
Ettore Gotti Tedeschi, Finanzwissenschaftler und ehemaliger Präsident der Vatikanbank IOR, nahm jüngst zu Umweltbelastung, Klimawandel und Geburtenrückgang Stellung und widersprach dem gängigen Narrativ auf provokante Weise, indem er sagte, daß der Westen nicht weniger, sondern mehr Kinder brauche. Anlaß sind unter anderem Diskussionen über Aussagen des Physikers und ehemaligen Ministers Roberto Cingolani, den Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni als Generaldirektor des Rüstungskonzerns Leonardo einsetzte, dessen Hauptaktionär das italienische Verteidigungsministerium ist. Cingolani war 2021/22 unter dem damaligen Regierungschef Mario Draghi (ehemaliger Präsident der Europäischen Zentralbank) italienischer Umweltminister. Als Meloni auf Draghi folgte wurde Cingolani zwar nicht mehr Minister, dafür aber Regierungsberater für Energiefragen. Für Polemiken sorgt, was Cingolani 2014 bei einem Vortrag sagte, zu dem 15 Universitäten in einer Videokonferenz zugeschaltet waren, was aber erst jetzt in die breitere Öffentlichkeit gelangte. Cingolani gab sich nicht nur als Antinatalist, sondern als Propagandist der Bevölkerungsdezimierung zu erkennen. Er sagte damals:
„Der Planet wurde für drei Milliarden Menschen projektiert. Wir sind zu viele. Wir sind Parasiten.“
In seinem Buch „Also sprach Zarathustra nicht. Provokationen, um die Welt zu verstehen“1, in Abwandlung des Titels eines Nietzsche-Buches, plädiert Ettore Gotti Tedeschi hingegen für mehr Geburten. Der Westen brauche mehr Kinder und eine höhere Geburtenrate. Die Epoche, in der wir leben, so Gotti Tedeschi, sei jene des Geburtenmangels, und das habe weitreichende und schwerwiegende Folgen.
Gegenüber der Tageszeitung La Verità bekräftigte er seinen Aussagen und erklärte, was der Anstoß zu seiner Schlußfolgerung war. Durch die Zahlen sei er dazu gelangt, so der Finanzethiker, denn die würden „nicht lügen“. In den 70er Jahren lebten in der westlichen Welt eine Milliarde Menschen oder 25 Prozent der Weltbevölkerung. Heute lebt im Westen immer noch eine Milliarde Menschen, aber das sind nur mehr 12,5 Prozent der Weltbevölkerung. Damals erwirtschaftete der Westen direkt oder indirekt 90 Prozent des weltweiten BIP (Bruttoinlandsprodukts), heute aber nur mehr weniger als die Hälfte, so Gotti Tedeschi.
Anfang der 70er Jahre hatte sich im Westen die Überzeugung durchgesetzt, daß das Bevölkerungswachstum beendet werden müsse. Zur Begründung wurde die Umweltverschmutzung angeführt, genauer, die „Umweltbelastung“ durch das Bevölkerungswachstum im „reichen und gebildeten“ Westen. Es hatten sich jene Kräfte kulturell durchgesetzt, die im Bevölkerungswachstum eine „Gefahr für den Planeten“ sehen, da der Mensch, wie sie behaupteten, bewußt oder unbewußt ein „gieriger Ausbeuter der Natur und der Erde“ sei.
Es wurde ein Schuldkomplex erzeugt. Mehr noch. Der Mensch wurde zum „Krebsgeschwür“ für die Natur umgedeutet. Man müsse sich das vorstellen, so Gotti Tedeschi. Das politisch korrekte Denken verlangte sofort nach einer Begrenzung des Bevölkerungswachstums… Gemäß diesem Denken sei der Mensch nichts anderes als ein armseliger Bazillus, der den Gesetzen der Evolution entglitten sei. Ein schädlicher Bazillus! Der westliche Mensch, der studierte, las und vor allem fernsah (insbesondere Spielfilme über Naturkatastrophen), hat die Geburten nach und nach eingestellt und abgebrochen und ließ die Geburtenrate einbrechen.
Der Rest der Welt hingegen nicht oder erst später. Nur die Kommunisten in China zwangen dem eigenen Volk eine ähnliche Haltung auf. Heute ist die westliche Welt ärmer, nicht aber der Rest der Welt. Der Westen beherrscht die Welt nicht mehr, sie ist multipolar geworden. Europa ist im Bereich der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit aber fast verschwunden. Den USA gelingt es, dank ihrer technologisch-militärischen Position, ihren (allerdings stark reduzierten) Einfluß aufrechtzuerhalten, auch und nicht zuletzt auf Kosten Europas, aber sie brauchen neue Bündnisse. Die Länder, die wir gestern noch als Schwellenländer oder sogar Dritte Welt genannt haben und die heute als BRICS-Staaten bezeichnet werden, umfassen fast die Hälfte der Weltbevölkerung und ein BIP, das in einigen Jahren die Hälfte des Welt-BIP ausmachen wird, da ihre Wirtschaft jährlich um 7–9 Prozent wächst. Wie konnte es aber dazu kommen?
Das geschah, wie ich seit mehr als 30 Jahren zu erklären versuche, gerade wegen des Einbruchs der Geburtenraten im Westen, der zu einem Rückgang des BIP geführt hätte, wäre er nicht durch Konsum ausgeglichen worden. Das Wachstum des individuellen Konsums hat also den Einbruch der Geburtenrate kompensiert, allerdings nur auf illusorische Weise. Damit der Westen immer mehr konsumieren konnte, um zu kompensieren, wurde die Produktion durch die Industrialisierung der Schwellenländer und die Deindustrialisierung des Westens in Länder mit niedrigen Produktionskosten verlagert. Damit aber wurden erst die Voraussetzungen für die Umweltbelastungen, die menschengemachten Umweltprobleme geschaffen. Ich spreche nicht vom Unsinn eines menschengemachten „Klimawandels“, sondern von echten Umweltproblemen. Im Klartext, wir haben erst geschaffen, was bestimmte einflußreiche Kräfte zuerst, aber fiktiv behauptet hatten, indem wir deren „Lösungen“ gefolgt sind. Paradox!
In den vergangenen Jahrzehnten haben wir so weitergemacht und uns immer geweigert, den Ursprung des Problems anzuerkennen, bis das Phänomen (und die Kosten) einer alternden Bevölkerung und die negativen Auswirkungen eines Nullwachstums der Geburtenrate auf die westlichen Volkswirtschaften, mit den Folgen, die wir beklagen, unübersehbar wurden. Dennoch werden die Ursachen des Problems nach wie vor weder analysiert noch anerkannt. Nur die Auswirkungen. Das Nullwachstum bedeutet übrigens nicht, daß die Bevölkerungszahl einfach nicht mehr wächst, sondern meint einen massiven Bevölkerungsrückgang, der sich immer mehr beschleunigt. Kinder, die nie geboren werden, können auch keine Kinder haben. Es gibt also nicht nur weniger Kinder, sondern noch weniger Enkel und noch viel weniger Urenkel.
Es drängt sich die Frage nach dem Warum dieser Realitätsverweigerung auf. Um eine wirtschaftlich begründete Einwanderung zu erzwingen? Vielleicht.
Solange das, was fälschlicherweise als „neomalthusianische Kurzsichtigkeit“ bezeichnet wird, Teil der sogenannten westlichen Kultur ist, werden die Regierungen keinen Spielraum haben, um die Fehlentwicklungen zu korrigieren. Ich sage „fälschlicherweise“, denn es ist überhaupt keine Kurzsichtigkeit: Jene, die dem Westen seit den 70er Jahren die Last des Bevölkerungsrückgangs auferlegt haben, sehen sehr gut und sie wissen auch genau, was sie tun. Wenn der Mensch nur als „Bazillus“ gesehen wird, der den Evolutionsgesetzen entkommen ist, ist es offensichtlich, daß er auch so behandelt wird. Wenn die westliche Kultur davon überzeugt ist, daß es zu viele Menschen auf der Welt gibt, dann ist auch klar, daß alles getan wird, um das Bevölkerungswachstum einzuschränken. Der „Geniestreich“ bestand darin, dem Menschen die Schuld nicht nur an der meßbaren Umweltverschmutzung, sondern auch am nicht wirklich faßbaren Klimawandel zuzuschreiben. Man hat den Menschen für etwas verantwortlich gemacht, zum Schuldigen für eine Schuld erklärt, die weder als solche noch in ihren Kausalitäten gesichert nachgewiesen werden kann. Doch darüber sieht man hinweg und behauptet einfach das Gegenteil, denn auf diese Weise wird die Verringerung der Zahl der Menschen mit der Notwendigkeit gerechtfertigt, den Planeten vor dem Menschen als „Krebsgeschwür der Natur“ zu retten.
Was aber können die einzelnen Regierungen dagegen tun, die nicht mehr über ökonomische und politische Autonomie verfügen und sich nicht mehr selbst versorgen können?
Ich antworte darauf bewußt sehr provokant und auch etwas paradox mit einem Vorschlag: Um die Umweltbelastung zu reduzieren und den Planeten zu retten, muß der Westen wieder mehr Kinder bekommen. Das würde den „Konsumismus“ (der die Umweltbelastung verursacht) reduzieren und die Notwendigkeit verringern, die Produktion mit Niedrigkosten (und hoher Umweltbelastung) zu verlagern. Es würden sich Familien mit einer nüchternen Einstellung zum Konsum bilden, deren Angehörige sich aus Verantwortung für ihre Kinder zu einem größeren „Engagement“ verpflichtet fühlen würden. Die Menschen würden sich wieder dem Sparen und Investieren zuwenden und so einen virtuosen Kreislauf wieder in Gang bringen.
Es braucht dazu Interventionen wirtschaftlicher und sozialer Art, Dienstleistungen usw., aber vor allem müssen wir wieder eine Kultur des Lebens aufbauen, die auf dem Wert und der einzigartigen Würde der Person und auf dem Sinn des Lebens beruht. Um dies zu erreichen, darf das menschliche Geschöpf nicht als „Bazillus“ betrachtet werden, der den in Wirklichkeit gar nicht existierenden Gesetzen der Evolutionstheorie entkommen sei.
Wir kehren also zum Verständnis des „Heiligen“ zurück, das als der eigentliche Feind angesehen wurde, den es zu bekämpfen galt. Und das ist ihnen weitgehend gelungen. Was ist heute schon noch heilig?
Wir reden viel von kulturellen Konflikten, doch wir sollten vielmehr wieder von „spirituellen“ Konflikten sprechen. Und das werden wir auch bald wieder tun, denn sie zu leugnen hat nur Chaos und utopistische Resets verursacht. Von denen vielleicht einige versehentlich sogar im Lehramt der Kirche gelandet sind…
Die italienische Senatorin Lavinia Mennuni (Fratelli d’Italia) sprach von der Notwendigkeit, daß die Mutterschaft wieder „cool“ werden müsse. Daß die Mutterschaft wieder cool werden muß, höre ich schon seit über 30 Jahren. Aber sie lassen es nicht zu. Sie erlauben es nicht. Es ist ein Tabuthema. Selbst wenn in Anführungszeichen darüber gesprochen wird, kommt es immer sofort zu Polemiken. Jene, die uns das eingebrockt haben, haben eine massive Brandmauer errichtet, die nach wie vor hält.
Das Problem ist weder, daß Muttersein nicht in Mode ist, noch, daß die ökonomischen Bedingungen die Vereinbarkeit von Muttersein und außerhäuslicher Arbeit nicht erlauben. Das Problem ist kultureller Natur. Es geht um die Kultur des Lebens, die Kultur vom Sinn des Lebens.
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Nach dem Frontdeckel des Buches von Gotti Tedeschi
1 Ettore Gotti Tedeschi: Così non parlò Zarathustra. Provocazioni per capire il mondo. Verlag Cantagalli, Siena 2021; derselbe auch: La culla vuota della Civiltà. All’origine della crisi (Die leere Wiege der Zivilisation. Der Ursprung der Krise). Verlag Gondolin, Verona 2018.
Siehe zum Thema auch:
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- Ist die sexuelle Revolution „zufällig“ passiert?
- Bevölkerungskrise im Land des Lächelns
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