Von Don Michael Gurtner*
Frage: Wenn die Kirche einerseits selbst immer weltlicher wird und regelrecht verweltlicht: Warum tut sie sich dennoch so schwer damit, mit der Welt „in Dialog zu treten“, wie sie es sich selbst immer wieder zur Aufgabe macht? Warum wollen die Leute die Kirche nicht mehr hören, selbst wenn sie ganz „eine von ihnen“ geworden und „nah bei den Menschen“ ist, wie sie unermüdlich betont?
Antwort: Ja, die angedeuteten Beobachtungen sind völlig richtig, ganz offensichtlich herrscht tatsächlich eine Art Kommunikationsstörung zwischen Kirche und Welt. Ich würde sogar meinen, daß diese gerade deshalb besteht, weil die Kirche schon zu sehr selbst Welt geworden ist. „Welt“ ist, wie gesagt, in sich noch nichts Schlechtes, der Mensch lebt in einer irdischen Welt und ist gemäß Gottes weisem Ratschluß in sie hineingestellt. Aber wenn der Mensch ohnedies schon von der Welt umgeben ist und in ihr lebt, dann braucht er keine zweite Parallelwelt, die nur eine schlechte Kopie des Originals ist und ihm letztlich dasselbe sagt. Wozu auch? Sie wird gerade dadurch irrelevant, daß sie eine fahle Kopie der Welt wird und ihm eigentlich nur das wiederholt, was er auch schon von der Welt gehört hat. Und der Mensch merkt es sehr wohl, daß das nicht ehrlich, sondern im Grunde eine Anbiederung ist, und fühlt sich dann zu Recht auch billig verkauft. Die Kirche erscheint vielen Menschen gerade deshalb wie der Straßenhändler, der einem etwas Billiges andrehen will und einen dabei belästigt.
Da ist es eine ganz natürliche und absehbare Folge, wenn die Kirche vielfach nicht mehr gehört und schon gar nicht ernst genommen wird, und man eigentlich lieber von ihr in Ruhe gelassen werden möchte. Denn viele ihrer Einwerfungen bringen einen heute tatsächlich nicht mehr weiter, das muß man ganz unumwunden zugeben. Das ist kein Vorwurf, sondern ein analytisches Urteil, worin der Kern des Problems liegt und wo man daher ansetzen muß, wenn man wieder Gewicht bekommen möchte. Die Kirche hätte dem Menschen so vieles zu sagen, gerade auch heute, aber sie sagt es ihm einfach nicht, warum auch immer. Den Menschen wird von der Kirche vieles vorenthalten heute, worauf sie eigentlich ein von Gott verbürgtes Anrecht hätten. Wenn die Kirche aber nicht mehr für das Wahre, das Gute und das Schöne steht, dann wird jedes ihrer Worte überflüssig.
*Mag. Don Michael Gurtner ist ein aus Österreich stammender Diözesanpriester, der in der Zeit des öffentlichen Meßverbots diesem widerstanden und sich große Verdienste um den Zugang der Gläubigen zu den Sakramenten erworben hat. Die aktuelle Kolumne erscheint jeden Samstag.
Das Buch zur Reihe: Don Michael Gurtner: Zur Lage der Kirche, Selbstverlag, 2023, 216 Seiten.
Bisher erschienen:
- Zur Lage der Kirche – eine neue Kolumne
- Zur Lage der Kirche – Frage 1
- Zur Lage der Kirche – Frage 2
- Zur Lage der Kirche – Frage 3
- Zur Lage der Kirche – Frage 4
- Zur Lage der Kirche – Frage 5
- Zur Lage der Kirche – Frage 6
- Zur Lage der Kirche – Frage 7
- Zur Lage der Kirche – Frage 8
- Zur Lage der Kirche – Frage 9
- Zur Lage der Kirche – Frage 10
- Zur Lage der Kirche – Frage 11
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