
Gestern wurde vom Heiligen Stuhl bekanntgemacht, daß Papst Leo XIV. den Vorsitz in der Päpstlichen Akademie für das Leben neu vergeben hat. Damit ist Kurienerzbischof Vincenzo Paglia, eine der unsäglichsten Gestalten des bergoglianischen Hofstaates, aus dem aktiven Dienst ausgeschieden und es endet eine turbulente Zeit, die von radikalen Eingriffen und zweifelhaften Richtungsänderungen geprägt war.
Msgr. Paglia, der am 20 April sein 80. Lebensjahr vollendete, konnte aufgrund von Altersbeschränkungen ersetzt werden, aufgrund des Papstwechsels, durch den alle Ämter verfallen, aber auch einfach entlassen werden, aufgrund der zweifelhaften Bilanz seines Wirkens. Wie im Vatikan üblich, finden sich keine offiziellen Hinweise zu den Beweggründen von Leo XIV.
Paglia entstammt der 1968 gegründeten progressiven Gemeinschaft von Sant’Egidio, deren erster geistlicher Assistent er war. Zudem war er im Jahr 2000 auch der erste Bischof, der aus ihren Reihen hervorging. Wo er hingesetzt wurde, hinterließ er ein Durcheinander, entweder in den Finanzen oder in den Inhalten. In seiner Diözese, die er zunächst erhalten hatte, hinterließ er ein großes Finanzloch und ein homoerotisches „Jüngstes Gericht“ in seiner Bischofskirche. Überhaupt war Paglia immer zur Stelle, wenn es darum ging die Homo-Agenda von Franziskus zu verteidigen.
Leo XIV. ernannte nun Msgr. Renzo Pegoraro zum neuen Vorsitzenden der Päpstlichen Akademie für das Leben. Pegoraro war bisher Kanzler der Akademie. Pegoraro ist Jahrgang 1959 und wurde 1989 für seine Heimatdiözese Padua zum Priester geweiht. Er hat ein abgeschlossenes Medizinstudium und eine Facharztausbildung in Chirurgie. Anschließend setzte er seine Studien an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom fort, wo er ein Lizentiat in Moraltheologie erwarb und sich dann an der Katholischen Universität in Mailand in Bioethik spezialisierte. Das Amt des Akademiekanzlers hatte er seit 2011 inne, als seine Ernennung noch unter Benedikt XVI. erfolgte. Seine Arbeit in dieser Funktion wird allgemein anerkannt und geschätzt.
Die erst gestern bekanntgegebene Umbesetzung war bereits am 13. Mai erfolgt. Auf der Internetseite der Akademie findet sich eine kurze Stellungnahme des neuen Vorsitzenden und das Schreiben von Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin, in dem Paglia für seine Dienste für die Akademie, aber auch als Großkanzler des Päpstlichen Theologischen Instituts Johannes Paul II. für Ehe- und Familienwissenschaften gedankt wird.
Paglia war im August 2016, trotz fehlender Kompetenzen, mit diesen beiden Aufgaben betraut worden und steht damit im direkten Zusammenhang mit einem der radikalsten Eingriffe, die Franziskus organisatorisch und inhaltlich vornahm. Mit der Umsetzung des von Franziskus gewünschten Umbaus hatte er Paglia beauftragt.
Beide Institutionen, an deren Schalthebel Paglia damals gesetzt wurde, waren von Johannes Paul II. errichtet worden, um an entscheidenden Fronten, der Verteidigung des ungeborenen Lebens und der Ehe und der Familie, Bollwerke gegen den Zeitgeist zu schaffen. Diese störten jedoch Franziskus, der mehr „Flexibilität“ wollte, um sich mit eben diesem Zeitgeist „auszusöhnen“. Die Lebensrechts- und Abtreibungsfrage stellte er weit zurück, wie er gleich im ersten Jahr seines Pontifikats verkündete, und das 1981 gegründete Päpstliche Institut Johannes Paul II. für Studien zu Ehe und Familie hatte sich den sprichwörtlichen bergoglianischen Zorn zugezogen, als es im Zuge der beiden Familiensynoden 2014/2015 maßgeblichen argumentativen Widerstand gegen die dann im umstrittenen nachsynodalen Schreiben Amoris laetitia niedergeschriebenen Auflockerungen der kirchlichen Ehe- und Morallehre, aber auch der Sakramentenlehre leistete. Die Verteidiger der traditionellen Lehre hatten aus dem Institut entscheidende Schützenhilfe erhalten. Die Antwort von Franziskus darauf war der völlige Umbau des Instituts. Es kam zu Absetzungen und Entlassungen. Das Institut wurde für aufgelöst erklärt, es wurden neue Statuten geschrieben und das Institut unter einem neuen Namen neu gegründet.
Ebenso radikal war der Eingriff an der Päpstlichen Akademie für das Leben. Diese wurde zwar nicht aufgelöst, aber aller Akademiemitglieder wurden – obwohl auf Lebenszeit ernannt – vor die Tür gesetzt. Anschließend ernannt Franziskus auf Vorschlag von Paglia neue Akademiemitglieder, einige der alten wurden übernommen, alle „störenden“ waren abserviert.
Beide Institutionen waren von Franziskus gebrochen worden und Paglia war sein Exekutor gewesen. Weder von der einen noch der anderen Einrichtung kam seither noch irgendein Widerspruch zu den neuen Wegen, die Franziskus beschritt. Um genauer zu sein, kamen aus den beiden Einrichtungen überhaupt keine maßgeblichen Impulse zu umstrittenen Fragen mehr.
Der wendige Paglia präsentierte Franziskus – eine kaum zu glaubende Dreistigkeit – sogar Abtreibungsbefürworter als neue Akademiemitglieder. Die Ernennung einiger konnte durch entsprechenden Protest verhindert werden, andere wurden von Franziskus ernannt und verteidigt, darunter 2022 die der linken Wirtschaftswissenschaftlerin und Adeptin des Weltwirtschaftsforums in Davos Mariana Mazzucato. Franziskus erklärte damals, „mehr Menschlichkeit“ zu wollen und ernannte eine Abtreibungsbefürworterin.
Wer dachte, nun würde Paglia stürzen, sah sich schnell enttäuscht. Franziskus beharrte auf Mazzucato und hielt an Paglia fest. Franziskus war die Einbindung der Leiterin eines Soros-finanzierten Instituts auffällig wichtig. Ungeklärt blieb auch, warum er die Abtreibungsbefürworterin Mazzucato ausgerechnet zum Mitglied der Päpstlichen Akademie für das Leben ernannte. Schließlich gibt es auch die Päpstliche Akademie der Wissenschaften und die Päpstliche Akademie der Sozialwissenschaften. Da Franziskus ein Papst der Gesten war, wollte er dadurch ein Signal senden. An das gläubige Volk sicher nicht.
Paglia konnte, ohne Sanktionen befürchten zu müssen, verbal die Abtreibungsfrage auch öffentlich entsorgen und damit gelegentlich den US-Demokraten im Präsidentschaftswahlkampf Schützenhilfe leisten. Von den Pfeilen, die Paglia gegen Humanae vitae, Familiaris consortio, gegen Benedikt XVI. abschoß, einmal ganz zu schweigen.
Im Zusammenhang mit Paglia und seinem Wirken sprach Erzbischof Carlo Maria Viganò von einer „beschämenden Unterwerfung der Kirche und der kriminellen Politik globalistischer Elite“. Der ehemalige Apostolische Nuntius in den USA wurde für seine Kritik am Pontifikat von Franziskus wenig später exkommuniziert.
Hören wir die Worte, mit denen sich der neue Akademievorsitzende Msgr. Renzo Pegoraro vorstellt:
„Ich danke Papst Leo XIV. für die Ernennung zum Präsidenten der Päpstlichen Akademie für das Leben. Die Arbeit, die in diesen Jahren zusammen mit Seiner Exzellenz Monsignore Vincenzo Paglia und zuvor mit Seiner Exzellenz Monsignore Ignacio Carrasco de Paula geleistet wurde, war faszinierend und anregend, ganz im Sinne der operativen und thematischen Vorgaben des verstorbenen Papstes Franziskus“.
In der Pressemitteilung des vatikanischen Presseamtes heißt es zudem:
„Mit Blick auf die Zukunft unterstreicht Monsignore Renzo Pegoraro die Absicht, ‚in Kontinuität mit den Themen und der Methodik dieser Jahre zu arbeiten und die spezifischen Kompetenzen unserer großen und qualifizierten Gruppe von internationalen und interreligiösen Akademikern zu stärken. Besonders hervorheben möchte ich die Themen der Globalen Bioethik, den Dialog mit den wissenschaftlichen Disziplinen im Sinne des von Papst Franziskus geforderten transdisziplinären Ansatzes, die künstliche Intelligenz und die Biotechnologie sowie die Förderung der Achtung und der Würde des menschlichen Lebens in allen seinen Phasen. Es wird auch wichtig sein, die Arbeit des gesamten Personals der Zentrale, die jetzt im Vatikan-Komplex von St. Callixtus untergebracht ist, zu verbessern.‘“
Das hört sich auf den ersten Blick wenig erfreulich an. Man wird sehen, ob Msgr. Pegoraro jenseits der Höflichkeitsformen imstande sein oder willens sein wird, neue Akzente zu setzen, sich vom Erbe Paglias zu lösen und zum ursprünglichen Auftrag der Akademie für das Leben zurückzukehren. Pegoraros Ernennung kann auch als Rückkehr zur Zeit vor der unsäglichen Paglia-Ära gesehen werden, als Kontinuität also, die vor Paglia anknüpft und die letzten neun Jahre übergeht. Für einen Neuanfang im Sinne der Intention von Johannes Paul II. und Benedikt XVI. wird auch die Kommunikationspolitik der Akademie überdacht werden müssen.
Die Mitteilung des Presseamtes legt zudem hörbaren Wert darauf – indem auf das Alter Paglias verwiesen und die „Wertschätzung“ des neuen Papstes betont wird –, Spekulationen vorzubeugen, Msgr. Paglia könnte von Leo XIV. entlassen worden sein. Doch genau das scheint der Fall zu sein. Laut vatikanischen Quellen war es unter Franziskus kein Thema, Paglia abzulösen. Franziskus ließ auch andere über 80jährige im Amt, wenn diese ihm nahestanden und ihm nützliche Dienste erbrachten. In dieser Hinsicht konnte sich Franziskus auf Paglia verlassen. Weniger verlassen konnten sich hingegen die ungeborenen Kinder, das Lebensrecht und die sichere Ehe- und Morallehre der Kirche.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Avvenire/Pav/MiL (Screenshots)
Ich kann mir diesen Neuanfang nach alldem, was ich hier lese, nicht vorstellen.