Kardinal Ambongo und das vergiftete Erbe Fiducia supplicans

Neue Töne


Kardinal Ambongo, der einflußreichste Kirchenmann Afrikas, wurde von Leo XIV. empfangen. Anschließend äußerte der Purpurträger neue Töne zum Widerstand gegen Fiducia supplicans
Kardinal Ambongo, der einflußreichste Kirchenmann Afrikas, wurde von Leo XIV. empfangen. Anschließend äußerte der Purpurträger neue Töne zum Widerstand gegen Fiducia supplicans

Der Kapu­zi­ner Kar­di­nal Fri­do­lin Ambon­go Besun­gu, Erz­bi­schof von Kin­sha­sa und Vor­sit­zen­der des Sym­po­si­ums der Bischofs­kon­fe­ren­zen von Afri­ka und Mada­gas­kar (SECAM), wur­de gestern von Papst Leo XIV. in Audi­enz emp­fan­gen. Anschlie­ßend bestä­tig­te er sei­nen ambi­va­len­ten Wider­stand gegen ein zen­tra­les Erbe des berg­o­glia­ni­schen Pon­ti­fi­kats – das umstrit­te­ne Doku­ment Fidu­cia sup­pli­cans –, ließ aber auch neue Töne hören.

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Als das Glau­bens­dik­aste­ri­um unter der Lei­tung des frisch ernann­ten Günst­lings von Papst Fran­zis­kus, Kar­di­nal Vic­tor Manu­el Fernán­dez – genannt „Tucho“ –, am 18. Dezem­ber 2023 das Schrei­ben zur Ein­füh­rung von Homo-Seg­nun­gen ver­öf­fent­lich­te, reg­te sich sofort hef­ti­ger Wider­spruch – vor allem in Schwarz­afri­ka. Noch am sel­ben Tag erklär­te die Bischofs­kon­fe­renz von Kame­run ihre ent­schie­de­ne Ableh­nung. Sie beton­te aus­drück­lich, daß in ihrem Land Seg­nun­gen von Homo-Paa­ren strikt unter­sagt bleiben.

Afrikas Widerstand

Was folg­te, war eine Wel­le: Täg­lich schlos­sen sich wei­te­re afri­ka­ni­sche Bischofs­kon­fe­ren­zen an – unter den ersten: Mala­wi und Sam­bia. Bin­nen kur­zer Zeit hat­te ein gan­zer Kon­ti­nent dem Papst in der Homo-Fra­ge die Gefolg­schaft auf­ge­kün­digt. In San­ta Mar­ta stand das Dach in Flammen.

Rom ver­such­te Scha­dens­be­gren­zung, indem man die Bischö­fe aus dem mus­li­misch gepräg­ten Nord­afri­ka – über­wie­gend euro­päi­sche Kle­ri­ker – aus der afri­ka­ni­schen Pha­lanx her­aus­zu­bre­chen such­te. Doch deren Gewicht ist mar­gi­nal ver­gli­chen mit Schwarz­afri­ka, dem am schnell­sten wach­sen­den Teil der Welt­kir­che. Das waren nur kos­me­ti­sche Kor­rek­tu­ren – mehr nicht.

Am 11. Janu­ar 2024 schließ­lich ver­öf­fent­lich­te das SECAM unter Ambon­gos Vor­sitz eine Erklä­rung, in der das vati­ka­ni­sche Doku­ment ver­ur­teilt, auf die bibli­sche Ver­ur­tei­lung homo­se­xu­el­ler Hand­lun­gen ver­wie­sen und Homo-Ver­bin­dun­gen als „in sich ver­dor­ben“ bezeich­net wur­den. Außer­halb Afri­kas mach­ten sich ande­re Kri­ti­ker von Fidu­cia sup­pli­cans Hoff­nun­gen auf einen welt­weit koor­di­nier­ten Widerstand.

Der Ambongo-Kompromiß

Doch hin­ter den Kulis­sen hat­te sich Fran­zis­kus bereits abge­si­chert. Ambon­go, den er seit 2016 Schritt für Schritt geför­dert hat­te – erst zum Erz­bi­schof von Mbanda­ka-Biko­ro, dann von Kin­sha­sa, spä­ter zum Kar­di­nal und schließ­lich zum afri­ka­ni­schen Ver­tre­ter im C9-Kar­di­nals­rat und das alles inner­halb von nur vier Jah­ren –, war längst zu einem zen­tra­len Akteur des berg­o­glia­ni­schen Macht­er­halts gewor­den. Nur zwei Mona­te vor der Ver­öf­fent­li­chung von Fidu­cia sup­pli­cans hat­te Ambon­go auch den Vor­sitz des SECAM über­nom­men – eine stra­te­gisch zen­tra­le Position.

Im März 2024 bezeich­ne­te Ambon­go in einem Inter­view mit dem fran­zö­si­schen Sen­der KTO die Homo-Agen­da als Aus­druck von „kul­tu­rel­lem Kolo­nia­lis­mus“ und „west­li­chem Impe­ria­lis­mus“, der Afri­ka auf­ge­zwun­gen wer­den sol­le. Homo-Seg­nun­gen stün­den im „Wider­spruch zur kul­tu­rel­len Ethik der afri­ka­ni­schen Völ­ker“ und führ­ten zu „Ver­wir­rung“. Gleich­zei­tig ließ er jedoch erken­nen, daß er mit Fran­zis­kus ein stil­les Ein­ver­neh­men erzielt hatte.

San­ta Mar­ta war über­rascht vom welt­wei­ten Wider­stand, ins­be­son­de­re aus Afri­ka. Um das Pro­jekt den­noch durch­zu­set­zen, griff man zu einer Rei­he tak­ti­scher Ausweichmanöver:

  • Zunächst hieß es, kei­ne Diö­ze­se sei zur Durch­füh­rung von Homo-Seg­nun­gen ver­pflich­tet – Moral also nach Belie­ben und Mode?
  • Als das nicht genüg­te, wur­de behaup­tet, es hand­le sich nicht um Seg­nun­gen für Paa­re, son­dern für Ein­zel­per­so­nen – ein durch­sich­ti­ges Manö­ver: Der Prie­ster sol­le schlicht igno­rie­ren, daß zwei Per­so­nen als Paar erschei­nen, und sich vor­stel­len, es hand­le sich um zwei ein­zel­ne, die „zufäl­lig“ zusam­men­ste­hen. Eine Seg­nung im Konjunktiv.
  • Schließ­lich ent­schied man sich für ein „Son­der­mo­ra­to­ri­um“ für Afri­ka. Die Welt­kir­che sol­le Schritt für Schritt an Homo-Seg­nun­gen her­an­ge­führt wer­den, Afri­ka aber – so Fran­zis­kus selbst – sei „kul­tu­rell rück­stän­dig“ und müs­se warten.

Tat­säch­lich war das Mora­to­ri­um das Ergeb­nis eines Ein­ver­ständ­nis­ses, das Ambon­go Anfang 2024 mit Fran­zis­kus erzielt hat­te. Spä­ter erklär­te der Kar­di­nal, er habe gemein­sam mit Tucho Fernán­dez jenes Schrei­ben ver­faßt, das am 4. Janu­ar als „Prä­zi­sie­rung“ ver­öf­fent­licht wur­de und Afri­ka aus dem Gel­tungs­be­reich von Fidu­cia sup­pli­cans herausnahm.

Hoffnung auf konzertierten Widerspruch zerplatzte

Mit die­sem tak­ti­schen Kom­pro­miß in der Hand trat Ambon­go am 11. Janu­ar vor das SECAM und ver­öf­fent­lich­te die offi­zi­el­le Erklä­rung. In Wahr­heit aber hat­te er Afri­ka aus der Wider­stands­front her­aus­ge­löst – und damit jenen Teil neu­tra­li­siert, der das größ­te Gegen­ge­wicht zur berg­o­glia­ni­schen Agen­da hät­te bil­den kön­nen. Was blieb, war ohne Afri­ka nur zer­streu­ter Wider­stand – ohne Kraft und Stim­me. Die Hoff­nun­gen auf einen kon­zer­tier­ten Wider­spruch gegen die Homo-Agen­da zer­platz­ten. For­de­run­gen nach dem Rück­tritt Tucho Fernán­dez’ ver­puff­ten. Ein Sturz des Prä­fek­ten hät­te das Berg­o­glio-Pon­ti­fi­kat gelähmt. Doch dazu kam es nicht – weil Ambon­go sich arran­giert hatte.

Im KTO-Inter­view offen­bar­te der Kar­di­nal die Brü­che sei­ner Argu­men­ta­ti­on. Er recht­fer­tig­te sei­nen Vor­stoß mit dem Hin­weis, man müs­se den Wider­stand anfüh­ren, um die Kon­trol­le zu behal­ten. Wört­lich sag­te er:

„Wir ris­kie­ren, die Kon­trol­le über die Situa­ti­on zu verlieren.“

Beim Tref­fen mit Fran­zis­kus zum Jah­res­wech­sel 2023/​2024 sei es um zwei Zie­le gegangen: 

„die afri­ka­ni­schen Gläu­bi­gen zu beru­hi­gen, die sich in ihrem Glau­ben ver­letzt fühl­ten, und gleich­zei­tig die Gemein­schaft mit dem Nach­fol­ger Petri zu retten“.

Auf­fäl­lig war, daß Ambon­go – gegen­über einem west­li­chen Publi­kum – das The­ma Homo­se­xua­li­tät aus­schließ­lich kul­tu­rell deu­te­te, nicht unter dem Heils­aspekt als Sün­de gegen die Schöp­fungs­ord­nung. Damit bestä­tig­te er indi­rekt die Les­art von Fran­zis­kus: Afri­ka hin­ke eben dem „Fort­schritt“ hin­ter­her, sei noch nicht so weit. Geduld und Ver­ständ­nis sei gefragt für die etwas zurück­ge­blie­be­nen Brüder.

So hat­te San­ta Mar­ta den gefähr­lich­sten Wider­stand bereits neu­tra­li­siert, bevor er sich glo­bal for­mie­ren konn­te. Und tat­säch­lich: Nach dem „Ambon­go-Kom­pro­miß“ wur­de es bald still.

Das erlaub­te Fran­zis­kus wie­der in Offen­si­ve gehen zu kön­nen. Ende Janu­ar 2024 trat er erst­mals selbst an die Öffent­lich­keit– nach 40-tägi­gem Schwei­gen. Am 26. Janu­ar stell­te er sich demon­stra­tiv hin­ter Tucho Fernán­dez und mach­te unmiß­ver­ständ­lich klar: Eine Kurs­kor­rek­tur wer­de es nicht geben. Ledig­lich die Umset­zung sei „dem jewei­li­gen Kon­text und der kul­tu­rel­len Sen­si­bi­li­tät“ anzu­pas­sen. Über­setzt: In Schwarz­afri­ka noch nicht – anders­wo jederzeit.

Seit­dem haf­tet Ambon­go der Ruf an, der ver­län­ger­te Arm Berg­o­gli­os in Afri­ka zu sein – jener Mann, der den schwar­zen Kon­ti­nent für San­ta Mar­ta unter Kon­trol­le hielt.

Widerspruch „keine afrikanische Ausnahme“

Heu­te ist Fran­zis­kus Geschich­te. Leo XIV. hat den Stuhl Petri ein­ge­nom­men und emp­fing gestern Ambon­go, den wohl ein­fluß­reich­sten afri­ka­ni­schen Kir­chen­mann, in Audi­enz. Anlaß war eine von der Päpst­li­chen Latein­ame­ri­ka­kom­mis­si­on orga­ni­sier­te Pres­se­kon­fe­renz zum frag­wür­di­gen berg­o­glia­ni­schen The­ma „Kli­ma­ge­rech­tig­keit und öko­lo­gi­sche Umkehr“. Man erin­ne­re sich: Fran­zis­kus ver­wen­de­te für „Umkehr“ das­sel­be Wort wie für „Bekeh­rung“.

Im Anschluß an die Kon­fe­renz sprach Ambon­go mit dem US-Sen­der EWTN – und schlug neue Töne an.

Er beton­te, der Wider­stand gegen Homo-Seg­nun­gen sei „kei­ne afri­ka­ni­sche Aus­nah­me“. „Die Hal­tung Afri­kas [zu Fidu­cia sup­pli­cans] war auch die vie­ler Bischö­fe in Euro­pa“, so der Kar­di­nal. Es hand­le sich nicht nur um einen afri­ka­ni­schen Sonderweg.

Zudem hob er her­vor, daß Homo­se­xua­li­tät nicht pri­mär ein pasto­ra­les, son­dern ein „dok­tri­nel­les und theo­lo­gi­sches Pro­blem“ dar­stel­le – und daß sich an der Moral­leh­re der Kir­che nichts geän­dert habe.

Doch auch in die­sem Inter­view offen­bar­ten sich Schwä­chen sei­ner Argu­men­ta­ti­on. So erklär­te Ambon­go, Fidu­cia sup­pli­cans sei „als etwas von außen Auf­ge­zwun­ge­nes“ emp­fun­den wor­den. Afri­ka habe ande­re Prioritäten: 

„Für uns ist das The­ma Homo­se­xua­li­tät kei­ne pasto­ra­le Prio­ri­tät. Das ist ein The­ma für euch hier in Euro­pa, nicht für uns.“

Also doch nur eine kul­tu­rel­le Frage?

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Vati­can­Me­dia (Screen­shot)

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