
(Brüssel) Kardinal Jozef De Kesel, der Erzbischof von Mecheln-Brüssel, Primas von Belgien und Vorsitzender der Belgischen Bischofskonferenz, hatte gestern „die schmerzliche Pflicht“, den Tod von Kardinal Godfried Danneels bekanntzugeben. Danneels war als Mitglied des Geheimzirkels von Sankt Gallen und des Teams Bergoglio maßgeblicher Baumeister des Pontifikats von Papst Franziskus.
Kardinal Danneels war bis 2010 Erzbischof von Mecheln-Brüssel und gehörte zu den progressiven Kirchenfürsten, denen die als „restaurative Phase“ kritisierten Pontifikate der Päpste Johannes Paul II. und Benedikt XVI. ein unverdauliches Ärgernis waren. Er gehörte der innerkirchlichen „Mafia“ von Sankt Gallen an, wie er sie selbst 2015 nannte. Dabei handelte es sich um einen Geheimzirkel höchster Kirchenvertreter, den der Jesuit und Kardinal Carlo Maria Martini in den 90er Jahren zusammengerufen hatte, um das Pontifikat von Johannes Paul II. zu sabotieren. Hauptziel der „Mafia“ war es zudem, Kardinal Joseph Ratzinger als Nachfolger des polnischen Papstes zu verhindern und einen eigenen Kandidaten auf den Stuhl Petri zu bringen. Das sollte ursprünglich Martini selbst sein. Da er 2005 im Konklave chancenlos blieb, machte er bereits damals seinen Ordensbruder Bergoglio zum Alternativkandidaten.
Von Benedikt XVI. trennte Danneels ein grundlegend verschiedenes Kirchenverständnis. Zum unverzeihlichen, persönlichen Affront wurde zudem im Jahr 2010 die Ernennung von Danneels Nachfolger als Erzbischof von Mecheln-Brüssel, als Benedikt XVI. nicht Danneels Wunschkandidaten De Kesel zum Nachfolger machte.
Bezeichnend für das Verhältnis und den Bruch in der Kirche war auch, daß – keineswegs zufällig – das belgische Parlament in einer Protestnote Papst Benedikt XVI. wegen einer medial verzerrten Aussage zu Kondomen an den Pranger stellte. Ein beispielloser Akt in der Geschichte dieses (einst) katholischen Landes und auch des Parlamentarismus überhaupt. Danneels, damals noch Primas des Landes, schwieg dazu. Die einzige Verteidigung des Papstes kam vom damaligen Bischof von Namur, Msgr. André-Joseph Leonard, den dieser dann zum Nachfolger Danneels machte. Erzbischof Leonard wurde von der Danneels-Clique in seiner Amtsführung behindert und im Stich gelassen. Mit der Wahl von Papst Franziskus wurde ihm auch noch die Unterstützung Roms entzogen. Papst Franziskus verweigerte ihm demonstrativ die Kardinalswürde, die er hingegen dem damaligen Nuntius Karl-Josef Rauber verlieh, einem Danneels-Intimus. Damit war klar, daß Leonard unerwünscht und isoliert war.
Hinter die Kulissen läßt auch die Tatsache blicken, daß Erzbischof Leonard in seiner nur fünfjährigen Amtszeit mehrfach Zielscheibe von Angriffen der Politsöldnertruppe Femen wurde. Weder sein Vorgänger Danneels noch sein Nachfolger De Kesel wurden je von Femen belästigt.

Danneels gehörte auch dem Team Bergoglio an, einem vierköpfigen „Exekutivkomitee“ des Geheimzirkels von Sankt Gallen, der die Wahl des Nachfolgers von Benedikt XVI. im Sinn der „Mafia“ vorbereiten sollte. Dieser „Viererbande“ bestehend aus den Kardinälen Kasper, Lehmann, Murphy O’Connor und Danneels gelang 2013, was 2005 noch mißglückt war: Kardinal Jorge Mario Bergoglio war ihr Kandidat.
Mit dem Tod Danneels lebt nur mehr ein Mitglied des Teams Bergoglio, wie Austen Ivereigh, der frühere Pressesprecher von Kardinal Murphy O’Connor, die innerkirchliche „Viererbande“, der begriff ist eine Anspielung auf die Exekutoren der kommunistischen „Kulturrevolution“ in der Volksrepublik China, nannte. ´
Kardinal Cormac Murphy‑O’Connor, der frühere Erzbischof von Westminister, starb am 1. September 2017, Kardinal Karl Lehmann, der frühere Bischof von Mainz, am 11. März 2018, und nun Kardinal Godfried Danneels am 14. März 2019.

Das einzige noch lebende Mitglied des Teams Bergoglio ist Kardinal Walter Kasper, der vor wenigen Tagen seinen 86. Geburtstag beging. Beim Konklave von 2013 wären altersbedingt vom Team nur die Kardinäle Danneels und Lehmann wahlberechtigt gewesen. Murphy‑O’Connor war mit dem 1. September 2012 wegen Vollendung des 80. Lebensjahres aus dem Wahlkörper ausgeschieden. Kardinal Kasper war acht Tage vor dem Tag der Wahl von Papst Franziskus 80 geworden. Eine Sonderregelung für die Sedisvakanz erlaubte ihm dennoch an der Wahl teilzunehmen.
Diese Tatsache ist besonders erwähnenswert, weil er zum theologisch einflußreichsten Kardinal des derzeitigen Pontifikats wurde. Dieser Umstand findet nun auch seine Fortsetzung in der Tatsache, daß er der letzte Überlebende dieser Gruppe ist.
Bezeichnend ist zudem die starke deutsche Präsenz im Team mit Lehmann und Kasper und im weiteren Sinn auch mit dem Flamen Danneels. Auch diese Tatsache findet seither ihre Bestätigung: Aus der Bundesrepublik Deutschland kommt der massivste Druck, kommen die meisten Vorschläge und Forderungen für einen progressiven Umbau der Kirche. Aus dem deutschen Sprachraum kommt der theoretische Unterbau für den Paradigmenwechsel, den Papst Franziskus der Kirche verordnet, und dort wird dieser auch am radikalsten vollzogen oder sogar vorweggenommen. Die Schweizer Bischofsstadt Sankt Gallen, Versammlungsort der innerkirchlichen „Mafia“ liegt im deutschen Sprachraum. Nach Deutschland war der Jesuit Bergoglio geschickt worden unter dem Vorwand, eine Dissertation schreiben zu sollen, die aber nie zustandekam. An der Jesuitenhochschule in Frankfurt erlernen noch heute junge Jesuiten aus verschiedenen Ländern die deutsche Sprache, um ihre philosophischen Studien in der Sprache „der Denker“ absolvieren zu können. Der progressive Umbruch beim Zweiten Vatikanischen Konzil fand seine bezeichnende Zusammenfassung im geflügelten Wort: „Der Rhein fließt in den Tiber“.
Zahlreich sind die Elemente, die darauf hinweisen, daß der deutsche Sprachraum seit den 60er Jahren den unduldsamen Rammbock in der Weltkirche bildet. Vor 500 Jahren ging von hier die Kirchenspaltung der sogenannten Reformation aus, die den deutschen Sprachraum seither spaltet, die alte Reichsidee bis zur Bedeutungslosigkeit schwächte und schließlich dem Eindringen der Aufklärung und antichristlicher Ideologien Vorschub leistete. Ebenso zahlreich sind die Hinweise, daß inhaltlich das Pontifikat des argentinischen Papstes in Wirklichkeit ein „deutsches“ Pontifikat ist.
Aus dem deutschen Sprachraum kommt zugleich allerdings auch ein sehr deutlicher und intellektuell wertvoller Widerstand gegen die progressive Fronde, wie das Pontifikat von Benedikt XVI. und sein Einfluß auf das Pontifikat von Johannes Paul II. zeigten. Das gilt auch für den Widerstand von Kardinälen wie Brandmüller, Meisner und Müller, von Weihbischof Athanasius Schneider und von Philosophen wie dem jüngst verstorbenen Robert Spaemann sowie von Josef Seifert, der sich derzeit mit analytischer Geistesschärfe gegen das Dokument für die menschliche Brüderlichkeit von Abu Dhabi wendet, das von Papst Franziskus mit dem Großimam von Al-Azhar unterzeichnet wurde. Der Philosoph Seifert bezeichnet die umstrittenste darin enthaltene These als „Häresie der Häresien“ und sieht darin den Relativismus auf die Spitze getrieben, indem Gott selbst zum Relativisten degradiert wird.
Danneels Amtszeit als Erzbischof von Mecheln-Brüssel war von sexuellen Mißbrauchsskandalen überschattet. Danneels wurden selbst bestimmte Neigungen nachgesagt, über die man in der Kirche heute nicht mehr reden will oder nicht mehr reden darf, geht es nach einer gut organisierten und einflußreichen Homo-Lobby.
Danneels hatte den seinerzeitigen Bischof von Brügge gedeckt, einen Gesinnungsgenossen, der seinen eigenen Neffen sexuell mißbraucht hatte. Weder dafür noch für weitere Verstrickungen in den Mißbrauchsskandal in seinem eigenen Erzbistum wurde Danneels zur Verantwortung gezogen. Dabei wurden bei den Ermittlungen von der Polizei sogar in der Sint-Romboutskathedraal in Mecheln (dem hl. Rumold geweiht) Gräber von Erzbischöfen aufgebrochen und durchsucht. Eine ebenso bizarre wie beispiellose Schändung der Grabesruhe.
Danneels konnte stattdessen 2013 maßgeblichen Einfluß auch die Wahl des neuen Papstes und damit auf die Ausrichtung der Weltkirche nehmen. Papst Franziskus emeritierte – zweifellos auf Danneels Wunsch – Erzbischof Leonard bei erstbester Gelegenheit und machte doch noch De Kesel, Danneels Wunschkandidaten, zum Erzbischof von Mecheln-Brüssel. Diesen kreierte er in Windeseile auch zum Kardinal. Eine weitere Demütigung für Msgr. Leonard. Nicht dieser war, obwohl Primas von Belgien, als Synodale zu den Familiensynoden nach Rom berufen worden. Papst Franziskus ernannte hingegen Danneels persönlich zum Synodalen.
Kardinal Godfried Danneels erlangte ab seinem 80. Geburtstag, als er bereits drei Jahre emeritiert war, den größten Einfluß in seinem Leben. Daß sich die Windrichtung schlagartig gedreht hatte, zeigte sich unscheinbar bereits am Abend nach dem Konklave, als Danneels überraschend auf der Mittelloggia an der Fassade des Petersdomes stand, als sich der neugewählte Papst Franziskus der Öffentlichkeit präsentierte. Seither genoß der Flame direkten Zugang zu Franziskus im Vatikan. Ein positiver Einfluß durch ihn läßt sich allerdings nicht erkennen
Requiescat in pace.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Vatican.va/Wikicommons (Screenshots)
Bisher ssagte ich immer, der Geist Martin Luthers lastet auf Deutschland. Aber ich muß verbessern: Der Geist Martin Luthers reitet besonders gern Deutsche und mindestens einen Südamerikaner.
Da haben Sie genau meine Gedanken in einigen Satze aufgeschrieben. Leider muss ich feststellen dass der Geist Luthers nicht nur Deutschland und Argentinien im Griff hat.