(Rom) Papst Franziskus sprach seinen Vorgänger Johannes Paul II. zwar heilig, läßt es aber zu, daß sein Erbe zugleich entsorgt wird. Der Name des polnischen Papstes ist zwar im Päpstlichen Theologischen Institut Johannes Paul II. für Ehe- und Familienwissenschaften noch enthalten – das Johannes Paul II. gegründet hatte –, doch der Geist, in dem es gegründet wurde, wird beseitigt. Am Montag wurde bekannt, daß die römische Bildungskongregation mit päpstlicher Zustimmung neue Statuten für das Institut approbierte.
Im Sommer 2016 entsandte Papst Franziskus Kurienerzbischof Vincenzo Paglia als Großkanzler an das Päpstliche Institut Johannes Paul II. für Studien zu Ehe und Familie, das von Papst Johannes Paul II. 1981 gegründet worden war. Die Gründung war eine direkte Folge der Familiensynode von 1980, die im nachsynodalen Schreiben Familiaris consortio mündete. Aufgabe des Instituts war die Verteidigung und Vertiefung der katholischen Ehe- und Morallehre und das Studium der neuen Herausforderungen für Ehe und Familie in diesem Licht.
Mit der Entsendung Paglias reagierte Papst Franziskus auf den Widerstand, den das Institut gegen den von ihm unterstützten Kurs von Kardinal Walter Kasper zur Aufweichung des Ehesakraments leistete. Einer Anerkennung „light“ von Scheidung und Zweitehe widersetzten sich Direktor Livio Melina und die Dozenten des Instituts in Publikationen. Als Konsequenz wurde das Institut bei der Auswahl der Experten für die Familiensynoden von 2014 und 2015 völlig übergangen. Ausgerechnet die Meinung der zuständigen Fachabteilung des Heiligen Stuhls wollten die päpstlichen Synodenmacher nicht hören – und die Synodenväter sollten sie nicht zu hören bekommen.
Als Papst Franziskus im nachsynodalen Schreiben Amoris laetitia mit einer Fußnote die Lehre von Familiaris consortio zu den sogenannten „wiederverheirateten Geschiedenen“ aus den Angeln hob und gegen alle Widerstände daran festhält, war der Moment der Abrechnung mit dem Institut gekommen.
Dazu entsandte er Msgr. Vincenzo Paglia, einen Vertreter der Gemeinschaft von Sant’Egidio, als neuen Großkanzler, der sofort zur Tat schritt, um das widerspenstige Institut auf Bergoglio-Kurs zu bringen, der „Weiterentwicklung der kirchlichen Morallehre“ genannt wird. Paglia entließ Direktor Melina und krempelte im wahrsten Sinne des Wortes alles um. Dabei geht es nicht nur um die Durchsetzung von Amoris laetitia, sondern auch um die Enzyklika Humanae vitae von Papst Paul VI. aus dem Jahr 1968, die seither bestimmten Kirchenkreisen ein Dorn im Auge ist.
Im Oktober 2016 schrieb Katholisches.info zu Paglias Auftrag:
„Die Kirche als letzte Bastion gegen den dominanten Zeitgeist soll geschleift und diesem Zeitgeist angeglichen werden.“
Eine Reihe von Signalen zeigten an, daß ein rauherer Wind wehte. Die Rede zur Eröffnung des akademischen Jahres 2016/2017 sollte Kardinal Robert Sarah, der Präfekt der Gottesdienstkongregation halten. Kardinal Sarah gehört allerdings einer Sensibilität an, die derzeit im Vatikan nicht Hochkonjunktur hat. Er wurde kurzfristig von Paglia, dem „Mann des Papstes“, der nun das Sagen am Institut hatte, wieder ausgeladen mit der Begründung, daß Papst Franziskus selbst die Rede halten werde. Die ganze Operation wurde von Katholisches.info am 21. Oktober 2016 mit den Worten zusammengefaßt:
„Familiaris Consortio war gestern, heute ist Amoris Laetitia“.
Im September 2017 erfolgte auch eine Namensänderung. Mit dem Motu proprio Summa familiae cura benannte Papst Franziskus das Institut in Päpstliches Theologisches Institut Johannes Paul II. für Ehe- und Familienwissenschaften um. Die Namensänderung schien unbedeutend, signalisierte aber weitere Eingriffe in die Ausrichtung des Instituts, denn das bisherige Institut wurde offiziell aufgelöst und ein neues gegründet. Das Neue sollte mit dem „Alten“ nichts mehr zu tun haben. Auch das ist Teil der Politik „der Gesten“, des regierenden Papstes.
Das neue Institut wurde der Päpstlichen Lateranuniversität eingegliedert und soll künftig auch „den anthropologisch-kulturellen Wandel“ berücksichtigen. Ein Euphemismus, wie Kritiker klagten. War der „anthropologisch-kulturelle Wandel“ bisher Studiengegenstand gewesen, sollte sich nun die kirchliche Morallehre anpassen.
Hatte das Institut bis dahin Widersprüche im neuen Kurs aufgezeigt und Bedenken angemeldet, sollte es seither die umstrittene Lehre von Amoris laetitia fördern und verbreiten.
Paglias Handstreich
In einem Handstreich ließ Kurienerzbischof Vincenzo Paglia nun von Papst Franziskus neue Statuten für das Päpstliche Theologische Institut Johannes Paul II. für Ehe- und Familienwissenschaften approbieren. Verbunden damit sind personelle Säuberungen unliebsamer Dozenten und die Streichung des Faches Moraltheologie aus der Studienordnung.
Die neuen Statuten wurden nicht veröffentlicht, aber am Montag vom derzeitigen Direktor, Msgr. Pierangelo Sequeri, im Osservatore Romano und im Avvenire, der Tageszeitung der Italienischen Bischofskonferenz, vorgestellt.
Im Mai 2018 legte Msgr. Paglia in seiner Funktion als Großkanzler des Instituts einen Entwurf für neue Statuten vor, dessen Hauptmerkmal darin bestand, alle Vollmachten in seinen Händen zu konzentrieren, vor allem auch die Auswahl der Lehrbeauftragten. Damit provozierte er einen Aufstand, da alle Mitspracherechte des Lehrkörpers und des Institutsrates gestrichen werden sollten. Angesichts dieses offenen Widerstandes zog Paglia seinen Entwurf zurück, um einen öffentlichen Skandal zu vermeiden. Statt dessen wurde mit seiner Zustimmung eine Kommission unter dem Vorsitz von Msgr. Sequeri gebildet, die im März 2019 einen eigenen Entwurf vorlegte. Er wurde von den Mitbestimmungsgremien gutgeheißen und an die Bildungskongregation zur Genehmigung weitergeleitet.
Seither hörten die Institutsgremien nichts mehr davon. Dann folgte am Montag überraschend die Bekanntgabe, die Kongregation habe neue Statuten approbiert.
Was Msgr. Sequeri in den genannten Medien vorstellte, erinnert aber weniger an den Instituts-Entwurf, sondern vielmehr an jenen von Msgr. Paglia. Der Großkanzler hatte ohne Wissen der Institutsgremien auch seinen (oder nur seinen?) Entwurf bei der Bildungskongregation eingereicht und mit Hilfe seiner guten Kontakte zu Papst Franziskus dort durchgesetzt. Die Bezeichnung „Handstreich“ ist daher wörtlich zu nehmen.
Paglias Methode
Art und Inhalt der Bekanntgabe der neuen Statuten am Montag verhieß wenig Gutes. Im Anschluß erhielt der gesamte Lehrkörper des Instituts ein Schreiben, mit dem er ausnahmslos suspendiert wurde „bis zur Festlegung der Studienpläne für das kommende Studienjahr“. Den Lehrbeauftragten wurde angekündigt, daß sie innerhalb der nächsten Tage Mitteilung über ihre weitere Verwendung erhalten würden. Ein befremdliches Vorgehen – aber nicht für Paglia.
Ein ähnliche Vorgehensweise hatte Paglia Ende 2016 bereits an der Päpstlichen Akademie für das Leben praktiziert. Alle Mitglieder, obwohl auf Lebenszeit ernannt, wurden vor die Tür gesetzt. Ein Teil der Mitglieder wurde erneut ernannt, der Rest blieb vor der Tür. Durch diese Operation entledigte sich die derzeitige Kirchenführung jener Köpfe, die sich kritisch zum neuen Kurs von Papst Franziskus geäußert hatten oder diesem inhaltlich im Weg standen.
Die Befürchtungen, daß sich Gleiches auch am Päpstlichen Theologischen Institut Johannes Paul II. für Ehe- und Familienwissenschaften wiederholen werde, erwiesen sich schnell als zutreffend. Ein Teil des Lehrkörpers wird gönnerhaft im Amt bestätigt, die noch verbliebenen kritischen Köpfe aber werden entsorgt.
Gestern wurde Msgr. Livio Lelina und P. José Noriega die Entlassung mitgeteilt.
„Vor allem die Torpedierung von Msgr. Melina ist von großer und schwerwiegender Bedeutung“, so Riccardo Cascioli, Chefredakteur der Nuova Bussola Quotidiana.
Die Torpedierung von Msgr. Melina
Msgr. Melina ist der geistige Erbe von Kardinal Carlo Caffarra, auf dessen Idee die Gründung des Päpstlichen Instituts Johannes Paul II. für Studien zu Ehe und Familie 1981 zurückgeht, und der sein erster Direktor war. Kardinal Caffarra verstarb im Herbst 2017 im Konflikt mit dem neuen Kurs von Papst Franziskus. Er war einer der vier Kardinäle, die Dubia (Zweifel) zu Amoris laetitia angemeldet hatten, aber von Franziskus bis heute keine Antwort auf ihre Fragen erhalten haben.
Msgr. Melina gehört zu den international bedeutendsten Moraltheologen und Bioethikern. Mit deutlichen Worten stellte er sich wiederholt den Versuchen in den Weg, die Lehre der Enzyklika Humanae vitae zu ändern und kritisierte in diesem Zusammenhang die Absicht „Paul VI. manipulieren“ zu wollen.
Von 2006–2016, dem Beginn der Operation von Msgr. Paglia, war Msgr. Melina Direktor des Päpstlichen Instituts gewesen. Er war 1982 als Student an das damals neugegründete Institut gekommen, an dem er 1985 promovierte. Da als intellektuelle Hoffnung erkannt, war der damalige Glaubenspräfekt, Joseph Kardinal Ratzinger, persönlich erschienen, um sich die Verteidigung seiner Doktorarbeit über den heiligen Thomas von Aquin anzuhören. Doktorvater und Zweitgutachter waren die späteren Kardinäle Carlo Caffarra und Angelo Scola, beide hintereinander Direktoren des Instituts.
Es verwunderte also nicht, daß Melina 1986 seine Lehrtätigkeit am Institut aufnehmen und 1991 den Lehrstuhl Caffarras übernehmen konnte. 2002 wurde er stellvertretender Direktor und 2006 Direktor des Instituts, das er bis zum 17. August 2016 leitete, bis Papst Franziskus mit Paglia den Umbruch anordnete. Unter Melinas Leitung hatte das Institut seine größte Ausdehnung erreicht mit 3.200 Studenten, davon mehr als 500 in Rom, sechs Abteilungen und weltweit sechs Niederlassungen.
Die tragende Säule der Moraltheologie umstoßen
Im Sommer 2016 wurde der Fundamentaltheologe Msgr. Pierangelo Sequeri zum neuen Direktor ernannt, der bis dahin vor allem als Musiker bekannt war. Msgr. Melina durfte zumindest seinen Lehrstuhl behalten. Er galt weiterhin als tragender Pfeiler der ursprünglichen Institutsidee. Dazu Cascioli:
„Es war klar, daß er die Säule ist, die umzustoßen war, um die ganze Konstruktion zum Einsturz zu bringen.“
Neben den personellen Konsequenzen durch Entlassung der Vertreter der traditionelle Morallehre erfolgten mit den neuen Statuten und der neuen Studienordnung auch inhaltliche Eingriffe. Melinas Lehrstuhl für Moraltheologie, den zuvor Kardinal Caffarra innehatte, wurde ganz gestrichen. Damit sollen die Grundlagen beseitigt werden, auf denen das ganze Gebäude des Studieninstituts für Ehe und Familie steht.
Papst Johannes Paul II. war das von ihm gegründete Institut so wichtig, daß er an den ersten Sitzungen des Institutsrats persönlich teilnahm. Er erkannte die Wurzeln der pastoralen Krise, besonders was die Lehre von Humanae vitae betraf, und der Auflösungserscheinungen der Familie in einer tieferen Krise, welche die Grundlagen der christlichen Anthropologie und der Moraltheologie betraf. Um diese Krise zu überwinden, mußte sich die Kirche dieser Fundamente stärker bewußt werden. Das zu studieren und Vorschläge zu unterbreiten, war die Aufgabe, die er dem Institut anvertraute. Die Humanwissenschaften wie Soziologie, Demographie und Psychologie sollten dabei nicht geringgeschätzt werden. Alles hatte aber der konsequenten Sichtweise eingegliedert zu werden, „die der menschlichen Liebe im Plan Gottes entspricht“, so Cascioli.
Die zweite Entlassung betrifft P. José Noriega, ebenfalls Moraltheologe und vor allem bisher für alle Publikationen des Instituts verantwortlich. Sein jüngstes Handbuch zu Sexualität, Liebe und Fruchtbarkeit (Verlag Cantagalli) ist soeben erschienen. Auch dem Karol-Wojtyla-Lehrstuhl des Instituts sagt Cascioli kein langes Leben voraus. Das Institut selbst könnte sogar ein Auslaufmodell sein. Sein Resümee:
„Mit der Beseitigung von Msgr. Melina und P. Noriega hat Msgr. Paglia dem Institut für Studien zu Ehe und Familie den Gnadenstoß versetzt, und ebenso dem Erbe des heiligen Johannes Paul II., der inzwischen zur Gänze von der Revolution des Franziskus ausgelöscht wurde.“
Text: Giuseppe Nardi
Bild: MiL/NBQ/vatican.va (Screenshot)
Das ist eine absolute Katastrophe, wie konnte nur der Papst Paglia einsetzen?
Weil er es genau so wollte!