
(Brüssel) Die Belgische Bischofskonferenz veröffentlichte am Dienstag eine von ihr in Auftrag gegebene Studie über sexuellen Mißbrauch durch belgische Priester. „Dieser Bericht befaßt sich mit einer dunklen Zeit in der Geschichte der belgischen Kirche“, wie es bei der Vorstellung hieß. Die Studie zeigt nicht nur die Dimension des Verbrechens auf, sondern bestätigt bereits bekannte Studien aus anderen Ländern: Mehr als drei Viertel aller betroffenen Minderjährigen waren männlich und wurden Opfer homosexueller Straftaten. Wie aber schon zuvor die Studie der Deutschen Bischofskonferenz unterschlägt die Studie diesen zentralen Zusammenhang.
Der Bericht im Umfang von 400 Seiten (niederländische Fassung, französische Fassung) gibt detaillierten Einblick in das Ausmaß eines Phänomens, mit dem die katholische Kirche zu kämpfen hat. Die Studie wurde von Kardinal Jozef De Kesel, dem Erzbischof von Mecheln-Brüssel und Primas von Belgien vorgestellt.
Über der Kirche in Belgien lastet der Vorwurf, Straftäter geschützt zu haben. Sogar ein Bischof war unter den Tätern. Roger Vangheluwe, bis 2010 Bischof von Brügge, hatte seinen eigenen Neffen sexuell mißbraucht. Auch ein Vorgänger von Kardinal De Kesel steht im Verdacht, vertuscht zu haben und selbst homosexuelle Neigungen zu frönen. Es handelt sich um Kardinal Godfried Danneels, der bis 2010 Erzbischof von Mecheln-Brüssel war. Um seine Nachfolge entbrannte ein mehrjähriger Machtkampf um die Ausrichtung der Kirche in Belgien. Der Versuch einer Kurskorrektur unter Papst Benedikt XVI. blieb durch seinen Amtsverzicht Episode. Mit Hilfe von Papst Franziskus konnte sich die liberale Linie von Kardinal Danneels, einem Mitglied der „Mafia von Sankt Gallen“ und des Team Bergoglio wieder durchsetzen. De Kesel ist sein Wunschkandidat auf dem Bischofsstuhl der belgischen Hauptstadt. Das zeitigt Folgen, wie auch die Studie zeigt.
Sie wurde von einer interdiözesanen Kommission zum Schutz für Kinder und Jugendliche erstellt. Die Leitung hatte der Flame Manu Keirse, emeritierter Professor der Psychologie an der Katholischen Universität Löwen. Professor Keirse stand bereits der dritten Kommission seit 2000 vor, die sich nach der Kommission Halsberghe und der Kommission Adrianenssens mit dem sexuellen Mißbrauch an Minderjährigen, vor allem Kindern und Jugendlichen ab elf Jahren, befaßte.
Drei von vier Opfern sind auch in Belgien männlich. Dennoch vermeidet die belgische Studie wie zuvor schon die Studie der Deutschen Bischofskonferenz die zwingenden Schlußfolgerungen. Die offenkundige Hauptursache, die Homosexualität der Täter, wird nicht thematisiert. Mehr noch: Homosexualität wird auf den 400 Seiten nicht einmal erwähnt. Eine Fehlleistung, die ohne entsprechende Vorgaben (durch wen?) im konkreten Kontext geradezu unmöglich scheint. Professor Keirse schreibt im Vorwort:
„Sexueller Mißbrauch oder übergriffiges Verhalten ist keine Krankheit, es ist ein Delikt, ein Mißbrauch von Macht“.
Die richtige Feststellung bedeutet im spezifischen Kontext durch die Ausklammerung des Hauptmotivs aber auch eine Verschleierung. Eine so massive Unterlassung kann mutmaßlich nur durch die Auftraggeber der Studie verlangt worden sein, die Belgische Bischofskonferenz. Der Verdacht wird durch die gleiche Unterlassung durch die Studie der Deutschen Bischofskonferenz und durch den großen Bogen erhärtet, den Papst Franziskus um das homosexuelle Hauptmotiv des sexuellen Mißbrauchs macht.
Welche Schlußfolgerung ist aus diesem auffälligen Mißverhältnis zu ziehen? Der Mißbrauch Minderjähriger soll zwar beklagt und wohl auch abgestellt werden, doch die Homosexualität und die homosexuellen Kleriker sollen unangetastet bleiben.
Seit 2010, das war das Jahr, in dem Bischof Vangheluwe und Kardinal Danneels von Papst Benedikt XVI. emeritiert wurden, meldeten sich 1.054 Mißbrauchsopfer. Der Großteil der Fälle, fast 90 Prozent, liegen 30 Jahre und mehr zurück. Die Studie bestätigt auch darin, was bereits in anderen Ländern erhoben wurde: Der sexuelle Mißbrauch durch Kleriker hatte seinen Höhepunkt in den 70er und 80er Jahren. Er erweist sich als eine direkte Folge des nachkonziliaren Klimas und der sexuellen Revolution, die sich in der Kirche zum ebenso schwerwiegenden wie häßlichen Verbrechen des vorwiegend homosexuellen Mißbrauchs durch Kleriker verdichteten.
Die kirchlichen Autoritäten, ob in Belgien oder in Deutschland, legen einerseits die Tat durch Studien wie der veröffentlichten offen auf den Tisch, vertuschen aber den augenscheinlichsten Zusammenhang, nämlich die vorwiegend homosexuelle Motivation der Täter.
Es wird zwar offenherzig das Verbrechen des sexuellen Mißbrauchs von Minderjährigen beklagt, das von der Öffentlichkeit heute als besonders schändlich empfunden wird und vom Staat strafbewehrt ist. Es wird aber kaum erwähnt, daß das Kirchenrecht jede homosexuelle Handlung als Sünde betrachtet und jede homosexuelle Handlung von Klerikern unter Strafe stellt. Die Welt empört sich über sexuelle Übergriffe gegen Minderjährige, feiert aber zugleich die Homosexualität. Der Zusammenhang zwischen beiden Phänomenen wird bewußt und mit Aufwand verschwiegen.
Um von der Homosexualität abzulenken, zeigt Kardinal Reinhard Marx, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, mit dem Finger auf den Zölibat, und Papst Franziskus zeigt mit dem Finger auf den „Klerikalismus“, was immer genau darunter zu verstehen sein sollte. Diese Haltung wurde von Kardinal Gerhard Müller in den vergangenen Wochen mehrfach kritisiert.
Die Tatsache, daß bisher nicht einmal Papst Franziskus eine Bereitschaft zeigte, die ganze Wahrheit anzusprechen und die notwendigen Konsequenzen daraus zu ziehen, zeigt, in welchem Dilemma sich die Kirche befindet. Sollte er weiterhin, die die deutschen und belgischen Bischöfe daran festhalten, verspielt er die Chance, die Kirche von diesem Übel zu reinigen. Mehr noch, es hätte jene recht, die bezweifeln, daß er ernsthaft eine solche Reinigung überhaupt anstrebt.
In einer Woche, am 21. Februar, beginnt im Vatikan, der von Franziskus einberufene Sondergipfel über den Mißbrauch. Er wird zum Lackmustest. Kardinal De Kesel äußerte bei der Vorstellung der belgischen Mißbrauchsstudie die Hoffnung, daß der Vatikangipfel zu einer „kohärenten Politik für die gesamte katholische Kirche führen werde“.
Daran muß eine Woche davor ernsthaft gezweifelt werden.
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Text: Giuseppe Nardi
Bild: kerknet (Screenshot)