
Es ist tatsächlich eine Sensation geworden: Papst Franziskus gewährte Medjugorje das „Nihil obstat“ und erteilte damit dem herzegowinischen Ort eine kirchliche Unbedenklichkeitserklärung. Damit wird erwartungsgemäß kein übernatürlicher Charakter, weder der Erscheinungen noch der Botschaften anerkannt, jedoch – was kaum zu erwarten war – die höchste von fünf derzeit möglichen Anerkennungsstufen gewährt.
Die neuen Normen für das Verfahren zur Beurteilung mutmaßlicher übernatürlicher Phänomene, die seit vergangenem Mai in Kraft sind, entbinden den Heiligen Stuhl, den übernatürlichen Charakter zu prüfen. Das machte den Weg frei, bereits mehrere teils seit Jahrzehnten anhängige Phänomene zu beurteilen. In einigen Fällen (Montichiari und Madonno dello Scoglio) wurde ein positives Urteil gefällt, im Fall von Amsterdam („Frau aller Völker“) und Trevignano ein negatives.
Ein negatives Urteil bedeutet, daß Rom feststellt, daß kein übernatürlicher Charakter gegeben ist, also Selbsttäuschung oder Betrug vorliegen. Ein positives Urteil bedeutet nach den neuen Normen von Glaubenspräfekt Victor Manuel „Tucho“ Fernández, daß ein Phänomen positive pastorale Früchte trägt, ohne daß über die Frage der Übernatürlichkeit etwas ausgesagt wird. So ist es nun auch im Fall Medjugorje geschehen, wie Kardinal Fernández heute mittag auf einer Pressekonferenz in Rom bekanntgab.
Das dabei vorgelegte Dokument, das von Papst Franziskus am 28. August genehmigt wurde, erkennt die „vielen geistlichen Früchte“ an, die mit Medjugorje verbunden werden, äußert sich aber nicht zur Übernatürlichkeit. Die Frage der Echtheit des seit 1981 stattfindenden Phänomens und der seither damit verbundenen „Botschaften“ wird von Rom nicht angesprochen.
Das pastorale Urteil ist somit sehr positiv ausgefallen, wobei es auch einige „Klarstellungen“ gibt. Rom stellt zunächst fest, daß „viele positive Früchte aufgetreten sind und sich keine negativen oder riskanten Auswirkungen im Volk Gottes verbreitet haben“. Dann stellt das Dokument fest, daß die gezogenen Entscheidungen „kein Urteil über das sittliche Leben der angeblichen Seher implizieren“. Dabei heißt es auch, daß die geistlichen Gaben „nicht notwendigerweise die sittliche Vollkommenheit der beteiligten Personen ‚voraussetzen´, um handeln zu können“. Die Formulierung „angebliche Seher“ verdeutlicht die Distanz, die Rom dem Erscheinungsphänomen Medjugorje gegenüber wahrt. Beurteilt wurde das pastorale Phänomen Medjugorje, das die Kirche zu kanalisieren versucht und das in dem heute vorgestellten römischen Dokument als „positive Früchte“ beschrieben wird, die sich „vor allem in der Förderung einer gesunden Praxis des Glaubenslebens zeigen“. Es gebe „zahlreiche Bekehrungen“ von Menschen, die den Glauben entdeckt oder wiederentdeckt hätten; die Rückkehr zur Beichte und zur sakramentalen Kommunion, zahlreiche Berufungen, „viele Versöhnungen zwischen Eheleuten und die Erneuerung des Ehe- und Familienlebens“. Auch werden die Berichte über „zahlreiche Heilungen“ und „Versöhnungen“ erwähnt.
Die „angeblichen Seher“
Während einerseits von „angeblichen Sehern“ gesprochen wird, zitiert das römische Dokument anderseits direkt aus den Botschaften, so jenen vom 16. Juni 1983, 21. Oktober 1983 und 25. November 1983.
Zu den „Klarstellungen“ gehört, daß einige Botschaften von den im Dokument zitierten Inhalten abweichen. Kritisch beurteilt Rom jene, in denen die Gottesmutter vor „bedrohlichen Zeichen“ warne oder damit drohe, nicht mehr zu erscheinen. Dem stellt das Glaubensdikasterium positiv die Botschaft vom 15. Dezember 1983 entgegen, in der die Gottesmutter jene als „falsche Propheten“ bezeichnet habe, die „schreckenerregende Vorhersagen machen“.
Damit bestätigt der Vatikan die Einschätzung des Präsidenten der Internationalen Marianischen Päpstlichen Akademie P. Stefano Cecchin OFM, der in der Vergangenheit mehrfach betonte, daß angebliche Marienerscheinungen oder vergleichbare Phänomene, die Strafen ankündigen, „absolut falsch“ seien.
Der vatikanische Umgang mit den Botschaften erweist sich als sehr selektiv. Im römischen Dokument wird aus jenen zitiert, die der vatikanischen Linie entsprechen oder diese unterstützen, ohne jedoch die Echtheitsfrage zu stellen. Das dürfte ein Novum darstellen, das dadurch „saniert“ wird, daß das Glaubensdikasterium erklärt, die Botschaften, nicht als übernatürlich zu betrachten, sondern lediglich als „erbauliche Texte“ zu berücksichtigen. Wörtlich heißt es in dem Dokument:
„Obwohl dies keine Erklärung des übernatürlichen Charakters des fraglichen Phänomens bedeutet (vgl. Normen, Art. 22, §2) und daran erinnert, dass die Gläubigen nicht verpflichtet sind, daran zu glauben, zeigt das Nihil obstat an, dass sie durch dieses geistliche Angebot einen positiven Anreiz für ihr christliches Leben erhalten können, und erlaubt die öffentliche Verehrung. Die positive Bewertung der meisten Botschaften von Medjugorje als erbauliche Texte bedeutet nicht, daß sie einen direkten übernatürlichen Ursprung haben.“
Abschließend mahnt das Glaubensdikasterium, daß das Motiv für Medjugorjepilger nicht „die Begegnung mit den angeblichen Sehern“ sein soll, sondern einzig die Begegnung mit Maria, der Königin des Friedens. Implizit ist damit gemeint, daß ein Medjugorje-Besuch unabhängig von einer tatsächlichen oder vermeintlichen Erscheinung der Gottesmutter in dem herzegowinischen Ort geschehen solle. Wie realistisch oder vielleicht realitätsfremd ist das aber?
Papst Franziskus: „Ich habe Medjugorje gerettet“
Jedenfalls bestätigte sich heute, was Chiara Amirante, die Gründerin von Nuovi Orizzonti (Neue Horizonte) seit dem 1. November 2018 wiederholte. Als Papst Franziskus gewählt wurde, machte er schnell aus seiner Abneigung gegen Erscheinungen und Botschaften kein Hehl. Medjugorje wurde von ihm im Herbst 2013 sogar namentlich als Negativbeispiel genannt. Die ablehnende Haltung war bis 2017 spürbar und trat auch anschließend noch indirekt in Gesprächsbüchern des Papstes in Erscheinung. Allerdings signalisierte Kardinal Ernest Simoni ein Umdenken bei Franziskus. Weder die Personen noch die Gründe und Umstände dieses Umdenkens sind bisher bekannt. Positive Äußerungen von Franziskus, die seine früheren annulliert hätten, sind nicht bekannt.
Für Chiara Amirante, deren Gemeinschaft Neue Horizonte 2010 vom Heiligen Stuhl anerkannt wurde, spielt Medjugorje in ihrem eigenen Leben eine zentrale Rolle. Amirante ist seit Anfang der 90er Jahre mit Jugendproblemen konfrontiert (Drogenabhängigkeit, Alkohol, Prostitution, Gewalt und Marginalisierung in Problemvierteln Roms). Aus dieser Erfahrung entwickelte sie einen „Therapieweg der Selbsterkenntnis und Heilung des Herzens auf der Kunst des Liebens, die Geisttherapie genannt wird“.
Am 1. November 2018 gab Amirante bei einem öffentlichen Treffen in Medjugorje bekannt, daß sie von Franziskus die Erlaubnis erhalten hatte, über den Inhalt eines Treffens zu sprechen, das sie kurz zuvor mit ihm hatte:
„Er sagte mir: ‚Chiara, schau, ich bin derjenige, der Medjugorje gerettet hat, denn die Kommission der Glaubenskongregation hatte aufgrund vieler Nachrichten, auch falscher, bereits gesagt: ‚An Medjugorje ist alles falsch‘. Ich bin also derjenige, der Medjugorje gerettet hat, ich bin derjenige, der Medjugorje im Herzen trägt.“
Damals sagte Amirante auch:
„Ich habe den Segen des Papstes, es Ihnen zu sagen. Ich bin zu ihm gegangen, weil ich verstanden habe, daß die Gerüchte, die im Vatikan über Medjugorje kursierten, ein wenig verrückt waren, weil nur wenige Menschen aus dem Vatikan hierher gekommen sind. So erreichen ihn viele Nachrichten, die dann nicht wahr sind, darunter die, daß es 76.000 Botschaften gegeben haben soll. Das ist eine Nachricht, ich weiß nicht, seit wann sie kursiert, die Papst Franziskus glauben ließ, daß es wahr sei, daß die Madonna jeden Tag unterschiedliche Termine mit unterschiedlichen Sehern hatte, um unterschiedliche Dinge zu sagen. ‚Nein, Heiliger Vater, so ist es nicht, in Wirklichkeit sind es bis heute 682 Botschaften. Also verstehe ich, daß es ein wenig Zweifel aufkommen lassen kann, wenn man Ihnen erzählt, daß die Madonna jede Minute sagt: Jetzt gebe ich hier eine Botschaft und dann dort eine Botschaft.‘“
Was Papst Franziskus von seiner ursprünglichen Skepsis gegenüber Medjugorje abbrachte, sagte Amirante nicht. Der Hinweis auf die Anzahl der Botschaften war es sicher nicht. Vielleicht trifft es schon mehr der Umstand, daß Franziskus sich Amirante gegenüber als der rühmte, der „Medjugorje gerettet“ habe, aber das mögen psychologisch Fachkundigere beurteilen.
Mit dem heutigen Tag steht auch fest, daß der Bericht der sogenannten Ruini-Kommission, der zum Schluß gelangte, daß nur die ersten sieben Botschaften der Kinder von Medjugorje im Sommer 1981„unbeeinflußt“ gewesen seien und daher für eine Anerkennung in Frage kommen, während für alle anderen Botschaften feststehe, daß sie nicht übernatürlichen Ursprungs seien, in einer Schublade im Vatikan verschlossen bleiben wird.
Eine persönliche Anmerkung
Zur Frage der Echtheit kann ich nichts sagen. Sie war für mich, da außerhalb meiner Reichweite, nie von Relevanz und die sogenannten Botschaften empfand ich als ermüdend repetitiv. Insgesamt werte ich die heutige Entscheidung jedoch positiv, da die Früchte von Medjugorje, jenseits einiger unerfreulicher apparitionistischer Extreme, unübersehbar sind, wie wahrscheinlich jeder aus seiner näheren oder weiteren Umgebung weiß, während die Echtheitsfrage für die Bekehrungen, Heilungen und Berufungen letztlich sekundär ist. Gnaden schenkt Gott, wo es ein offenes Herz gibt. Medjugorje ist ein Ort, an den sich viele Menschen mit einem offenen Herzen begeben. Der Himmel läßt diese Bereitschaft nicht unbeantwortet. Darin zeigt sich das übernatürliche Wirken.
Erst vor kurzem erzählte mir jemand, um mir Medjugorje zu erklären, die Geschichte des Maria-Hilf-Bildes von Lukas Cranach. Das Original gelangte frühzeitig nach Innsbruck, während in Passau, im berühmten Mariahilf-Heiligtum, immer nur eine Kopie gezeigt wurde. Die zahlreichen überlieferten Gebetserhörungen und auch Heilungen ereigneten sich jedoch in Passau, nicht in Innsbruck. Nicht die Frage nach der Echtheit, also dem Original, war entscheidend, sondern das offene Herz der Menschen, die sich bereitwillig und vertrauensvoll an die Gottesmutter und durch ihre Vermittlung an Gott wandten. Das zeigt, welch unglaubliche Kraft in einem offenen Herzen liegt, da es als Antwort übernatürliche Gnadenströme auszulösen vermag. Um die Echtheitsfrage von Medjugorje mögen sich die Experten raufen. Sie ist weder für die Offenbarung noch für den persönlichen Gnadenempfang von Bedeutung.
Das gläubige Volk hat ohnehin längst über Medjugorje entschieden, auf seine Weise, mit den Füßen, durch einen ungebrochenen Pilgerstrom, der dort hinfließt. Das hat Rom nun zur Kenntnis genommen. Nicht mehr und nicht weniger. Doch das genügt angesichts der schwierigen Echtheitsfrage und den Notwendigkeiten kluger, väterlicher Führung, aber auch der römischen Ambivalenz und verschiedener kleinlicher Konflikte unter Experten, wie es sie von Anfang an auch zwischen den Franziskanern und dem Bischof von Mostar gab. Diese Ambivalenz bleibt ja bestehen. Erste Aufgabe der Kirche ist es, im Kontext von „Erscheinungsphänomenen“ Fehlentwicklungen, die von der geoffenbarten Wahrheit wegführen, zu korrigieren, aber nicht Gnadenströme abzuschneiden oder abzuwürgen.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Radio Maria Italien/Facebook (Screenshot)
Beide Ortsbischöfe, die bisher das Phänomen zu beurteilen hatten, sind zu dem gleichen Ergebnis gekommen, daß es in Medjugorje noch nie eine Marienerscheinung gegeben hat.
Das greift zu kurz. Es gibt ja auch (v.a. in der Anfangsphase) deutliche Zeichen des Himmels. Es ist ja nicht so, als würden nur offene Herzen genügen und das übernatürliche Wirken völlig irrelevant wäre. Fatima ist das Paradigma. Auch ein angekündigtes übernatürliches Zeichen am Erscheinungsberg ist und bleibt fester Bestandteil der zehn Geheimnisse!
Das greift auch zu kurz. Denn es gibt dort ja auch deutliche Zeichen der Hölle. „Nun fügte der Päpstliche Sondergesandte, Erzbischof Henryk Hoser, ein neues hinzu. Er beklagte, daß die Camorra, die neapolitanische Mafia, in dem herzegowinischen Ort mitmische.“ (aus katholisches.info)
Zunächst etwas allgemeines. Die Botschaften der Gottesmutter aus den letzten 200 Jahren sind sehr wichtig. Es gibt innerhalb der katholischen Kirche Menschen, die die Bibel als apokalyptische Offenbarungsquelle lesen. Und es gibt die, die sich den Marienbotschaften nahe fühlen. Es gibt zwei primäre Heilsvermittler. Jesus und die Gottesmutter. Ein neutestamentlicher Kanon liegt schon vor. Ein Marienkanon fehlt.
Gerade das Nichtvorliegen eines Kanons lenkt den Blick auf die eigentliche Realität, den die Marienverehrer in Bezug auf die Gottesmutter erleben: Es handelt sich um eine persönliche Erfahrung. Es geht um das Empfinden und um die hellseherische Wahrnehmung der Gottesmutter. Eine höchstsensible Geschichte, die im Denken der heutigen Zeit noch nicht so ganz erfaßt werden kann.
Wer also der Marianischen Strömung angehört, für den stellt die Einstufung durch den Präfekten in Rom einen großern Eingriff in den persönlichen Glauben dar. Wir, die konservativen Christen, müssen alles dafür tun, daß die Marienverehrer keinen Schaden durch die römischen Verlautbarungen nehmen. Die Verantwortlichen Akteure im Vatikan sind in den Botschaften der Mutter Gottes Angeklagte. Daraus ergibt sich erstens, es steht ihnen nicht zu, überhaupt ein Urteil zu fällen. Und zweitens wäre es waghalsig, ihnen gute Absichten bei ihren Urteilen zu unterstellen.
Medjugorje ist ein Problemkind unter den Erscheinungsorten. Es fehlt an der Strahlkraft und geistigen Klarheit der Seher aus Fatima oder Garabandal. Und 1984 sind die Botschaften in die Belanglosigkeit abgedriftet. Es gibt so viele Botschaften. Man sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht. Wo kann ich mich in den Wirren des Gerichtes festhalten? An den Botschaften aus Medjugorje eher nicht. Daraus ergibt sich eine Notwendigkeit, die Botschaften aus Medjugorje den Schafen der Kirche als tendenziell nicht heilsrelevant zu vermitteln.
Gerade das macht das aktuelle Urteil aus Rom verdächtig, weil es den Blick auf Belangloses lenkt.
Zu behaupten man sehe die Heiligste Jungfrau Maria obwohl man sie nicht sieht, ist Betrug. Und auf einem solcherart vergifteten Boden kann nichts gutes wachsen.
Ich halte überhaupt nichts von Medjugorje. Im 34. Jahrgangsheft 4/2018 (https://www.fkth.online/abstract.html?a=2018_4_Hauke_262_de) der Vierteljahresschrift „Forum Katholische Theologie“ kommt der Autor Manfred Hauke auf den Seiten 262 bis 287 zu dem Analyseergebnis: Die Erscheinungen der Gospa in M. sind dämonisch gewirkt. Eine Kommission des Vatikans hatte lediglich die ersten 7 der über 50 000 Erscheinungen als echt beurteilt. Hauke hält aber selbst diese ersten 7 Erscheinungen für unecht bzw. dämonisch – und seine Begründung finde ich sehr überzeugend.
Wenn ich Herrn Nardi recht verstanden habe, geht er selbst mittlerweile auch von guten Früchten aus, die von Medjugorje ausgehen. Mich wundert das etwas. Ich persönlich mache einen weiten Bogen um Medjugorje An diesem Ort mischen sich Einflüsse wie echte katholische Frömmigkeit, Ungehorsam, Okultes, Freikirchliches und theologisch Fragwürdiges miteinander. Ich denke, der Geist der Pfingstgemeinden hat sich unter das katholische Volk gemischt. Natürlich gibt es dort auch Bekehrungen und einen unglaublichen Wohlfühlfaktor unter dem betenden Volk. Auch sprachen sich G. Amorth und Maria Simma dafür aus, neuerdings auch Herr Helmuth Lungenschmidt (‚Mein Sterbeerlebnis‘). Zudem sind Anhänger des sogenannten Buches der Wahrheit begeistert von Medjugorje
Medjugorje fühlt sich für mich nicht gut an.