Päpstliche Verwirrung: „Der Klimawandel widerspricht dem Plan Gottes“?

Der erkrankte Papst und die Friedensbotschaft: "Wer keinen Dialog will, will auch keinen Frieden"


Ein erkrankter Papst ließ seine Botschaft zum Angelus verlesen, dabei sprach er über den Holodomor, die Befreiung der israelischen Geiseln – und das Klima.
Ein erkrankter Papst ließ seine Botschaft zum Angelus verlesen, dabei sprach er über den Holodomor, die Befreiung der israelischen Geiseln – und das Klima.

(Rom) Papst Fran­zis­kus muß­te wegen einer Ent­zün­dung der Atem­we­ge am Wochen­en­de alle Ter­mi­ne absa­gen. Die Rede ist auch von einer „Ent­zün­dung der Lun­gen“. Im Vati­kan gibt man jedoch Ent­war­nung.
In der für ihn ver­le­se­nen Bot­schaft fand er star­ke Wor­te für den Frie­den in der Ukrai­ne und im Nahen Osten, phan­ta­sier­te dann aber über den Klimawandel. 

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Der sonn­täg­li­che Ange­lus wur­de mit­tels Groß­bild­schir­men auf den Peters­platz über­tra­gen. Papst Fran­zis­kus sah sich außer­stan­de, den vor­be­rei­te­ten Text zu ver­le­sen. Des­halb trat ein Mann erst­mals ins Licht der Öffent­lich­keit, der anson­sten im Hin­ter­grund wirkt.

Es han­delt sich um Msgr. Pao­lo Luca Brai­da, der gestern dem Papst sei­ne Stim­me lieh. Er saß bei der Über­tra­gung neben Fran­zis­kus und las des­sen Text vor. Der 64jährige Msgr. Brai­da stammt aus der ita­lie­ni­schen Diö­ze­se Lodi. Er koor­di­niert die Grup­pe von Autoren, die offi­zi­ell für den Hei­li­gen Stuhl die Anspra­chen von Fran­zis­kus vor­be­rei­ten, struk­tu­rie­ren und schrei­ben. Dazu gehö­ren vor allem die offi­zi­el­len Fix­punk­te, wie die Gene­ral­au­di­enz am Mitt­woch und der Ange­lus am Sonn­tag.

Msgr. Brai­da (Staats­se­kre­ta­ri­at) ver­las gestern die Ange­lus-Bot­schaft von Papst Franziskus

Ver­gleich­ba­res war bereits unter Papst Johan­nes Paul II. gesche­hen, als sei­ne Par­kin­son-Erkran­kung ihn zu sehr behin­der­te und sei­ne Bot­schaf­ten von dem dama­li­gen Sub­sti­tu­ten des vati­ka­ni­schen Staats­se­kre­ta­ri­ats und spä­te­ren Kar­di­nal Leo­nar­do Sand­ri ver­le­sen wurden.

Auch Msgr. Brai­da gehört dem Staats­se­kre­ta­ri­at an. Unter Papst Fran­zis­kus stieg er dort zum Amts­lei­ter auf. Außer­halb sei­ner Dienst­zei­ten ist er in der Blin­den­seel­sor­ge tätig, in der auch ein Prie­ster­on­kel von ihm vie­le Jah­re wirk­te. Zudem schreibt er ger­ne reli­giö­se Gedichte.

Wie es zwi­schen Staa­ten auf diplo­ma­ti­scher Ebe­ne Gepflo­gen­heit ist, wur­de ihm 2015 der Rang eines Kom­turs des Ver­dienst­or­dens der Repu­blik Ita­li­en verliehen.

Der Holodomor

In sei­ner von Msgr. Brai­da ver­le­se­nen Anspra­che gedach­te Fran­zis­kus des Holo­do­mor in der Ukrai­ne, eines Mas­sen­ster­bens Anfang der 30er Jah­re, das Mil­lio­nen von Ukrai­nern das Leben koste­te. Der Holo­do­mor ist als histo­ri­sche Tat­sa­che aner­kannt. Die Opfer­zah­len schwan­ken. Die Ukrai­ni­sche Aka­de­mie der Wis­sen­schaf­ten kam 2008 auf rund 3,5 Mil­lio­nen Tote. Wer­den die dadurch ent­stan­de­nen Gebur­ten­ver­lu­ste ein­ge­rech­net, kommt man auf 4,5 Mil­lio­nen Ver­lu­ste von Men­schen für die Ukrai­ne. Es gibt auch deut­lich höhe­re Schät­zun­gen, für die aller­dings die Grund­la­gen feh­len. Die Unge­nau­ig­keit der Ver­lust­schät­zun­gen geht auf unter­schied­li­che Ana­ly­se­me­tho­den zurück: unter­such­ter Zeit­raum, Daten­grund­la­ge: etwa Volks­zäh­lungs­er­geb­nis­se oder Sterb­lich­keits­ra­te als Aus­gangs­punkt, Berück­sich­ti­gung der Gesamt- oder Über­sterb­lich­keit oder Ein­rech­nung von Gebur­ten­de­fi­zi­ten durch den Kin­des­kin­der­ef­fekt. Zudem sind man­che Quel­len ein­fach nicht zugäng­lich. Die Archi­ve, beson­ders die rus­si­schen, sind teil­wei­se noch verschlossen.

Das Hun­ger­ster­ben betraf nicht nur die Ukrai­ne, son­dern auch angren­zen­de rus­si­sche Gebie­te. Weit­ge­hend den gesam­ten Getrei­de­an­bau­gür­tel der dama­li­gen Sowjetunion.

Umstrit­ten ist bis heu­te, ob das Mas­sen­ster­ben eine kata­stro­pha­le Fol­ge der kom­mu­ni­sti­schen Plan­wirt­schaft oder von Sta­lin gezielt her­bei­ge­führt wor­den war. Umstrit­ten ist eben­so, ob es sich dabei um eine kom­mu­ni­sti­sche Maß­nah­me gegen den Bau­ern­stand all­ge­mein oder um eine spe­zi­fisch anti-ukrai­ni­sche Akti­on han­del­te. Letz­te­re The­se ver­tre­ten seit damals ukrai­nisch-natio­na­le Kräf­te und neu­er­dings auch der Westen.

Tat­sa­che ist, daß im Zuge der kom­mu­ni­sti­schen Kol­lek­ti­vie­rung der Bau­ern­stand ver­nich­tet wur­de. Die Ereig­nis­se fie­len mit zwei Miß­ern­ten in den Jah­ren 1931/​32 zusam­men, die zu einer Getrei­de-Ver­knap­pung führ­ten. Den­noch ent­zo­gen die Kom­mu­ni­sten den Bau­ern mehr von ihrer Ern­te und ver­staat­lich­ten sie. Dadurch kam zur natür­li­chen noch eine künst­li­che Ver­knap­pung hin­zu, die zum gro­ßen Hun­ger­tod führte.

Die Maß­nah­me rich­te­te sich gene­rell gegen die Bau­ern der Sowjet­uni­on. Tei­le der Ukrai­ne waren davon beson­ders hart betrof­fen, weil sie ein Zen­trum der sowje­ti­schen (und euro­päi­schen) Korn­kam­mer waren. Aller­dings gilt das auch für die noch ein­mal so gro­ßen öst­lich angren­zen­den rus­si­schen Gebie­te bis zum Kas­pi­schen Meer. Ein Teil der Geschichts­for­schung schließt daher eine spe­zi­fisch anti-ukrai­ni­sche Absicht aus.

Leo Trotz­ki, der damals bereits von Sta­lin ent­mach­te­te und im Exil leben­de Bol­sche­wi­sten­füh­rer, kri­ti­sier­te Sta­lin, aber nicht wegen der Hun­ger­jah­re, son­dern weil die Bau­ern­ver­nich­tung und Umor­ga­ni­sa­ti­on der Sowjet­uni­on zu wenig radi­kal durch­ge­führt wor­den sei.

Der Holo­do­mor, wie die Ukrai­ne ins­ge­samt, fand erst seit 2014 im Westen öffent­li­che Auf­merk­sam­keit, also erst nach dem von der US-Regie­rung unter Barack Oba­ma und Joe Biden her­bei­ge­führ­ten Mai­dan-Putsch und der dar­auf fol­gen­den Abspal­tung der Krim-Repu­blik und des Donez­beckens von der Ukrai­ne, der Auf­he­bung der Min­der­hei­ten­rech­te in der Ukrai­ne und den Bestre­bun­gen für eine NATO- und EU-Mit­glied­schaft des Lan­des. Das Holo­do­mor-Bewußt­sein im Westen hängt direkt mit den Ereig­nis­sen zusam­men, die nach acht Jah­ren in den heu­te toben­den rus­sisch-ukrai­ni­schen Krieg mündeten.

Groß­erz­bi­schof Schewtschuk nahm mit den ande­ren Reli­gi­ons­füh­rern der Ukrai­ne am Sams­tag in Kiew am Holo­do­mor-Geden­ken teil

Die bekann­te­ste Dar­stel­lung des Holo­do­mor stammt von der US-ame­ri­ka­ni­schen Jour­na­li­stin und Histo­ri­ke­rin Anne App­le­baum und stammt – kein Zufall – aus dem Jahr 2017 (die deut­sche Über­set­zung erschien 2019), also nach dem Mai­dan-Putsch und dem Beginn des neu­en Kal­ten Krie­ges zwi­schen Ruß­land und den USA um die Ukrai­ne. App­le­baum ist auf das eng­ste mit links­li­be­ra­len trans­at­lan­ti­schen Netz­wer­ken ver­bun­den. Sie gehör­te dem Redak­ti­ons­aus­schuß der Washing­ton Post an und ist seit Jah­ren Mit­glied des Coun­cil on For­eign Rela­ti­ons, einer 1921 gegrün­de­ten pri­va­ten Ver­ei­ni­gung, die als eines der wich­tig­sten Len­kungs­gre­mi­en der US-ame­ri­ka­ni­schen Außen­po­li­tik gilt. Ent­spre­chend ist auch die für ein histo­ri­sches The­ma auf­fäl­li­ge Auf­merk­sam­keit, die App­le­baums Buch fand, kein Zufall. App­le­baums Ver­dienst ist es (aller­dings da von ein­fluß­rei­chen Kräf­ten in den USA poli­tisch so gewollt), den Holo­do­mor ins Ram­pen­licht geholt zu haben. Fach­lich wur­de ihre Arbeit kri­ti­siert, da die pro­pa­gan­di­sti­sche Absicht des Buches deut­lich spür­bar ist.

Vor dem Hin­ter­grund ist auch zu sehen, daß der Holo­do­mor vom US-Senat 2018, inmit­ten des Don­baß-Kon­flik­tes, und vom EU-Par­la­ment 2022, nach Aus­bruch des Ukrai­ne­krie­ges, als Völ­ker­mord ein­ge­stuft wurde. 

Auch Papst Fran­zis­kus bezeich­ne­te gestern den Holo­do­mor als Völ­ker­mord, den das Sowjet­re­gime verübte:

„Die­se tie­fe Wun­de heilt nicht, son­dern wird durch die Grau­sam­kei­ten des Krie­ges, unter denen die­ses lie­be Volk wei­ter­hin lei­det, noch schmerzhafter.“

Am ver­gan­ge­nen Sams­tag, dem 25. Novem­ber, wur­de in der Ukrai­ne der 90. Jah­res­tag des Holo­do­mor began­gen. Auch das Ober­haupt der Ukrai­ni­schen grie­chisch-katho­li­schen Kir­che, Groß­erz­bi­schof Swja­to­slaw Schewtschuk, nahm an einem Gebets­mo­ment in der ortho­do­xen Mariä-Ent­schla­fens-Kathe­dra­le im Kie­wer Höh­len­klo­ster teil, zu dem sich die poli­ti­sche, mili­tä­ri­sche und reli­giö­se Füh­rung des Lan­des ver­sam­mel­te. Der grie­chisch-katho­li­sche Westen der Ukrai­ne war vom Holo­do­mor ver­schont geblie­ben, weil er in der Zwi­schen­kriegs­zeit zu Polen gehörte.

„Wer keinen Dialog will, will auch keinen Frieden“

Fran­zis­kus dank­te gestern auch 

„Gott, daß es end­lich einen Waf­fen­still­stand zwi­schen Isra­el und Palä­sti­na gibt und eini­ge Gei­seln frei­ge­las­sen wur­den. Laßt uns beten, daß sie alle so schnell wie mög­lich frei­ge­las­sen wer­den – denkt an ihre Fami­li­en! –, daß mehr huma­ni­tä­re Hil­fe nach Gaza kommt und daß wir auf dem Dia­log bestehen: Das ist der ein­zi­ge Weg, der ein­zi­ge Weg zum Frie­den. Wer kei­nen Dia­log will, will auch kei­nen Frieden“.

Der Klimawandel widerspricht dem Plan Gottes?

Nach die­sen star­ken Wor­ten bedien­te Fran­zis­kus aller­dings auch das Kli­ma-Nar­ra­tiv und phantasierte:

„Neben dem Krieg ist unse­re Welt von einer wei­te­ren gro­ßen Gefahr bedroht, dem Kli­ma­wan­del, der das Leben auf der Erde und ins­be­son­de­re die künf­ti­gen Gene­ra­tio­nen gefähr­det. Und das wider­spricht dem Plan Got­tes, der alles für das Leben geschaf­fen hat.“

Man staunt. Der Kli­ma­wan­del, ein natür­li­cher Vor­gang, der unun­ter­bro­chen statt­fin­det, seit die Welt erschaf­fen wur­de, „wider­spricht dem Plan Got­tes“? Woll­te Fran­zis­kus ein Extrem­bei­spiel für eine „ver­kürz­te Dar­stel­lung“ liefern?

Fran­zis­kus lie­fer­te viel­mehr die durch­sich­ti­ge Begrün­dung für sei­ne Aus­las­sung und ver­wies auf die UNO-Welt­kli­ma­kon­fe­renz, die in weni­gen Tagen am Per­si­schen Golf beginnt:

„Des­halb wer­de ich am kom­men­den Wochen­en­de in die Ver­ei­nig­ten Ara­bi­schen Emi­ra­te rei­sen, um am Sams­tag auf der COP28 in Dubai zu spre­chen. Ich dan­ke allen, die die­se Rei­se mit ihren Gebe­ten und ihrem Enga­ge­ment für den Schutz unse­res gemein­sa­men Hau­ses beglei­ten werden.“

Beten für eine betrü­ge­ri­sche Klima-Agenda?

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: VaticanMedia/​AsiaNews (Screen­shot)

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