oder Oberen abhängig.
- Traditionis custodes will den Priesternachwuchs für den überlieferten Ritus abwürgen. Jeder Neupriester, der im überlieferten Ritus zelebrieren möchte, braucht eine Sondererlaubnis von Rom. Im Klartext soll eine solche nur mehr eine seltene Ausnahme sein. Da das Motu proprio nicht differenziert, sind auch die Neupriester der Ecclesia-Dei-Gemeinschaften gezwungen, diese Erlaubnis einzuholen.
Papst Franziskus hat die von ihm in den vergangenen Jahren geäußerte Abneigung gegenüber dem überlieferten Ritus in ein Gesetz gegossen.
Für ihn besteht keine Notwendigkeit für den überlieferten Ritus. Wenn es junge Menschen gebe, so Franziskus zum Beispiel gegenüber tschechischen Bischöfen, die sich für ihn interessieren, so könne das nur eine flüchtige „Mode“ sein, die bestimmt sei, sich wieder zu verflüchtigen. Laut Franziskus kann nämlich nicht sein, was nicht sein darf. Insgesamt seien die Vertreter der Tradition ohnehin „Schriftgelehrte“, „Hartherzige“, „Starre“, „Pharisäer“, „Neopelagianer“, „Rückwärtsgewandte“ … Sie seien kurzum so überflüssig wie ein Kropf.
Der von Franziskus praktizierte Führungsstil ist, wie bereits im Zusammenhang mit Amoris laetitia bemerkt wurde, unehrlich. Im Motu proprio nennt er Johannes Paul II. und Benedikt XVI. „meine verehrten Vorgänger“ und begründet seine volle Breitseite gegen die Tradition mit „väterlicher Fürsorge“. Franziskus mag nicht die direkte Konfrontation. Seit Amoris laetitia weiß man, warum: Sie könnte zuviel Widerstand provozieren. Daher wirkt Franziskus bevorzugt hintenherum, gibt die Linie vor, definiert das zu erreichende Ziel, doch die Hände sollen sich andere schmutzig machen. Franziskus will sich nicht festnageln lassen. Er will seine Hände in „Unschuld“ waschen, denn er wird es nicht sein, der einen Meßort aufhebt oder einem Priester die Zelebrationserlaubnis für den überlieferten Ritus entzieht.
Und doch: Er hat in seinem Pontifikat niemand einer so konsequenten Drangsal ausgesetzt und gegen niemand einen so radikalen Schlag ausgeführt als gegen jenen Teil der Tradition, der sich in der vollen Einheit mit Rom befindet. Sein Feindbild ist eindeutig. Es ist nicht die Piusbruderschaft, derer er nicht habhaft wird: Es sind die Ecclesia-Dei-Gemeinschaften, es sind die Diözesan- und Ordenspriester, die durch Benedikt XVI. den überlieferten Ritus entdeckt haben, es sind die Gläubigen der Tradition und es sind vor allem die Seminaristen der Tradition. Die Priesterseminare, ob Wigratzbad, Gricigliano, Courtalain, Denton oder Chéméré-le-Roi, werden im Motu proprio nicht eigens erwähnt, doch das System der „Beauftragten“, in jeder Diözese einer, wie es Artikel 3, Paragraph 4 vorsieht, legt nahe, daß sie im Fokus stehen.
Fragen und Eigendynamiken
Aus den genannten vier Stoßrichtungen des Motu proprio ergeben sich zahlreiche weitere Fragen und Eigendynamiken:
Werden künftige Neupriester der Diözesen und Orden überhaupt einen Antrag an den Bischof stellen, im überlieferten Ritus zelebrieren zu dürfen? Sie wissen schließlich, daß dies gar nicht erwünscht ist und der Bischof sogar beim Heiligen Stuhl nachfragen muß, ehe er die Erlaubnis erteilt. Will ein Neupriester damit seine Priesterlaufbahn beginnen?
Wozu sollte er das tun? Vor allem: Für welchen Meßort sollte er das tun, da diese ja reduziert werden, jedenfalls keine neuen mehr hinzukommen sollen?
Gleiches gilt für die Diözesanpriester, die bisher im überlieferten Ritus zelebrierten. Diese haben es nun schwarz auf weiß, daß ein Beharren auf der Zelebrationserlaubnis karrierehemmend oder gar karrierevernichtend sein wird. Wer wird also noch um diese Erlaubnis ersuchen außer den Neupriestern der Ecclesia-Dei-Gemeinschaften?
Was bedeutet das für die Meßorte?
Die deutschen Bischöfe und ihre Art von „Verständnis und Wertschätzung“
Nehmen wir das Beispiel der Bundesrepublik Deutschland. Es gibt Bistümer, in denen Priester der Ecclesia-Dei-Gemeinschaften wirken, und solche, in denen Diözesanpriester im überlieferten Ritus zelebrieren. Mehr Meßorte dürfen es laut Franziskus nicht mehr werden. Artikel 3, Paragraph 6 von Traditionis custodes ist diesbezüglich eindeutig. Was aber ist mit den bestehenden Meßorten, selbst dann, wenn die Bischöfe die von Rom gewünschte „Überprüfung“ nicht vornehmen sollten? Was ist mit den Bistümern, in denen Diözesanpriester wirken, vorausgesetzt, der Priester darf überhaupt weiterhin im überlieferten Ritus zelebrieren? Was, wenn dieser Priester stirbt oder aus einem anderen Grund ausfällt? Wird der Meßort spätestens dann kassiert? Und die zurückgelassenen Gläubigen?
Das Motu proprio schreibt vor, daß für die Lesungen in der heiligen Messe dasselbe Meßlektionar wie im Novus Ordo verwendet werden muß. In der Bundesrepublik Deutschland wurde ab 2018 ein neues Meßlektionar für die Lesejahre veröffentlicht. Da zeichnen sich zahlreiche Fragen ab, die so manches Problem erzeugen können.
In der Bundesrepublik Deutschland gibt es 27 Diözesen. Nur in sieben Bischofsstädten gibt es einen Meßort einer Ecclesia-Dei-Gemeinschaft: in sechs Bischofsstädten einen der Petrusbruderschaft, in Berlin vom Institut Philipp Neri. Der Hinweis entzaubert die anbiedernde Aussage des scheidenden Distriktoberen der Petrusbruderschaft, das Verhältnis zu den deutschen Bischöfen sei von „Verständnis und Wertschätzung“ geprägt. Die Wirklichkeit sieht anders aus. Die meisten Bischöfe wollen die Petrusbruderschaft nicht in ihrem Bistum, jedenfalls nicht in ihrer Bischofsstadt. Sie beauftragen lieber irgendwen mit der Zelebration im überlieferten Ritus, nur nicht einen Petrusbruder. Und selbst diese beauftragten Diözesanpriester müssen den Dienst teils fast im Verborgenen verrichten, um in ihrem Bistum „überleben“ zu können. Diese Meßorte sind besonders gefährdet. Folgt man der Logik von Traditionis custodes, dann ist ein Meßort, der aufgelassen wird, definitiv verloren. Was hilft also jede Form der Anbiederung?
Was werden die Diözesan- und Ordenspriester, was die Ecclesia-Dei-Gemeinschaften nun tun? Wohin wird sie ihr Weg führen? Werden sie einfach so weitermachen wie bisher? Die Versuchung ist sicher groß, schließlich gehört das Sich-Wegducken quasi zur DNA der organisierten Tradition. Denn mehr als einen geduldeten Status hatte die Tradition in der Kirche seit 1970 nie. Die hohe Zeit des Motu proprio Summorum Pontificum währte gerade einmal fünfeinhalb Jahre, dann begann das Pontifikat von Franziskus.
Die Diözesan- und Ordenspriester, die bisher, vor allem angeregt von Summorum Pontificum, im überlieferten Ritus zelebrierten, stehen für sich allein. Was aber ist mit den Ecclesia-Dei-Gemeinschaften, die nun als Gemeinschaft und in den liturgischen Fragen zwei römischen Kongregationen unterstehen, die der Tradition und dem überlieferten Ritus feindlich gesonnen sind? Die Ordenskongregation ließ, wenn auch bergoglianisch inoffiziell, im Zusammenhang mit der Züchtigung der Franziskaner der Immakulata wissen, daß eine „vorkonziliare“ Gesinnung ganz und gar nicht gehe. An der Gottesdienstkongregation sieht es nicht anders aus. Neuer Sekretär dort ist der Bugnini-Ringträger Vittorio Viola OFM.
Das Motu proprio Traditionis custodes verschärft die Krise. Den Ecclesia-Dei-Gemeinschaften und Einzelpriestern stellt sich die Frage, wie sie sich positionieren. Wird man sich autosuggestiv in den Schlaf wiegen und sich einreden, es sei vielleicht doch „nicht so schlimm“? Beraubt man sich damit selbst der Möglichkeit, zeitgerecht, sofern das überhaupt geht, zu reagieren? Will man nur erdulden, solange es möglich ist, und wenn irgendwann nicht mehr, dann ist halt Schluß, aus, fertig, und man hat eben Pech gehabt? Und die Gläubigen, die verwaist zurückgelassen werden wie im Bistum Dijon?
Welche Autorität?
Damit stellt Traditionis custodes auch die Frage nach der Autorität. Welcher Autorität will man folgen? Ist das Wort des „Diktatorpapstes“, wie ihn Marcantonio Colonna alias Henry Sire nannte, in allem Gesetz? Oder sind Priester und Gläubige in Glaubensfragen nicht einer höheren Autorität verpflichtet? Der Papst ist der Stellvertreter Christi, aber eben nur Sein Stellvertreter. Er ist selbst bei ungesunder Papolatrie nicht die höchste Autorität. Das weiß man in den Ecclesia-Dei-Gemeinschaften natürlich, und das weiß jeder Priester. Wem gehorche ich also mehr? Ist die longa manus des Papstes wichtiger als die „ferne“ Autorität Gottes? Diese und ähnliche Fragen könnten sich schneller stellen als gedacht.
Franziskus hat sein Universalgesetz hinterhältig, eben bergoglianisch angelegt. Die Ecclesia-Dei-Gemeinschaften stehen einem katastrophalen Gesetz gegenüber, aber keinem Augenblick, der sie unmittelbar zu einer Entscheidung zwingt. Sie ahnen, welche Gefahren sich über ihnen zusammenbrauen, aber es besteht scheinbar kein unmittelbarer Handlungsbedarf. Ein Bischof wirft sie raus, doch in anderen Bistümern darf man ja (noch) bleiben. Wird man sich fügen? Läßt man sich stillschweigend und mit zeitversetztem Domino-Effekt dezimieren? Wird jeder Ecclesia-Dei-Priester, der in „seinem“ Bistum noch existieren darf, sich gegen Grundsatzentscheidungen seiner Gemeinschaft wehren, um den ihm zugewiesenen hintersten Schrebergarten nicht zu gefährden?
Noch einmal zu den Bistümern der Bundesrepublik Deutschland: Ein Blick auf die Internetseiten der Niederlassungen der Petrusbruderschaft ist aufschlußreich: „Verständnis und Wertschätzung“, selbst in Bistümern, in denen sie zugelassen ist, sind „so groß“, daß es in manchen abseits der Liturgie kaum Aktivitäten und kein missionarisches Wirken gibt. Die Devise scheint zu lauten: Nur nicht auffallen, immer schön den Kopf einziehen und am besten nicht gesehen werden. Ist das die Freiheit des Glaubens? Ist das die Freiheit des Heiligen Geistes?
Wofür noch Priester weihen?
Für die Ecclesia-Dei-Gemeinschaften stellt sich noch eine ganz andere grundsätzliche Frage: Wofür sollen sie noch Priester weihen? Für welche Meßorte, wenn diese nur noch weniger, aber nicht mehr werden dürfen – Pontifex dixit?
Welche Zukunft haben die Seminaristen und künftigen Neupriester vor sich? Sollen die bestehenden Niederlassungen, solange sie denn noch bestehen, mit Priestern angefüllt werden, die in dieser Zahl dort gar nicht gebraucht werden, weil es weder neue Meßorte noch mehr heilige Messen im überlieferten Ritus geben wird, und die wenigen Aktivitäten noch weniger werden?
Solche Fragen erschrecken? Oh ja, das tun sie. Sie holen auf den Boden der neuen bergoglianischen Wirklichkeit. Sie sollen hier als Provokation gestellt werden, um den Ernst der Lage zu verdeutlichen.
Was besagt der Rückblick auf die vergangenen fünfzig Jahre? Es wurde ausgeharrt, es wurde aufgebaut, oft unter großen Mühen. Wofür? Ein Federstrich des päpstlichen Caudillo stellt alles in Frage. Was können sich Gemeinschaften, Priester und Gläubige von Franziskus noch erwarten? Oder von einem Nachfolger, da Franziskus seit Jahren daran arbeitet, sicherzustellen, daß die von ihm angestoßenen Prozesse von seinem Nachfolger nicht mehr rückgängig gemacht werden können?
Wir kennen die Zukunft nicht und dürfen auf die Vorsehung vertrauen. Eine Entbindung von eigenen Entscheidungen ist das aber nicht. Der einzelne ist immer gefordert. Je mehr er erkennt, desto größer ist die Verantwortung, auch tätig zu werden.
Und die Gläubigen?
Und was ist mit den Gläubigen? Wie die Priester sind auch sie von Franziskus jeder Sicherheit beraubt worden. Jene verhältnismäßige Stabilität, die Benedikt XVI. durch das Motu proprio Summorum Pontificum geschaffen hatte, ist Vergangenheit. Franziskus hat mit seinem Motu proprio Traditionis custodes den überlieferten Ritus nicht abgeschafft und auch keinen einzigen Meßort beseitigt oder eine Zelebrationserlaubnis entzogen. Er hat, so gesehen, nichts getan und doch alles verändert. Das ist es, was an dieser Stelle bereits mehrfach als „bergoglianisch“ bezeichnet wurde. Seit dem 16. Juli ist kein Meßort des überlieferten Ritus mehr sicher, weltweit.
- Es gibt auf dem Erdenrund keine Gläubigen mehr, die sich sicher sein können, daß es ihren Meßort morgen noch gibt, daß sie morgen noch einen Priester haben werden, der die Sakramente in der überlieferten Form spendet und sie seelsorglich betreut.
- Es gibt keinen Priester mehr, der sich sicher sein kann, auch morgen noch öffentlich im überlieferten Ritus zelebrieren zu dürfen.
- Es gibt keine Gemeinschaft der Tradition mehr, die sich in einem Bistum sicher sein kann. Heute vielleicht noch, doch morgen?
Franziskus hat allen, und das entspricht dem erwähnten Führungsstil, das Schwert des Damokles über ihr Haupt gehängt. Sie sollen verunsichert werden, sich unsicher fühlen, in Sorge geraten und darin verharren. Das, so die offenkundige Absicht, soll sie noch gefügiger machen, sie lähmen, sie von Widerstand abschrecken, sie zum vorauseilenden Gehorsam treiben.
Wie können die Gläubigen darauf reagieren? Ist es erlaubt oder gar geboten, darüber nachzudenken, private Kapellen zu errichten, traditionsverbundene Priester zu berufen und eigene Meßorte zu schaffen?
Tatsache ist, daß es eine gar nicht so kleine Schar von „frei flottierenden“ Priestern gibt, sogenannte Clerici vagantes oder zumindest Priester, die keine offiziellen Aufgaben mehr ausüben, weil sie in ihrem Bistum aus diesen verdrängt wurden oder sich zermürbt daraus zurückgezogen haben. Sie stellen ein beachtliches und weitgehend ungenütztes Potential dar.
- Diese Priester werden sich die Frage stellen müssen, ob sie zu Hause bleiben und Wände anstarren oder einen privaten Meßort betreuen wollen.
- Die Gläubigen werden sich fragen müssen, ob sie nicht für solche Priester Meßorte schaffen wollen, um für sich und die Brüder im Glauben einen sicheren Zugang zur heilige Messe und zur seelsorglichen Betreuung zu haben.
Und das Kirchenrecht? Die Zeit verlangt immer wieder Grundsatzentscheidungen, in denen vor dem eigenen Gewissen abgewogen werden muß, welcher Autorität man mehr gehorcht.
Die Piusbruderschaft, die in einer besseren Position ist, übt harte Kritik an Franziskus, betet aber täglich für ihn. Für den Papst und für die Bischöfe beten, aber sich ungerechten Entscheidungen nicht beugen? Ist dem unumgänglichen Grundsatz der einen Kirche und des einen Papstes damit Genüge getan? Ist das ein Weg in die Zukunft auch für die Ecclesia-Dei-Gemeinschaften? Damit müssen wir Katholiken leben. Außenstehenden ist das ohnehin nicht zu vermitteln, denn wie fragte Henryk M. Broder einmal in Richtung Tradition: „Warum wählt ihr euch nicht einen eigenen Papst?“
Der Weg in die Christenverfolgung
Das neue Motu proprio Traditionis custodes und die Corona-Maßnahmen dieser Monate scheint ein inneres Band zu verbinden. Damit ist nicht das Versagen der Kirche in der Corona-Krise gemeint. Gemeint sind die staatlichen Maßnahmen, denen sich die Kirche geradezu willenlos unterworfen hat. Zeitweise wurde, horribile dictu, selbst in Mitteleuropa die öffentliche Messe untersagt. Von dort bis zur offenen Christenverfolgung ist es nur mehr ein kleiner Schritt, da sollte sich niemand falschen Illusionen hingeben. Traditionis custodes bewegt sich im kirchlichen Bereich auf vergleichbarer Ebene wie die Corona-Maßnahmen im weltlichen. Es fehlt jenseits des absoluten Machtanspruchs an einer rationalen Grundlage, die der Überprüfung standhält. Und ja, auch in der Christenverfolgung, zumindest in einem ersten Schritt, können Kirche und Staat durchaus zusammenwirken. Das ist weder ausgeschlossen noch nach machtpolitischen Kriterien ein Widerspruch. Dem Gleichschritt, den Franziskus mit den Mächtigen dieser Welt sucht, entspricht der Gleichschritt im Kampf gegen Andersdenkende.
Die Kirche erlebt seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil in der westlichen Welt, und die ist nun einmal der Träger von Zivilisation und Entwicklung, einen beispiellosen Aderlaß. Die Franziskus-Kirche beschleunigt ihn noch. Wer sich in den Pfarreien umsieht und umhört, erlebt es: Die Corona-Krise hat die Kirchen noch leerer gefegt. Den Bischöfen und ihrem hauptamtlichen Apparat scheint es einerlei. Ihnen ist wichtig, mit der weltlichen Macht im Einklang zu sein. Und die Pfarrer? Die werden ohnehin immer weniger. Kardinal Raymond Burke sagte es im September 2019: „Wer eine ‚andere Kirche‘ will, will keine Priesterberufungen“. Die Meßorte im Novus Ordo schwinden dahin. An immer weniger Orten wird regelmäßig die Messe zelebriert. Sie werden durch Wortgottesdienste oder Wort-Gottes-Feiern ersetzt. Geschäftige Laien freuen sich in ihrem Ego-Trip. Die Gläubigen aber bleiben fern. Und damit es nicht auffällt, werden die Pfarreien zu neuen Einheiten zusammengelegt. Und wenn man will, kann man ohne große Phantasie den Blick in die Zukunft wagen: Wo selbst das nicht mehr hilft, statt zehn Gotteshäusern zumindest eines zu füllen, da wird man morgen den Sonntagsgottesdienst mit den Protestanten zusammenlegen, wie es mancherorts bereits geschieht. Schließlich machen die Protestanten eine vergleichbare Entwicklung durch. Und wo selbst das nicht mehr genügt, könnte eine allgemeine „christliche“ Gegenseitigkeit eingeführt werden, die es Katholiken erlaubt, den Gottesdienst in der nächstgelegenen Freikirche oder in einem Königreichssaal der Zeugen Jehovas zu besuchen. „Warum denn nicht“, wird es dann heißen, denn diese Formel scheint „unschlagbar“.
Die Abrißfahrzeuge werden nicht erst in Stellung gebracht, sie sind längst bei der Arbeit. Der Novus Ordo, die neue profane Weltordnung, an der manche Kräfte so eifrig basteln, will ohnehin den neuen Einheitsmenschen formen, der zur Einheitsrasse amalgamiert in einem Einheitsstaat mit Einheitssprache und Einheitskult lebt. Franziskus versucht seit seinem Amtsantritt sich als Primus inter pares dieses Einheitskultes in Stellung zu bringen, durchaus mit guten Karten, wie es scheint – schließlich existiert keine religiöse Autorität, die an Reichweite mit jener des Papsttums vergleichbar wäre. Das kommt dem Einheitsdenken entgegen und prädestiniert gewissermaßen. Das Einheitsstreben ist der neue sozialistische Traum vom selbstgemachten Paradies auf Erden, der neue Turmbau zu Babel. Es kann kein Zweifel bestehen, daß der Weg derzeit schnurgerade in eine neue Christenverfolgung führt. Und die Verfolger werden sich zum Teil Christen nennen und dadurch große Verwirrung stiften.
Die Verantwortungsträger der Tradition sind nicht zu beneiden. Allerdings ist die Herausforderung, der sie gegenüberstehen – alle, Gemeinschaften, Priester und Gläubige –, nicht gar so außergewöhnlich. Jede Zeit hat ihre Herausforderungen, und meist war keine davon für die Betroffenen angenehm.
Wie immer der Weg auch aussehen mag, den nun die einzelnen in Reaktion auf Traditionis custodes gehen werden: Der schlimmste Weg wäre, den Kopf in den Sand zu stecken, wegzuschauen und nichts zu tun. Vielleicht auch deshalb nichts zu tun, weil man durch Einschüchterung entscheidungsschwach geworden ist.
Unerschütterlich soll für den Papst und die Bischöfe gebetet werden, vor allem aber auch dafür, daß der Herr der Tradition die nötigen Führungsgestalten und Heiligen schenken möge, die sie nun braucht, dringend braucht.
Und abschließend sei an den Aufsatz des so jung verstorbenen Rechtsphilosophen Mario Palmaro vom 9. Oktober 2013 erinnert: „Dieser Papst gefällt uns nicht“.
Bild: exsurgechristianitas.org/Vatican.va/Pro Missa Tridentina/Wikicommons (Screenshots)