
Die Pressekonferenz am vergangenen Donnerstag zur Vorstellung eines neuen Meßformulars „für die Bewahrung der Schöpfung“ hatte es in sich. Die Liste der Enthüllungen, Bestätigungen und Bekanntgaben, die dabei die anwesenden Pressevertreter erreichten, wächst stetig. So wurde am Rande auch ein neues Dokument angekündigt, das derzeit vom Glaubensdikasterium vorbereitet wird und sich mit der „echten“ Marienverehrung befaßt. Ein Überblick.
1) Traditionis custodes
Es geht Schlag auf Schlag. In der Pressekonferenz bestätigte Matteo Bruni, der Direktor des vatikanischen Presseamtes, die Echtheit der von der US-Vatikanistin Diane Montagna veröffentlichten Dokumente zum Zustandekommen von Traditionis custodes. Papst Franziskus hatte dieses traditionsfeindliche Motu proprio aufgrund seiner eigenen, ideologisch motivierten Feindschaft am „grünen Tisch“ formuliert – und dazu den Vorwand inszeniert, alle Bischöfe der Welt zu einer Konsultation über den überlieferten Ritus zu bitten, um im Anschluß dennoch rücksichtslos durchzusetzen, was er von Anfang an geplant und schon seit Jahren durch abschätzige Bemerkungen und Seitenhiebe gegen Priester und Gläubige der Tradition angekündigt hatte.
Hören wir, was der spanische Blogger Specola dazu schreibt:
„Als Papst Franziskus am 16. Juli 2021 Traditionis custodes promulgierte, erklärte er, daß die Antworten auf den Fragebogen ‚eine Situation offenbaren, die mich beunruhigt und betrübt und mich von der Notwendigkeit überzeugt, zu intervenieren‘. ‚Leider‘, sagte er in einem beigefügten Brief an die Bischöfe der Welt, ‚wurde das pastorale Ziel meiner Vorgänger … häufig schwerwiegend vernachlässigt. Eine von Johannes Paul II. gebotene Gelegenheit und – noch großzügiger – von Benedikt XVI. … wurde genutzt, um Spaltungen zu vertiefen, Divergenzen zu verstärken und Meinungsverschiedenheiten zu fördern, die der Kirche schaden, ihren Weg blockieren und sie der Gefahr der Spaltung aussetzen.‘ Er sagte den Bischöfen, daß er sich durch ihre ‚Bitten‘ gezwungen sah, nicht nur Summorum Pontificum zu widerrufen, sondern ‚alle Normen, Instruktionen, Erlaubnisse und Gewohnheiten‘, die seinem neuen Dekret vorausgingen.
Nun aber scheint es, daß man uns belogen hat, denn ‚die Mehrheit der Bischöfe, die auf den Fragebogen geantwortet haben und Summorum Pontificum großzügig und mit Klugheit umgesetzt haben, äußerten ihre Zufriedenheit‘. Die Gesamtauswertung besagte außerdem – gestützt auf die Antworten der Bischöfe – voraus, was geschehen würde, wenn Summorum Pontificum abgeschafft würde, und diese Vorhersagen haben sich als zutreffend erwiesen.“
Franziskus mißbrauchte also die weltweite Befragung, deren Ergebnisse etwas ganz anderes offenbarten, um seine bereits lange geplante Entscheidung zu rechtfertigen. Er behauptete, die Antworten der Bischöfe aus aller Welt hätten ihn gezwungen – als ob dies gegen seinen Willen geschehen wäre – zu intervenieren. Doch das war nicht der Fall. Er hat die ganze Welt – die Bischöfe, die Priester, die Gläubigen – belogen. Specola fährt fort:
„Der Abschlußbericht, 224 Seiten stark und datiert auf Februar 2021, besteht aus zwei Hauptteilen. Der erste Teil bietet eine detaillierte Analyse der Ergebnisse und Befunde der Umfrage, Kontinent für Kontinent und Land für Land, und enthält Diagramme und Tabellen, die Daten und Trends veranschaulichen. Der zweite Teil, mit dem Titel ‚Zusammenfassung‘ [Sintesi], ist kürzer und enthält eine Einleitung, eine Übersicht nach Kontinenten sowie eine Gesamteinschätzung [Giudizio Complessivo]. Papst Franziskus hatte nicht nur den Bericht, sondern entriß Kardinal Ladaria [dem damaligen Glaubenspräfekten] während einer Audienz buchstäblich eine Arbeitskopie aus der Hand mit den Worten, er wolle sie sofort, weil er neugierig sei.“
Es besteht also kein Zweifel, es gibt keinen Grund zu Spekulationen, ob Franziskus die Ergebnisse kannte oder ob ihn schlechte Mitarbeiter hinters Licht führten: Der Papst wußte es.
2) Fiducia supplicans
Am Rande der Pressekonferenz wurde der ebenfalls anwesende aktuelle Glaubenspräfekt, Kardinal Victor Manuel „Tucho“ Fernández, zum Homo-Dokument Fiducia supplicans befragt, das sein Dikasterium im Auftrag von Franziskus im Dezember 2023 veröffentlichte und einen Skandal auslöste. In Rom regiert inzwischen nicht mehr Franziskus, sondern Leo XIV. Die Kirche in Afrika, die Fiducia supplicans kategorisch ablehnt, hat die Kritik an diesem Dokument, das Teil der Homo-Agenda ist, nun noch verschärft. Wurde diese Ablehnung unter Franziskus zunächst nur mit „kulturellen“ Unterschieden begründet, wies Kardinal Ambongo, Vorsitzender des Symposiums der Bischofskonferenzen von Afrika und Madagaskar (SECAM), kürzlich diese Lesart zurück: Afrika lehne Fiducia Supplicans primär aus „doktrinellen und theologischen“ Gründen ab.
Tucho Fernández verteidigte seinen „Wurf“ mit gespielter Selbstsicherheit: Er sei überzeugt, daß Leo nicht Hand an Fiducia supplicans legen werde. Es werde keine Rücknahme und keine Änderungen geben.
Doch damit zum eigentlichen Thema:
3) „Klarstellungen“ zur Marienfrömmigkeit
Am Rande der Pressekonferenz gab Tucho Fernández auch eine Ankündigung bekannt: Das von ihm geleitete Glaubensdikasterium bereite derzeit ein Dokument vor, das Klarstellungen zur Marienfrömmigkeit enthalten solle. Konkret gehe es dabei um „Klarstellungen“ zu den neuen Normen für die Beurteilung mutmaßlicher übernatürlicher Phänomene, die von Tucho Fernández‘ Dikasterium ausgearbeitet und im Mai 2024 verkündet wurden (siehe auch die Anmerkungen von Msgr. Marian Eleganti).
Am 27. November 2024 hatte Kardinal Fernández ein Arbeitspapier mit dem Titel „Falsche Mystik und geistlicher Mißbrauch“ veröffentlicht, das Franziskus fünf Tage zuvor im Rahmen einer Audienz gebilligt hatte. Seit seinem Amtsantritt im Palazzo del Sant’Uffizio zieht Fernández die Daumenschraube gegen Erscheinungsphänomene an. Tatsächlich war auch von Franziskus bekannt, daß er für „Phänomene“ dieser Art wenig Verständnis hatte. Seine Haltungsänderung zu Medjugorje war offenbar mehr taktischen Gründen geschuldet. Indem die Variante gefunden wurde, eine Anerkennung eines übernatürlichen Charakters kategorisch auszuschließen, ging plötzlich alles leichter.
Seit Franziskus Kardinal Ladaria als Glaubenspräfekten durch seinen Lieblingsprotégé Fernández ersetzt hat, strebt dieser an, das Phänomen der „Erscheinungen und Botschaften“ unter Kontrolle zu bringen. Erste Schritte wurden sofort unternommen. Den Diözesanbischöfen, bei denen die Zuständigkeit für die Anerkennung oder Ablehnung von übernatürlichen Phänomenen die gesamte Kirchengeschichte hindurch lag, wurde diese Kompetenz entzogen und in Rom monopolisiert. Gleichzeitig wurde jegliche Anerkennung als übernatürliches Phänomen gestrichen. Es wird nur noch entschieden, wo ein vermeintlicher „Erscheinungsort“ auf einer sechsstufigen Skala pastoral eingeordnet wird, ein übernatürlicher Charakter jedoch a priori ausgeschlossen. Diese Möglichkeit existiert nicht mehr: Das Duo Franziskus/Fernández hat es so entschieden.
Doch das genügt offenbar noch nicht. Hintergrund ist, daß sich mit fortschreitendem Pontifikat von Franziskus die Meldungen von Erscheinungen und anderen Phänomenen häuften, in denen „Botschaften“ gegeben wurden, die das Handeln des argentinischen Papstes kritisierten, ihn gar als „falschen Propheten“ titulierten. „Maria gegen den Papst“, schien sinngemäß die Parole zu lauten. Mehr als eine peinliche Situation – für Santa Marta. Dort sah man darin einen menschengemachten Widerstand gegen Franziskus und seinen Kurs, für den man das Religiöse mißbraucht habe. Kardinal Fernández sieht dies offenbar immer noch so und will mit einem Dokument über die „echte Marienfrömmigkeit“ ordnend – notfalls wohl auch repressiv – eingreifen. Denn wie die Dokumente des Glaubensdikasteriums, die Fernández seit seiner Amtsübernahme vor bald zwei Jahren verfaßt hat, inzwischen hinlänglich bekannt sind, könnte das neue Dokument, so Stimmen aus Rom, zwei bedenkliche Stoßrichtungen haben:
a) Warnung vor Strafen des Himmels „absolut falsch“?
Erstens soll schärfer gegen marianische und andere Botschaften vorgegangen werden – auch solche, die nach den vor dem Mai 2024 geltenden Bestimmungen kirchlich anerkannt wurden –, die Kritik an der kirchlichen Hierarchie enthalten oder generell Strafen des Himmels ankündigen. Diese Ankündigungen und Warnungen ziehen sich allerdings durch alle bedeutenden Marienerscheinungen der vergangenen 200 Jahre. Hier zeigt sich der grundlegendste Bruch in der Kirche:
Modernisten und Neomodernisten halten die Ablehnung der Französischen Revolution und ihrer Folgeentwicklungen für einen Fehler und eine Abirrung auf dem Weg der Kirche durch die Zeit, die korrigiert werden müsse. So hatte es Kardinal Carlo Maria Martini SJ formuliert und so wurde es von Franziskus umgesetzt, als er in seiner Enzyklika Fratelli tutti vom Oktober 2020 einem ganzen Kapitel das Dreier-Motto der Französischen Revolution gab: „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“. Das Signal war eindeutig.
In diese „Versöhnung“ mit dem laizistischen, kirchen- und gottfernen Weltverständnis scheint auch die Beseitigung der warnenden Marienbotschaften zu stehen, die seit der Revolution, als Reaktion auf die unter ideologischem Angriff durch Liberalismus und Sozialismus stehende Kirche, diese über die letzten 200 Jahre hinweg geprägt haben – von La Salette (1846) über Fatima (1917) bis Akita (1973) und Kibeho (1981).
Der Franziskaner Pater Stefano Cecchini, Vorsitzender der Internationalen Marianischen Päpstlichen Akademie (PAMI) und damit auch Vorgesetzter der 2023 neu errichteten Beobachtungsstelle für Erscheinungen und mystische Phänomene im Zusammenhang mit der Jungfrau und Gottesmutter Maria, hatte im Mai 2023 verkündet, daß Erscheinungen, die von Strafen sprechen, „absolut falsch“ seien. Eine „Strafe Gottes“ gebe es demnach nicht.
b) „Miterlöserschaft“ Mariens entsorgen?
Zweitens scheint die Befürchtung umzugehen, daß das neue Dokument des Glaubensdikasteriums auch innerkirchlich offene Fragen der Marienverehrung einseitig im Handstreich „klären“ könnte. Es gibt Stimmen, die Sorge haben, daß Tucho Fernández und eine hinter ihm stehende Richtung die Angriffe gegen die Miterlöserschaft Mariens verschärfen könnten. Das neue Dokument wird als potenzielles Instrument für diesen Handstreich betrachtet.
Gemeinsame Probleme?
Seit Mai 2024 hat das Glaubensdikasterium bereits eine ganze Reihe von „mystischen Phänomenen“ auf der Grundlage der neuen Normen beurteilt. Während zuvor große Zurückhaltung bei der Prüfung von Erscheinungen und Botschaften herrschte, geht es nun in schnellem Rhythmus voran. Da es keine Anerkennung des übernatürlichen Charakters mehr gibt, fällt der größte Teil der Arbeit weg. Primär gehe es nunmehr nur noch darum, so Kritiker polemisch, ob ein „Phänomen“ in die päpstliche Agenda paßt.
Bisher äußerte sich das Glaubensdikasterium nach den neuen Normen zu folgenden angeblichen Erscheinungen, Visionen und Botschaften: Trevignano Romano, Montichiari, Madonna dello Scoglio, Heiligtum von Maccio, Maria Valtorta (Italien), Estelle Faguette (Frankreich), Frau aller Völker in Amsterdam (Niederlande), Medjugorje (Bosnien-Herzegowina), Chandavilain, Garabandal, El Escorial (Spanien), Vilankannur (Indien) und Puerto Rico. (Siehe auch: „Nicht Medjugorje, sondern Fatima ist weiterhin der komplizierteste Fall“.)
Fernández betonte am Donnerstag, daß auch die „Anerkennung“ unter rein pastoralen Aspekten nicht „frei von Risiken ist“. Kryptisch fügte er hinzu, hier zitiert nach I.Media:
„Wenn wir all diese Phänomene gemeinsam betrachten, stellen wir fest, daß sich bestimmte Probleme wiederholen.“
Ihm gehe es darum, in diesen Fragen „ein Gleichgewicht“ zu schaffen, so der argentinische Kardinal. Es werde jedoch noch „einige Monate“ bis zur Veröffentlichung des neuen Dokuments dauern. Der Text, an dem gearbeitet wird, habe noch keine Zustimmung von Papst Leo XIV., wie Fernández einräumte.
Doch die Richtung, die Papst Franziskus und Kardinal Fernández in diesen Fragen einschlagen, scheint klar: Es wird ein rigoroserer Kurs angestrebt, der nicht nur die Kontrolle über mystische Erscheinungen und Botschaften stärkt, sondern auch die marianische Frömmigkeit unter den strengeren Maßstäben der vatikanischen Bürokratie anpaßt. Eine Entwicklung, die in der Kirche nicht ohne Widerspruch akzeptiert wird.
Es bleibt abzuwarten, wie sich diese Tendenzen in den kommenden Monaten konkretisieren und ob die Anhänger einer traditionellen, marianischen Frömmigkeit und auch sogenannte „apparitionistische“ Kreise, wie sie manchmal abschätzig genannt werden, weiterhin ihre Stimme erheben werden, um den Einfluß einer zunehmend zentralisierten vatikanischen Politik in Frage zu stellen.
Fernández kann aber tatsächlich auf höchst zwielichtige „Phänomene“ wie „Die Warnung“ verweisen und diese als Vorwand für einen generellen Kahlschlag nützen. Wo die Grenze ziehen, zwischen offensichtlich unseriösem und irreführendem Menschenwerk und echter Mystik?
Franziskus selbst hatte zuletzt Anfang Juni 2023 seine radikale Distanz zum Ausdruck gebracht, indem er in einer Fernsehsendung auf die Frage, wie man echte von falschen Marienerscheinungen unterscheiden könne, antwortete: „Gar nicht dort suchen“.
Es gibt unter den Gläubigen jedoch erheblichen Widerstand gegen eine solche Sicht der Dinge, die übernatürliche Phänomen auszuschließen scheint. Und es ist nicht unwahrscheinlich, daß durch den jüngste erfolgten Papstwechsel die Spannungen zwischen verschiedenen theologischen Strömungen in der Frage zunehmen.
In diesem Kontext könnte das kommende Dokument zur „echten Marienfrömmigkeit“ von Fernández als eine Art Schlußpunkt in einem noch nicht abgeschlossenen Kapitel der kirchlichen Entwicklung gesehen werden. Doch unter Leo XIV. scheinen sich die Gewichte im Vatikan und auch der Zugang zum Papst verschoben zu haben.
Diese Verschiebung könnte auch den offenkundigen Bestrebungen zu einer „Entmystifizierung“ des Erscheinungsphänomens an sich einen Riegel vorschieben.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: MiL
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