(Bangkok) Schätzungen zufolge wird die Bevölkerung Thailands im Jahr 2029 ihren Höchststand erreichen und dann rapide abnehmen. Die Geburtenrate ist auf 1,3 Kinder pro Frau gesunken. Die älteren Menschen machen bereits 23 Prozent der Bevölkerung aus in einem Land ohne ein angemessenes Sozialsystem. Das Beispiel Thailand gilt für viele Länder der einstigen Dritten Welt und bietet eine Lektion für die weltweite demographische Entwicklung.
Am 14. Mai finden im Königreich Thailand Parlamentswahlen statt, die viele Unbekannte mit sich bringen. Dem Land des Lächelns vergeht gerade das Lächeln, denn seine demographische Dynamik ist erlahmt. Und die Politik beginnt sich offiziell mit 40jähriger Verspätung erst mit der Frage zu befassen – mit offenem Ergebnis.
Die demographische Dynamik des Landes ist nämlich schon lange erlahmt, doch erst jetzt tritt diese Tatsache in das allgemeine Bewußtsein. Ein Blick auf die Zahlen zeigt, warum dem so ist.
Mit 66 Millionen Einwohnern (Stand 31. Dezember 2022) liegt Thailand derzeit auf Platz 22 der Weltrangliste. Laut UNO-Schätzungen wird das Land 2029 sogar 70,3 Millionen Einwohner zählen. Alles bestens also? Keineswegs.
Ab 2029 wird die Einwohnerzahl nämlich schrumpfen, und das sogar rapide. Diese Projektion in die Zukunft ist im Gegensatz zu vielen anderen gesichert, denn die Kinder, die bis heute nicht geboren wurden, gibt es morgen nicht. Bis Ende des 21. Jahrhunderts wird Thailand, hält die Entwicklung an, nur mehr 46 Millionen Einwohner haben.
Wenn die Bevölkerung schrumpft, freuen sich manche, vor allem die Neomalthusianer im Westen, wo die irrige malthusianische Bevölkerungstheorie entwickelt wurde, weil sie die Überbevölkerungsängste gespeichert haben, mit denen seit Ende der 60er Jahre Panik erzeugt wird. Es sind Ängste, die mit jenen der Klimahysterie von heute vergleichbar sind. Tatsächlich ähneln sich die Horrorszenarien frappierend. Das ist wenig verwunderlich, denn hinter der Erzeugung dieser Ängste stehen die gleichen Kräfte mit dem gleichen Ziel.
Weniger Kinder, mehr Alte
Die demographische Krise Thailands verläuft in zwei Richtungen. Die erste ist die sinkende Fruchtbarkeit: Heute werden durchschnittlich nur mehr 1,3 Kinder pro Frau im gebärfähigen Alter geboren. Parallel findet eine Überalterung der Bevölkerung statt. Anders ausgedrückt: Es werden immer weniger Kinder geboren, während die Anzahl der alten Menschen immer größer wird. Diese gegensätzlichen Bewegungen sind für ein Volk und ein Land, was auf der Hand liegt, sehr ungesund.
Beide Faktoren gehen auf bessere Gesundheits‑, Wohn- und Ernährungsbedingungen, aber auch größeren Individualismus und größere Unabhängigkeit der Frauen zurück. Dabei hat der Westen intensiv mitgemischt. Die Zahlen erklären es.
Die verbesserten medizinischen Standards, die seit Beginn des 20. Jahrhunderts durch den Westen vermittelt wurden, führten zu einem deutlichen Rückgang der Kindersterblichkeit und damit zu einem massiven Bevölkerungswachstum, denn die Mentalität, die das Verhältnis zur Kinderzahl bedingt, hinkt den Gegebenheiten hinterher. Die Volksrepublik China kann ein dramatisches Lied davon singen.
China: Trotz Ende der Ein-Kind-Politik kein Ende der demographischen Krise
2016 hob das kommunistische Regime wegen des demographischen Niedergangs die totalitäre Ein-Kind-Politik auf und erlaubt seither Paaren zwei Kinder. Zu wenig, wie Chinas Demographen schon damals sagten.
Die Geburtenrate ist seither nicht etwa gestiegen, sondern von 1,67 auf 1,2 Kinder gefallen.
Natürliche Prozesse setzen ein Umdenken voraus, und das geschieht nicht von heute auf morgen. Erst recht kann nicht eine jahrzehntelange Umerziehung durch ein totalitäres Regime per Knopfdruck einfach abgedreht werden. Ein Umdenken kann erst von der nachwachsenden Generation erwartet werden und das auch nur, wenn sie ein kinderfreundliches Klima erlebt.
Das Beispiel China zeigt in jeder Hinsicht, wie hochbedenklich künstliche Eingriffe sind.
Der künstliche Eingriff der Neomalthusianer
Ein solcher steht am Ursprung des jetzigen demographischen Dilemmas. Die sprunghaft ansteigende Geburtenrate um die Mitte des 20. Jahrhunderts versetzte die bereits erwähnten neomalthusianischen Machtzirkel im Westen in Panik. Sie gaben große Summen zur Entwicklung der Anti-Baby-Pille aus (seit 1960 auf dem Markt) und schalteten ab 1968 über den Club of Rome in den Panikmodus, indem sie die Vernichtung ganzer Länder „prophezeiten“, wenn die Geburtenrate nicht schnell und massiv eingeschränkt werde. Es ging darum, die Verhütungsmentalität durch Angsterzeugung in den Köpfen zu verankern. Parallel wurde die Tötung ungeborener Kinder durch Abtreibung legalisiert. Großbritannien machte 1967 den Auftakt, die meisten westlichen Staaten folgten Anfang der 70er Jahre. Kein Zufall! Der Antrieb für die neomalthusianischen Machtzirkel, in denen die Familie Rockefeller seit 1912 die längste und einflußreichste Tradition vorweisen kann, sind Macht- und Verteilungskämpfe. Nicht zwischen Staaten, sondern zwischen selbsternannten Eliten und dem Rest der Menschheit.
Dabei übersahen die Überbevölkerungsfanatiker die Fähigkeit natürlicher Prozesse der Selbstregulierung. Diese finden zwar etwas verzögert statt, weil erst ein Umdenken stattfinden muß, dem die Anpassung an neue Gegebenheiten folgt. Diese natürlichen Prozesse finden also verzögert statt, aber sie finden statt, wie die Menschheitsgeschichte lehrt. Mit anderen Worten, der Rückgang der Kindersterblichkeit hätte ohnehin zu einem natürlichen Rückgang der Geburtenrate geführt, aber organisch, ohne schädliche kinder- und familienfeindliche, neuerdings auch geschlechtsfeindliche Umerziehung. Die neomalthusianen Technokraten wollten diesen Prozeß aber künstlich beschleunigen. Auch in Thailand.
Die bedingungslose Bevölkerungsreduzierung
Mitte der 60er Jahre lag die Bevölkerungswachstumsrate in Thailand wegen der verbesserten medizinischen Versorgung und Lebensbedingungen bei 3 Prozent im Jahr. Seit 1968 geht diese jedoch kontinuierlich zurück, um 2022 mit 0,2 Prozent faktisches Nullwachstum zu erreichen.
Die Trendumkehr hatte bereits 1964 eingesetzt, ganz natürlich. Im Jahr davor lag die Fruchtbarkeitsrate wegen der beschriebenen Steigerung bei 6,29 Kindern je Frau im gebärfähigen Alter, um danach abzusinken. Den unduldsamen Neomalthusianern ging das aber zu langsam, weshalb sie ihre Verhütungs- und Abtreibungslobby nach Thailand schickten. 1968 wurde sie auch dort institutionalisiert mit der Gründung der Planned Parenthood Association of Thailand (PPAT), eines Ablegers des weltgrößten Abtreibungskonzerns Planned Parenthood. Die Gründung der PPAT erfolgte unter der Schirmherrschaft des thailändischen Königshauses. Seit 1968 ist die jeweilige Königinmutter Schirmherrin dieses neomalthusianischen Instruments. Die thailändischen Eliten sind nicht unbeteiligt an der demographischen Krise des Landes.
1990 unterschritt die Fruchtbarkeitsrate die Bestandssicherung, die bei 2,1 Kindern liegt. Das heißt: Schon seit 1990 schrumpft Thailands Bevölkerung, obwohl sie nach Zahlen noch wächst, denn seit über 30 Jahren geht das gesamte Wachstum nur mehr auf Kosten der steigenden Lebenserwartung und der Einwanderung. In Thailand lag die Lebenserwartung 1950 bei 42 Jahren. Heute liegt sie bei 77,7 Jahren. Sie wird noch weiter steigen, aber die fehlenden Geburten ab 2023 nicht einmal mehr auf dem Papier ausgleichen können. Das erklärt, warum die Bevölkerungsabnahme ab 2029 rapide vonstatten gehen wird. Kinder die nie geboren wurden, können auch keine Kinder haben. Es ist wie ein negativer Zinseszinseffekt.
Der Anteil der Kinder unter 14 Jahren ist in Thailand allein in den drei Jahren 2020–2022 von 16,0 Prozent auf 15,2 Prozent gesunken, während der Anteil älterer Menschen im selben Zeitraum von 20,3 Prozent auf fast 23 Prozent gestiegen ist.
Überalterung ohne Alterssicherung
Hinzu kommt ein Problem, das im deutschen Sprachraum faktisch unbekannt ist, da dieser in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Vorreiter einer staatlichen Sozialgesetzgebung war. Die soziale Absicherung ist in Thailand, wie in den meisten Ländern der ehemaligen Dritten Welt, nicht nur selektiv, sondern mangelhaft. Nicht einmal ein Drittel der erwerbstätigen Bevölkerung kann auf irgendeine Form der Altersabsicherung zählen. 83 Prozent der über 65jährigen Thailänder sind weiterhin auf irgendeine Form der Beschäftigung angewiesen, um ihre Bedürfnisse zu decken.
Nun, da die demographische Frage, deren Negativumkehr bereits 1990 erfolgte, allgemein sichtbar wird, wird sie in Thailand auch in Massenmedien und in den sozialen Netzwerken diskutiert. Dies geschieht unter dem Aspekt der nationalen Identität, von Maßnahmen der Geburtenförderung, des Ausbaus des staatlichen Sozialsystems und der Unterstützung der älteren Bevölkerungsteile. Politiker müssen sich zunehmend mit der Frage befassen, obwohl noch keine Partei sie zu ihren Prioritäten zählt.
Aus dem Westen wird Thailand – wenig verwunderlich – eine Änderung seiner Einwanderungspolitik empfohlen. Offiziell sind 984.000 Ausländer im Land des Lächelns registriert, tatsächlich dürften es wesentlich mehr sein. Die thailändische Gesellschaft reagierte bisher mit weitgehender Ausgrenzung. Das solle sich ändern, so die Empfehlung, wenn das Land auf die demographische Krise reagieren wolle. Stimmt das aber?
Migrationsagenda und demographische Einöde
Das „Einkaufen“ von „Humanressourcen“ im Ausland entspricht der menschenverachtenden Supermarkt-Mentalität der genannten Technokraten. Die Sache hat aber noch einen weiteren wesentlichen Haken. Selbst wenn die Thailänder ihre Haltung ändern und ihre nationale Identität wie die Westeuropäer aufgeben sollten: Woher die „einzukaufenden“ Menschen nehmen, wenn nicht stehlen?
Ein Blick in Thailands Nachbarländer zeigt, daß die demographische Realität in Südost‑, Süd- und Ostasien ähnlich, wenn nicht dramatischer ist. In Thailand liegt die Fruchtbarkeitsrate mehr als 35 Prozent unter der Bestandssicherung und die gesamte Nachbarschaft kann faktisch keinen Überschuß mehr abgeben.
Die Fruchtbarkeitsrate des kleinen Singapur und des Giganten China hat bereits 1977 bzw. 1990 die Bestandssicherung unterschritten und liegt mit 1,05 bzw. 1,2 Kindern niedriger als jene Thailands. Auch Vietnam (2000), Brunei (2004), Malaysia (2012), Bangladesch (2017) und Indien (2020) haben die Marke 2,1 bereits unterschritten.
Lediglich Laos mit 2,45 Kindern und Kambodscha mit 2,28 Kindern und die beiden einzigen katholischen Staaten Asiens, Osttimor mit 2,9 Kindern und die Philippinen mit 2,7 Kindern, haben noch eine positive Geburtenrate. Allerdings wurden die Philippiner dafür von Papst Franziskus 2015 mit dem Karnickel-Vergleich schwer getadelt. Die Tendenz ist auch in diesen Ländern sinkend. Im Vergleich zu den schrumpfenden asiatischen Staaten (vom Rest der Welt ganz zu schweigen, obwohl auch deutsche Politiker in Richtung Philippinen schielen, um Pflegekräfte zu rekrutieren) ist es bestenfalls ein Tropfen auf den heißen Stein, was diese vier Staaten abgeben könnten. Die Philippiner stellen bereits ein großes Gastarbeiter-Kontingent in den arabischen Golfstaaten.
Die Migration findet statt, weil das Sozialgefälle in verschiedenen Ländern noch zu erhöhter Bereitschaft führt, den Anwerbungs- und Abwanderungsverlockungen zu folgen. Der Verteilungskampf um Migranten verschärft sich durch immer neue Anreize – und gelegentlich wird etwas brutal nachgeholfen. Migration geht jedoch zu Lasten des jeweiligen Herkunftslandes. Das kümmert die Werberstaaten freilich nicht, wie sich in Europa zeigt, wo der osteuropäische Markt leergefegt wurde und schon Anwerbekampagnen in Mexiko und auf den Philippinen erfolgten, weshalb der Ukrainekrieg nicht ungelegen zu sein scheint. Die bereitwillige Aufnahme ukrainischer Kriegsflüchtlinge im Westen erfolgt nicht zuletzt auch unter dem Gesichtspunkt, möglichst viele davon dauerhaft als genannte „Humanressource“ im Land zu behalten. Der Krieg hat zu einem millionenfachen Personentransfer mitten in Europa, ohne die für die Migrationspolitiker lästige Einwanderungsdiskussion, geführt.
Viele Facetten einer zunehmenden Fernsteuerung
Das Thema Demographie hat viele Facetten und enorme handfeste Auswirkungen: Macht- und Verteilungskämpfe der Eliten untereinander und gegen den Rest der Menschheit, künstliche Verhütung, Abtreibung (rund 12 Millionen getötete Kinder allein in der Bundesrepublik Deutschland), Euthanasie, Überbevölkerungs- und Klimalüge u. a. zur Bewerbung der Kinderlosigkeit, gesteuerte Massenmigration, Auflösung der nationalen Identitäten der europäischen Völker, Demontage der Nationalstaaten durch Souveränitätsabtretung an intransparente, nicht demokratisch legitimierte internationale Institutionen, Rückgang der Spermienqualität, Fehlgeburtenmassaker nach der Corona-Impfung, künstliche Befruchtung und künstliche Gebärmutter zur künstlichen Reproduktion, Robotisierung und „Künstliche Intelligenz“.
Beim Vermögensverwalter Goldman Sachs freute man sich Ende März, daß der Einsatz von „Künstlicher Intelligenz“ eine „großes Potential“ habe und 300 Millionen Arbeitsplätze überflüssig machen werde. Für den Anfang. Da werden schnell 1–1,5 Milliarden Menschen „überflüssig“ – für den Anfang.
Die „Schöne neue Welt“ der Technokraten kann schnell ins Unmenschliche kippen.
Text: Giuseppe Nardi/Andreas Becker
Bild: Wikicommons