(Rom) Rom scheint nun bereit, Enzo Bianchi aus der von ihm gegründeten Gemeinschaft von Bose zu entfernen. Wie ernst es dem Heiligen Stuhl damit wirklich ist, muß sich erst zeigen. Bereits vor bald einem Jahr war Bianchi aufgetragen worden, sich von der Gemeinschaft zu trennen. Geschehen ist jedoch nichts.
Enzo Bianchi ist eines der bekanntesten Gesichter einer „anderen“, progressiven Kirche, die behauptet, das Zweite Vatikanische Konzil müsse erst „richtig“ umgesetzt werden, damit es zum „neuen Pfingsten“ komme. Die römische Akte des „Priors von Bose“ ist randvoll mit seinen umstrittenen und zweifelhaften Wortmeldungen angefüllt. Dennoch oder gerade deshalb ist er ein Medienliebling, wenn es darum geht, die Kirche zu „repräsentieren“ und ein verzerrtes Bild von ihr zu zeichnen. Der Anfang April 2020 verstorbene ehemalige Dekan der Philosophischen Fakultät an der Lateranuniversität, Msgr. Antonio Livi, nannte Bianchi einen „falschen Propheten“.
Wenn trotz der entsprechenden Weisung Bianchi monatelang unbelästigt weitermachen konnte, dann nicht zuletzt wegen der sogenannten „Bianchi-Technik“, die in progressiven Kirchenkreisen verbreitet ist und darin besteht, Anweisungen relativierend zu interpretieren. Damit scheint sich heute gut leben zu lassen in einer Kirche, in der es an wirklichen Führungspersönlichkeiten mangelt, die imstande sind, auch einmal ein klares Nein auszusprechen.
Zu den Hintergründen siehe: „Der ‚falsche Prophet‘ geht (unfreiwillig) von Bord“.
Im Avvenire, der Tageszeitung der Italienischen Bischofskonferenz, wurde gestern ein Kommuniqué des Päpstlichen Delegaten ad nutum Sanctae Sedis, des Canossianerpaters Amedeo Cencini, abgedruckt. Darin heißt es, die Bianchi eingeräumte Zeit neige sich ihrem Ende zu. Der ehemalige „Prior“ habe seine Gemeinschaft innerhalb einer Woche zu verlassen. Das entsprechende Dekret des Päpstlichen Delegaten wurde am 8. Februar unterzeichnet. Wörtlich schrieb der Avvenire:
„Dekret des päpstlichen Delegierten, Pater Amedeo Cencini: Der frühere Prior muß bis zum 16. Februar in die Cellole di San Gimignano in der Toskana ziehen. Der Vorschlag gilt als endgültig.“
Die progressive spanische Zeitschrift Vida Nueva spricht daher von einem „Ultimatum“. Dennoch wird in Rom von manchen bezweifelt, daß es dieses Mal dazu kommen könnte.
Der römische Vorschlag
Die Übersiedlung nach San Gimignano ist Teil des römischen „Vorschlags“, der vorsieht, daß Bianchi die dortige Niederlassung der Gemeinschaft von Bose kostenlos überlassen wird, aber von der Gemeinschaft getrennt wird.
Bereits am 21. Mai 2020 hatte Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin ein von Papst Franziskus gebilligtes Dekret unterzeichnet, mit dem Bianchi aufgefordert wurde, die von ihm gegründete Gemeinschaft innerhalb von zehn Tagen zu verlassen. Acht Monate sind seither vergangen, doch, der einstige „Prior“ der Gemeinschaft stellte sich taub. Dabei hatte er damals schriftlich zugestimmt, Bose zu verlassen.
Bianchi darf mit Brüdern und Schwestern der Gemeinschaft, die ihm folgen wollen, nach Cellole di San Gimignano übersiedeln, wo sie faktisch unter seiner Leitung eine neue Gemeinschaft gründen können. Die Gemeinschaft von Bose werde mit dieser Gruppe, heißt es im Dekret, nichts mehr zu tun haben. Die Bianchi-Gruppe habe jegliche Verwendung des Namens „Bose“ wie „Monastische Gemeinschaft von Bose“ oder „Kloster Bose“ zu unterlassen, „um Verwirrung und Unklarheiten zu vermeiden“. Bisher lautet die Bezeichnung der Niederlassung „Gemeinschaft von Bose – Bruderschaft Cellole“
Papst Franziskus hatte am 6. Dezember 2019 eine Apostolische Visitation angeordnet, die am 6. Januar 2020 abgeschlossen wurde. Anlaß für die Visitation war die „angespannte und problematische Situation in der Gemeinschaft in Bezug auf die Ausübung der Autorität des Gründers, der Leitung und des brüderlichen Klimas“. Rom beanstandet nicht die heterodoxen Lehren Bianchis, sondern dessen Verhalten, als sei er noch immer der Leiter der Gemeinschaft, obwohl seit 2017 Luciano Manicardi neuer „Prior“ von Bose ist.
Die Gemeinschaft von Bose wurde am 8. Dezember 1965 von Enzo Bianchi gegründet, demselben Tag, an dem das Zweite Vatikanische Konzil beendet wurde. 1968 schrieb er, nachdem sich ihm die ersten „Brüder und Schwestern“ angeschlossen hatten, eine Regel für die Gemeinschaft. Sie spricht von „Kloster“ und „monastischer Gemeinschaft“, folgt aber eigenen Vorstellungen. Kirchenrechtlich ist sie weder das eine noch das andere, sondern eine Gemeinschaft von Laien beiderlei Geschlechts. Auch Bianchi ist Laie.
Eine neue Gemeinschaft in Cellole bei San Gimignano?
Nach einer aufwendigen Renovierung wurde die romanische Kirche Santa Maria Assunta im Ortsteil Cellole von San Gimignano am 7. April 2013 der Gemeinschaft von Bose übertragen, die dort eine Niederlassung gründete. Neben dem Ortsbischof von Volterra und dem Bischof von Siena waren noch weitere Bischöfe der Toskana beim Gründungsakt anwesend, um ihre Verbundenheit mit der Gemeinschaft und ihrem „Prior“ zu bekunden.
Die Kirche, die Bianchi erhalten soll, ist ein Kleinod in der Provinz Siena. Die Weihe des dreischiffigen Gotteshauses erfolgte 1238. Ein Vorgängerbau ist jedoch bereits 949 belegt. Als Gönner traten die Kadalohinger (ital. Cadolingi) auf, ein langobardisches Geschlecht, das in der Gegend führend war und sich auf einen Kadaloh (Chadaloh) als Stammvater zurückführte.
Die heutige Kirche entstand allerdings erst im Spätmittelalter unter einem Pfarrherren namens Hildebrand, der ganze 50 Jahre hier wirkte. Zunächst wurde 1190 von ihm der Glockenturm errichtet, wie eine Inschrift am Sockel bezeugt. Anschließend ließ er im Stil der Romanik und in der Form einer Basilika die Kirche errichten, wie sie sich noch heute zeigt. Damals unterstanden der Urpfarre zwanzig Kirchen der Umgebung. Kirchenrechtlich genoß ihr Pfarrer dieselben Rechte wie jener der Stadt San Gimignano. Damals war mit der Kirche nicht nur ein Pfarrhaus, sondern auch ein Hospiz verbunden, da sie in der Nähe der Via Francigena, des Frankenweges, lag, dem die Rom- und Jerusalem-Pilger folgten.
Obwohl Enzo Bianchi „goldene Brücken“ gebaut werden, scheint er sich mit dem Gedanken noch nicht angefreundet zu haben, daß sein Name nicht mehr mit jenem von Bose verbunden sein soll.
Wichtiger als die bloße Autoritätsfrage wäre eine Überprüfung der Lehre, die Bianchi verbreitet. Doch diesbezüglich wurde bisher nichts bekannt.
Zu Enzo Bianchi siehe auch:
- Enzo Bianchis „Elftes Gebot“: „Liebe die Erde wie dich selbst“
- Wird Enzo Bianchi von Papst Franziskus zum Kardinal erhoben?
- Enzo Bianchi nennt Fatima einen Schwindel: „Kein glaubwürdiger Gott“
- Berufungskrise und Priestermangel: Wegen Mancuso, Bianchi, Küng, Drewermann wird niemand Priester
- Enzo Bianchi: „Christus sagt nichts zur Homosexualität, also soll auch die Kirche schweigen“
- Enzo Bianchi: „Maria kein geeignetes Vorbild zur Förderung der Frau in der Kirche“
- Papst-Consultor Enzo Bianchi: „Familie ist eine Form, die sich die Gesellschaft gibt“
- Enzo Bianchi der „falsche Prophet“ ist neuer Consultor für die Ökumene
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Comunità di Bose (Screenshot)/Wikicommons