Der deutsche Synodale Irrweg – zum Fünften

Die schöne neue postkatholische Welt lustbetonter Lebenswirklichkeit


Der Synodale Weg und ein verzerrtes Kreuz.
Der Synodale Weg und ein verzerrtes Kreuz.

Der deut­sche Syn­oda­le Irr­weg – zum Ersten
Der deut­sche Syn­oda­le Irr­weg – zum Zwei­ten
Der deut­sche Syn­oda­le Irr­weg – zum Drit­ten
Der deut­sche Syn­oda­le Irr­weg – zum Vierten

Anzei­ge

Von Hubert Hecker.

Zusam­men­fas­sung: Das Syn­odal­fo­rum ‚Sexu­al­mo­ral‘ stellt sich die Auf­ga­be, an die Stel­le der lehr­amt­li­chen Sexu­al­mo­ral der Welt­kir­che eine neu kon­zi­pier­te Sexu­al­ethik zu set­zen, inspi­riert von Ansich­ten kom­pro­mit­tier­ter Sexu­al­wis­sen­schaft­ler. Nach dem Arbeits­pa­pier des Frei­bur­ger Moral­theo­lo­gen Schocken­hoff soll das neue Kon­zept auf dem libe­ra­len Grund­satz der schran­ken­lo­sen Frei­heit des sexu­el­len Begeh­rens, Wäh­lens und Han­delns auf­ge­baut wer­den. Die Sta­tio­nen die­ses sexu­al­ethi­schen Irr­wegs wer­den in den fol­gen­den Aus­füh­run­gen kri­tisch beleuch­tet vom Stand­punkt der biblisch-kirch­li­chen Maxi­me, dass auch im Bereich von Sexua­li­tät und Ehe die vor­gän­gi­ge Hal­tung der Got­tes- und Näch­sten­lie­be das Han­deln der Chri­sten nor­mie­ren soll.

Der Lim­bur­ger Bischof Georg Bät­zing, inzwi­schen Vor­sit­zen­der der Deut­schen Bischofs­kon­fe­renz, mein­te im Janu­ar 2019, dass sich ange­sichts der „mas­si­ven Erschüt­te­rung“ der Gläu­bi­gen durch die Miss­brauchs­stu­die „die Kir­che neu erfin­den“ müs­se. Eine ähn­li­che Auf­ga­be haben die Deut­sche Bischofs­kon­fe­renz und das ZdK der Frank­fur­ter Syn­odal­ver­samm­lung zuge­dacht. Ins­be­son­de­re soll in einer der vier Arbeits­grup­pen die katho­li­sche Leh­re zu Sexua­li­tät und Ehe neu erfun­den werden.

Bät­zing unter­stützt die sexu­al­ethi­sche Neu­kon­zep­ti­on und führt als Begrün­dung an, dass die kirch­li­che Sexu­al­mo­ral „offen­sicht­lich immer weni­ger Zuspruch und Akzep­tanz … bei der über­wie­gen­den Mehr­heit der Getauf­ten fin­det“. Eine sol­che Nicht-Akzep­tanz gilt aller­dings auch für die christ­li­che Leh­re von der Auf­er­ste­hung, an die nur noch ein Vier­tel der getauf­ten Deut­schen glaubt. Nach der Logik von Bischof Bät­zing müss­te des­halb der Glau­be an die Auf­er­ste­hung abge­mil­dert oder neu kon­zi­piert wer­den, um grö­ße­re Zustim­mungs­ak­zep­tanz zu errei­chen. Ist das Gegen­mit­tel zur Ver­dun­stung des Glau­bens die Ver­dün­nung der Leh­re? Oder soll­ten die Bischö­fe, Prie­ster, Kate­che­ten und Reli­gi­ons­leh­rer nicht grö­ße­re mis­sio­na­ri­sche Anstren­gun­gen unter­neh­men, um den bibli­schen Glau­ben und die christ­li­che Sexu­al­mo­ral bes­ser zu erklä­ren? Die Syn­ode will offen­sicht­lich den brei­ten Weg der abschüs­si­gen Anpas­sung an die nied­ri­gen Akzep­tanz-Kri­te­ri­en des Main­streams gehen.

Bindungsbereite Beziehungen zwischen Menschen jeglicher Orientierung …

Die Fami­li­en­syn­ode 2015 und 2016 hat die katho­li­sche Ehe­leh­re bekräf­tigt: Danach ist die kirch­li­che Ehe­schlie­ßung als sakra­men­tal bestä­tig­ter Glau­bens­akt dadurch cha­rak­te­ri­siert, dass die Ehe­leu­te mit ihrem Gelöb­nis vor Gott und den Men­schen zu unver­brüch­li­cher Lie­be und Treue bis zum Tod den unauf­lös­li­chen Bund zwi­schen Chri­stus und sei­ner Kir­che abbil­den und ihre Kin­der im Glau­ben zu erzie­hen versprechen.

Dage­gen hat der Osna­brücker Bischof Bode als stell­ver­tre­ten­der Vor­sit­zen­der der Deut­schen Bischofs­kon­fe­renz im März 2019 ein Neu­kon­zept für Sexu­al­be­zie­hun­gen vor­ge­legt, die kei­ner­lei Bezug und Begrün­dung in der Bibel und der kirch­li­chen Lehr­über­lie­fe­rung mehr hat: Der Syn­oda­le Weg wird in die Pflicht genom­men für eine neue „Bewer­tung und Wert­schät­zung ver­ant­wor­tungs­vol­ler und bin­dungs­be­rei­ter Bezie­hun­gen zwi­schen Men­schen, die dem ober­sten Maß­stab der Lie­be gerecht wer­den“.i An die Stel­le der welt­kirch­li­chen Lehr­grund­sät­ze zu Sexua­li­tät und Ehe soll in der katho­li­schen Kir­che in Deutsch­land ein neu­er säku­la­rer Ober­satz eta­bliert wer­den: Allein die Bin­dungs­be­reit­schaft zwi­schen (homo- und hete­ro­se­xu­el­len) Men­schen soll der Maß­stab für kirch­li­che „Wert­schät­zung“ von sexu­ell basier­ter Paar­bil­dung sein.

Nach Bischof Bode soll in Zukunft die Kir­che gene­rell wert­schät­zen, wenn sich zwei belie­bi­ge Part­ner vor­läu­fig bin­den wol­len – bis die Lie­be erlo­schen oder eine neue Lie­be auf­ge­flammt ist, wie die lako­ni­schen Kom­men­ta­re von Zeit­ge­nos­sen lau­ten. Nach dem „Lie­bes­aus“ geht man dann bin­dungs­be­reit eine neue Lebens­ab­schnitts­be­zie­hung ein usw.

Bischof Bät­zing und Kar­di­nal Marx, ton­an­ge­bend in der Deut­schen Bischofskonferenz.

… statt sakramentalem Bund und ehelicher Treue zwischen Mann und Frau

Durch die sexu­al­ethi­sche Neu­de­fi­ni­ti­on von Bischof Bode wird das Ehe­ge­löb­nis zwi­schen Mann und Frau auf­ge­löst in eine zeit­li­che Bin­dungs­be­zie­hung zwi­schen Men­schen. Mit die­ser For­mu­lie­rung wird die homo­se­xu­el­le Part­ner­schaft mit der Ehe zwi­schen Mann und Frau prin­zi­pi­ell gleich­ge­stellt. Die Nicht­be­schrän­kung der Bezie­hung auf zwei Per­so­nen lässt die Opti­on einer poly­amo­ren Viel­ehe offen, wie sie von der Grü­nen Jugend seit Jah­ren gefor­dert wird.

Die Bode’sche Bin­dungs­for­mel wür­de die katho­li­sche Ehe­leh­re pro­te­stan­ti­sie­ren: Die Sakra­men­ta­li­tät der Ehe wäre dann säku­la­ri­siert zu einem „welt­lich Ding“ im luthe­ri­schen Sin­ne. Das unbe­ding­te Treue­ge­löb­nis wür­de ersetzt wer­den durch ein beding­tes und wider­ruf­ba­res Bin­dungs­ver­spre­chen. An die Stel­le der unauf­lös­li­chen Ehe vor Gott und den Men­schen wür­de man eine bür­ger­li­che Ver­trags­re­ge­lung set­zen, die von bei­den Sei­ten jeder­zeit künd­bar ist.

Missbrauch der Missbrauchsstudie

Wie oben erwähnt, füh­ren die DBK-Bischö­fe als Begrün­dung für die­se grund­stür­zen­de Lehr­ver­än­de­rung die Miss­brauchs­fäl­le der letz­ten 70 Jah­re an. Noch deut­li­cher äußert sich der Würz­bur­ger Moral­theo­lo­ge Ste­phan Ernst: „Ange­sichts des sexu­el­len Miss­brauchs in der katho­li­schen Kir­che scheint es über­fäl­lig, die lehr­amt­li­che Sexu­al­mo­ral im Gan­zen auf den Prüf­stand zu stel­len.“ii

Der Haken an die­ser Behaup­tung ist: In der gan­zen MHG-Stu­die ist nichts von einer ent­spre­chen­den Emp­feh­lung zu lesen. Es wider­spricht auch jeder Logik, dass die klas­si­sche kirch­li­che Leh­re zu Sexua­li­tät und Ehe den sexu­el­len Miss­brauch von Katho­li­ken und ins­be­son­de­re von zöli­ba­t­ä­ren Prie­stern begün­stigt hät­te. Die stren­ge Sexu­al­mo­ral der Kir­che mar­kiert jede sexu­el­le Hand­lung außer­halb der Ehe als Sün­de. Dar­über hin­aus ver­schärft die neu­te­sta­ment­li­che Bibel das Ver­bot von Kin­des­miss­brauch mit dem bekann­ten Droh­wort vom Mühl­stein um den Hals. Für katho­li­sche Geist­li­che wer­den die­se mora­li­schen Regeln als noch dring­li­cher ein­ge­schärft. Inso­fern ist das For­schungs­er­geb­nis des Psych­ia­ters Prof. Hans-Lud­wig Krö­ber evi­dent, dass zöli­ba­t­ä­re Prie­ster signi­fi­kant weni­ger anfäl­lig sind für sexu­el­le Über­grif­fe als nicht-zöli­ba­t­ä­re Männer.

Mit dem Begrün­dungs­ver­weis auf die nicht-exi­stie­ren­de Revi­si­ons­emp­feh­lung der MHG-Stu­die zur katho­li­schen Sexu­al­mo­ral täu­schen die DBK-Bischö­fe die Öffent­lich­keit, ver­tu­schen ihre wirk­li­chen Moti­ve und beschä­di­gen damit ihre Glaub­wür­dig­keit. Sie miss­brau­chen die Miss­brauchs­un­ter­su­chung als Vor­wand, um den seit lan­gem gewoll­ten und geplan­ten Para­dig­men­wech­sel der kirch­li­chen Sexu­al­ethik auf den (syn­oda­len) Weg zu bringen.

Bana­li­sie­rung des Bischofsamtes.

Anpassung der kirchlichen Normen an die sexualisierte Lebenswirklichkeit

Franz-Josef Bode dräng­te schon als Jugend­bi­schof (1996–2010) auf eine Revi­si­on der katho­li­schen Sexu­al­leh­re. Seit­her sti­li­siert er die „Lebens­wirk­lich­keit“ zu einer „Quel­le theo­lo­gi­scher Erkennt­nis“ hoch.iii Aus der Rea­li­tät der prak­ti­zier­ten Sexua­li­tät der getauf­ten Gläu­bi­gen wür­de Got­tes Stim­me spre­chen, wor­auf die Kir­che hören müss­te. Die­se kirch­li­che Vari­an­te einer popu­li­sti­schen Rede­wei­se ist schon des­halb pro­ble­ma­tisch, weil die gro­ße Mehr­heit der Getauf­ten heu­te Tauf­schein­chri­sten oder gar getauf­te Hei­den sind. Theo­lo­gisch ist Bodes umstrit­te­ne Argu­men­ta­ti­on ein Kon­strukt, das in der Theo­lo­gie­ge­schich­te kei­ne Basis hat. Es steht auch im Gegen­satz zu den theo­lo­gi­schen Grund­sät­zen des sen­sus fidei (Glau­bens­sinn) und sen­sus eccle­siae, dem Glau­bens­sinn der gesam­ten Kir­che, auf den Papst Fran­zis­kus gro­ßen Wert legt.

Den DBK-Bischö­fen sind die­se schwer­wie­gen­den Ein­wän­de bekannt. Trotz­dem schicken Sie die Frank­fur­ter Syn­ode auf den Irr­weg: Die Lebens­wirk­lich­keit der (früh-) sexua­li­sier­ten Gesell­schaft soll als nor­mie­ren­des Pro­gramm an die Stel­le der kirch­li­chen Sexu­al­mo­ral gesetzt werden.

Synodale Neukonzeption der katholischen Sexualmoral

Das The­ma des Syn­odal­fo­rums Sexu­al­mo­ral lau­tet: „Leben in gelin­gen­den Bezie­hun­gen – Lie­be leben in Sexua­li­tät und Part­ner­schaft“. In dem Titel taucht die Bode’sche For­mel der belie­bi­gen Sex-Bezie­hun­gen wie­der auf. Mit dem ein­ge­füg­ten Mode­wort vom ‚Gelin­gen‘ soll der Ein­stieg der Kir­che in das Feld der Lebens­be­ra­tung mit vie­len Anbie­tern ange­zeigt wer­den. Gleich zu Anfang des Forums­pa­piers heißt es, Auf­ga­be der kirch­li­chen Sexu­al­ethik sei es, „den Lie­ben­den … in ihrer Lebens­wirk­lich­keit … Lebens­hil­fe anzu­bie­ten“.iv Dazu ein selbst­kri­ti­scher Kom­men­tar von Bischof Felix Genn: Für das Ziel eines „gelin­gen­den Lebens“ sei­en die Rat­schlä­ge der Kir­che viel­fach „ver­zicht­bar und nicht relevant“.

Die Unter­über­schrift der Forums-Gesprächs­vor­la­ge trägt den Titel: „Zur Wei­ter­ent­wick­lung katho­li­scher Sexu­al­leh­re“. Die­se For­mu­lie­rung täuscht über die wirk­li­chen Zie­le der Syn­oden­len­ker hin­weg. Der inzwi­schen ver­stor­be­ne Text­au­tor Prof. Dr. Eber­hard Schocken­hoff ist Wort­füh­rer der inner­kirch­li­chen Stim­men, die Miss­brauchs­vor­fäl­le bei etwa 4 Pro­zent der Prie­stern zum Vor­wand neh­men, dass die katho­li­sche Sexu­al­mo­ral „auf den Prüf­stand gestellt und gewis­ser­ma­ßen neu kon­zi­piert wer­den“ müss­te (S. 6).

Nach den metho­di­schen Schrit­ten „Wahr­neh­men“ und „Deu­ten“ stellt der Autor im drit­ten Kapi­tel „Wäh­len – Kon­se­quen­zen“ den Ansatz sei­ner sexu­al­ethi­schen Neu­kon­zep­ti­on dar, näm­lich „die katho­li­sche Theo­lo­gie auf die Höhe der gel­ten­den Wert­maß­stä­be einer säku­la­ren, libe­ra­len Demo­kra­tie“v zu brin­gen. Damit wäre ein revo­lu­tio­nä­rer Para­dig­men­wech­sel für die katho­li­sche Kir­che in Deutsch­land ein­ge­lei­tet: Statt der Begrün­dungs­bin­dung an das Neue Testa­ment und die kirch­li­che Leh­re sol­len sich Glau­bens- und Sit­ten­leh­re der Kir­che an den libe­ra­len Wer­te­ka­non des säku­la­ren Staa­tes bzw. dem demo­kra­ti­schen Mehr­heits­wil­len der Zivil­ge­sell­schaft anpassen.

Auf der letz­ten der vier Grup­pen­sit­zun­gen hat eine Mehr­heit der syn­oda­len Forums­teil­neh­mer für den fol­gen­den Grund­satz ultra­li­be­ra­ler Sexu­al­rech­te gestimmt: Alle Men­schen hät­ten „das Recht, ja zu sagen zu sexu­el­len Hand­lun­gen, die sie wol­len, und wäh­len zu dür­fen, wen sie lie­ben“.

Auf der ver­fas­sungs­recht­li­chen Ebe­ne sind auch sexu­el­le Hand­lun­gen in das Grund­recht der all­ge­mei­nen Hand­lungs­frei­heit ein­zu­ord­nen (vgl. GG Art. 2,1). Es wur­zelt in der Wür­de des Men­schen von Natur aus, dass eine Per­son beim Den­ken, Reden und Han­deln, bei Welt­an­schau­ung und Glau­ben nicht unter Zwang gesetzt wer­den darf. Das hat im Prin­zip schon Tho­mas von Aquin fest­ge­stellt. Der libe­ra­le Rechts­staat hat die frei­heit­li­chen Grund­rech­te und damit einen Plu­ra­lis­mus des Mei­nens, Han­delns und der Reli­gio­nen zu gewähr­lei­sten. Zugleich hat er die Grund­rech­te selbst zu ach­ten. Die natur­recht­li­che Ver­an­ke­rung der Men­schen­rech­te schützt uns einer­seits vor moder­nen Erzie­hungs­dik­ta­tu­ren im Namen der Klas­se, der Ras­se oder der Ver­nunft à la Robes­pierre. Ande­rer­seits setzt die unver­füg­ba­re Begrün­dungs­ba­sis der belie­bi­gen Aus­wei­tung der Grund­rech­te eine Schran­ke: Die angeb­li­chen Rech­te auf repro­duk­ti­ve Gesund­heit, Arbeit, Migra­ti­on etc. sind will­kür­li­che Behaup­tun­gen ohne natur­recht­li­che Basis.

Die Synode bettelt darum, in der ultraliberalen Cancan-Reihe mittanzen zu dürfen

Aller­dings ist die oben genann­te Rech­te-For­mu­lie­rung des Syn­oden­pa­piers defi­zi­tär. Denn alle Grund- und Men­schen­rech­te sind vom Wesen her als ein­ge­schränk­te Rech­te for­mu­liert. Im Art. 2,1 lau­tet die Schran­ken­tri­as für die per­so­na­le Hand­lungs­frei­heit: …außer bei Ver­stö­ßen gegen die Rech­te ande­rer, die Ver­fas­sungs­ord­nung oder das Sit­ten­ge­setz. Des­halb kann es z. B. kei­ne Hand­lungs­frei­heit bei Abtrei­bun­gen geben, da bei jeder vor­ge­burt­li­chen Kinds­tö­tung das Recht auf Leben einer ande­ren Per­son (Art. 2,2) ver­letzt wird.

Die Kir­che unter­stützt die Posi­ti­on der natur­recht­lich begrün­de­ten Grund­rech­te (vgl. Papst Bene­dikts Bun­des­tags­re­de) ein­schließ­lich der staat­li­chen Auf­ga­be, die Indi­vi­du­al­rech­te zu gewähr­lei­sten sowie den Ein­schrän­kun­gen durch straf­be­wehr­te Geset­ze Gel­tung zu ver­schaf­fen. Bezüg­lich der Ehe hat das Grund­ge­setz in Arti­kel 6 eini­ge Schutz­prin­zi­pi­en auf­ge­stellt, die nach kirch­li­cher Leh­re der soge­nann­ten „Nature­he“ ent­spre­chen. Nicht aus­drück­lich for­mu­liert, aber in der Logik der Grund­rech­te steht das Recht auf freie Wahl der Ehe­part­ner, das vom Kir­chen­recht seit dem Ende des ersten Jahr­tau­sends ver­tre­ten wird. Die freie Part­ner­wahl ist aller­dings beschränkt auf eine erwach­se­ne und nicht-ver­wand­te Per­son unter­schied­li­chen Geschlechts.

Nach dem ver­fas­sungs­recht­li­chen Exkurs zeigt sich, dass sich die nack­te Rech­te­for­mel des syn­oda­len Vor­la­gen­tex­tes gera­de nicht auf der Höhe des säku­la­ren Rechts­staats bewegt. Sie müss­te lau­ten: Sexua­li­täts­be­zo­ge­ne Hand­lun­gen ste­hen im Rah­men des Grund­rechts der all­ge­mei­nen Per­so­nen­frei­heit, sofern sie nicht die Rech­te ande­rer ver­let­zen und nicht gegen das Jugend­schutz­ge­setz oder das Sit­ten­ge­setz ver­sto­ßen. Mit die­ser grund­recht­li­chen Ein­gren­zung sind Sexua­li­täts­be­zie­hun­gen unter Zwang und mit Kin­dern, auch Kin­der- und Geschwi­ster­ehen nicht legi­ti­miert; die soge­nann­te Homo-Ehe ver­stößt gegen das natür­li­che Sittengesetz.

Neben dem dilet­tan­ti­schen Sach­feh­ler in der Rechts­ar­gu­men­ta­ti­on besteht der grö­ße­re Man­gel des libe­ra­len Ansat­zes aber dar­in, dass ein kirch­li­ches Gre­mi­um sich auf die säku­lar­staat­li­chen Rechts­be­stim­mun­gen zu sexu­el­len Hand­lun­gen als Grund­satz der kirch­li­chen Sexu­al­leh­re beschränkt, nach der alles erlaubt ist, was die Rech­te ande­rer nicht ver­letzt. Die Kir­che macht sich über­flüs­sig, wenn sie zur Sexu­al­ethik kei­ne eige­ne biblisch und theo­lo­gisch begrün­de­te Leh­re ent­wickelt, son­dern ein­fach die libe­ral­staat­li­che Paro­le nach­spricht: Macht in Sachen Sexua­li­tät, was ihr wollt, aber hal­tet euch an die staat­li­chen Ver­bo­te. Im Übri­gen wird die­ser Grund­satz auch von der Sex-Indu­strie und von zahl­rei­chen liber­tä­ren Grup­pen der Zivil­ge­sell­schaft pro­pa­giert. Die Syn­ode bet­telt dar­um, in die­ser sexu­al­ethisch ver­wahr­lo­sten Can­can-Rei­he mit­tan­zen zu dürfen.

Anthropologische Überlegungen und biblische Lehre

Die biblisch basier­te Kir­che kann sich unmög­lich auf Pro­pa­gie­rung der säku­la­ren Frei­heits­rech­te beschränken.

Schon allein anthro­po­lo­gi­sche Über­le­gun­gen wei­sen dar­auf hin, dass der libe­ra­le Ansatz nicht dem Niveau der mensch­li­chen Wür­de genügt: So führt die Opti­on nach stän­di­ger Offen­hal­tung frei­er Ent­schei­dun­gen – etwa bei der Wahl der Sexu­al­part­ner – zu einem lebens­ver­ar­men­den Pro­zess bis hin zu Pro­sti­tu­ti­on und sexu­el­ler Ver­wahr­lo­sung. Statt­des­sen drängt die wohl­ver­stan­de­ne Frei­heit auf Bin­dung: Mit der frei­en Wahl eines Ehe­part­ners und der gegen­sei­ti­gen Selbst­ver­pflich­tung zu Lie­be und Treue ist die Frei­heit auf­ge­ho­ben in der neu­en erfül­len­den ehe­li­chen Sozi­al­form. Auch mit der Ent­schei­dung für Kin­der schrän­ken Eltern ihre Frei­hei­ten ein, sie gibt ihnen aber neue Dimen­sio­nen von Auf­ga­ben und Erfül­lung. Mit die­sen Per­spek­ti­ven für die ‚Frei­heit zu‘ kommt auch die kor­re­spon­die­ren­de Kate­go­rie ‚Frei­heit von‘ in den Blick: Wenn freie Ent­schei­dun­gen nicht will­kür­lich oder aso­zi­al sein sol­len, dann muss der Mensch sich vor­ab von ego­isti­scher Selbst­be­zo­gen­heit sowie inne­ren Zwän­gen und Süch­ten frei­ma­chen.

In einem näch­sten Schritt sind die anthro­po­lo­gi­schen Ergeb­nis­se der ‚Frei­heit von und zu‘ auf der Ebe­ne christ­li­cher Grund­sät­ze zu ent­fal­ten: Befrei­ung von der Knecht­schaft der Sün­de – zu einem befrei­ten Leben in der Lie­be Got­tes.
Im Sakra­ment der Tau­fe beginnt für den Chri­sten die Abwen­dung von dem sünd­haf­ten Leben und zugleich die Lebens­um­kehr zu der Per­son und Leh­re Jesu Chri­sti. Der nun­mehr von Jesus ‚ange­zo­ge­ne‘ Getauf­te ori­en­tiert sich in sei­ner Hal­tung dar­an, Gott und glei­cher­wei­se die Näch­sten aus gan­zem Her­zen zu lie­ben. Nur wenn er auch so han­delt, dann gilt für ihn das Wort des Augu­sti­nus: Dili­ge et quod vis fac! Die Got­tes- und Näch­sten­lie­be ermög­licht wah­re Freiheit.

Im christ­li­chen Sinn ist anzu­stre­ben, alles Begeh­ren zu mei­den, was nicht in die ehe­li­che Lie­be mün­det, sowie alles Han­deln, das die Ehe bricht und zer­stört. Aber auch die getauf­ten Chri­sten blei­ben sün­den­an­fäl­lig. Des­halb stel­len die Bibel und die Kir­che Ver­bots­schran­ken auf, die vor der Sün­de war­nen und zur Umkehr mah­nen: Du sollst nicht töten, nicht steh­len, nicht lügen. Für den Sexu­al­be­reich unter­sa­gen sie die Hand­lung des Ehe­bruchs und die Hal­tung des unge­ord­ne­ten Begeh­rens (10. Gebot) – eben­falls mit dem Ziel, die posi­ti­ve Hand­lungs­ma­xi­me zu bestär­ken: Lie­be dei­nen dir gleich­ge­stell­ten Ehe­part­ner wie dich selbst!

Das Gebot der unbe­ding­ten Näch­sten- und Gat­ten­lie­be wird von den mei­sten Zeit­ge­nos­sen (z. B. Sig­mund Freud) als unzu­mut­bar, undurch­führ­bar und welt­fremd ange­se­hen. Wir Chri­sten glau­ben an ein Leben in Lie­be, weil die Näch­sten­lie­be ein­ge­bet­tet ist in die Got­tes­lie­be: Da Gott uns zuerst liebt, sind wir fähig und ver­pflich­tet, die Lie­be Got­tes zu erwi­dern und an die Men­schen wei­ter­zu­ge­ben, pri­mär an die nahen und näch­sten Men­schen unse­rer Lebens­welt. Somit ist die Hand­lungs­frei­heit der Chri­sten in Sachen Sexua­li­tät vor­ab geprägt durch das Lie­bes­ge­bot und begrenzt durch die bibli­schen Ver­bo­te: Lass dich vor­gän­gig durch die Hal­tung der Got­tes- und Näch­sten­lie­be bestim­men, dann wirst du in dei­nen frei­en Ent­schei­dun­gen Erfül­lung finden.

Nur aus die­ser christ­li­chen Maxi­me auf bibli­scher Grund­la­ge kann die Moral­theo­lo­gie eine christ­li­che Sexu­al­ethik ent­wickeln – und nicht als Auf­guss von mora­lisch indif­fe­ren­ten rechts­staat­li­chen Prin­zi­pi­en. Denn die Frei­heit des Han­delns im Rah­men der Lie­be ist etwas völ­lig ande­res als die Libe­ra­li­tät der ethisch weit­ge­hen­den Belie­big­keit, die der Syn­oden­text als Grund­satz auf­stellt. Schocken­hoff und die Mehr­heit der Forums­syn­oda­len befin­den sich vom Stand­punkt der christ­li­chen Leh­re auf einem sexu­al­ethi­schen Irr­weg, wenn sie die bibli­schen Basis­re­geln igno­rie­ren und die kirch­li­che Moral­leh­re kri­ti­sie­ren, um auf den Main­stream-Zug der libe­ra­len Sexu­al­ethik auf­zu­sprin­gen. Die Sta­tio­nen des Irr­wegs wer­den im Fol­gen­den erläutert.

Ablehnung des päpstlichen Lehramts – autonome Sexualmoral

Gegen die kirch­li­che Sexu­al­leh­re bringt das Syn­oden­pa­pier im Anschluss an Bischof Bode die ‚Lebens­wirk­lich­keit‘ in Stel­lung: Es kon­sta­tiert einen „Plau­si­bi­li­täts­ver­lust der katho­li­schen Sexu­al­mo­ral“ (S. 3). Der Hin­ter­grund dafür ist: Seit dem Kon­zil ist der Glau­be bei den Katho­li­ken weit­ge­hend ver­dun­stet, das Glau­bens­wis­sen um die Sexu­al­leh­re der Kir­che geht gegen null, auch des­halb wer­den die kirch­li­chen Regeln zu Sexua­li­tät und Ehe viel­fach nicht mehr befolgt.

War­um das so ist, ver­schwei­gen die Autoren. 1968 gaben die deutsch­spra­chi­gen Bischö­fe mit ihrer Ableh­nung der „pro­phe­ti­schen“ Enzy­kli­ka Hum­a­nae vitae das Signal, päpst­li­che Lehr­ver­kün­di­gun­gen als undurch­führ­bar und irrele­vant bei­sei­te­zu­schie­ben. Seit­her wur­de in Pre­digt, Kate­che­se und Reli­gi­ons­un­ter­richt die katho­li­sche Ehe- und Sexu­al­ethik nicht mehr dar­ge­legt. Die deut­schen Moral­theo­lo­gen ent­wickel­ten eine ver­nunft­be­grün­de­te „auto­no­me“ Sexu­al­mo­ral ohne Basis in der bibli­schen und kirch­li­chen Leh­re. Das Syn­oden­pa­pier folgt die­sem Distanzierungsmuster.

Neuerfindung der Sexualethik auf der Basis säkularer Konzepte

▪ Zum ersten beschränkt das Syn­odal­fo­rum die neue Sexu­al­ethik auf das säku­la­re Recht zu sexu­el­len Hand­lun­gen ohne jede Ein­schrän­kun­gen nach der libe­ral­staat­li­chen Paro­le: Macht in Sachen Sexua­li­tät, was ihr wollt, aber hal­tet euch an die staat­li­chen Ver­bo­te, wie oben dargelegt.

▪ Als wei­te­re Basis für das Gene­rie­ren von neu­en Sexu­al­nor­men führt das Syn­oden­pa­pier die Lebens­wirk­lich­keit der Katho­li­ken an. Auch dabei han­delt es sich weit­ge­hend um säku­la­re Erfah­run­gen, da die mei­sten Kir­chen­mit­glie­der von Glau­ben, Kir­che und kirch­li­cher Sexu­al­mo­ral viel­fach ent­frem­det sind (sie­he oben). Her­an­ge­zo­gen wird aber nicht die Mehr­heit von ver­hei­ra­te­ten Ehe­paa­ren, son­dern tem­po­rä­re Erfah­run­gen von Min­der­hei­ten: Paa­re, die in irre­gu­lä­ren Bezie­hun­gen leben, also Geschie­de­ne in Zweit- und Drit­te­hen, Nicht­ver­hei­ra­te­te, auch homo­se­xu­el­le Paa­re. Sie wür­den ihre Bezie­hun­gen als gelun­gen und sinn­voll erfah­ren. Aus die­sem sub­jek­ti­ven Erle­ben Ein­zel­ner fol­gert und for­dert die Forums­mehr­heit eine objek­ti­ve Akzep­tanz der Kir­che für irre­gu­lä­re Bezie­hungs­for­men. Die Argu­men­ta­ti­on, aus ein­zel­nen Erfah­run­gen all­ge­mei­ne nor­ma­ti­ve Bedeu­tun­gen zu fol­gern, ist zwar popu­lär, ent­spricht aber nicht den logi­schen, ethi­schen und theo­lo­gi­schen Standards.

▪ Neben die­sen sub­jek­ti­ven Ein­schät­zun­gen ver­weist der Forums­text auf sozia­le Wert­hal­tun­gen wie Rück­sicht­nah­me, Ver­ant­wort­lich­keit, zeit­li­che Treue, Ver­läss­lich­keit, Soli­da­ri­tät etc. bei sexu­ell zusam­men­le­ben­den Paa­ren außer­halb der Ehe. Sol­che geleb­ten Wer­te sind gewiss lobens­wert. Aber es wäre ein Denk­feh­ler, die Wert­schät­zung von tugend­haf­ten Hand­lungs­wei­sen ein­zel­ner Per­so­nen auto­ma­tisch als mora­li­sche Legi­ti­ma­ti­on auf die jewei­li­ge Grup­pen­in­sti­tu­ti­on zu über­tra­gen, in die­sem Fall auf jed­we­de sexu­el­len Bezie­hungs­for­men. Ein Bei­spiel: Die Prak­ti­zie­rung der oben genann­ten Tugen­den bei einem sexu­ell zusam­men­le­ben­den Geschwi­ster­paar kann nicht die Wert­schät­zung oder gar insti­tu­tio­nel­le Aner­ken­nung der Paar­form der Geschwi­ster­ehe legi­ti­mie­ren. Auch der Umkehr­schluss zur Dele­gi­ti­mie­rung zeigt die feh­ler­haf­te Logik der Wer­te­ar­gu­men­ta­ti­on: Untreue von ein­zel­nen Ehe­part­nern kann nicht den all­ge­mein­gül­ti­gen Cha­rak­ter der Ehe­insti­tu­ti­on infra­ge stellen.

▪ In einem wei­te­ren Theo­rie­kon­zept führt der Text­au­tor eine Viel­zahl (Poly­va­lenz) von Sinn­di­men­sio­nen zur Sexua­li­tät ein. Dem­nach wäre der Sexu­al­trieb eine Art Lebens­en­er­gie, die sich in ver­schie­de­nen Sinn­ge­hal­ten äußert, im besten Fall als Aus­drucks­wei­se von inni­ger, gott­ge­woll­ter Lie­be. Unter­halb von die­sem Best­wert wer­den die Sin­ne­be­nen der Bezie­hungs­pfle­ge, Fort­pflan­zung, Iden­ti­täts­fin­dung und auch die „Lust­ge­win­nung“ ange­setzt. Jeder die­ser posi­ti­ven „Sinn­wer­te der Sexua­li­tät“ sei für sich mora­lisch legi­tim wie etwa Lust­erzeu­gung durch self sex. Nach christ­li­cher Leh­re, die sich auf anthro­po­lo­gi­sche Grund­zü­ge stützt, gibt es kei­ne iso­lier­ten sexu­el­len Sinn­wer­te, alle Dimen­sio­nen der Sexua­li­tät sind in den Rah­men der per­so­na­len Lie­be und Treue zu inte­grie­ren: Ein Kind zu zeu­gen ohne Bin­dungs­wil­len ist ver­ant­wor­tungs­los, sexu­el­le Lust ohne Lie­be, die Geschäfts­grund­la­ge der Sex-Indu­strie, instru­men­ta­li­siert und ent­wür­digt Men­schen.
Auch die Rei­fung und Aus­bil­dung von geschlecht­li­cher Iden­ti­tät als männ­lich oder frau­lich ist nicht von den ande­ren Sinn­di­men­sio­nen der Lie­be und Fort­pflan­zung zu tren­nen. Es wäre Auf­ga­be der christ­li­chen Sexu­al­ethik, der aktu­ell ver­brei­te­ten Geschlech­ter­ver­wir­rung („gen­der trou­ble“) ent­ge­gen­zu­tre­ten, wonach die leib-see­li­sche Iden­ti­tät als Mann oder Frau belie­big zu wan­deln und zu wech­seln wäre.

Zusammenfassung der synodalen Sexualitätstheorie:

Von den syn­oda­len Bezie­hungs­ethi­kern wer­den die auf­ge­führ­ten Dimen­sio­nen von Sexu­al­be­zie­hun­gen wie Recht auf jeg­li­ches sexu­el­les Han­deln ohne Ein­schrän­kun­gen, sub­jek­ti­ve Glücks­er­fah­rung in irre­gu­lä­ren sexu­el­len Bezie­hun­gen, sozia­le Wert­hal­tun­gen in belie­bi­gen Paar­for­men sowie iso­lier­te Sinn­wer­te der Sexua­li­tät zu einer Wer­te­hier­ar­chie zusam­men­ge­stellt. Dabei ste­he die christ­li­che Ehe an ober­ster Stel­le als „bester bio­gra­phi­scher und insti­tu­tio­nel­ler Rah­men, inner­halb des­sen mensch­li­che Sexua­li­tät ihren opti­ma­len Ent­fal­tungs­raum fin­det“ (S. 15). Durch die mora­li­sche „Höchst­ge­l­tung“ soll aber zugleich ihre bis­he­ri­ge „Allein­gel­tung“ als legi­ti­mer Ort der Sexua­li­tät „abge­löst“ wer­den. Denn alle sexu­el­len Bezie­hungs­for­men mit soge­nann­ten Wer­te­di­men­sio­nen und selbst der „Sinn­wert“ selbst­be­zo­ge­ner Lust­ge­win­nung („self sex“) wür­den „in mora­li­scher Hin­sicht Aner­ken­nung und Respekt ver­die­nen – unab­hän­gig von der for­ma­len Bin­dung und der sexu­el­len Ori­en­tie­rung der Part­ner“ (S. 16). Nach die­ser For­mel einer ent­grenz­ten Sex­phi­lo­so­phie wür­de selbst der von Bischof Bode gefor­der­te ethi­sche Maß­stab der tem­po­rä­ren Bin­dungs­be­reit­schaft entwertet.

In dieser schönen neuen Welt der Sexualität der Vielfalt …

… wird die sakra­men­ta­le Ehe trotz ihrer schein­ba­ren Hoch­sti­li­sie­rung als mora­lisch höchst­ge­l­tend zu einem mar­gi­na­len Nischen­mo­dell her­ab­ge­stuft. Das Syn­odal­pa­pier wer­tet ihren sakra­men­ta­len Cha­rak­ter als gott­ge­stif­te­ten unauf­lös­li­chen Bund zwi­schen den Zei­len als nicht „men­schen­ge­recht“ und „lebens­fern“ ab. Ins­be­son­de­re die nicht-erlaub­te Schei­dung und das Ver­bot von Wie­der­ver­hei­ra­tung gel­ten als nicht-„menschengerechte“ Här­te. Für die nor­ma­len Tauf­chri­sten wird sich die Fra­ge stel­len: War­um soll­te man kirch­lich-sakra­men­tal hei­ra­ten und damit beim mög­li­chen Bezie­hungs­en­de das Ver­bot der Zweit­ehe ris­kie­ren, wenn eine nicht-kirch­li­che Zivil­ehe oder ein form­lo­ses Zusam­men­le­ben als eben­so mora­lisch legi­tim und wert­voll ange­se­hen ist wie die sakra­men­ta­le Ehe?

Die Mehr­heit des Forums lehnt die über­lie­fer­te Leh­re der Kir­che zu Sexua­li­tät und Ehe ab – ein­schließ­lich der ent­spre­chen­den Kon­zils­äu­ße­run­gen. Es gibt kei­ne ernst­haf­te Bereit­schaft zu einem Stu­di­um der neue­ren kirch­li­chen Ansät­ze – etwa der Ver­tie­fung kirch­li­cher Sexu­al­leh­re durch Papst Johan­nes Paul II. mit der per­so­nal­ori­en­tier­ten Theo­lo­gie des Lei­bes und des Apo­sto­li­schen Schrei­bens Fami­lia­ris con­sor­tio sowie deren viel­fäl­ti­ge Fol­ge­stu­di­en. Eben­so ver­wei­gern die deut­schen Syn­oda­len die Berück­sich­ti­gung der grund­le­gen­den Beschlüs­se der welt­kirch­li­chen Bischofs­syn­ode zu Ehe und Fami­lie von 2014/​15. Die Aus­blen­dung der bibli­schen Ge- und Ver­bo­te zu Sexua­li­tät und Ehe wur­de schon erwähnt. Zusam­men­fas­send wird die kirch­li­che Sexu­al­ethik denun­ziert als „Ver­bots­mo­ral“, leib- und lust­feind­lich, unver­ständ­lich, nicht men­schen­ge­recht, lebens­fern, gar als eine lebens­feind­li­che Gesetzesethik.

An die­ser Ten­denz zeigt sich ein­mal mehr, dass es dem syn­oda­len Grund­la­gen­text und der Syn­oden­mehr­heit nicht um die „Wei­ter­ent­wick­lung der katho­li­schen Sexu­al­leh­re“ auf der Basis von Bibel und kirch­li­cher Leh­re geht, son­dern um eine voll­stän­di­ge Neu­fas­sung der Sexu­al­ethik jen­seits der biblisch-kirch­li­chen Tra­di­ti­on, also um ein post­ka­tho­li­sches Konstrukt.

Positive Wertung von self sex, lustvoller Begehrlichkeit und sexueller Triebhaftigkeit

Die Mehr­heit der Syn­oda­len beruft sich auf soge­nann­te human­wis­sen­schaft­li­che Erkennt­nis­se, wonach eine „gene­rell posi­ti­ve Wür­di­gung mensch­li­cher Sexua­li­tät“ ohne Ein­schrän­kun­gen gel­ten soll (S. 8). Das „sexu­el­le Begeh­ren und der Trieb­cha­rak­ter des Eros“ müss­ten als Quel­le der mensch­li­chen Daseins­freu­de aner­kannt wer­den. Von dem Jesus­wort: „Wer eine ande­re Frau begehr­lich anschaut, hat in sei­nem Her­zen die Ehe schon gebro­chen“ wol­len die Text­au­to­ren eben­so wenig hören wie vom zehn­ten Gebot. Im Gegen­teil. Die zügel­lo­se Begehr­lich­keit soll unter­schieds­los für alle sexu­el­len Sozi­al­for­men gel­ten, aus­drück­lich auch in „vor- und außer­ehe­li­chen sowie gleich­ge­schlecht­li­chen Bezie­hun­gen“. Dar­über hin­aus wird das ich­be­zo­ge­ne „lust­vol­le Erle­ben des eige­nen Kör­pers (self sex)“ zum Aus­druck purer Lebens­lust und Daseins­freu­de verklärt.

Die Behaup­tung von neue­ren „human­wis­sen­schaft­li­chen Erkennt­nis­sen“ ohne Quel­len­an­ga­be ist nicht seri­ös, inso­fern man damit eine kri­ti­sche Aus­ein­an­der­set­zung mit den Quel­len­tex­ten zu umge­hen ver­sucht. Der in den Tex­ten auf­schei­nen­de Hedo­nis­mus ist nicht neu und wur­de schon in der Anti­ke bei Epi­kur und Lukrez ver­tre­ten sowie wäh­rend der Fran­zö­si­schen Revo­lu­ti­on bei de Sade. Für die neue­re Zeit gilt Alfred Kin­sey als Begrün­der der heu­te vor­herr­schen­den Sexu­al­theo­rie. Aber die Bele­ge für sei­ne Behaup­tung, der Mensch sei ein sexu­el­les Lust­we­sen schon als Klein­kind, sind durch pädo­phi­le Mani­pu­la­tio­nen zustan­de gekom­men, nicht durch seriö­se wis­sen­schaft­li­che Forschung.

Der pau­scha­le Hin­weis auf den (vor­läu­fi­gen) „Stand der Wis­sen­schaft“ ist ein Tot­schlag­ar­gu­ment mit der Anmu­tung, alle ande­ren Theo­rien als die von Schocken­hoff sei­en nicht wis­sen­schafts­fun­diert. Außer­dem gibt es kei­nen ein­heit­li­chen Stand der Wis­sen­schaft ange­sichts ver­schie­de­ner, teil­wei­se sich wider­spre­chen­der Sexu­al­theo­rien. Schließ­lich ist an die human­wis­sen­schaft­li­chen Fehl­ent­wick­lun­gen in den Jahr­zehn­ten nach 1968 zu erin­nern. Damals behaup­te­ten renom­mier­te Sexu­al­wis­sen­schaft­ler wie Wolff, Barsch, Laut­mann, Kent­ler, Ber­nard, Sand­fort, dass ein­ver­nehm­li­che Sexu­al­kon­tak­te zwi­schen Erwach­se­nen und Kin­dern letz­te­ren nicht scha­den wür­den. Dass sich damals Theo­lo­gen und Bischö­fe der bel­gi­schen Kir­che an jenem schänd­li­chen „Stand der Wis­sen­schaft“ ori­en­tiert hat­ten (vgl. Syn­oda­ler Irr­weg 3), soll­te die deut­schen Moral­theo­lo­gen vor nai­ver Wis­sen­schafts­gläu­big­keit war­nen. Seit einem Jahr­zehnt haben ver­schie­de­ne Uni-Stu­di­en die Rol­le Hel­mut Kent­lers als Pädo­phi­len­ak­ti­vist und Draht­zie­her pädo­kri­mi­nel­ler Netz­wer­ke aufgedeckt.

Der Dunst­kreis der Pädo­phi­lie: Alfred Kin­sey, Hel­mut Kent­ler, Uwe Sielert.

Gleich­wohl füh­ren heu­ti­ge Sexu­al­wis­sen­schaft­ler wie Sie­lert, Tui­der, Tim­mermanns u. a. als Schü­ler­ge­nera­ti­on der oben Genann­ten die hedo­ni­sti­schen Sexua­li­täts­an­sät­ze wei­ter: Sexua­li­tät sei die grund­le­gen­de Lebens­en­er­gie der Men­schen. Der Human­wis­sen­schaft­ler Uwe Sie­lert hat das links-eman­zi­pa­to­ri­sche Sexu­al­kon­zept sei­nes „väter­li­chen Freun­des Kent­ler“ aus­ge­baut zur „Sexu­al­päd­ago­gik der Viel­falt“: Die Indi­vi­du­en sol­len ihre sexu­el­len Trie­b­e­ner­gien gren­zen­los aus­schöp­fen zur größt­mög­li­chen Lust­stei­ge­rung. Der Sexper­te pro­pa­giert die Instru­men­ta­li­sie­rung des Kör­pers zur Lust­ma­xi­mie­rung ein­schließ­lich von Ona­nie­ren und frü­hest­mög­li­chem Geschlechts­ver­kehr. Sie­lert emp­fiehlt den Eltern, ihre „Kin­der lust­voll zu strei­cheln“, damit schon Klein­kin­der „die Lust an sich selbst ent­decken“. Die gren­zen­lo­se Lust-Phi­lo­so­phie führt gera­de­wegs zu sexu­el­len Über­grif­fen. Trotz der pädo­phi­len Kom­pro­mit­tie­rung hat die ein­fluss­rei­che Sie­lert-Schu­le inzwi­schen die sexu­al­ethi­schen Stan­dards in der deut­schen BZgA und sogar der WHO geprägt. Auch in Tei­le der deut­schen Kir­che konn­te sie ein­sickern, was sich etwa 2016 bei der sexu­al­päd­ago­gi­schen Tagung des Bis­tums Ber­lin gezeigt hat.

Es wäre die drin­gen­de Auf­ga­be katho­li­scher Moral­theo­lo­gie, in der kri­ti­schen Aus­ein­an­der­set­zung mit die­ser Wis­sen­schafts­rich­tung der sexu­el­len Ver­wahr­lo­sung die Prin­zi­pi­en einer christ­li­chen Sexu­al­ethik zu ent­wickeln. Statt­des­sen bedie­nen sich die Syn­odal-Theo­lo­gen scham­los an der Kent­ler-Sie­lert-Phi­lo­so­phie – etwa mit der Aus­gangs­the­se, „sexu­el­les Begeh­ren und der Trieb­cha­rak­ter des Eros“ sei­en als Quel­le der mensch­li­chen Daseins­freu­de anzu­se­hen. Dar­aus folgt, dass man die sexu­el­le „Lust­ge­win­nung“ als einen von per­so­na­ler Lie­be los­ge­lö­sten „Sinn­wert“ pro­pa­giert, z. B. im self sex. Mit dem schran­ken­lo­sen Begeh­ren wird der (syn­oda­le) Aner­ken­nungs­weg gebahnt für die exzes­si­ven Metho­den der Lust­ge­win­nung: neben der nar­ziss­ti­schen Selbst­be­frie­di­gung auch Por­no­gra­phie, Pro­sti­tu­ti­on, Sado-Maso­chis­mus, Fisten, Feti­schis­mus und ande­re For­men des „lust­vol­len Erlebens“.

Es ist unfass­bar, was da ein Syn­odal­gre­mi­um auf höch­ster Ebe­ne für Prio­ri­tä­ten setzt: Ange­sichts des boo­men­den Pro­fit­ge­schäfts der Lust­ver­füh­rung, einer durch elek­tro­ni­sche Medi­en hyper­se­xua­li­sier­ten Öffent­lich­keit, der zuneh­men­den Pro­sti­tu­ti­on in Deutsch­land als „Bor­dell Euro­pas“, der Früh­sexua­li­sie­rung von Kin­dern und Jugend­li­chen durch Medi­en und Schu­le. Dazu kom­men Hun­dert­tau­sen­de sexu­el­le Miss­brauchs­op­fer hier­zu­lan­de. In die­ser Lage pro­pa­giert ein katho­li­sches Spit­zen­gre­mi­um die trieb­ge­steu­er­te sexu­el­le Lust­erzeu­gung in jeder Bezie­hung (und auch im bezie­hungs­lo­sen self sex), ohne auch nur mit einer Zei­le auf die Gefähr­dun­gen des gren­zen­lo­sen Hedo­nis­mus hin­zu­wei­sen sowie Ein­bin­dung und Sub­li­mie­rung des Sexu­al­trie­bes unter der Form der Ehe und dem Gebot der Näch­sten­lie­be anzu­mah­nen. Und die­sen Abklatsch einer zeit­gei­sti­gen Lust­phi­lo­so­phie will die Syn­odal­ver­samm­lung als Neu­erfin­dung von katho­li­scher Sexu­al­ethik verkaufen!?

Die Predigt von Papst Franziskus würde bei der Synodenmehrheit durchfallen

In sei­ner Turi­ner Anspra­che vom 21. 6. 2015 sag­te Papst Fran­zis­kus zu Kin­dern und Jugend­li­chen: „In die­ser hedo­ni­sti­schen Welt, wo nur das Ver­gnü­gen ange­prie­sen wird, sage ich euch: Die Lie­be ist respekt­voll gegen­über der ande­ren Per­son. Sie gebraucht die Per­son nicht, das heißt: Die Lie­be ist keusch.“ Der Papst for­der­te die Jugend­li­chen auf, „gegen den Strom der hedo­ni­sti­schen, kon­su­mi­sti­schen Welt mit ihren Sei­fen­bla­sen­wer­ten zu schwim­men“. Mehr­mals beton­te er: „Seid keusch, seid keusch!“ In der Schrift­form der Anspra­che gab er den Jugend­li­chen das Jesus­wort mit auf den Weg: „Wer sein Leben ret­ten will, wird es verlieren…“

Die Ansa­ge des Pap­stes ent­spricht einer klas­si­schen Pre­digt auf Grund­la­ge der kirch­li­chen Leh­re: auf der Basis von Jesus­wor­ten die christ­li­che Kern­bot­schaft ent­fal­ten und Wei­sun­gen geben bei kri­ti­scher Sicht auf welt­li­che Fehlentwicklungen.

Von wel­chen deut­schen Bischö­fen und Kar­di­nä­len, Prä­la­ten und Dechan­ten, Prie­stern und Pre­di­gern, Kate­che­ten und Reli­gi­ons­leh­rer hat man je eine sol­che Pre­digt an Jugend­li­che gehört?

Wenn die päpst­li­che Anspra­che beim Frank­fur­ter Syn­odal­fo­rum vor­ge­tra­gen wür­de, ohne den Autor zu nen­nen, lie­ße die Mehr­heit die­se spe­zi­fisch biblisch-katho­li­sche Anspra­che sicher­lich als rück­stän­dig, leib­feind­lich, lebens­fern, welt­fremd, nicht men­schen­ge­recht etc. aus­bu­hen. Ins­be­son­de­re die Wei­sung zur vor­ehe­li­chen Keusch­heit wür­den die Syn­oda­len als Rück­fall in fin­ste­re lust- und leib­feind­li­che Zei­ten abkanzeln.

Die­ses Gedan­ken­ex­pe­ri­ment führt deut­lich vor Augen: Der Syn­oda­le Forums­weg zu post­ka­tho­li­scher Sexu­al­mo­ral ist der brei­te Irr­weg welt­li­cher Anpas­sung an sexethi­sche Belie­big­keit. Er führt weg von Jesus Chri­stus, dem Evan­ge­li­um und der Weltkirche.

Bild: VaticanNews/​Il Sismografo/​MiL (Screen­shots)


i Pre­digt von Bischof Bode am 13. 3. 2019 auf der Früh­jahrs­voll­ver­samm­lung der deut­schen Bischö­fe in Lingen

ii Ste­phan Ernst in: Stim­men der Zeit, Heft 4/​2020

iii fein​schwarz​.net: Inter­view am 4. 12. 2019

iv Der Syn­oda­le Weg: Vor­be­rei­ten­des Forum ‚Leben in gelin­gen­den Bezie­hun­gen‘, Stand: 7. 1. 2020, S. 1

v Eben­da S. 18

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