Wird Exkommunikation für Abtreibung abgeschafft? Paglia: „Ja, das ist nicht ausgeschlossen“


Papst Franziskus mit Kurienerzbischof Vincenzo Paglia: Exkommunikation latae sententiae für Abtreibung könnte aufgrund des "Fortschritts des Lebens" bald abgeschafft werden.
Papst Franziskus mit Kurienerzbischof Vincenzo Paglia: Exkommunikation latae sententiae für Abtreibung könnte aufgrund des "Fortschritts des Lebens" bald abgeschafft werden.

(Rom) Wird die Exkom­mu­ni­ka­ti­on latae sen­ten­tiae für die Sün­de der Abtrei­bung abge­schafft? „Ja, das ist nicht aus­ge­schlos­sen“, so Kuri­en­erz­bi­schof Vin­cen­zo Paglia, der neue Prä­si­dent der Päpst­li­chen Aka­de­mie für das Leben.
Msgr. Paglia von der Gemein­schaft San­t’E­gi­dio (inter­re­li­giö­se Assi­si-Tref­fen) war bis zum 1. Sep­tem­ber Vor­sit­zen­der des Päpst­li­chen Fami­li­en­ra­tes. Dann wur­de der Fami­li­en­rat auf­ge­löst und der Fach­be­reich Teil des neu­en Dik­aste­ri­ums für die Lai­en, die Fami­lie und das Leben.

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Am 15. August über­trug Papst Fran­zis­kus daher Msgr. Paglia neue Auf­ga­ben­be­reich und mach­te ihn zum Groß­kanz­ler des Päpst­li­chen Insti­tuts Johan­nes Paul II. für Stu­di­en zu Ehe und Fami­lie und zum Prä­si­den­ten der Päpst­li­chen Aka­de­mie für das Leben. Seit­her wer­den bei­de Insti­tu­tio­nen, die sich dem päpst­li­chen Kurs der „neu­en Barm­her­zig­keit“ in Sachen Schei­dung und Abtrei­bung wider­setzt hat­ten, einem radi­ka­len Umbau unter­zo­gen und auf „Berg­o­glio-Kurs“ gebracht (sie­he „Gestürmt und gede­mü­tigt“ – Der Umbau des Insti­tuts Johan­nes Paul II. durch Fran­zis­kus und die „sexu­el­le Revo­lu­ti­on im Vati­kan“ und Umbau der Päpst­li­chen Aka­de­mie für das Leben – Mit­glieds­stand wird zum Jah­res­en­de auf Null gesetzt).

Am Mon­tag ver­öf­fent­lich­te Papst Fran­zis­kus das Apo­sto­li­sche Schrie­ben Miser­i­cor­dia et mise­ra. Die Medi­en inter­es­sier­te von die­sem Doku­ment vor allem der Teil über die Abtrei­bung (sie­he „Treibt ruhig ab, der Papst ver­gibt euch“ – Ver­zerr­te Dar­stel­lung ohne Demen­ti des Vati­kans). Meh­re­re ita­lie­ni­sche Tages­zei­tun­gen (Il Resto del Car­li­no, La Nazio­ne, Il Gior­no), die zur Medi­en­grup­pe Il Quo­ti­dia­no Nazio­na­le gehö­ren, ver­öf­fent­lich­ten in ihrer gest­ri­gen Aus­ga­be ein Inter­view mit Msgr. Paglia. Dar­in geht es auch um die Exkom­mu­ni­ka­ti­on latae sen­ten­tiae, die im Kodex des Kir­chen­rechts im Canon 1398 für die Sün­de der Abtrei­bung fest­ge­schrie­ben ist.

Exkommunikation latae sententiae

Paglia-Interview: "Ja, das ist nicht ausgeschlossen" - "Canon abschaffen"
Paglia-Inter­view: „Ja, das ist nicht aus­ge­schlos­sen“ – „Canon abschaffen“

Exkom­mu­ni­ka­ti­on latae sen­ten­tiae (ohne Urteil) bedeu­tet, daß die Exkom­mu­ni­ka­ti­on auto­ma­tisch durch Bege­hen einer schwe­ren Sün­de ein­tritt, ohne daß sie von einer kirch­li­chen Auto­ri­tät fest­ge­stellt wer­den muß. Die Abtrei­bung ist eine sol­che schwe­re Sün­de, die auto­ma­tisch zum Aus­schluß aus der Gemein­schaft der Kir­che führt. Das gilt für die abtrei­ben­de Mut­ter, die ihr Kind töten läßt, wie auch für den Abtrei­bungs­arzt und alle, die an einer Abtrei­bung mit­wir­ken. Nur durch eine reu­mü­ti­ge Beich­te und Umkehr ist die Rück­kehr in die Gemein­schaft der Kir­che mög­lich. Um zur Beich­te zuge­las­sen zu sein, muß­te bis­her zuerst die Exkom­mu­ni­ka­ti­on auf­ge­ho­ben wer­den. Die Voll­macht dazu hat­te nur der zustän­di­ge Bischof.  Mit Miser­i­cor­dia et mise­ra hat Papst Fran­zis­kus die aus­drück­li­che Auf­he­bung der Exkom­mu­ni­ka­ti­on für Abtrei­bung abge­schafft, sodaß unge­hin­dert jeder Beicht­va­ter auf­ge­sucht und bei bei Vor­han­den­sein der inne­ren Vor­aus­set­zun­gen die Los­spre­chung gewäh­ren kann. Zahl­rei­che ita­lie­ni­schen Medi­en ver­mit­tel­ten in ihrer Bericht­erstat­tung den Ein­druck, als bedeu­te das Schul­dig­wer­den an einer Abtrei­bung nicht mehr die Exkom­mu­ni­ka­ti­on. Das Kir­chen­recht wur­de die neue päpst­li­che Ent­schei­dung aber nicht geän­dert. Wer Abtrei­bung unter­stützt, das gilt auch für Poli­ti­ker, oder direkt an einer Abtrei­bung mit­wirkt, ob als Abtrei­bungs­arzt oder als Mut­ter, die ihr unge­bo­re­nes Kind töten läßt, oder als ihr nahe­ste­hen­de Per­so­nen, die zur Abtrei­bung drän­gen, oder als Mit­ar­bei­ter einer Bera­tungs­stel­le, die eine Abtrei­bung emp­feh­len, zieht sich auto­ma­tisch die Exkom­mu­ni­ka­ti­on zu. Er ist von der Gemein­schaft der Kir­che aus­ge­schlos­sen und ist nicht mehr zu den Sakra­men­ten zuge­las­sen. Die­ses im deut­schen Sprach­raum ohne­hin kaum aus­ge­präg­te Bewußt­sein könn­te durch die päpst­li­che Ent­schei­dung wei­ter geschwächt wer­den. Der durch Miser­i­cor­dia et Mise­ra ent­ste­hen­de Ein­druck, Abtrei­bung füh­re nicht mehr zur Exkom­mu­ni­ka­ti­on, sei also gar kei­ne schwe­re Sün­de mehr, wird durch die jüng­ste Aus­sa­ge des Papst-Ver­trau­ten Paglia unter­stri­chen. Es han­delt sich nicht nur um ein pasto­ra­les Ent­ge­gen­kom­men gegen­über den vie­len Frau­en, die abge­trie­ben haben, um ihnen den Weg zur Ver­söh­nung mit Gott zu ebnen. Dahin­ter steht tat­säch­lich eine Form von kirch­li­cher Ent­kri­mi­na­li­sie­rung in Nach­ah­mung einer welt­li­chen Pra­xis vie­ler Staaten.

Il Quo­ti­dia­no Nazio­na­le: Ist es mög­lich, daß man in naher Zukunft zur Über­win­dung der Exkom­mu­ni­ka­ti­on für Abtrei­bung kom­men wird?

Vin­cen­zo Paglia: Ja, das ist nicht aus­ge­schlos­sen. Ob es dann Fran­zis­kus sein wird, der den Canon abschafft, weiß ich nicht, das müß­te man ihn selbst fra­gen. Sicher ist, daß der Kodex in den ver­gan­ge­nen Jahr­zehn­ten Dut­zen­de Male über­ar­bei­tet wur­de. Es wäre also nicht ver­wun­der­lich, daß der Fort­schritt des Lebens zu einem aggior­na­men­to [Aktua­li­sie­rung] des Kir­chen­rechts füh­ren wür­de. Das liegt im Wesen der Wirk­lich­keit. Die Tra­di­ti­on der Kir­che ist ein leben­di­ger Kör­per, nicht ein blockier­ter Kodex.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Vati​can​.va/Il Quo­ti­dia­no Nazio­na­le (Screen­shots)

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8 Kommentare

  1. Laut Radio Vati­kan hat Kar­di­nal Paglia die kur­sie­ren­den Mel­dun­gen, die Abtrei­bung sei von einer schwe­ren Sün­de mit auto­ma­ti­scher Exkom­mu­ni­ka­ti­on zur weni­ger schwe­ren Sün­de ohne Exkom­mu­ni­ka­ti­on beför­dert wor­den verneint.
    Gibt es eine Quel­len­an­ga­be wo der Kar­di­nal dies für nicht aus­ge­schlos­sen hält.

    Die Herr­schaf­ten im Vati­kan schei­nen Gott kor­ri­gie­ren zu wollen!

  2. Die Exkom­mu­ni­ka­ti­on ist eine Beu­ge­stra­fe, d. h. sie soll den Betrof­fe­nen zum „Nach­den­ken“ über das eige­ne Tun brin­gen, damit er sein sünd­haf­tes Tun bereut, beich­tet, wie­der­gut­macht und so wie­der ein Glied der Kir­che wird.
    Die­ses infla­tio­nä­re „um-sich-schmei­ßen-mit-Barm­her­zig­keit“ bewirkt, dass der schwer sünd­haf­te Cha­rak­ter einer Tat noch weni­ger erkannt wird, als es ohne­hin schon lan­ge der Fall ist.
    So gese­hen ist die Exkom­mu­ni­ka­ti­on ein Mit­tel der Barm­her­zig­keit, da man damit die Mög­lich­keit erhält, sich von der Sün­de abzu­wen­den. Durch die Abschaf­fung der Exkom­mu­ni­ka­ti­on, als falsch ver­stan­de­nes Werk der Barm­her­zig­keit, nimmt man dem Betrof­fe­nen die­se Möglichkeit.

  3. Dass die­se Neue­rung ein gutes Signal wäre, und WENIGER Abtrei­bun­gen die Fol­ge wären, erscheint undenkbar.
    ABER: Dass Abtrei­bun­gen wie jede Tod­sün­de ver­ge­ben wer­den kön­nen, steht außer Fra­ge – Exkom­mu­ni­ka­ti­on hin oder her. Die Ände­rung bezieht sich aber nur auf das Pro­ce­de­re. Wenn die letz­ten 44 Mona­te nichts Schlim­me­res gebracht hät­ten, könn­ten wir froh und dank­bar sein. Man muss auf­pas­sen, dass man im Hin­blick auf die­se Fra­ge kei­ne unhalt­ba­re Posi­ti­on einnimmt.

    • Die­se Ände­rung wäre unter Umstän­den nicht schlimm. Doch soll­te dann auch die auto­ma­ti­sche Exkom­mu­ni­ka­ti­on bei Bischofs­wei­hen ohne päpst­li­ches Man­dat fal­len. Das war näm­lich selbst eine Neue­rung Pius XII. Im Hin­blick auf Chi­na, ich mei­ne, 1956. Es gibt kei­ne Sün­de, die auf­grund gött­li­chen Rech­tes mit der auto­ma­ti­schen Exkom­mu­ni­ka­ti­on ver­bun­den ist, das darf man nicht vergessen.

      • Da haben Sie recht, den­ke ich. Aber ich bin auch nicht so gebil­det, dass mir der Unter­schied klar ist ‑im Hin­blick auf die Fol­gen – zwi­schen unbe­reu­ter Tod­sün­de und exkommuniziert-sein.

  4. Für ein Kind der Hei­li­gen Katho­li­schen Kir­che so ziem­lich die ent­setz­lich­ste Erfah­rung: Der Groß­teil der ober­sten Hir­ten, sowie, ja, der Papst selbst, fal­len vom wah­ren, tra­dier­ten Glau­ben ab. Über­blickt man die Kir­chen­ge­schich­te, sowie die Pro­phe­zei­un­gen aus dem Mun­de Unse­res Herr­gott Jesu Chri­sti, dann erklärt sich im Prin­zip alles von allei­ne. Trotz­dem… wir alle sind nur ganz klei­ne Mensch­lein.… Geschöp­fe, die sich in einer Epo­che fin­den, die schlim­mer und absur­der nicht sein könn­te. Wenig­stens in der okzi­den­ta­len Hemi­sphä­re leben wir in einer Zeit mate­ri­el­len Über­flus­ses, der uns zwar satt macht, aber auch ver­blö­den und blind wer­den läßt für die banal­sten Tat­sa­chen, wel­che unse­ren Alt­vor­de­ren, zu deren Zei­ten das All­tags­le­ben nun wirk­lich schwe­rer gewe­sen war, als für uns heut­zu­ta­ge, immer klar vor Augen lagen. Es ist noch nicht ein­mal 100 Jah­re her, als es etwas Beson­de­res war, wenn ein­mal pro Woche, sonn­tags nach der Hei­li­gen Mes­se, Fleisch auf dem Mit­tags­tisch stand. Und heu­te? Heu­te ist Fleisch so bil­lig wie nie­mals vor­her, wir haben die Wert­schät­zung dafür ver­lo­ren, und, zusam­men mit gleich­falls über­flüs­sig geblie­be­nem Brot, schmei­ßen wir alles mit vol­len Hän­den in den Müll. Wir haben ver­ges­sen und ver­lernt, daß wir Unse­rem Herr­gott und Schöp­fer Dank­bar­keit schul­den für alles, was Er uns zuteil wer­den läßt – und jetzt haben wir auch die Dank­bar­keit dafür ver­lo­ren, wenn die gött­li­che Fügung ein Kind sich nicht exakt so ent­wickeln läßt, wie wir uns das in unse­rer kom­plett ent­grenz­ten Über­heb­lich­keit (latei­nisch: supérbia – eine der Tod­sün­den!) in den Kopf set­zen. Der Mensch spielt Lie­ber Gott; der Mensch wirft die­ses Kind in den Müll! Das Per­so­nal in der irdi­schen Außen­stel­le der gött­li­chen Ewig­keit, bin hin­auf zum Pón­ti­fex Máxi­mus, ver­wirft den Glau­ben an Unse­ren Hei­land! Das Unfaß­ba­re: Wie beim Rat­ten­fän­ger von Hameln lau­fen zahl­los vie­le Men­schen den Lüg­nern und Heuch­lern hinterdrein…
    Was also sol­len wir tun? Ich sel­ber bin ja nichts bes­se­res als irgend­wer anders, und auch mich treibt die Situa­ti­on um, bringt mir mit­un­ter schlaf­lo­se Näch­te. Was sol­len wir tun?
    Sol­len wir mit Waf­fen­ge­walt drein­schla­gen? Nein: Das ver­bie­tet sich von allei­ne; jene Herr­schaf­ten, wel­che so läster­lich gegen Got­tes Gebo­te ver­sto­ßen, rich­ten sich sel­ber. Es fällt im All­tag oft­mals unge­mein schwer, sich auf das Wesent­li­che zu besin­nen: Unse­ren Rosen­kranz; er ist die stärk­ste Waf­fe, wie wir zur Hand haben. Ja, wir sol­len ihn mög­lichst oft, mög­lichst täg­lich beten, sol­len eben gera­de nicht pus­il­lá­ni­me (klein­gläu­big) sein. Hal­ten wir uns so oft wie mög­lich die Wor­te Unse­res Herr­gott Jesus Chri­stus vor Augen: All das, was sich jetzt vor unse­ren ent­setz­ten Augen abspielt, wür­de gesche­hen. Wir wis­sen zwar weder Tag noch Stun­de, aber wir müs­sen trotz­dem fest im Glau­ben blei­ben. Und: Wir müs­sen auch für unse­re Fein­de, und, ja, auch unse­re Tod­fein­de beten – so schwer das auch fal­len mag. In die­sem Sinne. 

    In Cri­sto per Mariam + 

    Car­los­mi­guel

  5. Die Rol­le der Väter bei Abtrei­bun­gen soll­te auch von der Kir­che mehr the­ma­ti­siert wer­den. Es gibt Fäl­le bei denen eher die Väter sich der Mahl­ge­mein­schaft unwür­dig verhalten.

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