Wofür sollen die Ecclesia-Dei-Gemeinschaften noch Priester weihen?

Die Herausforderungen durch das Motu proprio Traditionis custodes


Geht es nach Papst Franziskus soll der überlieferte Ritus verschwinden, langsam oder schnell, aber er soll verschwinden.
Geht es nach Papst Franziskus soll der überlieferte Ritus verschwinden, langsam oder schnell, aber er soll verschwinden.

Fra­gen nach den Her­aus­for­de­run­gen von Giu­sep­pe Nardi.

Anzei­ge

72 Stun­den sind seit der Pro­mul­ga­ti­on des Motu pro­prio Tra­di­tio­nis cus­to­des ver­gan­gen. Noch immer hal­ten Prie­ster und Gläu­bi­ge der Tra­di­ti­on die Luft an. Man­che sind sich des Aus­ma­ßes der Kata­stro­phe noch gar nicht bewußt gewor­den. Was aber bedeu­tet das neue Gesetz wirk­lich und wel­che Kon­se­quen­zen sind dar­aus zu zie­hen? Die Gedan­ken sind zu ord­nen und anste­hen­de Fra­gen zu benen­nen. An die­ser Stel­le soll ein Ver­such in die­se Rich­tung unter­nom­men werden.

Zunächst zur Fra­ge, was Tra­di­tio­nis cus­to­des wirk­lich bedeu­tet. Bei die­sem neu­en Motu pro­prio han­delt es sich um etwas, das nach acht Jah­ren des der­zei­ti­gen Pon­ti­fi­kats als typisch berg­o­glia­nisch bezeich­net wer­den kann. Papst Fran­zis­kus greift mas­siv ein, wie auch mit Amo­ris lae­ti­tia gesche­hen, ohne selbst kon­kre­te Schrit­te zu set­zen. Die über­läßt er ande­ren. Es ist der­sel­be Füh­rungs­stil, wie er sich in der Poli­tik zeigt, wenn die Bun­des­re­gie­rung ein Hate-Speech-Gesetz erläßt, das in Wirk­lich­keit die Mei­nungs­frei­heit kne­belt. Die Inter­net­kon­zer­ne als Betrei­ber von sozia­len Netz­wer­ken wer­den gezwun­gen, uner­wünsch­te Mei­nun­gen zu zen­sie­ren. Wenn dann die Bun­des­re­gie­rung gefragt wird, was sie zur Ein­schrän­kung der frei­en Mei­nungs­äu­ße­rung sagt, da die­ser oder jener gesperrt wur­de, tut die Bun­des­re­gie­rung, als wüß­te sie von nichts, denn die Sper­ren und Löschun­gen sei­en doch „Sache“ die­ser Unter­neh­men. Das heißt?

Das heißt, daß das neue Motu pro­prio Tra­di­tio­nis cus­to­des zunächst einen Para­dig­men­wech­sel, einen Bruch im Bruch dar­stellt: Der Bruch war die Lit­ur­gie­re­form von Anni­ba­le Bug­nini, die Papst Paul VI. 1969 ein­ge­führt hat. Seit­her gab es aber kein direk­tes Gesetz der Welt­kir­che gegen die Tra­di­ti­on. Es gab nur – wenn auch spät und zöger­lich – Schrit­te der Wie­der­gut­ma­chung. So gesche­hen mit dem Motu pro­prio Eccle­sia Dei 1988 und mit dem Motu pro­prio Sum­morum Pon­ti­fi­cum 2007. Nun aber gibt es ein expli­zi­tes und direk­tes Gesetz, ein Gesetz für die gan­ze Welt­kir­che, das sich gezielt und bewußt gegen den über­lie­fer­ten Ritus und die Tra­di­ti­on rich­tet. Das ist neu, und es ist aus­sa­ge­kräf­tig für die dahin­ter­ste­hen­de Absicht.

Zudem bedeu­tet das neue Motu pro­prio:

  • Tra­di­tio­nis cus­to­des ist eine Ein­la­dung und Auf­for­de­rung an die 3.151 Diö­ze­san­bi­schö­fe und alle Ordens­obe­ren welt­weit, die bestehen­den Meß­or­te der Tra­di­ti­on zu zer­schla­gen. Fran­zis­kus erteil­te ihnen den Frei­brief dazu.
  • Tra­di­tio­nis cus­to­des ist das Ver­bot, neue Meß­or­te des über­lie­fer­ten Ritus zu errichten.
  • Tra­di­tio­nis cus­to­des hat die Prie­ster, die bis­her im über­lie­fer­ten Ritus zele­brier­ten, zu Bitt­stel­lern degra­diert. Wenn sie wei­ter­hin im über­lie­fer­ten Ritus zele­brie­ren möch­ten, sind sie von der Will­kür ihres Bischofs oder Obe­ren abhängig.
  • Tra­di­tio­nis cus­to­des will den Prie­ster­nach­wuchs für den über­lie­fer­ten Ritus abwür­gen. Jeder Neu­prie­ster, der im über­lie­fer­ten Ritus zele­brie­ren möch­te, braucht eine Son­der­er­laub­nis von Rom. Im Klar­text soll eine sol­che nur mehr eine sel­te­ne Aus­nah­me sein. Da das Motu pro­prio nicht dif­fe­ren­ziert, sind auch die Neu­prie­ster der Eccle­sia-Dei-Gemein­schaf­ten gezwun­gen, die­se Erlaub­nis einzuholen.

Papst Fran­zis­kus hat die von ihm in den ver­gan­ge­nen Jah­ren geäu­ßer­te Abnei­gung gegen­über dem über­lie­fer­ten Ritus in ein Gesetz gegossen.

Für ihn besteht kei­ne Not­wen­dig­keit für den über­lie­fer­ten Ritus. Wenn es jun­ge Men­schen gebe, so Fran­zis­kus zum Bei­spiel gegen­über tsche­chi­schen Bischö­fen, die sich für ihn inter­es­sie­ren, so kön­ne das nur eine flüch­ti­ge „Mode“ sein, die bestimmt sei, sich wie­der zu ver­flüch­ti­gen. Laut Fran­zis­kus kann näm­lich nicht sein, was nicht sein darf. Ins­ge­samt sei­en die Ver­tre­ter der Tra­di­ti­on ohne­hin „Schrift­ge­lehr­te“, „Hart­her­zi­ge“, „Star­re“, „Pha­ri­sä­er“, „Neo­pe­la­gia­ner“, „Rück­wärts­ge­wand­te“ … Sie sei­en kurz­um so über­flüs­sig wie ein Kropf.

Der von Fran­zis­kus prak­ti­zier­te Füh­rungs­stil ist, wie bereits im Zusam­men­hang mit Amo­ris lae­ti­tia bemerkt wur­de, unehr­lich. Im Motu pro­prio nennt er Johan­nes Paul II. und Bene­dikt XVI. „mei­ne ver­ehr­ten Vor­gän­ger“ und begrün­det sei­ne vol­le Breit­sei­te gegen die Tra­di­ti­on mit „väter­li­cher Für­sor­ge“. Fran­zis­kus mag nicht die direk­te Kon­fron­ta­ti­on. Seit Amo­ris lae­ti­tia weiß man, war­um: Sie könn­te zuviel Wider­stand pro­vo­zie­ren. Daher wirkt Fran­zis­kus bevor­zugt hin­ten­her­um, gibt die Linie vor, defi­niert das zu errei­chen­de Ziel, doch die Hän­de sol­len sich ande­re schmut­zig machen. Fran­zis­kus will sich nicht fest­na­geln las­sen. Er will sei­ne Hän­de in „Unschuld“ waschen, denn er wird es nicht sein, der einen Meß­ort auf­hebt oder einem Prie­ster die Zele­bra­ti­ons­er­laub­nis für den über­lie­fer­ten Ritus entzieht. 

Und doch: Er hat in sei­nem Pon­ti­fi­kat nie­mand einer so kon­se­quen­ten Drang­sal aus­ge­setzt und gegen nie­mand einen so radi­ka­len Schlag aus­ge­führt als gegen jenen Teil der Tra­di­ti­on, der sich in der vol­len Ein­heit mit Rom befin­det. Sein Feind­bild ist ein­deu­tig. Es ist nicht die Pius­bru­der­schaft, derer er nicht hab­haft wird: Es sind die Eccle­sia-Dei-Gemein­schaf­ten, es sind die Diö­ze­san- und Ordens­prie­ster, die durch Bene­dikt XVI. den über­lie­fer­ten Ritus ent­deckt haben, es sind die Gläu­bi­gen der Tra­di­ti­on und es sind vor allem die Semi­na­ri­sten der Tra­di­ti­on. Die Prie­ster­se­mi­na­re, ob Wigratz­bad, Gri­ci­glia­no, Cour­ta­lain, Den­ton oder Ché­mé­ré-le-Roi, wer­den im Motu pro­prio nicht eigens erwähnt, doch das System der „Beauf­trag­ten“, in jeder Diö­ze­se einer, wie es Arti­kel 3, Para­graph 4 vor­sieht, legt nahe, daß sie im Fokus stehen.

Das Motu pro­prio Tra­di­tio­nis cus­to­des: Jeder Para­graph ist eine Ohr­fei­ge und soll sich auch so anfühlen.

Fragen und Eigendynamiken

Aus den genann­ten vier Stoß­rich­tun­gen des Motu pro­prio erge­ben sich zahl­rei­che wei­te­re Fra­gen und Eigen­dy­na­mi­ken:

Wer­den künf­ti­ge Neu­prie­ster der Diö­ze­sen und Orden über­haupt einen Antrag an den Bischof stel­len, im über­lie­fer­ten Ritus zele­brie­ren zu dür­fen? Sie wis­sen schließ­lich, daß dies gar nicht erwünscht ist und der Bischof sogar beim Hei­li­gen Stuhl nach­fra­gen muß, ehe er die Erlaub­nis erteilt. Will ein Neu­prie­ster damit sei­ne Prie­ster­lauf­bahn beginnen?

Wozu soll­te er das tun? Vor allem: Für wel­chen Meß­ort soll­te er das tun, da die­se ja redu­ziert wer­den, jeden­falls kei­ne neu­en mehr hin­zu­kom­men sollen?

Glei­ches gilt für die Diö­ze­san­prie­ster, die bis­her im über­lie­fer­ten Ritus zele­brier­ten. Die­se haben es nun schwarz auf weiß, daß ein Behar­ren auf der Zele­bra­ti­ons­er­laub­nis kar­rie­rehem­mend oder gar kar­rie­re­ver­nich­tend sein wird. Wer wird also noch um die­se Erlaub­nis ersu­chen außer den Neu­prie­stern der Eccle­sia-Dei-Gemein­schaf­ten?

Was bedeu­tet das für die Meßorte?

Die deutschen Bischöfe und ihre Art von „Verständnis und Wertschätzung“

Neh­men wir das Bei­spiel der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land. Es gibt Bis­tü­mer, in denen Prie­ster der Eccle­sia-Dei-Gemein­schaf­ten wir­ken, und sol­che, in denen Diö­ze­san­prie­ster im über­lie­fer­ten Ritus zele­brie­ren. Mehr Meß­or­te dür­fen es laut Fran­zis­kus nicht mehr wer­den. Arti­kel 3, Para­graph 6 von Tra­di­tio­nis cus­to­des ist dies­be­züg­lich ein­deu­tig. Was aber ist mit den bestehen­den Meß­or­ten, selbst dann, wenn die Bischö­fe die von Rom gewünsch­te „Über­prü­fung“ nicht vor­neh­men soll­ten? Was ist mit den Bis­tü­mern, in denen Diö­ze­san­prie­ster wir­ken, vor­aus­ge­setzt, der Prie­ster darf über­haupt wei­ter­hin im über­lie­fer­ten Ritus zele­brie­ren? Was, wenn die­ser Prie­ster stirbt oder aus einem ande­ren Grund aus­fällt? Wird der Meß­ort spä­te­stens dann kas­siert? Und die zurück­ge­las­se­nen Gläubigen?

Das Motu pro­prio schreibt vor, daß für die Lesun­gen in der hei­li­gen Mes­se das­sel­be Meß­lek­tio­nar wie im Novus Ordo ver­wen­det wer­den muß. In der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land wur­de ab 2018 ein neu­es Meß­lek­tio­nar für die Lese­jah­re ver­öf­fent­licht. Da zeich­nen sich zahl­rei­che Fra­gen ab, die so man­ches Pro­blem erzeu­gen können.

In der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land gibt es 27 Diö­ze­sen. Nur in sie­ben Bischofs­städ­ten gibt es einen Meß­ort einer Eccle­sia-Dei-Gemein­schaft: in sechs Bischofs­städ­ten einen der Petrus­bru­der­schaft, in Ber­lin vom Insti­tut Phil­ipp Neri. Der Hin­weis ent­zau­bert die anbie­dern­de Aus­sa­ge des schei­den­den Distrikt­obe­ren der Petrus­bru­der­schaft, das Ver­hält­nis zu den deut­schen Bischö­fen sei von „Ver­ständ­nis und Wert­schät­zung“ geprägt. Die Wirk­lich­keit sieht anders aus. Die mei­sten Bischö­fe wol­len die Petrus­bru­der­schaft nicht in ihrem Bis­tum, jeden­falls nicht in ihrer Bischofs­stadt. Sie beauf­tra­gen lie­ber irgend­wen mit der Zele­bra­ti­on im über­lie­fer­ten Ritus, nur nicht einen Petrus­bru­der. Und selbst die­se beauf­trag­ten Diö­ze­san­prie­ster müs­sen den Dienst teils fast im Ver­bor­ge­nen ver­rich­ten, um in ihrem Bis­tum „über­le­ben“ zu kön­nen. Die­se Meß­or­te sind beson­ders gefähr­det. Folgt man der Logik von Tra­di­tio­nis cus­to­des, dann ist ein Meß­ort, der auf­ge­las­sen wird, defi­ni­tiv ver­lo­ren. Was hilft also jede Form der Anbiederung? 

Was wer­den die Diö­ze­san- und Ordens­prie­ster, was die Eccle­sia-Dei-Gemein­schaf­ten nun tun? Wohin wird sie ihr Weg füh­ren? Wer­den sie ein­fach so wei­ter­ma­chen wie bis­her? Die Ver­su­chung ist sicher groß, schließ­lich gehört das Sich-Weg­ducken qua­si zur DNA der orga­ni­sier­ten Tra­di­ti­on. Denn mehr als einen gedul­de­ten Sta­tus hat­te die Tra­di­ti­on in der Kir­che seit 1970 nie. Die hohe Zeit des Motu pro­prio Sum­morum Pon­ti­fi­cum währ­te gera­de ein­mal fünf­ein­halb Jah­re, dann begann das Pon­ti­fi­kat von Franziskus.

Die Diö­ze­san- und Ordens­prie­ster, die bis­her, vor allem ange­regt von Sum­morum Pon­ti­fi­cum, im über­lie­fer­ten Ritus zele­brier­ten, ste­hen für sich allein. Was aber ist mit den Eccle­sia-Dei-Gemein­schaf­ten, die nun als Gemein­schaft und in den lit­ur­gi­schen Fra­gen zwei römi­schen Kon­gre­ga­tio­nen unter­ste­hen, die der Tra­di­ti­on und dem über­lie­fer­ten Ritus feind­lich geson­nen sind? Die Ordens­kon­gre­ga­ti­on ließ, wenn auch berg­o­glia­nisch inof­fi­zi­ell, im Zusam­men­hang mit der Züch­ti­gung der Fran­zis­ka­ner der Imma­ku­la­ta wis­sen, daß eine „vor­kon­zi­lia­re“ Gesin­nung ganz und gar nicht gehe. An der Got­tes­dienst­kon­gre­ga­ti­on sieht es nicht anders aus. Neu­er Sekre­tär dort ist der Bug­nini-Ring­trä­ger Vitto­rio Vio­la OFM. 

Das Motu pro­prio Tra­di­tio­nis cus­to­des ver­schärft die Kri­se. Den Eccle­sia-Dei-Gemein­schaf­ten und Ein­zel­prie­stern stellt sich die Fra­ge, wie sie sich posi­tio­nie­ren. Wird man sich auto­sug­ge­stiv in den Schlaf wie­gen und sich ein­re­den, es sei viel­leicht doch „nicht so schlimm“? Beraubt man sich damit selbst der Mög­lich­keit, zeit­ge­recht, sofern das über­haupt geht, zu reagie­ren? Will man nur erdul­den, solan­ge es mög­lich ist, und wenn irgend­wann nicht mehr, dann ist halt Schluß, aus, fer­tig, und man hat eben Pech gehabt? Und die Gläu­bi­gen, die ver­waist zurück­ge­las­sen wer­den wie im Bis­tum Dijon?

Welche Autorität?

Damit stellt Tra­di­tio­nis cus­to­des auch die Fra­ge nach der Auto­ri­tät. Wel­cher Auto­ri­tät will man fol­gen? Ist das Wort des „Dik­ta­tor­pap­stes“, wie ihn Mar­can­to­nio Colon­na ali­as Hen­ry Sire nann­te, in allem Gesetz? Oder sind Prie­ster und Gläu­bi­ge in Glau­bens­fra­gen nicht einer höhe­ren Auto­ri­tät ver­pflich­tet? Der Papst ist der Stell­ver­tre­ter Chri­sti, aber eben nur Sein Stell­ver­tre­ter. Er ist selbst bei unge­sun­der Papo­la­trie nicht die höch­ste Auto­ri­tät. Das weiß man in den Eccle­sia-Dei-Gemein­schaf­ten natür­lich, und das weiß jeder Prie­ster. Wem gehor­che ich also mehr? Ist die lon­ga manus des Pap­stes wich­ti­ger als die „fer­ne“ Auto­ri­tät Got­tes? Die­se und ähn­li­che Fra­gen könn­ten sich schnel­ler stel­len als gedacht. 

Fran­zis­kus hat sein Uni­ver­sal­ge­setz hin­ter­häl­tig, eben berg­o­glia­nisch ange­legt. Die Eccle­sia-Dei-Gemein­schaf­ten ste­hen einem kata­stro­pha­len Gesetz gegen­über, aber kei­nem Augen­blick, der sie unmit­tel­bar zu einer Ent­schei­dung zwingt. Sie ahnen, wel­che Gefah­ren sich über ihnen zusam­men­brau­en, aber es besteht schein­bar kein unmit­tel­ba­rer Hand­lungs­be­darf. Ein Bischof wirft sie raus, doch in ande­ren Bis­tü­mern darf man ja (noch) blei­ben. Wird man sich fügen? Läßt man sich still­schwei­gend und mit zeit­ver­setz­tem Domi­no-Effekt dezi­mie­ren? Wird jeder Eccle­sia-Dei-Prie­ster, der in „sei­nem“ Bis­tum noch exi­stie­ren darf, sich gegen Grund­satz­ent­schei­dun­gen sei­ner Gemein­schaft weh­ren, um den ihm zuge­wie­se­nen hin­ter­sten Schre­ber­gar­ten nicht zu gefährden?

Noch ein­mal zu den Bis­tü­mern der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land: Ein Blick auf die Inter­net­sei­ten der Nie­der­las­sun­gen der Petrus­bru­der­schaft ist auf­schluß­reich: „Ver­ständ­nis und Wert­schät­zung“, selbst in Bis­tü­mern, in denen sie zuge­las­sen ist, sind „so groß“, daß es in man­chen abseits der Lit­ur­gie kaum Akti­vi­tä­ten und kein mis­sio­na­ri­sches Wir­ken gibt. Die Devi­se scheint zu lau­ten: Nur nicht auf­fal­len, immer schön den Kopf ein­zie­hen und am besten nicht gese­hen wer­den. Ist das die Frei­heit des Glau­bens? Ist das die Frei­heit des Hei­li­gen Gei­stes?

Meß­or­te des über­lie­fer­ten Ritus in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land – durch Fran­zis­kus in Fra­ge gestellt (Kar­te von Pro Mis­sa Tridentina).

Wofür noch Priester weihen?

Für die Eccle­sia-Dei-Gemein­schaf­ten stellt sich noch eine ganz ande­re grund­sätz­li­che Fra­ge: Wofür sol­len sie noch Prie­ster wei­hen? Für wel­che Meß­or­te, wenn die­se nur noch weni­ger, aber nicht mehr wer­den dür­fen – Pon­ti­fex dixit?

Wel­che Zukunft haben die Semi­na­ri­sten und künf­ti­gen Neu­prie­ster vor sich? Sol­len die bestehen­den Nie­der­las­sun­gen, solan­ge sie denn noch bestehen, mit Prie­stern ange­füllt wer­den, die in die­ser Zahl dort gar nicht gebraucht wer­den, weil es weder neue Meß­or­te noch mehr hei­li­ge Mes­sen im über­lie­fer­ten Ritus geben wird, und die weni­gen Akti­vi­tä­ten noch weni­ger werden?

Sol­che Fra­gen erschrecken? Oh ja, das tun sie. Sie holen auf den Boden der neu­en berg­o­glia­ni­schen Wirk­lich­keit. Sie sol­len hier als Pro­vo­ka­ti­on gestellt wer­den, um den Ernst der Lage zu verdeutlichen.

Was besagt der Rück­blick auf die ver­gan­ge­nen fünf­zig Jah­re? Es wur­de aus­ge­harrt, es wur­de auf­ge­baut, oft unter gro­ßen Mühen. Wofür? Ein Feder­strich des päpst­li­chen Cau­dil­lo stellt alles in Fra­ge. Was kön­nen sich Gemein­schaf­ten, Prie­ster und Gläu­bi­ge von Fran­zis­kus noch erwar­ten? Oder von einem Nach­fol­ger, da Fran­zis­kus seit Jah­ren dar­an arbei­tet, sicher­zu­stel­len, daß die von ihm ange­sto­ße­nen Pro­zes­se von sei­nem Nach­fol­ger nicht mehr rück­gän­gig gemacht wer­den können?

Wir ken­nen die Zukunft nicht und dür­fen auf die Vor­se­hung ver­trau­en. Eine Ent­bin­dung von eige­nen Ent­schei­dun­gen ist das aber nicht. Der ein­zel­ne ist immer gefor­dert. Je mehr er erkennt, desto grö­ßer ist die Ver­ant­wor­tung, auch tätig zu werden.

Und die Gläubigen?

Und was ist mit den Gläu­bi­gen? Wie die Prie­ster sind auch sie von Fran­zis­kus jeder Sicher­heit beraubt wor­den. Jene ver­hält­nis­mä­ßi­ge Sta­bi­li­tät, die Bene­dikt XVI. durch das Motu pro­prio Sum­morum Pon­ti­fi­cum geschaf­fen hat­te, ist Ver­gan­gen­heit. Fran­zis­kus hat mit sei­nem Motu pro­prio Tra­di­tio­nis cus­to­des den über­lie­fer­ten Ritus nicht abge­schafft und auch kei­nen ein­zi­gen Meß­ort besei­tigt oder eine Zele­bra­ti­ons­er­laub­nis ent­zo­gen. Er hat, so gese­hen, nichts getan und doch alles ver­än­dert. Das ist es, was an die­ser Stel­le bereits mehr­fach als „berg­o­glia­nisch“ bezeich­net wur­de. Seit dem 16. Juli ist kein Meß­ort des über­lie­fer­ten Ritus mehr sicher, weltweit. 

  • Es gibt auf dem Erden­rund kei­ne Gläu­bi­gen mehr, die sich sicher sein kön­nen, daß es ihren Meß­ort mor­gen noch gibt, daß sie mor­gen noch einen Prie­ster haben wer­den, der die Sakra­men­te in der über­lie­fer­ten Form spen­det und sie seel­sorg­lich betreut. 
  • Es gibt kei­nen Prie­ster mehr, der sich sicher sein kann, auch mor­gen noch öffent­lich im über­lie­fer­ten Ritus zele­brie­ren zu dürfen. 
  • Es gibt kei­ne Gemein­schaft der Tra­di­ti­on mehr, die sich in einem Bis­tum sicher sein kann. Heu­te viel­leicht noch, doch morgen?

Fran­zis­kus hat allen, und das ent­spricht dem erwähn­ten Füh­rungs­stil, das Schwert des Damo­kles über ihr Haupt gehängt. Sie sol­len ver­un­si­chert wer­den, sich unsi­cher füh­len, in Sor­ge gera­ten und dar­in ver­har­ren. Das, so die offen­kun­di­ge Absicht, soll sie noch gefü­gi­ger machen, sie läh­men, sie von Wider­stand abschrecken, sie zum vor­aus­ei­len­den Gehor­sam treiben.

Wie kön­nen die Gläu­bi­gen dar­auf reagie­ren? Ist es erlaubt oder gar gebo­ten, dar­über nach­zu­den­ken, pri­va­te Kapel­len zu errich­ten, tra­di­ti­ons­ver­bun­de­ne Prie­ster zu beru­fen und eige­ne Meß­or­te zu schaffen?

Tat­sa­che ist, daß es eine gar nicht so klei­ne Schar von „frei flot­tie­ren­den“ Prie­stern gibt, soge­nann­te Cle­ri­ci vagan­tes oder zumin­dest Prie­ster, die kei­ne offi­zi­el­len Auf­ga­ben mehr aus­üben, weil sie in ihrem Bis­tum aus die­sen ver­drängt wur­den oder sich zer­mürbt dar­aus zurück­ge­zo­gen haben. Sie stel­len ein beacht­li­ches und weit­ge­hend unge­nütz­tes Poten­ti­al dar. 

  • Die­se Prie­ster wer­den sich die Fra­ge stel­len müs­sen, ob sie zu Hau­se blei­ben und Wän­de anstar­ren oder einen pri­va­ten Meß­ort betreu­en wollen. 
  • Die Gläu­bi­gen wer­den sich fra­gen müs­sen, ob sie nicht für sol­che Prie­ster Meß­or­te schaf­fen wol­len, um für sich und die Brü­der im Glau­ben einen siche­ren Zugang zur hei­li­ge Mes­se und zur seel­sorg­li­chen Betreu­ung zu haben.

Und das Kir­chen­recht? Die Zeit ver­langt immer wie­der Grund­satz­ent­schei­dun­gen, in denen vor dem eige­nen Gewis­sen abge­wo­gen wer­den muß, wel­cher Auto­ri­tät man mehr gehorcht.

Die Pius­bru­der­schaft, die in einer bes­se­ren Posi­ti­on ist, übt har­te Kri­tik an Fran­zis­kus, betet aber täg­lich für ihn. Für den Papst und für die Bischö­fe beten, aber sich unge­rech­ten Ent­schei­dun­gen nicht beu­gen? Ist dem unum­gäng­li­chen Grund­satz der einen Kir­che und des einen Pap­stes damit Genü­ge getan? Ist das ein Weg in die Zukunft auch für die Eccle­sia-Dei-Gemein­schaf­ten? Damit müs­sen wir Katho­li­ken leben. Außen­ste­hen­den ist das ohne­hin nicht zu ver­mit­teln, denn wie frag­te Hen­ryk M. Bro­der ein­mal in Rich­tung Tra­di­ti­on: „War­um wählt ihr euch nicht einen eige­nen Papst?“

Braucht es bald Kapel­len­wa­gen, wie sie P. Weren­fried van Stra­a­ten nach dem Krieg für die deut­schen Hei­mat­ver­trie­be­nen einsetzte?

Der Weg in die Christenverfolgung

Das neue Motu pro­prio Tra­di­tio­nis cus­to­des und die Coro­na-Maß­nah­men die­ser Mona­te scheint ein inne­res Band zu ver­bin­den. Damit ist nicht das Ver­sa­gen der Kir­che in der Coro­na-Kri­se gemeint. Gemeint sind die staat­li­chen Maß­nah­men, denen sich die Kir­che gera­de­zu wil­len­los unter­wor­fen hat. Zeit­wei­se wur­de, hor­ri­bi­le dic­tu, selbst in Mit­tel­eu­ro­pa die öffent­li­che Mes­se unter­sagt. Von dort bis zur offe­nen Chri­sten­ver­fol­gung ist es nur mehr ein klei­ner Schritt, da soll­te sich nie­mand fal­schen Illu­sio­nen hin­ge­ben. Tra­di­tio­nis cus­to­des bewegt sich im kirch­li­chen Bereich auf ver­gleich­ba­rer Ebe­ne wie die Coro­na-Maß­nah­men im welt­li­chen. Es fehlt jen­seits des abso­lu­ten Macht­an­spruchs an einer ratio­na­len Grund­la­ge, die der Über­prü­fung stand­hält. Und ja, auch in der Chri­sten­ver­fol­gung, zumin­dest in einem ersten Schritt, kön­nen Kir­che und Staat durch­aus zusam­men­wir­ken. Das ist weder aus­ge­schlos­sen noch nach macht­po­li­ti­schen Kri­te­ri­en ein Wider­spruch. Dem Gleich­schritt, den Fran­zis­kus mit den Mäch­ti­gen die­ser Welt sucht, ent­spricht der Gleich­schritt im Kampf gegen Andersdenkende.

Die Kir­che erlebt seit dem Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zil in der west­li­chen Welt, und die ist nun ein­mal der Trä­ger von Zivi­li­sa­ti­on und Ent­wick­lung, einen bei­spiel­lo­sen Ader­laß. Die Fran­zis­kus-Kir­che beschleu­nigt ihn noch. Wer sich in den Pfar­rei­en umsieht und umhört, erlebt es: Die Coro­na-Kri­se hat die Kir­chen noch lee­rer gefegt. Den Bischö­fen und ihrem haupt­amt­li­chen Appa­rat scheint es einer­lei. Ihnen ist wich­tig, mit der welt­li­chen Macht im Ein­klang zu sein. Und die Pfar­rer? Die wer­den ohne­hin immer weni­ger. Kar­di­nal Ray­mond Bur­ke sag­te es im Sep­tem­ber 2019: „Wer eine ‚ande­re Kir­che‘ will, will kei­ne Prie­ster­be­ru­fun­gen“. Die Meß­or­te im Novus Ordo schwin­den dahin. An immer weni­ger Orten wird regel­mä­ßig die Mes­se zele­briert. Sie wer­den durch Wort­got­tes­dien­ste oder Wort-Got­tes-Fei­ern ersetzt. Geschäf­ti­ge Lai­en freu­en sich in ihrem Ego-Trip. Die Gläu­bi­gen aber blei­ben fern. Und damit es nicht auf­fällt, wer­den die Pfar­rei­en zu neu­en Ein­hei­ten zusam­men­ge­legt. Und wenn man will, kann man ohne gro­ße Phan­ta­sie den Blick in die Zukunft wagen: Wo selbst das nicht mehr hilft, statt zehn Got­tes­häu­sern zumin­dest eines zu fül­len, da wird man mor­gen den Sonn­tags­got­tes­dienst mit den Pro­te­stan­ten zusam­men­le­gen, wie es man­cher­orts bereits geschieht. Schließ­lich machen die Pro­te­stan­ten eine ver­gleich­ba­re Ent­wick­lung durch. Und wo selbst das nicht mehr genügt, könn­te eine all­ge­mei­ne „christ­li­che“ Gegen­sei­tig­keit ein­ge­führt wer­den, die es Katho­li­ken erlaubt, den Got­tes­dienst in der nächst­ge­le­ge­nen Frei­kir­che oder in einem König­reichs­saal der Zeu­gen Jeho­vas zu besu­chen. „War­um denn nicht“, wird es dann hei­ßen, denn die­se For­mel scheint „unschlag­bar“.

Die Abriß­fahr­zeu­ge wer­den nicht erst in Stel­lung gebracht, sie sind längst bei der Arbeit. Der Novus Ordo, die neue pro­fa­ne Welt­ord­nung, an der man­che Kräf­te so eif­rig basteln, will ohne­hin den neu­en Ein­heits­men­schen for­men, der zur Ein­heits­ras­se amal­ga­miert in einem Ein­heits­staat mit Ein­heits­spra­che und Ein­heits­kult lebt. Fran­zis­kus ver­sucht seit sei­nem Amts­an­tritt sich als Pri­mus inter pares die­ses Ein­heits­kul­tes in Stel­lung zu brin­gen, durch­aus mit guten Kar­ten, wie es scheint – schließ­lich exi­stiert kei­ne reli­giö­se Auto­ri­tät, die an Reich­wei­te mit jener des Papst­tums ver­gleich­bar wäre. Das kommt dem Ein­heits­den­ken ent­ge­gen und prä­de­sti­niert gewis­ser­ma­ßen. Das Ein­heits­stre­ben ist der neue sozia­li­sti­sche Traum vom selbst­ge­mach­ten Para­dies auf Erden, der neue Turm­bau zu Babel. Es kann kein Zwei­fel bestehen, daß der Weg der­zeit schnur­ge­ra­de in eine neue Chri­sten­ver­fol­gung führt. Und die Ver­fol­ger wer­den sich zum Teil Chri­sten nen­nen und dadurch gro­ße Ver­wir­rung stiften.

Die Ver­ant­wor­tungs­trä­ger der Tra­di­ti­on sind nicht zu benei­den. Aller­dings ist die Her­aus­for­de­rung, der sie gegen­über­ste­hen – alle, Gemein­schaf­ten, Prie­ster und Gläu­bi­ge –, nicht gar so außer­ge­wöhn­lich. Jede Zeit hat ihre Her­aus­for­de­run­gen, und meist war kei­ne davon für die Betrof­fe­nen angenehm.

Wie immer der Weg auch aus­se­hen mag, den nun die ein­zel­nen in Reak­ti­on auf Tra­di­tio­nis cus­to­des gehen wer­den: Der schlimm­ste Weg wäre, den Kopf in den Sand zu stecken, weg­zu­schau­en und nichts zu tun. Viel­leicht auch des­halb nichts zu tun, weil man durch Ein­schüch­te­rung ent­schei­dungs­schwach gewor­den ist. 

Uner­schüt­ter­lich soll für den Papst und die Bischö­fe gebe­tet wer­den, vor allem aber auch dafür, daß der Herr der Tra­di­ti­on die nöti­gen Füh­rungs­ge­stal­ten und Hei­li­gen schen­ken möge, die sie nun braucht, drin­gend braucht.

Und abschlie­ßend sei an den Auf­satz des so jung ver­stor­be­nen Rechts­phi­lo­so­phen Mario Pal­ma­ro vom 9. Okto­ber 2013 erin­nert: „Die­ser Papst gefällt uns nicht“.

Bild: exsurg​e​chri​stia​ni​tas​.org/​V​a​t​i​c​a​n​.​v​a​/​Pro Mis­sa Tridentina/​Wikicommons (Screen­shots)

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