
Am 19. April äußerte sich Erzbischof Vincenzo Paglia, der Vorsitzende der Päpstlichen Akademie für das Leben (PAV), in einer Rede auf dem Internationalen Festival des Journalismus in Perugia zweideutig zum Thema „Sterbehilfe“. Darauf reagierte die Akademie Johannes Paul II. für das Leben und die Familie (JAHLF) mit einer klärenden Stellungnahme in Form eines offenen Briefes.
Die JAHLF wurde 2017 gegründet, nachdem Papst Franziskus Kurienerzbischof Vincenzo Paglia mit dem radikalen Umbau der Päpstlichen Akademie für das Leben beauftragt und Paglia alle Akademiemitglieder, obwohl auf Lebenszeit ernannt, vor die Tür gesetzt hatte. Einher ging damit eine Aufweichung der „nicht verhandelbaren Werte“. Die Akademie Johannes Paul II. für das Leben und die Familie sieht sich seither als echte Bewahrerin der ursprünglichen Gründungsintention von Johannes Paul II. Gründungsvorsitzender war der österreichische Philosoph Josef Seifert. Heute wird die Akademie von Thomas Ward geleitet. Sie veröffentlichte folgenden offenen und klärenden Brief:
Qui tacet consentire videtur – Wer schweigt, stimmt zu
„Persönlich würde ich keine Sterbehilfe leisten, aber ich verstehe, daß die rechtliche Vermittlung unter den Bedingungen, in denen wir leben, das größtmögliche Gemeinwohl darstellen kann“, sagte Erzbischof Paglia, Vorsitzender der Päpstlichen Akademie für das Leben, am 19. April 2023 in einer Rede auf dem Internationalen Festival des Journalismus in Perugia, Italien.
„Ich denke, daß das Gesetz 194 heute ein Pfeiler unseres gesellschaftlichen Lebens ist“ (das Gesetz 194/1978 legalisierte die Abtreibung in Italien) … in einer Folgefrage fragte der Moderator Erzbischof Paglia, ob er beabsichtige, dieses Gesetz in Frage zu stellen, worauf er antwortete: „Nein, absolut nicht!“ (siehe auch die Sendung Agorà Estate vom 26. August 2022, die Aussagen sind hier bei 1 h 05 min zu sehen und in der katholischen Nachrichtenagentur zu lesen).
„Es war ein Versuch, sicherlich kein perfekter, die in Veritatis Gaudium (Abs. 3) enthaltene Einladung zu einem radikalen Paradigmenwechsel in der theologischen Reflexion anzunehmen, oder vielmehr – ich wage es zu sagen – zu ‚einer gewagten Kulturrevolution‘ “, antwortete Erzbischof Vincenzo Paglia in einem Interview zum Buch „Theologische Ethik des Lebens. Schrift, Tradition, praktische Herausforderungen“ (siehe VaticanNews und Fußnote 27 der Apostolischen Konstitution Veritatis Gaudium).
Erzbischof Paglia stellt fest, „daß die rechtliche Vermittlung [in Bezug auf den assistierten Suizid] das größte Gemeinwohl darstellen kann, das unter den Bedingungen, in denen wir leben, konkret möglich ist“. Aber es kann niemals ein höheres Gemeinwohl darstellen, einen Mechanismus zu legalisieren, der es einem Arzt erlaubt, einem Patienten ein Gift zu geben, mit dem er sich selbst töten kann. Es gibt keinen moralischen Unterschied zwischen diesem Fall und dem Fall, daß ein Arzt oder eine Krankenschwester jemandem eine Überdosis Morphium verabreicht. Exzellenz, der Grundsatz „Nicht töten“ gilt für beide Situationen gleichermaßen. Außerdem ist die sogenannte „legale Vermittlung“ des assistierten Suizids lediglich ein taktischer Schritt, um die Legalisierung der Euthanasie zu erleichtern. In der Praxis wird die Sterbehilfe von den Ärzten als moralische Heuchelei gesehen werden und sie daher direkt zur Euthanasie verleiten.
Die von der Pressestelle der Päpstlichen Akademie für das Leben am 24. April 2023 nach der berechtigten öffentlichen Empörung über ihren Standpunkt veröffentlichte Erklärung ist an sich schon irreführend, wenn sie verkündet, daß „der Präsident der Päpstlichen Akademie für das Leben in voller Übereinstimmung mit dem Lehramt der Kirche sein ‚Nein‘ zur Euthanasie und zum assistierten Suizid bekräftigt“, aber gleichzeitig seine Unterstützung für eine „Gesetzesinitiative“ bekräftigt, in der die Bedingungen für die Entkriminalisierung dieses Verbrechens festgelegt werden (vgl. Lebensende – Erklärung der Päpstlichen Akademie für das Leben).
Angesichts des oben erwähnten Versäumnisses, diesen skandalösen Verrat an schutzbedürftigen Patienten zu korrigieren und sich eindeutig dafür zu entschuldigen, müssen die verbleibenden lebensbejahenden Mitglieder der Päpstlichen Akademie für das Leben, um sich nicht mitschuldig zu machen, Papst Franziskus auffordern, Erzbischof Paglia zu entlassen und ihn durch einen Vorsitzenden zu ersetzen, der mutig und eindeutig die immerwährenden Lehren der Kirche und von Papst Johannes Paul II. über das Leben und seinen rechtlichen Schutz verkündet.
Andernfalls sollten diese Pro-Life-Mitglieder aus dieser diskreditierten vatikanischen Institution austreten. Als jüngsten Skandal, neben zahlreichen anderen Skandalen seit 2016, ernannte Papst Franziskus auf Empfehlung Paglias die Atheistin und Abtreibungsbefürworterin Mariana Mazzucato zum Mitglied der Päpstlichen Akademie für das Leben.
Einleitung/Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Corrispondenza Romana